Beifang vom 05.02.2017

Bei Sven kann man sich ein Plakat ansehen. Es ist ein sehr gutes Plakat (fast hätte ich terrific geschrieben, hilf Himmel).

Die NZZ plädiert für Umwege. “Die Herabsetzung des Krummen, der Abweichung von welchem Ideal auch immer, der ausschweifenden Umwege verkennt nicht nur deren kreatives Potenzial. Es drückt sich darin auch etwas zutiefst Inhumanes aus.” Meine Rede.

Ein Tag mit Peter, ein Tag auf der Straße.

Und hier geht es um Dalida, da möchte ich gerne noch etwas anlegen. Denn von Dalida gibt es eines der traurigsten Lieder überhaupt. Ich beschäftige mich nun schon sehr lange und leidenschaftlich mit traurigen Liedern, wenn ich da die All-Time-Top Ten benennen müsste, es wäre immer ganz weit vorne: Pour ne pas vivre seul – um nicht allein zu sein. Ein ganz einfacher Text, ganz einfach vernichtend. Wenn man ihre Geschichte kennt, wird die Darbietung natürlich noch wirkungsvoller.

Eine Novelle auf die Schnelle

Ich lese immer weiter in den Tagebüchern von Erich Mühsam, es ist dort immer noch 1911. Er notiert weiterhin seitenlang, welche Frau er wohin geküsst hat, mit welcher er was auf welchem Möbel und in welcher Wohnung getrieben hat, bei welcher Dame er für sich in nächster Zeit welche weiteren Aussichten vermutet, mitunter sogar unter Angabe eines geratenen Timings (“Morgen sicher noch nicht, aber dann!”). Er ist in dieser Zeit auch politisch tätig, im Tagebuch findet das allerdings kaum statt, vielleicht aus guten Gründen nicht, das mag sein. Er ist auch schriftstellerisch tätig, das erscheint im Tagebuch weiterhin nur als gewissensbelasteter Konjunktiv: “Ich müsste jetzt …”, “Ich müsste heute noch …” Immer müsste er dringend etwas schreiben, liefern, anfangen, beenden, korrigieren, aber verlässlich notiert er erst seitenlang im Tagebuch die Küsse des Tages, man muss eigentlich schon von einem Knutschregister reden. Zwischendurch dann aber ganz unvermutet der Satz:

“Heute habe ich seit Jahren zum ersten Mal wieder eine Novelle geschrieben …”

Wenn man selbst auch schreibt, ist so ein Satz natürlich immer ein Angriff. Wie jetzt, der schreibt eine Novelle an einem Tag? Mal eben so, aus dem Handgelenk? Bar jeder Vorbereitung, einfach ran an den Tisch und tschakka. Nanu. Das geht also auch. Und was mache ich hier? Wieso kommt dabei so wenig heraus? Vielleicht sollte ich doch besser endlich mal die ganzen Social-Media-Accounts löschen und offline gehen, vielleicht sollte ich doch mal und jetzt aber ernsthaft und überhaupt wieder ran ans Werk? Novelle, nicht wahr, das klingt ja auch gleich so literaturlexikontauglich, ernst und tiefgründig ausgestaltet. Und so etwas also mal eben nebenbei, wirklich nicht schlecht, Herr Mühsam, Respekt! Denkt man sich da zunächst so.

Bis ein paar Zeilen später dann klar wird, dass es da tatsächlich keineswegs um eine Novelle auf sportlichem Conrad-Ferdinand-Meyer-Level geht. Denn was Mühsam da so edel als Novelle benennt, das ist bei geradezu skandalös luschigem Umgang mit Fachbegriffen (Anarchist eben! Schlimm!) eigentlich nichts weiter als eine kleine und schnell hingehauene Szene, eine Skizze, ein paar Zeilen vermutlich nur, eine schmale Randspalte in einer Zeitschrift, eine Kolumne, eine Glosse, so etwas in der Art.

Oder, wie wir heute sagen würden: “Gebloggt.”

 

Kurz und klein

Beifang vom 03.02.2017

So etwas kann es gar nicht geben, das klingt so unwahrscheinlich – aber egal. So etwas gibt es. Woody Guthrie und die Trumps. Man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus.

Noch etwas zu Trump, es gibt nämlich ein wirklich gutes lesbares Format über sein Wirken. Ein Tagebuch, warum auch nicht. Angenehmer Tonfall, die genau richtige Textlänge der einzelnen Beiträge, Konzentration auf ein Thema. Manchmal ist das schon gut so und ich hoffe, das wird fortgeführt. Man kann Oliver Grimm, der das täglich schreibt, auch auf Twitter folgen.

