Ich bin schon wieder mit einer furchtbaren Angelegenheit beschäftigt, ich suche nämlich nach einem Hotel für den Sommerurlaub. Dazu muss man sich auf schlimmen Seiten informieren, auf denen andere Urlauber ihre Erfahrungen beschrieben haben und ihre entsetzliche Spießigkeit seitenlang gänzlich hemmungslos an wehrlosem Personal und anderen Gästen ausgetobt haben. Oder man muss sich durch Katalogseiten wühlen und wird schon nach wenigen Minuten weich im Hirn durch das schwurbelnde, sonnensatt wabernde Tourismusmarketingdeutsch. Aber egal, da muss man durch, wo ein Wille ist, da ist auch irgendwann ein Wunschhotel. Was ich aber eigentlich sagen wollte: Es gibt da manchmal einen ganz lustigen Satz in den Hotelbeschreibungen. Der geht so:
„W-LAN/Internet gegen Gebühr“
Und dann lese ich weiter und denke immer, gleich kommen noch mehr Scherze dieser Art, etwa „Duschen im Bad gegen Münzeinwurf“ oder „Schlafgelegenheit im Zimmer gegen Aufpreis“ oder „Bei Buchung des Superior-Packages auch elektrisches Licht im Zimmer“ oder dergleichen – aber die kommen gar nicht.
Ich habe vor 25 Jahren Abitur gemacht und danach nie wieder mit dem Thema Schule zu tun gehabt. Und das fand ich auch gut so, denn ich hielt die Schule ganz bestimmt nicht für eine segensreiche Einrichtung. Jetzt wird sich der Umgang mit dem Thema aber nicht mehr lange vermeiden lassen, denn noch in diesem Jahr kommt Sohn I in die Vorschule, im nächsten Jahr also in die Grundschule. Er hat Freundinnen und Freunde, die bereits eingeschult sind, wir kennen viele Eltern, die schon Kinder an Schulen haben, das Thema macht sich in unserem Leben allmählich breit und breiter. Wir waren kürzlich auf einem Tag der offenen Tür in einer Grundschule, wir waren auch schon auf einem Elterninformationsabend. Wir haben zu diversen Schulen im Internet nachgelesen, was andere darüber geschrieben haben. In Hamburg kommen bei der Einschulung sowieso immer mehrere Schulen in Betracht, durch die zentrale Lage des Stadtteils scheinen es bei uns noch ein paar mehr zu sein. Es gibt Eltern, und es sind gar nicht wenige, die schon an der Wahl der Schule zu verzweifeln scheinen, das ist also offensichtlich alles gar nicht so einfach. → weiterlesen
Die Söhne sind jetzt in dem Alter, in dem man mit ihnen Brettspiele machen kann, zumindest simple Varianten gehen auch schon mit Sohn II. Brettspiele bringen es nun aber dummerweise mit sich, dass einer gewinnt und einer verliert, was natürlich seine ganz eigene Tragik hat. Das ist eine notwendige Entwicklungsstufe, da muss man durch. Das Leben besteht eben nicht nur aus einer einzigen Reihe strahlender Siege. Und ich halte überhaupt nichts davon, jemanden absichtlich gewinnen zu lassen. Nein, man muss es auch dulden und ertragen können, dass andere vorne sind, gewinnen, sich freuen und mit Siegesgeheul um den Tisch tanzen.
Die meisten werden noch erinnern, dass man das in der Kindheit nicht gerade binnen zwei Stunden gelernt hat. Es erfordert vielmehr etliche Spielrunden, bis auch die Verlierer, bleich aber gefasst, ohne Türenknallen, Handgreiflichkeiten und Brüllen schlicht zur nächsten Runde übergehen können. Und bis sie dann beim Würfeln auch nicht schummeln, um dem flüchtigen Glück künftig selbst auf die Sprünge zu helfen. Je nach Charakter kann die Phase der verzögerten Einsicht sogar verblüffend lange anhalten, aber irgendwann lernen es alle. Wir haben daher auch eine Engelsgeduld mit unserem kleinen familiären Problemfall. Wir reden, wir erklären, wir beruhigen.
