Gastrezension

Hier oben steht “Buddenbohm & Söhne” und tatsächlich ist es auch ein Familienbetrieb, auch wenn man das nicht an jedem Text merkt. Aber die Herzdame regelt die Technik des Blog und die ganze Hardwarewelt, liefert Content und übernimmt unfassbar viele andere Aufgaben, damit für mich Zeit zum Schreiben frei wird. Die Söhne machen Ausflüge für Kolumnen mit, liefern auch schon mal Ideen für Geschichten und verstehen allmählich mehr und mehr den Jobcharakter, den dieses Internet oft für mich hat. Und überlegen, wo und wie sie helfen können, das ist nicht anders als früher in den Handwerksbetrieben. Ich habe auch bereits als kleines Kind in der Glaserei meines Vaters geholfen.

Sohn II fragte, was ich lese. Ich habe ihm den Titel vorgelesen. Er fragte weiter, ob ich darüber schreiben würde. Ich erklärte ihm, das ich über Bücher meistens tatsächlich etwas notiere, aber nicht viel. Er sagte, das könne er doch auch machen. Sohn II ist bemerkenswert tatkräftig und schreckt vor großen Aufgaben nicht zurück, auch nicht vor feuilletonistischen Jobs. Dass er noch gar nicht nicht lesen kann – das würde nur kleinere Geister aufhalten, das sind Petitessen. Hier also seine erste Gastrezension zu einem Werk von Arno Geiger:

Sally

“Das Buch heißt Alles über Sally, das steht auch vorne drauf, das fängt mit einem A an, das ist der Buchstabe da. Vorne ist eine Frau drauf, die ich nicht schön finde, deswegen würde ich das Buch nicht lesen. Weil nämlich, dafür ist das Buch auch ziemlich dick. Das Buch kann weg. Schreib das so.”

Ich behalte mir allerdings vor, nach Lektüre des Buchs evtl. eine andere Meinung als der Sohn zu vertreten. Versteht sich. Zumal mir das letzte Buch von Herrn Geiger, “Der alte König in seinem Exil”, besonders gut gefallen hat. Aber das ist ja auch bei Familienbetrieben oft so, dass die nachfolgenden Generationen in der Tradition bleiben, aber doch den Job irgendwie anders machen wollen. Damit muss man leben können.

Woanders – diesmal mit der Zeit, der Digitalisierung, Sohn II und anderem

Ein Interview über die Zeit, die Kinder zum Lernen brauchen.

Ein Artikel über die Digitalisierung in der Hamburger Staatsbibliothek.

Isa war mit Sohn II beim Schwimmkurs.

Ein Rant über Skandinavien.

Ein Limerick.

Eine großartige Uhr. Diese Uhr auf den Schreibtisch stellen und dann pausenlos über die Sinnlosigkeit von allem nachdenken. Das wär’s doch.

Vincent van Goghs Bilder in einem animierten Film.

Noch ein Film: Faces of Nepal.


 

Dialog am Nachmittag

#hamburg #stpauli

Sohn I: „Papa, diese Schlösser mit den Namen drauf und den Herzen und so…“

Ich: „Ja?“

Sohn I: „Die sind alle von Leuten aufgehängt worden, ja?“

Ich: „Ja, natürlich.“

Sohn I: „Und die sind alle verliebt oder was?“

Ich: „Ja,. Oder sie waren es mal.“

Sohn I: „Das ist ja die Seuche.“

Kunst kommt von Können

Den Satz haben wir alle schon gehört: “Kunst kommt von Können”.  Weil man etwas trainieren muss, bevor man produzieren kann. Weil Übung den Meister macht, weil Hänschen was lernen muss, damit Hans etwas kann usw. Wenn man als Erwachsener zeichnen soll und nicht gerade Künstler ist, dann glaubt man den Satz sofort. Denn was bekommt man schon hin? Fehlgestaltete Tiere mit grauenvollen Proportionen, peinlich dumme Gesichter, eher Fratzen als Porträts. Man muss wirklich viel, viel üben, bevor man etwas so zeichnen  kann, das man es selbst als Kunst durchgehen lassen würde.