Wir leben in seltsamen Zeiten, nicht nur wegen Trump, aber es gibt auch Hoffnung. Denn wie ich vorhin einem Schild entnehmen konnte, wird an der Zeit gerade gearbeitet:

And now for something completely different, machen wir wieder in Kultur: Mit Piktogrammliteratur.

Und hier gibt es ein Interview mit dem geschätzten Dirk Darmstaedter. “Ich mache Musik nicht, um populär zu sein, um Platten zu verkaufen. Ich mache Musik, weil ich Musiker bin, weil das das ist, was ich tue und was ich tun muss und was ich liebe.” So soll es einigen mit dem Schreiben ja auch gehen.

Den folgenden Link hatten vermutlich schon alle, es ist aber auch zu und zu schön, das kurze Video von dem Lehrer, der alle Schülerinnen personalisiert begrüßt.

Von dem eben erwähnten Dirk Darmstaedter gibt es auch einen Song, den er gemeinsam mit seinem Kumpel Bernd Begemann singt. Und mit dem Song endet das hier für heute. 

Was schön war

Ich war mit der Herzdame abends in einem italienischen Restaurant, es ist schon eine Weile her. Am Nebentisch saß eine größere Familiengruppe, vielleicht zwölf Leute. An der Stirnseite des Tisches ein Mädchen im Teenie-Alter, zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren alt, besser schätzen konnte man das nicht. Um die Szene noch kurz zu vervollständigen: Links und rechts von ihr saßen Eltern, Onkel, Tanten, Brüder, Schwestern – was auch immer, alles Erwachsene jedenfalls, einige davon mit erheblicher Familienähnlichkeit. Es wurden Urlaubsgeschichten erzählt, der Urlaub schien lustig gewesen zu sein. Zwischendurch wurde angestoßen, eher kompliziert, jeder mit jedem und bloß nicht über Kreuz und wir müssen uns dabei ansehen und all das. Darüber italienische Schlagermusik aus Deckenlautsprechern, Pizzageruch in der Luft. Der Kellner mühte sich durch die Stuhlreihen und schenkte Rotwein nach. Das ist übrigens komisch, wenn man als Autor so etwas beschreibt, weil man genau das mit einiger Wahrscheinlichkeit schon einmal beschrieben hat. Ich habe einen Abend in einem italienischen Restaurant auch in “Marmelade im Zonenrandgebiet” geschildert, und wenn ich jetzt im Geiste die Szenen vergleiche, dann ist da vieles austauschbar. Die rotweißkarierten Tischdecken. Die ländlich gemeinten Stühle aus hellem Holz mit geflochtener Sitzfläche. Tropfende Kerzen neben Brotkörbchen. Die verstaubten Rotweinflaschen in den Wandregalen, alles Klischees, Klischees, aber was soll man machen, so sieht es da eben aus. Egal, man kann sich einfach alles vorstellen, was traditionell passt, warum auch nicht, es wird schon stimmen.

Der Kellner, der dauernd mit der Flasche in der Hand durchs Bild läuft, ist also nicht nur dick, er ist auch noch ausgesprochen sympathisch dick. Er trägt seinen Bauch so zufrieden und dabei erstaunlich flinkfüßig vor sich her, man möchte sofort auch so gemütlich dick und gutgelaunt und gelassen in seinem Job sein, man möchte gleich etwas essen und zwar viel und möglichst Nudeln oder Pizza. Natürlich singt der Kellner ab und zu eine Zeile eines Liedes aus den Achtzigern mit, natürlich werden die Gäste mit italienischen Vokabeln begrüßt und verabschiedet. An der Wand hängt natürlich ein Poster mit italienischer Küstenlandschaft, das Blau des Himmels ist längst verblichen.

Eine der Damen am Familientisch lacht zu laut, das kennt man so von jeder Familienfeier. Das Mädchen an der Stirnseite des Tisches sitzt mit den Händen im Schoß und guckt immer genervter. Alle um sie herum reden angeregt durcheinander, sie sagt die ganze Zeit nichts, überhaupt nichts. Finstere Blicke, hängende Mundwinkel, hängende Schultern. Die Mutter versucht ab und zu sie anzusprechen, die Tochter guckt angewidert und rührt sich nicht. Der Vater grinst sie an, zwinkert und hofft auf Einverständnis, da kann er aber lange grinsen. Die anderen sehen gar nicht hin. Das Mädchen schüttelt stumm den Kopf, das Mädchen rollt die Augen und besieht sich die Restaurantdecke. Lange. Sie zieht die Augenbrauen hoch und höher, sie sieht ihre Familie an, als würde sie den ganzen Trupp zum ersten Mal sehen. Zufrieden ist sie mit dem Anblick nicht, so viel steht fest.