Aber auch nach etlichen Spielrunden bleibt die Situation immer noch herausfordernd. Auch wenn das Gebrüll nach der Niederlage immerhin der bebend vorgeschobenen Unterlippe gewichen ist, man muss da sicher auch kleine Erfolge sehen. Die Spielfiguren fliegen wenigstens nicht mehr in die Zimmerecke.
Aber immer noch will die Herzdame partout nicht glauben, dass ihre Niederlagen beim Mensch ärgere dich nicht mit rechten Dingen zugehen, da können ihr die pädagogisch bemühten Söhne noch so lange erklären, dass Verlieren völlig in Ordnung und wirklich ganz normal ist.
(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)
Sondern zur Abwechslung einmal historisch. Das kann nämlich verblüffend lehrreich sein. Ich habe Anfang des Monats hier einen Eintrag zu Büchern von Borchert und Schnurre geschrieben, da ging es auch um das Weiterleben und Weitermachen nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Kommentaren empfahl mir Christiane Fröhlich dann ein Buch über die Generationen nach 45 – Anne-Ev Ustorf: „Wir Kinder der Kriegskinder“. Ich habe mir das Buch bestellt und gelesen, es ist ein schmaler Band, das ist man schnell durch.
Ein schmaler Band mit einigen Überraschungen für mich, als Autor, als Angehöriger einer Generation, als Angehöriger einer Familie. Denn es ist ja so, und ich nehme an, ich bin da nicht ganz untypisch: Ich weiß viel über deutsche Geschichte. Ich habe unendliche Mengen an Zeug über das Dritte Reich gelesen, Filme gesehen, auch Augenzeugen gesprochen. Ich weiß auch ziemlich viel über mich, ich habe, haha, sogar Bücher darüber geschrieben. Ich bin therapieerfahren, ich habe nicht eben wenig über mich nachgedacht. Ich habe mich aus immer wieder anderen Anlässen und Perspektiven hinterfragt und durchleuchtet. Genauso, wie es sicher sehr viele für sich annehmen. Natürlich immer mit dem Gefühl, letztlich doch nichts verstanden zu haben, ich bin nicht größenwahnsinnig, aber doch mit dem Gefühl, mir redlich Mühe gegeben zu haben.
Und dann bringt mich so ein Buch doch darauf, dass ich ganz naheliegende Blickwinkel bisher komplett ausgelassen habe. Und zwar nicht generell ausgelassen, aber bezogen auf mich ausgelassen. Erstaunlich. Man ist doch immer dümmer, kurzsichtiger oder nachlässiger als man denkt, auch wenn man sich zwischendurch halbwegs verständig vorkommt, das hat fast schon wieder eine beruhigende Seite.
Es ist eigentlich nur eine winzige Nuance, ob man Geschichte als Geschichte der Deutschen liest, oder Geschichte als die Geschichte meiner Deutschen, aber es macht doch sehr viel aus. Natürlich sind meine Eltern, meine Großeltern und der ganze Rest der Sippe nicht nur die Figuren meiner Familie, die mehr oder weniger skurrilen Hauptpersonen meines Lebensstücks. Natürlich sind sie auch Teilnehmer ganzer Kapitel der Geschichtsbücher und daraus kann man doch ganz leicht ableiten, dass diverse höchst persönliche Erlebnisse vielleicht, wenn man etwas weiter vom Bild wegrückt, gar nicht so persönlich sind. Sondern generationsbedingt, generationstypisch. Das ist wirklich leicht, aber ich stelle einigermaßen verblüfft fest, dass ich das bisher eher wenig gemacht habe. Interessant, wirklich interessant. So ein schlichter Gedanke, wie zum Beispiel dass die Scheidung meiner Eltern vielleicht nicht nur an zwei verschiedenen Persönlichkeiten lag, sondern womöglich in nicht geringem Ausmaß auch an bestimmten Jahreszahlen in ihren Lebensläufen und den Folgen dieser Zahlen – das klingt doch wirklich naheliegend. Eigentlich. Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.
