12 von 12 im Juni

Ich setze “12 von 12” mittlerweile als bekannt voraus, die anderen Ausgaben der zahllosen beteiligten BloggerInnen finden sich (ab 17 Uhr) hier. Wenn jemand “12 von 12” doch noch nicht kennt, man versteht das dann schon, wenn man sich dort etwas umsieht.
Moor

Der Tag beginnt mit längerer Bildbearbeitung, da wir gestern im Großen Torfmoor bei Hille/Lübbecke bei Minden waren. Ein Ausflug, ein Ausflug, da gibt es natürlich ein paar Fotos. Das ist übrigens ein empfehlenswerter Ausflug, hier noch etwas mehr zum Moor und in diesem Blog gibt es vermutlich auch in Kürze noch etwas. Norddeutsche singen bei einem solchen Anblick natürlich reflexmäßig alte Torfrock-Hymnen nach und haben dann tagelang höchst seltsame Ohrwürmer, es ist wirklich schlimm.

Wir sind also, man könnte ja auch vorne anfangen, in Nordostwestfalen, das erklärt auch diesen ländlichen Kaffeebecher.

Während ich also Bilder bearbeite und dann den Anfang vom nächsten Wirtschaftsteil schreibe, hört Sohn I Hörbücher, bzw. -spiele. Zu dem Buch im Bild kann man man natürlich einiges sagen, da fällt sozusagen pädagogisch einiges an, ich lese erst einmal heimlich in der Wikipedia nach, um hinterher profunde Allgemeinbildung vortäuschen zu können, ich habe hier auch einen Ruf zu wahren.

Danach geht es direkt mit dem nächsten Klassiker weiter, da lese ich aber nichts nach, der ist mir noch halbwegs präsent. Wenn ich mich recht erinnere, ist es der Roman von Verne, der in Hamburg beginnt.

Draußen auf den Feldern wächst das Getreide, an den Feldwegen blüht das Gras in wildester Pracht, das macht mich allergiemäßig fertig. Ich nehme Medikamente, die mich unsagbar müde machen. Versuche, mich am Vormittag deswegen noch einmal etwas hinzulegen, scheitern daran, dass die Söhne auf diesem Instrument aus der Hölle Musik machen, ich bin aber zu lethargisch, um ihnen hinterherzujagen. Ich schlafe dann doch kurz ein und träume irgendwas von Slash, das Unterbewusstsein ist schon faszinierend.

In Schwiegervaters Kochbuchsammlung finde ich dieses faszinierende Heftchen, interessant daran auch der Preis: stolze 4,80 DM hat die Broschüre des Vereins für die Deutsch-Chinesische Freundschaft damals gekostet, was mir irrwitzig teuer vorkommt, aber da täuscht die Erinnerung mittlerweile auch massiv, das habe ich schon mehrfach festgestellt. Es war eben nicht alles spottbillig, damals vor dem Euro.

Die Söhne bauen draußen auf dem Hof an Baumhäusern und sonstigen Gebilden, sie machen eben das, was in Hamburg nicht geht – und so muss das ja auch sein.

Und wenn man da etwas zusieht, dann hat man ganz erstaunlich lebhafte Erinnerungen an eigene Bauleistungen in der Kindheit oder in der Jugend, ich zumindest fühle da sofort mit, bis hin zu den Splittern in den Fingern und dem Hammer auf dem Daumen.

Wenn der Großvater mit im Einsatz ist, dann kommen auch solche tollen Rolldinger zustande.

Und ganz egal, was man baut, immer braucht man irgendwann Wasser, das hat mit Logik nichts zu tun. Zweck egal, Wasser gehört dazu, wenn man draußen spielt. Aus dem Schlauch, aus dem Eimer, aus der Regentonne, egal. Wasser ist eben eines der besten Spielzeuge überhaupt.

Zum Schluss gibt es im Garten noch Schokoladenkuchen von Oma, der so schmeckt, dass die Herzdame ihn demnächst auch einmal fürs Blog backen wird. Wenn wir dazu kommen sollten.

Und damit ab nach Hamburg, der Rest des Tages ist Autobahn und Auspacken, wir schließen hier.