Sohn II, das fiel mir neulich auf, malt bisher nicht oder nur selten. Ich habe überlegt und mir fiel nicht ein, wann das Kind jemals vor meinen Augen gemalt hätte. Aber wo gibt es denn so etwas? Nichtmalende Kinder? Haben wir da in der Erziehung etwas vergessen? Beim zweiten Kind nimmt man nicht mehr alles so genau, da passieren schon einmal Fehler. Ich habe ihm sofort Papier und Stift hingelegt und auffordernd geguckt. Er hat den Stift genommen, eine Weile das leere Blatt betrachtet und dann zwei dünne Striche produziert. Krakelig, unsicher und abgebrochen.  Zwei verlorene Kinderlinien, ganz nah am Rand des Blattes. Er guckte lange und nachdenklich auf seine kaum sichtbaren Striche.

Das tat mir leid, man kann so etwas als Vater kaum mitansehen. Vielleicht sollten die beiden Striche ein Mensch werden, ein Baum, ein Hund, ein Haus? Es ist so unendlich schwer, den Impuls der Gedanken in adäquate Bewegungen der Hand umzusetzen. Es dauert so lange, bis man etwas kann und der Wunsch danach ist so groß. Das ist doch furchtbar. Dachte ich.

Bis der Sohn den Stift weglegte und mir mit einem letzten Blick aufs Blatt beiläufig mitteilte: “Papa, ich könnte eigentlich auch Maler werden. Kunst kann ich jetzt ja. “

(Dieser Text erschien als Sonntagskolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

Gelesen, vorgelesen, gesehen, gespielt und gehört im Februar

Gelesen
Posch

 

Alexander Posch: Sie nennen es Nichtstun. Ein Hausmann schreibt über das Leben mit Kindern und ohne klassischen Beruf im spektakulär langweiligen Hamburger Stadtteil Rahlstedt. Um Rahlstedt den Nichthamburgern kurz zu erklären – ich bin hundertprozentig sicher, schon einmal dagewesen zu sein, kann mich aber beim besten Willen an nichts erinnern. Das reicht als Beschreibung. Dort lebt ein Vater, versorgt die Kinder, starrt auf rätselhafte Nachbarn, wartet auf die Mutter, die abends vom Job zurückkommt. Und er wird genau so wahnsinnig, wie es alle Hausfrauen und Mütter vor ihm geworden sind, auch wenn die männliche Variante des Wahns in den Details etwas anders ausfällt. Flüchtet sich in Phantasien, schwarzen Humor und Depressionen, liebt und verflucht die Kinder, weiß keinen Ausweg und sucht das richtige Leben im falschen. Komisch und bitter. Alexander Posch ist auf der nächsten Lesung in unserer kleinen Reihe, siehe hier.

 Istrati

Panait Istrati: Kyra Kyralina. Deutsch von O.R. Sylvester. Es ist eine gute Zeit, sich an den rumänischen Beitrag zur Weltliteratur zu erinnern, fand ich, auch wenn die Bücher in der französischen Sprache geschrieben wurden. Einer der großen Erzähler Europas, er wird wohl kaum noch gelesen. Schade, denn es sind große Geschichten, die da erzählt werden. Aus einem südosteuropäischen Märchenland, das man sich heute kaum noch vorstellen kann. “Orientbunte Prosagirlanden” hat das der Spiegel einmal genannt. Passt schon.

Albert Algoud: Hunderttausend Höllenhunde – Haddocks Einmaleins des Fluchens. Übersetzt und bearbeitet von Marcel le Comte. Sämtliche Flüche aus allen Abenteuern von Tim und Struppi lexikalisch aufbereitet und umfassend erklärt. Das ist grandios, Ihr Anthropopitheken, Ihr Faschingsmussolinis, Ihr Rollschwanzaffen! Ein quasi unentbehrliches Nachschlagewerk, gehört in jeden Haushalt. Hagel und Granaten!

Kurt Tucholsky. Im Laufe des Monats ein paar Mal ins Regal gegriffen und kreuz und quer im Tucholsky gelesen und oft hängengeblieben. Er war dann doch einer der Besten, nicht wahr?

Gustav Schwab: Sagen des klassischen Altertums. Lese ich gerade wieder in der E-Book-Version in öden Wartesituationen, etwa beim Arzt etc. Macht einen nicht dümmer.

Vorgelesen

Jakob Martin Strid: Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne. Deutsch von Sigrid C. Engeler. Das ist ein großer Spaß, sowohl im Text als auch in den Bildern. Detailreiche, großflächige Bilder, eine schön verrückte Erzählung, die Kinder ab 4 verstehen können. Das Buch ist lang, dick und groß, das gefällt hier jedem. Es gibt noch mehr Bücher von ihm, die wollen wir auch haben.