Das Buch richtet sich an die Generation der 55 bis 75 Geborenen, das sind die Menschen, deren Eltern im Zweiten Weltkrieg Kinder waren. Also die Kinder von Eltern, die auf der Flucht waren, die bombardiert wurden, die Täter als Eltern hatten, stramme Nazis, Mitläufer oder Opfer, die Hunger erlebt haben, Erfrierungen, Obdachlosigkeit, Väter in Gefangenschaft und eine äußerst spezielle Form der Erziehung. Dass diese Erfahrungen an Kindern nicht spurlos vorübergehen, das dürfte naheliegend sein, und dass viele Kinder damals ganz ähnliche Erfahrungen gemacht haben, das dürfte wohl auch klar sein. Entsprechend hatte das auch ähnliche Folgen, teils fatale Folgen, die wiederum Folgen hatten und noch haben und in diesem Buch wie auch in anderer Literatur zum Thema spricht man von immerhin vier Generationen, die von einem Krieg betroffen sind. Das kam mir zunächst sehr hoch gegriffen vor, bis mir einfiel, dass wir, wenn wir im Heimatdorf der Herzdame sind, vier Generationen an einem Tisch sind. Von der aus Schlesien geflüchteten Urgroßmutter bis zu Sohn II, das hängt tatsächlich alles noch zusammen, die kennen sich noch, die wirken noch aufeinander, es stimmt schon.
Für Angehörige der oben genannten Jahrgänge – klare Empfehlung.
Das unten ebenfalls verlinkte Buch von Sabine Bode („Kriegsenkel“) wurde mir auch sehr empfohlen, ich habe es noch nicht gelesen. Nach den Rezensionen, die man online finden kann, lohnt aber auch diese Lektüre.
Wenn man sich dem Thema literarisch nähern möchte, kann ich übrigens zum xten Male die Romane von Hans-Ulrich Treichel empfehlen, der sich an diesem Kontext schon mit einigen Bänden abgearbeitet hat, und dass sehr, sehr lesenswert.
Ein sehr früher Terminhinweis, aber vielleicht plant ja jemand weit voraus.
Ich lese auf Einladung der Buchhandlung Seitenweise am 24.03., das ist ein Sonntag, um 15 Uhr bei den Stadtveränderern, Hammer Steindamm 62.
Falls jemandem die Adresse bekannt vorkommt: In dem Gebäude ist auch die Baderanstalt, in der früher, in der guten alten Zeit, die Rederei Hamburg die Lesereihe Kaffeesatzlesen veranstaltete, die Älteren erinnern sich vielleicht noch. Die Lesereihe fand auch jeweils an einem Sonntagnachmittag statt, wir geben uns da mit dem Termin ganz sentimental und nostalgisch, wollte sagen traditionsbewusst.
Ich lese aus „Marmelade im Zonenrandgebiet“ – und zwar nur Texte, die ich in Hamburg bisher nicht gelesen habe. Eine Chance für Dimitri Dörrwald also, um ein Beispiel zu nennen.
Ich erwarte nach dieser dpa-Schlagzeile ja eine ganz neue Welle der Aufmerksamkeit für mein Buch „Es fehlt mir nicht, am Meer zu sein“, das in diesem Küstenkaff spielt. Orte, die es nicht mehr gibt, sind ja oft besonders interessant.
Mit Dank an Giardino, der die Schlagzeile gefunden hat.
Ich habe vor längerer Zeit das Dessert „Holunderbirnen“ einmal in einer Zeitungskolumne erwähnt. Damals beschwerte ich mich darüber, dass es so schwer sei, in Hamburg Holundersaft zu bekommen, obwohl der hier doch überall wächst, der Holunder. Und jetzt gerade ist er übrigens wieder reif. Zu der Kolumne erreichten mich damals ungewöhnlich viele Zuschriften, echte Leserbriefe, so etwas bekommt man als Blogger ja auch nicht jeden Tag, das war sehr erheiternd. Menschen wiesen mich auf Läden in anderen Städten hin, die diesen Saft führten. Nannten mir die Adresse ihres Großonkels Karl, der diesen Saft immer selbst herstellt und bei dem ich mich ja einmal melden könne. Schlugen mir Holundersaftsatzstoffe vor. Viele fragten aber auch einfach nach dem Rezept, denn Holunderbirnen, das kennt anscheinen kein Mensch.
Und das ist schlimm. Sehr schlimm.
Holunderbirnen sind nämlich so ungefähr der beste, einfachste und hübscheste Nachtisch, der mir je begegnet ist. Man kann fast nichts falsch machen, man kann die Zutaten in regional und/oder bio erwerben, man kann das Rezept variieren, misshandeln, ausdehnen, eindampfen und neu erfinden – solange man sich an die Grundstruktur hält, so lange wird das auch was. Und schmeckt. Und sieht toll aus.