Lauch-Börek aus der Pfanne

Türkei Vegetarisch

Rezepte gab es hier schon erstaunlich lange nicht mehr, es wird wieder Zeit. Und es geht los mit einem wirklich einfachen Rezept, mit sehr wenig Zutaten. Es kommt sogar ganz ohne Gewürze aus, es ist ratzfatz fertig und es schmeckt ganz außerordentlich gut.

Türkei Vegetarisch

Es ist ein Rezept aus dem ohnehin empfehlenswerten Buch “Türkei vegetarisch”, von Orkide & Orhan Tancgil, in der von Katharina Seiser herausgegebenen Vegetarisch-Reihe, die kam hier auch schon mit den Bänden zu Deutschland, Österreich und Italien vor. Der gerade erschienene USA-Band ist zwar noch in der Warteschleife (September 2016), aber bei mir fest im Programm. Das Buch zur Türkei ist – wie alle Bände der Reihe – nach Jahreszeiten eingeteilt, wer also saisonal kochen möchte, wird das zu schätzen wissen. Meinetwegen könnten sich gerne mehr Kochbücher so aufteilen, ich finde das sinnvoll.

Orkide und Orhan sind übrigens vielleicht von ihrem Blog bekannt, auch das kann ich sehr empfehlen. Die türkische Küche empfinde ich ja ohnehin als permanent unterschätzt, es lohnt wirklich, sich damit zu beschäftigen.

Nun zum Lauch-Börek, zur schnellen Küche. Das ist wirklich fix gebastelt, und man kann die Mengen der wenigen Zutaten auch aus dem Handgelenk schätzen, das Rezept verzeiht ein wenig Ungenauigkeit.

Lauch-Börek Zutaten

Wir brauchen bloß:

1 kleine Zwiebel

2 Stangen Lauch

150 g Beyazs Peinir, das ist türkischer Salzlakenkäse, den man in türkischen Läden in diversen Fettgehaltstufen bekommt

2 Eier

2 – EL Olivenöl

100 ml Milch, natürlich gerne Bio, nicht wie in meinem Bild, Bio war aus.

2 runde, große Yufka-Blätter, die bekommt man auch mit Sicherheit in jedem türkischenGeschäft oder in größeren Supermärkten.

Vor dem eigentlichen Rezept eine Entschuldigung, die gleichzeitig eine Empfehlung ist. Es gibt nämlich kein attraktives Foto vom fertigen Gericht, weil wir es, das ist mir tatsächlich noch nie passiert, aus lauter Gier zu schnell gegessen haben. Wie auch die anderen Bilder diesmal eher nebenbei entstanden, es musste alles sehr schnell gehen. Pardon, aber wir hatten wirklich großen Hunger. Das ist eine gute Gelegenheit, etwas zur Menge zu sagen: Für zwei richtig hungrige Menschen reicht das Rezept so wie hier beschrieben reichlich aus, beim letzten Bissen hat man dann vielleicht schon etwas Mühe. Wenn die Menschen aber nur normal hungrig oder auch einfach gesittet und bescheiden sind, reicht die oben angegebene Menge auch locker für vier Personen. Man kann Reste auch sehr gut kalt im Büro essen.

Die Zwiebel wird zerhackt, der Lauch wird in Scheiben geschnitten, laut Kochbuch mit 2/3 vom Grün. Beides in einer Pfanne mit etwa Olivenöl bei geschlossenem Deckel dünsten, rund zehn Minuten, mehr schadet erwiesenermaßen nicht.

Käse

Den Käse mit einer Gabel zerdrücken, nach zehn Minuten auch in die Pfanne geben und gründlich untermischen.

Lauch und Salzlakenkäse

Die Eier mit dem Olivenöl und der Milch in einer Schüssel verrühren.