Und dann lässt sie ihren Kopf sinken. Nicht zu langsam, nicht zu schnell. Ganz tief lässt sie ihn sinken, immer weiter, bis die Stirn schließlich den leeren Teller vor ihr berührt. Es scheppert leise, als ihre Stirn auf dem Teller landet. Alle sehen jetzt zu ihr hin, nicht nur ihre Familie, auch der Kellner, auch die Herzdame und ich, auch die beiden Ingenieure am Nebentisch, die in einem süddeutschen Dialekt zu laut über Abfüllanlagen in China reden. Das Scheppern des Tellers war gerade so laut, dass es alle im Raum gehört haben müssen, aber es war auch nicht so laut, dass man mit einer Ohnmacht des Mädchens oder einem sonstigen Problem rechnen müsste. Die Lautstärke des Schepperns passte perfekt zu einer beabsichtigten Handlung. Wenn man so darüber nachdenkt – so einfach ist das vermutlich gar nicht, diese Lautstärke genau zu treffen. Ein perfekt getimtes, höchst wirkungsvoll dosiertes und auf den Raum und die Situation abgestimmtes Scheppern. Ich fand es schön, dass sie es so gut getroffen hat, mich hat das gefreut. Jeder, der schon einmal pubertiert hat, wird so eine gelungene Szene doch mit einem gewissen Respekt zur Kenntnis nehmen.

Der Vater grinst währenddessen immer weiter und breiter, die Mutter rüttelt probeweise an der Tochterschulter, die anderen am Tisch gucken indigniert, irritiert, amüsiert, eine ganz normale familiäre Bandbreite. Die Tochter sitzt immer weiter mit der Stirn auf dem Teller. Sicher ist das Porzellan angenehm kühl an der Stirn. Und wenn sie die Augen nur lange genug geschlossen lässt, wenn es nur lange genug dunkel um sie herum bleibt, dann findet das alles vielleicht gar nicht statt. Die Familie, die es für sie gerade nicht gibt, bestellt währenddessen schon einmal Essen, die Pizza soll hier ja wirklich gut sein und der Wein ist auch schon wieder alle und weißt du noch, der Ausflug nach Dings? Wie hieß das denn da.

Unter dem Tisch gibt es dann schließlich doch noch eine heimliche Bewegung.  Die Tochter angelt da nach ihrem Rucksack, wühlt darin ohne hinzusehen oder auch nur den Kopf zu heben. Ihre Hände tauchen nach einer Weile wieder auf, sie steckt sich Kopfhörer in die Ohren und hört den Rest des Abends sicher keine italienischen Schlager mehr. „Lass sie mal ruhig“, sagt einer am Tisch.

Es ist Donnerstag …

… es gibt den 199. Wirtschaftsteil. Und weil das Format allmählich ein gewisses Alter erreicht hat, wird es Zeit damit etwas herumzuspielen. In dieser Woche ist er deshalb zur Abwechslung auch gar nicht von mir, sondern von einer kompetenten Gastautorin, nämlich von Christine Finke. Wie man bei ihrem Namen vielleicht schon vermuten kann, geht es um das Thema Alleinerziehende, den Text findet man hier.

Das weist dann auch schon die Richtung für die kommenden Gastbeiträge – einige Expertinnen (ich nehme an, sie werden den Leserinnen hier oder auf Twitter häufig recht bekannt vorkommen) gestalten einmal im Monat eine Linksammlung zu ihrem Thema. Ich finde das sehr interessant, auch einmal schreiben zu lassen und bin gespannt, wie die Ergebnisse ausfallen werden, welche Quellen es noch zu entdecken gibt.

Nächste Woche variieren wir das Format dann übrigens noch weiter, Montag mehr.

 

Beifang vom 01.02.2017

Ich bin ja einigermaßen stolz und glücklich, dass meine geschätzte GLS Bank tatsächlich den Goldenen Blogger für ihr Corporate Blog gewonnen hat, also für das Blog, bei dem ich wöchentlich ein wenig mitschreibe. Und nachdem ich 2014 mit Isa und “Was machen die da” bei den Goldenen Bloggern gewonnen habe, 2015 Jojo Buddenbohm, also Sohn I dort gewonnen hat, habe ich diese Veranstaltung doch allmählich wirklich sehr, sehr ins Herz geschlossen. Echtjetztmal.