Mir ist jeder missionarische Eifer fremd, ich lehne Bekehrungsmaßnahmen kategorisch ab. Jeder soll gefälligst treiben, was immer er möchte, in einem gewissen rechtlichen Rahmen, versteht sich. Ich mische mich da nicht ein. Aber ich will, dass Sie alle Holunderbirnen machen. Haben wir uns verstanden? Mit Vanilleeis.
Und zwar in etwa so:
Sie nehmen einen großen Topf und lassen 100 Gramm Zucker goldbraun schmelzen. Dann kippen Sie da 400 ml Holundersaft und 400 ml eines anderen, holunderkompatiblen Saftes hinein, zum Beispiel Apfel oder Johannisbeere. Oder Rotwein, den wir hier großmütig als Saft betrachten wollen. Achtung, das spritzt wie Sau und macht tolle Flecken. Zwei oder drei Nelken hinein, eine Zimtstange. Vanille kann, muss aber nicht. Birnen, wie sie eben passen, geschält und geviertelt. 15 Minuten schwach köcheln lassen, dann ziehen lassen. Mindestens zwei Stunden. Ich habe die Birnen aber auch schon einmal zwei Tage im Topf auf dem Balkon vergessen, da wurden sie nicht schlechter, im Gegenteil.
Und dann zusehen, dass Sie die Hauptspeise hektisch weggefuttert bekommen, damit es endlich Nachtisch gibt.
Los. Sie wollen es doch auch.
Das fertige Produkt attraktiv zu fotografieren habe ich nicht in akzeptabler Zeit geschafft. Da ich die Versuchsanordnung (komplett mit Eis) jeweils nach den Fotos aufessen muss, wird das irgendwann zu gefährlich, denn die Herzdame zählt bestimmt nachher die Birnen nach. Stellen Sie sich einfach vor, dass es toll aussieht. Lila bis Purpur, im Licht und angeschnitten auch Pink dabei, granatrote Schatten, es ist der Wahnsinn.
Sohn I war übers Wochenende verreist, ganz allein bei den Großeltern im Heimatdorf. Er hat das sogar selbst mit denen verabredet, wir wurden nur noch informiert: „Fahr ich zur Oma.“ Gut, Reisende soll man nicht aufhalten. Die Herzdame und ich blieben in Hamburg, mit einem fröhlich glucksenden Sohn II, der sich mit seinem halben Zahn stundenlang friedlich als Apfelreibe versuchte. Das Kind war ruhig, wir hatten keine Termine – und keinen Zweieinhalbjährigen, der nonstop für Programm sorgte. Was man da plötzlich alles machen kann!
Man kann morgens aufstehen, Schokolade frühstücken und sich gleich wieder zwei Stunden hinlegen. Man kann Bücher lesen, ganze Kapitel, ohne Unterbrechung. Man kann die Bücher sogar in einem Rutsch durchlesen und dann gleich das nächste anfangen. Man kann in Ruhe am Schreibtisch arbeiten und unfaßbare Mengen wegschaffen, man kann To-do-Listen bis zum letzten mickrigen Punkt abgrasen und dann noch eben die Dateien auf dem Rechner neu durchsortieren. Man kann aufräumen, ohne daß ein kleiner Kobold alles sofort wieder durcheinanderwirft. Man kann beim Portugiesen einen Kaffee trinken gehen, ohne ein Kleinkind mit Kuchen bestechen zu müssen. Man kann Zeit für einander haben, man kann sogar, Sie wissen schon.
Man kann Salat essen, ohne auch etwas Kindgemäßes kochen zu müssen. Man kann beim Essen lesen und auf die Vorbildfunktion pfeifen. Man kann sogar einfach in ein Restaurant gehen. Man kann das Kinderzimmer neu organisieren, bis es aussieht wie im Ikea-Prospekt. Man kann ungestört telefonieren, man kann einfach so mit der Kamera rausgehen und stundenlang auf Foto-Safari, wie früher, als man noch Zeit hatte. Man kann sich um ganz vergessene Erwachsenenvergnügungen kümmern.
Man kann aber auch einfach die Stunden zählen, bis das Kind endlich wiederkommt.
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