Und nun zitiere ich das Kochbuch, weil es so herrlich kompliziert klingt, aber eigentlich ganz einfach ist: “In eine beschichtete Pfanne […] 2 EL Olivenöl geben, 1. Yufka-Blatt mittig plazieren, so dass die Ränder überhängen.Das 2. Yufka-Blatt vierteln, ¼ davon leicht knittrig in die Pfanne legen und etwas Milch-Ei-Sauce darauf tröpfeln. Wieder ¼ Teigblatt in die Pfanne geben, Hälfte der Lauch-Füllung darauf verteilen. Die beiden letzten Teigteile ebenfalls locker einlegen und mit etwas Milch-Ei-Sauce begießen. Den rest der Füllung darüber verteilen. […] Überhängende Teigränder in die Pfanne falten. Mit dem Rest der Sauce bestreichen.”

Lauch-Börek-Faltkunst

Lauch-Börek-Faltkunst

Lauch-Börek

Wenn jemand Yufka-Teigblätter nicht kennt – die reißen sehr leicht, also unbedingt vorsichtig anfassen, denn zumindest das untere, das zuerst als Boden in die Pfanne kommt, muss heil bleiben. Beim Rest ist es eigentlich egal, in welchem Ausmaß der Unordnung das in der Pfanne landet, ob nun Viertel, Drittel, Fetzen – das wird schon.

Yufka-Blätter

Das wird dann, nachdem man die Ränder zugeklappt hat, bei mäßiger Hitze gebraten, bis es von unten goldbraun ist. Was allerdings gar nicht so einfach festzustellen ist, denn wenn man es zu früh anhebt, zerreißt alles. Man kann es aber recht simpel mit einem Teller stürzen und nachsehen. Dann die andere Seite ebenso braten – fertig. Die braune Farbe wird in “goldbraun” übrigens nicht umsonst erwähnt, die darf schon ausdrücklich vorkommen.

Zum Schluss noch schnell ein belegtes Brot für die Kinder machen, denn Lauch-Börek essen die Banausen natürlich wieder nicht. Also zumindest die Banausen in diesem Haushalt hier nicht, aber darauf nehme ich bekanntlich keine Rücksicht.

Lauch-Börek

Beim ersten Mal denkt man über dieses Falten und Vierteln noch nach, beim zweiten Mal macht es sich schon von selbst. Wie Sohn II sagen würde: „BÄMM, fertig.“

Instagram-Geschichten, noch einmal

Auf diesem Bild sieht man die Söhne, die barfuß in einer Pfütze stehen. Es war warm in Hamburg, es hatte in der Nacht davor unwetterartig geregnet, es gab viele und tiefe Pfützen, die in der Sonne des Vormittags allmählich verschwanden.

Aufgenommen habe ich das bei einer Wanderung mit den Jungs, wir unternehmen nämlich, aber darum geht es eigentlich gar nicht, gerade Testwanderungen. Wir haben hier einen Vater im Stadtteil, der mit seinem kleinen Sohn auf dem Fahrrad nach Berlin gefahren ist, mit ein paar Übernachtungen natürlich. Das fanden die Söhne sehr inspirierend, allerdings abzüglich des Fahrrads. Aber irgendwie unterwegs sein, und nachts irgendwo einkehren, wie toll mag das denn sein? Da fand sich dann irgendwie die Verbindung zu meinem lang gehegten Plan, Schleswig-Holstein zu Fuß zu umrunden, und plötzlich klang das für den Nachwuchs äußerst interessant, das könnte man doch eventuell gemeinsam – und schon sahen wir uns Landkarten an.

Ich habe aber gar keine Ahnung, wie weit die beiden eigentlich kommen, also wurden Testwanderungen beschlossen, erst einmal von Sankt Georg nach Blankenese, dann durch den Sachsenwald, was in Hamburg eben naheliegt und ohne große Aufwand zu machen ist. Dazu schreibe ich in einem anderen Artikel noch etwas, das war eine interessante Erfahrung, lehrreich auch für mich.