Cornelia Funke/Kerstin Meyer: Emma und der blaue Dschinn. Das Buch lag in einem Karton voller Kinderbücher, den jemand an die Straße gestellt hatte, mit einem Schild: “Zu verschenken”. Sohn I hat es mitgenommen und wollte es sofort vorgelesen haben, gefundene Bücher haben immer einen ganz eigenen Zauber. Gute Kinderbüche irgendwo auszusetzen ist wirklich eine ziemlich gute Idee. Emma findet eine Flasche am Strand, an dem sie nachts alleine spazieren geht, sie ist nämlich ziemlich mutig und außerdem genervt, weil sie zuhause vier Brüder hat. Da braucht man einmal Ruhe. In der Flasche, die sie im Meer entdeckt, ist ein Dschinn eingesperrt. Ein ziemlich kleiner Dschinn, der nicht einmal Wünsche erfüllen kann, das ist natürlich ein wenig enttäuschend. Emma fliegt mit ihm in den Orient, um die Sache mit seiner Wunschkraft zu regeln. Fliegen kann er immerhin, ein in dieser Hinsicht praktischer Teppich lag bei. Das geht also gut und spannend los, Sohn I ist auch tatsächlich begeistert.

Gespielt

Nichts. Der Februar war ein Stress-Monat, da war keine Zeit für Spielerei und Freizeit . Na, oder doch. Man kann es eigentlich nicht als Spiel bezeichnen, aber ich habe mit Sohn I viel Zeit mit Instagram verbracht, das war neu. Er findet es so toll, dort per Doppelkick Herzchen für gute Bilder zu vergeben – aber da er das in meinem Account macht, werden die Herzchen natürlich nur vergeben, wenn wir uns darauf einigen können, welches Bild toll ist. Das ist spannend, weil man dabei über Ästhetik reden muss, über Geschmack, Sonnenuntergänge, Katzenbilder und debile Selfies blonder Busenwunder. Was ist warum toll? Ist eine einsame Straße in grandios gewählter Perspektive und gediegener Farbgebung ein Kunstwerk im Kleinquadrat – oder doch nur ein langweiliger Straßenschnappschuss? Wieso nimmt überhaupt jemand eine leere Straße oder einen Platz auf? Was nimmt Papa eigentlich auf? Und schon sind ein paar Stunden vorbei und das Kind schläft wieder viel zu spät. Schlimm.
Sohn II versteht die Diskussion übrigens noch nicht. Für ihn sind Katzenbilder ebenso schön wie sinnvoll, der ganze Rest ist aber vollkommen entbehrlich. That was easy.

#hamburg #stgeorg

Gesehen

The Paradise. Eine BBC-Serie über ein Kaufhaus aus der Zeit, als es die ersten Kaufhäuser und die ersten Self-Made-Men gab, die man als Vorläufer der heutigen Manager betrachten kann. Die ersten Adeligen, die ihren sinkenden Stern bemerkten. Angelehnt an Zolas Roman “Paradies der Damen”, ich weiß nicht, wie eng, ich habe den Roman nicht gelesen, obwohl er hier im Regal steht, wie ich gerade sehe. Ah doch, ich weiß warum ich das nie gelesen habe, das ist auf einem sehr groben, holzhaltigen Papier gedruckt, gegen das ich amüsanterweise allergisch bin. Dergestalt, dass mir beim Lesen die Hände bluten, weil die Haut aufspringt, das ist ein spaßiger Effekt, der in meiner Antiquariatszeit damals ein klein wenig gestört hat, wie man sich vorstellen kann. Ich bin ein lebender Detektor für billiges Papier, besonders schlimm ist es bei älteren Druckerzeugnissen aus der DDR. Die Fernseh-Serie jedenfalls ist wunderschön dekoriert, ansprechende Damenmode und hübsche Schlösser mit herrlich grantigen Alt-Adeligen, so weit so schön, ich fand allerdings die Handlung beim besten Willen nicht auszuhalten und habe nur zwei Folgen geschafft.

Gehört

Kreuz und quer und ganz vieles aus allen möglichen Richtungen, nirgendwo hängen geblieben. Typisch Februar, da grummele ich mich so durch und warte auf den März. Zuverlässig die Laune gehoben hat einzig das Paul-Kuhn-Trio mit “Unforgettable Golden Jazz Classics.” Besonders die superbe Aufnahme von “I love Paris”, die nach dem zehnten Hören immer noch besser wird, wenn man schließlich jeden Anschlag präzise vorhersagen kann. Das ist sehr “fertiger Jazz”.

 

 

Kurz und klein