Es gibt eine neue Fallada-Biographie, im Tages-Anzeiger wird sie besprochen. Zu Fallada gibt es übrigens auch einen großartigen Comic, dazu in Kürze mehr.

Sven schreibt über Schulwebsites, das ist interessant für mitlesendes Schulpersonal und natürlich auch für Eltern mit Gestaltungswillen. Als Betroffener, der gerade etliche Schulseiten nach dem obligatorischen “Tag der offenen Tür” abgegrast hat, könnte ich jetzt übrigens mindestens zehn tolle Methoden listen, diese Information geschickt in den Tiefen der Seiten zu verstecken.

Bei Sprengsatz geht es um Martin Schulz, der dort als Meister des Ungefähren beschrieben wird. Na, das kann sich ja noch ändern. In einem Punkt möchte ich aber widersprechen, denn da steht: “Und warum ist er – für die Wähler – besser als Angela Merkel? Dass er keine CSU als Klotz am Bein hat, reicht dafür nicht aus.” Denn da kann man doch mittlerweile sagen: Aber hallo, klar reicht das zur Not aus. Für ziemlich viele. Ich zumindest kenne gleich mehrere.

Mely Kiyak tritt dem Kanzlerkandidaten etwas deutlicher vors Schienbein. So etwas kann belebend wirken. Hoffe ich. 

Und nun noch einmal John Grant, denn der war schon eine feine Entdeckung, der bleibt:

Der Weg zum Song

Ich verlinke hier ziemlich oft auf Texte oder Videos, bei denen ich keine Ahnung habe, wie ich sie eigentlich genau gefunden habe. Irgendwer hatte irgendwo einen Link, ich lese mich fest, ich vergesse leider schon nach zwei Absätzen, wo ich eigentlich gerade herkam. Aber manchmal bleibt der Weg zum Fund auch in Erinnerung, dann merke ich wieder, wie faszinierend dieses Herumsurfen eigentlich ist und wie seltsam man dabei herumkommt. So hatte ich etwa vorgestern im Blog Frank Zappa erwähnt, und wenn ich den schon erwähne, dachte ich, kann ich ja auch etwas zu ihm nachlesen, ein kleines Allgemeinbildungsupdate zwischendurch. Da kam dann in irgendeinem Artikel über ihn die Stadt Washington vor, wobei mir einfiel, dass ich auch mal wieder auf die Washington Post gucken könnte, was einem in diesen Zeiten überhaupt ruhig alle paar Minuten einfallen kann, man weiß ja nie.

Auf der Seite der Washington Post sah ich dann aus dem Augenwinkel einen Artikel über Phil Ochs, der bei mir im Blog vor einiger Zeit vorkam, ich empfehle schnell noch einmal Wikipedia zu ihm und auch diesen Song, beides sehr interessant. Ein ganz einfaches Lied in der politischen Folk-Tradition, es ließ mich aber eine Weile nicht los. Vor ein paar Wochen hieß es noch, das Leben von Phil Ochs sollte verfilmt werden. Davon steht da jetzt zwar nichts, aber den Film würde ich definitiv sehen wollen.

In dem Washington-Post-Artikel wird jedenfalls eher am Rande Eric Andersen erwähnt. Den kannte ich noch nicht, also spielte ich auf Spotify ein paar seiner Songs an. Ein amerikanischer Songwriter, der in Oslo lebt, er macht etwas schwermütige Sachen, kann man auch ruhig mal hören. Dann klickte ich über “Ähnliche Künstler” noch etwas weiter herum und im Kreis und zurück, bis ich schließlich bei Kinky Friedman landete, den ich gleichfalls nicht kannte, nie gehört, in dessen Bio aber stand, dass er “der Frank Zappa der Country-Music” genannt wird. Damit war er an diesem Tag klarerweise etwas für mich, da war die Spur wieder, genau so muss das nämlich gehen. Also habe ich bei ihm weitergehört.

Dieser Kinky Friedman singt im folgenden Clip einen Song von Warren Zevon, den kennt man wohl. Einen Song, der für ihn die Lage im Land beschreibt, also in den USA. Und wenn man dieses Lied einmal gehört hat, möchte man es ab sofort immer hören, wenn man gerade eine amerikanische Nachrichtenseite aufmacht, denn das ist doch der Soundtrack der kommenden Wochen. Beim ersten Hören wird es sicher noch kein Ohrwurm, aber nach dem zweiten, dritten Mal – yeah, yeah, my shit’s fucked up. Das passt schon. “A visionary song”, wie Kinky Friedman sagt.