Es geht aber eigentlich um die nackten Füße. Denn an warmen Tagen gehen die Söhne barfuß. Das kam mir immer schon ziemlich naheliegend vor und ja, wir wohnen mitten in der Stadt. Barfuß zu gehen, das scheint nun für erstaunlich viele Erwachsene ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, jedenfalls wenn man nicht in der eigenen Wohnung, am Strand oder in einem Barfußpark ist. Denn da draußen ist alles dreckig, voller Scherben und Wespen und so weiter, man nimmt quasi sofort Schaden, wenn man nur einen unbeschuhten Fuß vor die Tür setzt. So schlimm ist das, dass man den Vater, der die Kinder ohne Schuhe laufen lässt, unbedingt darauf ansprechen muss, dass das nicht geht, überhaupt nicht geht, was er da mit den Kindern macht. Wegen der Scherben und wegen des Drecks und der Wespen und überhaupt! Ist ja ein Ding! Und ich sage, dass man doch sieht, dass das geht, bzw. dass die Kinder gehen. Einfach so. Seit Jahren schon. Wenn die Söhne das Gespräch mitbekommen, weisen sie vielleicht darauf hin, dass sie einen Onkel haben, der das ganze Jahr barfuß läuft, dann lässt man meist wieder von uns ab, denn bei uns ist eh Hopfen und Malz verloren, das versteht dann jeder.

Das Bild entstand auf dem Wanderweg am Elbufer, das ist ein sandiger und fester Weg. Wenn man da nicht barfuß laufen kann, dann weiß ich es auch nicht. Ich bin an dem Tag viermal deswegen angesprochen worden und habe dann doch ein wenig am Verstand der Mitmenschen gezweifelt. Jeder müsste doch zurückdenken können, bis er sich wieder an dieses beglückende Gefühl erinnert, mit nackten Füßen in einer Pfütze zu stehen? Und wenn jemand meint, das nicht zu können, dann denkt er doch nur nicht weit genug zurück, nicht wahr. Es ist ganz entschieden eine Sommerglückerinnerung und man müsste doch sogar noch wissen, dass es ganz verschiedene Pfützen gab. Frische, aprilregenhaft kalte Pfützen, abgestandene und sonnendurchglühte Pfützen. Ganz klare Pfützen auf Asphalt und unergründliche Schlammlöcher auf Feldwegen, das ist doch alles wichtig und interessant und wenn ich mir auch nur ein ganz wenig Mühe gebe, dann fühle ich die Pfützen noch in den Füßen, das ist doch keine Esoterik, man behält so etwas doch. Auch die späteren Meerwasserpfützen am Strand mit dem messerscharfen Muschelkalk darin weiß ich noch, auch die Lehmlöcher am Steilufer und die schräg hingetuschten Gischtpfützen auf einem Steg an einem Sturmtag an der Ostsee.

Und wie man wieder aus den Pützen stieg und diese nasse, dunkle Kinderfußspur machte, die sich an heißen Tagen schon nach wenigen Schritten wieder in der Sonne auflöste, die dünner und blasser wurde, als hätte sich das Kind, das die Spur gelegt hat, selbst beim Gehen in Luft aufgelöst. Oder das Gefühl, mit nassen Füssen über einen trockenen Sandweg zu gehen, so dass man bis zu den Knöcheln Staubschuhe anhatte, die schwarz und hart wurden, Risse bekamen, wegbröckelten und wenn man sich in Gras setze, konnte man daran herumpulen und das war schön.

In dem Text, an dem ich gerade arbeite, kommen Kinder ganz sicher nicht vor, sonst würde ich da jetzt glatt und schon aus reiner Bockigkeit etwas zum Thema einbauen, denn da hat man doch schon wieder genug für eine Geschichte zusammen. Diese hysterischen Erwachsenen heute einerseits, die gar nicht hinsehenden Eltern damals andererseits, das kann man in zwei, drei Szenen schön aufbauen. Da erinnert sich das erzählende Ich plötzlich an seine eigene Barfußzeit, da kommt der Kindheitssommer mit den Pfützenarten ins Spiel, ich mag solche Themen. Und weil das erzählende Ich sich an Kindheitssommertage erinnert, kommen da auch irgendwann seine Eltern vor, die die Kinder abends zum Essen reinrufen, und die zueinander natürlich irgendwie in Beziehung stehen. Und wenn man sich daran schon erinnert, dann fällt dem erzählenden Ich auch ein, in welcher Beziehung es selbst gerade zur Partnerin steht und wie von selbst vergleicht sich das und alles ist verbunden (verknubbelt, wie Snoopy sagen würde) durch den Gegensatz zwischen dem wilden, gefährlichen, freien Barfußgehen und dem braven, sicheren Schuhwerk und BÄMM!, wie Sohn II sagen würde, hat man eine feine Kurzgeschichte und nennt sie “Pfützen, später” oder was weiß ich.

Der Sohn liebt es gerade sehr, wenn sich Themen mit einem BÄMM!-Effekt auf den Punkt bringen und abkürzen lassen, so ein BÄMM! ist befriedigend und erleichternd.

Ich: “Ist es denn heute nicht zu kalt, um barfuß zu gehen?”
Sohn II: “Dein Bruder geht immer barfuß. BÄMM!”

Instagram-Geschichten

Ich werde auf dem Gedanken der Instagram-Geschichten vermutlich noch etwas herumreiten, weil ich den Zusammenhang zwischen Bild und Text, der sich manchmal erst im Nachhinein erschließt, doch faszinierend finde und weil ich das an wenigstens zwei Beispielen noch etwas verdeutlichen möchte. Denn das, was man als Motiv wahrnimmt, könnte man sehr oft – wenn auch sicher nicht immer – auch als Textmotiv wahrnehmen, man muss im Kopf nur ein wenig umschalten. Man bleibt mit dem Blick und dem Interesse nicht ohne Grund irgendwo hängen, da ist noch mehr als nur das offensichtliche Motiv.

Ein schönes Beispiel ist dieser Vogel hier unten am Ende des Textes, wie man unschwer erkennt, ist es ein Kolibri. Davon gibt es erstaunlich viele im Stadtteil, in vielen Farben. Ich habe etliche davon fotografiert, manche auch öfter. Sie entstanden alle vor etlichen Jahren in bemerkenswert kurzer Zeit, da hat sich jemand nachts richtig ausgetobt und ein Haus nach dem anderen verziert. Das ist an sich schon eine Geschichte wert, denn warum macht das jemand? Ausgerechnet Kolibris in Sankt Georg? So viele? Dazu weiß ich allerdings nichts und spontan hatte ich auch erst einmal keine Story-Idee dazu.

Aber als Isa mich fragte, ob ich für die Insel-Anthologie etwas schreiben könne, fielen mir diese Vögel wieder ein und ich dachte etwas auf ihnen herum, weil sie zu diesem Zeitpunkt meine älteste Schreibideennotiz waren: “Was mit den Kolibris” stand da, gefühlt schon seit Ewigkeiten.

Kolibris sind exotisch, Kolibris kommen aus den Tropen, welchen Zusammenhang gibt es zwischen Hamburg und den Tropen, zwischen Norddeutschland und den Tropen? Gab es in meiner Jugend nicht mal ein, zwei Werbespots im Kino, in denen es um tropische Motive ging und die jeder kannte? Und war zu dieser Zeit nicht auch diese Sache mit der Insel in der Ostsee, die es heute nicht mehr gibt …

Daraus wurde dann schließlich “Im Jahr der Kolibris” und falls jemand dieses Buch liest – so sehen die Vögel hier im Stadtteil aus:

Reden Sie langsam, ich wohne Dach

Es ist ein wenig warm um mich herum, sowohl im vormittäglichen Büro als auch am nachmittäglichen mehr oder weniger freien Schreibtisch. Genau genommen ist es so warm, nein, heiß, seien wir ruhig brutal offen, es ist so verdammt heiß, dass ich alle eingehenden und wie auch immer gearteten Versuche der Kontaktaufnahme stereotyp mit “Reden Sie langsam, ich wohne Dach” beantworte, denn Dachgeschoßwohnungen und sonnenverwöhnte Büros sind bei Hitzewellen eine Art Niedriggarmethode, und mein Hirn ist allmählich gut durch und nur noch bedingt einsatzbereit.