Beifang vom 29.01.2017

Passend zu meinem vorletzten Text hier im Blog: Frau Berg über die Demokratie.

Ebenso passend: Felix Schwenzel über alles und die Aufmerksamkeit, die wir vielleicht besser auf andere Themen richten sollten. “wir sollten nicht am trumptower rütteln, sondern bessere buden bauen. wir sollten trump nicht ignorieren, sondern mehr aufmerksamkeit auf alternativen lenken, praktisch und intellektuell.” Und irgendwie könnte man jetzt beide Texte im Kopf verbinden und dann von da aus konstruktiv weiterdenken, aber das ist nur ein Konjunktiv, denn tatsächlich muss ich jetzt die Kinder ins Bett bringen und Käpt’n Blaubär vorlesen, das erfordert eine ganz andere Art des Nachdenkens.

Ansonsten Lasagne gemacht, und zwar genau so. Einer von den nur sehr wenigen Tagen im Jahr, an denen allen Familienmitgliedern das Abendessen geschmeckt hat, man muss auch die positiven Dinge vermerken.

Jetzt nur noch schnell etwas für den Freundeskreis Insel, es geht um die Farben auf Helgoland. Vorsicht, Fernwehbilder.

Der Knacks

Ich lese in Roger Willemsens “Der Knacks”, da geht es um die kleinen und sehr kleinen Momente, in denen das Leben die Richtung wechselt. Es ist ein interessantes Buch, es wird darin grundsätzlich zwischen dem Knacks und dem Bruch im Leben unterschieden. Es geht Willemsen eher um die feinen Haarrisse im Alltag, nicht um die heftigen Umbrüche, das ist eine sinnvolle, richtige und nachvollziehbare Betrachtung. Für Roger Willemsen war sie sogar so sinnvoll, dass er sie auf immerhin 290 Seiten erklärt hat, da staunt man zuerst etwas, wenn man den Klappentext liest. Das ist mir prinzipiell sympathisch, über eine eher klein erscheinende Idee so lange nachzudenken, doch, das finde ich gut. Es ist mir aber streckenweise doch ein wenig zu fein geraten, zu intellektuell, zu distanziert von allem. Bücher in diesem Tonfall lösen bei mir immer einen gewissen Dosenbierdurst aus, um es mal geradezu willemsenmäßig bildhaft auszudrücken, Reaktanz gibt es eben auch bei der Lektüre. Aber egal, darum geht es gar nicht.

Es geht um ein Zitat, das ich in diesem Buch gefunden habe, ganz unvermutet. Ich habe nun gar keinen Hang zu goldenen Zitaten und außerdem eine mittelschwere Kalenderspruchallergie, es ist daher selten, dass mir einzelne Sätze wirklich auffallen, im Gedächtnis bleiben und dann sogar wieder zitiert werden wollen, hier mache ich aber doch einmal eine Ausnahme. Weil es so ein hervorragender Trostsatz für alle Eltern ist, die gerade eine dieser Phasen durchmachen, Sie wissen schon. Für Eltern also, deren Nachwuchs auf welche Art und bei welchem Thema auch immer gerade etwas speziell ist, auffällt, weit über oder auch deutlich unter irgendwelchen Ansprüchen liegt, irgendwie anders, seltsam, erstaunlich oder herausfordernd ist, Umwege nimmt, bei was auch immer nicht mitspielt, also einfach gerade charakterlich interessant wird, um es kurz zu fassen. Es handelt sich um einen Satz eines großen Pädagogen, und nein, es ist diesmal nicht Jesper Juul, Jesper Juul kann ja jeder, es ist der andere: Frank Zappa, warum auch nicht. Er wusste vermutlich ganz gut, wovon er sprach: “Je langweiliger das Kind, desto mehr Komplimente bekommen die Eltern.”

Über den Satz habe ich mich erstaunlich lange gefreut, da gab es wohl einen gewissen Bedarf an dieser Art der Betrachtung. Einen Bedarf, den es sicher ab und zu in jeder Familie gibt, einen Bedarf, den andere Eltern vielleicht auch jetzt gerade haben – weswegen ich den Satz nur mal eben teilen wollte. Bitte, gerne.