Ich schreibe dennoch stoisch weiter jeden Tag eine Seite am Manuskript. Es ist vermutlich blühender Unsinn, was ich da schreibe, aber egal. Ich werde das erst nachlesen, wenn es wieder etwas kühler ist. Oder im Herbst. Oder an den langen Winterabenden, das stelle ich mir auch nett vor, so am Kamin mit dem ausgedruckten Manuskript in der Hand. Wobei ich gar keinen Kamin habe, irgendwas ist echt immer. Bis dahin jedenfalls spinne ich einfach Text knäuelartig und eher unordentlich auf die Seiten, soll doch ein späteres Ich sehen, ob es das entwirrt bekommt, was geht das mein jetziges Ich an, das jetzige Ich schmilzt eh gleich.

Was ich aber sagen wollte – neulich hatte ich diese Idee – das war also zu der Zeit vor der Hitzewelle, als ich noch Ideen hatte, das war eigentlich ganz schön, diese Periode – dass ich zu meinen Instagrambildern noch Geschichten aufschreiben könnte. Weil es manchmal eben doch etwas Kontext gibt, der sich aus dem Bild nicht erschließt und weil es doch schade ist, Geschichten nicht zu erzählen. Das habe ich dann auch brav dreimal angefangen und jedesmal ist die Story dann aber doch ins Manuskript gewandert, weil sie plötzlich geradezu sensationell brauchbar wurde und irgendwo genau in den Kontext hineinpasste, so ein längerer Text ist ja der reinste Ideenstaubsauger, es ist wirklich schlimm. Also etwa bei diesem einen Bild aus Eppendorf, das ganz in der Nähe eines Hauses entstand, in dem ich einmal bei einer Ärztin war, die mich zu Beginn des Gesprächs nach meinen Problemen fragte und ich aus Spaß dann mit einer psychischen Störung antwortete, die ich gar nicht hatte, was sie mir aber dann hartnäckig nicht glaubte, dass ich die nicht hatte – und das ist dann jetzt eine längere Szene geworden, obwohl der Text anonsten gar nicht autobiografisch ist, aber so geht das zur Zeit und deswegen stehen hier gerade eher keine Geschichten, die landen alle woanders und sind erst einmal so etwas von weg.

Damit hier überhaupt noch etwas steht, muss ich wohl ab und zu über dieses Schreiben etwas schreiben, mich beschäftigt eh nicht viel anderes zur Zeit, so sieht es doch aus. Dazu dann in Kürze mehr. Wenn es etwas kühler ist.

Kurz und klein

Buchverlosung: “Irgendwo ins grüne Meer”

"Irgendwo ins grüne Meer"

 

Heute ist James-Krüss-Geburtstag! Von dem Herrn ist, viele werden es wissen, die titelgebende Zeile der Insel-Anthologie von Isabel Bogdan und Anne von Canal. Falls es jemand nicht kennt, es handelt sich tatsächlich um ein wundervolles Zitat, das in der vollen Version so geht:

“Irgendwo ins grüne Meer hat ein Gott mit leichtem Pinsel,

lächelnd wie von ungefähr, einen Fleck getupft: Die Insel!“

In der Anthologie ist, wie berichtet,  auch eine Story von mir zu finden, die übrigens mit einer real existierenden Insel zu tun hat, auf der Sie mit fast hundertprozentiger Sicherheit nicht waren und auf die Sie jetzt auch vermutlich nicht mehr so leicht kommen können. Ich war da auch nicht. Oder doch, aber anders als man es sich vorstellt. Aber das führt jetzt entschieden zu weit, das kann man ja im Buch nachlesen.

James Krüss jedenfalls war bekanntlich Helgoländer, Helgoland war auch mit dem Zitat gemeint, diese Insel kommt allerdings durch irgendeinen seltsamen Fehler in der Matrix gar nicht im Buch vor, was wiederum mit ein Grund ist, warum in meinem aktuellen Manuskript Helgoland sehr wohl vorkommt, das ist quasi ein nachgehendes Thema bei mir.

Diese ganze Inselei verhilft mir aber zu einer passenden Idee bei einer Buchverlosung – gewinnen kann man hier nämlich ein Exemplar von “Irgendwo ins grüne Meer”. Dazu muss man nur in einem Kommentar unter diesem Text angeben, auf welcher Insel man zuletzt war – wo auf der Welt auch immer. Zum allgemeinen Nutzen kann man natürlich auch noch dazuschreiben, wie großartig oder wie auch immer es da war, das muss aber nicht. Wer also noch nie auf einer Insel war, darf leider nicht teilnehmen und sollte das zum Anlass nehmen, über sein Leben und seine Urlaubsplanung nachzudenken, es wird dann allmählich Zeit.

Bitte bis spätestens Donnerstag kommentieren, am Freitag zieht die kapriziöse Glücksfee Sohn II, der vielleicht doch eher ein Glückstroll ist,  dann die Gewinnerin. Oder den Gewinner, schon klar.

Ich verschicke nur an Adressen aus Deutschland, wer also aus Timbuktu teilnimmt, braucht bitte einen Freund vor Ort. Bitte im Kommentarformular eine funktionierende Mailadresse angeben, sonst klappt es nicht mit der Benachrichtigung.

Und drüben bei Isa kann man auch so ein Buch gewinnen, der Beitrag dazu geht in Kürze online, wie toll ist das denn! Da aber mit ganz anderen Kommentaren. Hihi.

Briefkastenonkel Buddenbohm

Da es so netten Zuspruch gab, mache ich also eine Rubrik aus dem Briefkastenonkel-Format, es geht gleich weiter mit der zweiten Folge. Sehen wir uns also wieder an, mit welchen Suchanfragen Menschen auf diesem Blog gelandet sind.

“Was tun mit Kindern bei Regen”

Das klingt wie ein Scherz oder so, als sei das Kind an sich eher Outdoorzubehör, aber das googeln Menschen wirklich häufig, sobald es irgendwo im deutschsprachigen Raum regnet, also immer. Vermutlich handelt es sich um einigermaßen verzweifelte Menschen, würde man sonst mit so einem Satz vor dem Computer landen? Wie ratlos und entnervt muss man sein? Und wie einfallslos? Beim letzten Regen haben wir, um hier mal einen pädagogisch vollkommen unbrauchbaren Ratschlag – don’t try this at home! – zu geben, mit Sohn I das Kartenspiel Uno um Geld gespielt, also um geringste Summen natürlich, und wir haben außerdem erlaubt, dass sich alle Spieler gegenseitig wüst beleidigen. Was soll ich sagen, wir hatten sehr, sehr viel Spaß.

“Wir suchen eine Wohnung”

Ja, wer denn nicht? Suchen wir die nicht alle irgendwie? Aber ist das vielleicht ein Grund darüber öffentlich zu reden, ist es ein Grund, haltlos Suchmaschinen mit zaghaften Sätzen vollzujammern, ist es ein Grund, sich so gehen zu lassen? Eine Wohnung suchen wir alle, seit Jahren suchen wir die, wir haben schon Wohnungen gesucht, als es noch gar nicht cool war Wohnungen zu suchen! So sehr suchen wir eine Wohnung, dass wir nicht einmal mehr Immobilienanzeigen ansehen, weil es so deprimierend ist, dort nur noch Zweizimmerwohnungen zu Wahnsinnspreisen im fortgeschritten lächerlichen Bereich und mit Ausstattungsmerkmalen wie etwa “Bambusparkett” zu finden, als ob irgendjemand Bambusparkett brauchen würde, echtjetzmal, ich weiß nicht einmal, wie das aussieht. Es gibt nichts, gar nichts, nada in bezahlbar und mit vier Zimmern, von mehr Zimmern ganz zu schweigen. Es gibt keine, absolut gar keine Wohnung, die wir bezahlen könnten. Also zumindest nicht dort, wo sie sein sollte, um naheliegenden Kommentaren vorzubeugen. Für den Preis unserer aktuellen Wohnung wiederum könnten wir im nahen Mecklenburg vermutlich locker einen mittleren Gutshof mieten, mit Personal, Fischteich und Weideland, aber wer will dahin? Was soll ich mit Weideland? Und macht Personal nicht nur Ärger? Aber egal, das trägt man alles mit Fassung und lebt so darüberhin und rückt eben etwas zusammen, so groß sind die Kinder auch noch nicht, und im weltweiten Vergleich haben wir immer noch verdammt viel Platz, das muss man auch sehen. Was soll man auch machen. Noch darüber bloggen oder was? Wo kommen wir denn da hin?

“Walle, walle”

Das ist aus Goethes Zauberlehrling, und weil das hier ja eine nostalgische Rubrik ist, verweise ich auf den Rat, den ich im damaligen Artikel zum Gedicht einmal gegeben habe, der ist nämlich immer noch goldrichtig und guck an, das ist auch schon ein paar Jahre her.

“Schlaggermaschü”

Das ist die hamburgisch-plattdeutsche Bezeichnung für Schlagsahne und ein wunderbares Beispiel, warum op Platt alles entspannter, netter und erfreulicher klingt. Man denke sich einfach ein schönes und regional sowie saisonal passendes Stück Erdbeertorte, irgendwo in einem prächtig blühenden Garten vielleicht unter Bäumen serviert, so im Halbschatten bei angenehmen Temperaturen – und der gastgebende Mensch fragt freundlich: “Noch Schlaggermaschü?” Das ist hier quasi traditionelle Wellness, wer sich dabei nicht entspannen kann, dem ist eh nicht mehr zu helfen.

It’s a happy thing – Social Dance

Diesen Film habe ich gerade auf Vimeo gefunden, ein paar schöne und absolut zutreffende Statements zum Lindy-Hop.

It’s a happy thing from Sax Film on Vimeo.

Und dann gleich noch einen hinterher, ein Werbeclip der Lindy-Hopper aus Brighton, wo übrigens die Kaltmamsell gerade war, aber in diesem Zusammenhang hier ist Brighton überall. Oder doch zumindest überall, wo es eine Lindy-Hop-Szene mit Kursen und Events gibt.

Brighton Lindyhoppers Promotional Clip from Mathew Keller on Vimeo.

Da fällt auch der Satz “You don’t need a partner”, und das scheint vielen nicht klar zu sein, wie ich in Gesprächen mit Nichttanzenden oft merke. Lindy-Hop ist ein sogenannter Social Dance, es gehört zum geselligen Aspekt, dass man dabei nicht abendelang an seiner Partnerin oder an seinem Partner klebt, sondern ziemlich kategorisch wechselt, sowohl in Kursen als auch auf Partys. Man tanzt also ausdrücklich dauernd mit anderen Menschen, mit großen, kleinen, dicken, alten, jungen, männlichen oder weiblichen Menschen aus woher auch immer. Man lernt sich kennen, man hat Spaß, man ist social, ganz ohne Medien, das geht auch. Und wenn man erst einmal ein paar Grundschritte kann, ist es eine höchst interessante neue Variante des Kennenlernens, sich mit dem ganzen Smalltalk nach ein, zwei Sätzen auf die Tanzfläche zu verlagern. Ich finde es großartig, da hätte ich früher drauf kommen sollen.

Man kann sich auch solo in Kursen anmelden, es ist nur etwas einfacher für alle, wenn man sich zu zweit anmeldet – nicht, um dann zu zweit als Paar zu tanzen, sondern damit das Verhältnis Leader/Follower in den Kursen halbwegs aufgeht. Für den Zweck kann man allerdings auch entfernt bekannte Menschen rekrutieren.

Die Herzdame und ich haben auch beide alleine angefangen, das geht also wirklich. Man muss absolut nicht warten, bis der ehelich oder sonstwie liebend verbundene und möglicherweise vollkommen lustlose Mensch sich endlich dahin prügeln oder nörgeln lässt, man kann einfach machen. Die Szene ist nett, der Tanz ist mit wunderbar albernen Elementen gesegnet, die Musik ist lässig und die Lieder oft auch fortgeschritten albern, wenn man einmal auf die Texte achtet. Man sollte den Gedanken an verkrampfte Anstrengungen aus vormaligen Standard-Latein-Kursen wirklich komplett vergessen, es ist definitiv etwas anderes.

Man kann sich natürlich dennoch auch beim Lindy-Hop anstrengen, man kann Ehrgeiz haben, man kann etwas lernen wollen – aber es ist doch auf einer ganz anderen Schiene. Einfach lässiger. Alberner. Besser. Zumindest für mich.

SWINGLAND from Sophie Teasdale on Vimeo.