Sohn II: „Gott sieht dich.“
Ich: „Oh! Muss ich was beachten?“
Sohn II: „Nein. Er kommt nicht mehr runter.“
Apropos Einschulung
So sah das bei mir damals aus. Die Hose hat gekratzt wie Teufel und war mit absoluter Sicherheit die einzige karierte Hose, die ich jemals im Leben getragen habe. Womöglich liegt an diesem Kleidungsstück und in diesem Moment meine abgrundtiefe Abneigung gegen den Golfsport und die dazugehörige Mode, man weiß es nicht. Diese Mützen trugen damals alle Erstklässler, das war Pflicht. Die Mädchen trugen Kopftücher in gleicher Farbe, die noch schlimmer aussahen.
Die Schultüte war gekauft. Wenn ich mich recht erinnere, hat kein Mensch damals so etwas selbst gebastelt, das war nicht vorgesehen. Ich habe erst bei Sohn I gemerkt. dass man so etwas heutzutage selbst herstellt und war ganz überrascht. Ich habe keine Ahnung mehr, was der Inhalt war. Der Ranzen ist aus heutiger Sicht verblüffend klein, eine geradezu lässige Größe, das hat sich gewaltig verändert. Heute kommen die mit wesentlich mehr Volumen daher. Wobei das hier abgebildete Modell für heutige Hipster-Eltern vermutlich ein Traum wäre.
Außerdem war es einer meiner letzten Tage ohne Brille, denn kurz darauf fiel der Lehrerin auf, dass ich an der Tafel nichts erkennen konnte.
Bemerknisse zum Schulanfang von Sohn I
Das Wort Bemerknisse, viele werden es wissen, ist geliehen von Frau Gminggmangg – und es wird jetzt ein feiner, kleiner Trend, sich das auszuleihen, man darf da auch gerne noch anlegen.
Und weil es so leicht ist, an den Kitas, an den Schulen und an Gott und der Welt herumzukritisieren, wähle ich mal die originellere Variante und gebe wieder, was ich bei der Einschulung von Sohn I schön fand. Und zwar genau in der Reihenfolge, wie im letzten Satz vorgegeben.
Ich fand schön, dass Sohn I fröhlich aus der Kita, bzw. aus der Vorschule ging – und dort alles gut gefunden hat. Er fand tatsächlich alles super, das würde er jederzeit weiter empfehlen, er hat, so sagt er, eine tolle Zeit gehabt. “Was war am besten?” “Alles.” Super Freunde, super Erzieherinnen und Erzieher. Super Ausflüge, super Vorschulklassenfahrt und immer so weiter, er behält das in allerbester Erinnerung und wird seinen kleinen Bruder dort gerne besuchen oder hinbringen. Er hat buchstäblich bis zur letzten Minute mit seinen besten Freunden dort im Garten gespielt – und ging dann dennoch gerne. Weil es eben so weit war. Weil er jetzt ein Schulkind wird, weil die Zeit dafür reif ist, weil er sich auf die Schule freut. Das ist alles überhaupt nicht selbstverständlich, das finde ich schön.
Ich fand schön, dass die Schule so sichtlich bemüht ist, auf die Kinder zuzugehen und sie sehr freundlich aufzunehmen. Was für eine phantastische Entwicklung seit meiner Schulzeit, in der das Wohlergehen der Kinder bestenfalls zweitrangig war. Wie unfassbar viel ist in den Schulen seitdem passiert, ich staune da immer wieder. Ganz egal, wie verkorkst man die Schulpolitik heute findet, ganz egal, wie schlecht die neue Leselernmethode heute angeblich oder tatsächlich funktioniert, ganz egal, wie wenig bio das Essen in den Ganztagsschulen sein mag und was es an Klagen da noch mehr gibt, mir werden schon auch noch welche einfallen – was ein großer Fortschritt wurde da unterm Strich gemacht, das finde ich zu und zu schön. Das sieht man das eigene Kind also mit heller Begeisterung in die Schule hineingehen, von der es von älteren Kindern viel Gutes gehört hat, auch das ist überhaupt nicht selbstverständlich.
Ich fand auch schön, dass es einen kleinen Gottesdienst vor der Einschulung gab, obwohl ich nicht einmal ansatzweise religiös bin. Ich mag aber die Kinderarbeit der Gemeinde hier, die machen das liebevoll, humorvoll und weltoffen, das sehe ich mir gerne an und die Söhne machen da gerne mit. Ich fand schön, dass der Pastor, nachdem alle Erstklässler endlich in die Kirche hereingewimmelt und halbwegs still waren, die Gäste mit diesem Satz begrüßte: “Ich heiße sie und euch herzlich willkommen und freue mich, dass heute auch mein Freund, der Imam, hier vorne neben mir steht, denn wir feiern diesen Schulanfang gemeinsam mit unseren muslimischen Mitbürgern.” Sie haben darüber gelacht, dass sie beim Beten die Hände anders halten, der eine nach oben, der andere nach unten, und dass sie sich dadurch dabei prima einhaken konnten. Dann wurden die Kinder von beiden gesegnet. Das war nur ein Satz, das war nur eine Geste, das war nur ein Besuch. Aber das war sehr schön, sehr einfach und sehr beeindruckend. Weil es eben geht.
So viel schnell dazu. Morgen dann weiter im normalen Lästerprogramm. Oder mit einem Bericht zu unserem ersten Versuch, Sohn I ein Pausenbrot zu schmieren. Ein Pausenbrot, das, so sagt er kategorisch, entweder vegetarisch oder vegan oder mit Wurst sein soll. Da wird uns was einfallen, glaube ich.
Das Dienstags-Update
Drüben bei „Was machen die da“ geht es heute um eine Paramentenweberin. Und nein, wir wussten auch nicht, was das ist. Bis wir sie in Ratzeburg besucht haben. Zum Text geht es hier entlang.
Woanders – diesmal mit dem Kinderschminken, der Hafencity, einem Baumarkt und anderem
Familie: Kinderschminken geht ja mit vielen Produkten.
Hamburg: Basketball in der Hafencity. Alle bekloppt.
Feuilleton/Bauwirtschaft/Esoterik: Kid37 geht in einen Baumarkt.
Feuilleton: Seelenwanderung als Metapher, ein Artikel der den Bogen von Jean Paul zu modernen Urheberrechtsfragen schlägt. Fand ich sehr interessant und erhellend. Da geht es um die Identitätsfrage von Autoren und Büchern, das ist viel spannender als es zunächst vermutlich klingt.
Digitalarchäologie: Warum wir mit dem X Fenster schließen.
Politik: Weiterbildung zum Nahost-Konflikt in Landkarten.
Gesellschaft: Das Stück “Emils Ring” in der Zeit ist schon wegen des Titelbildes sehenswert.
Fotografie: Bilder einer sehr alten Dame.
Porträt des Autors als genialer Erfinder
Obwohl ich Glück habe und zu den Leuten gehöre, die ihrem Job recht gerne nachgehen und obwohl ich also in der Regel nicht wie der Schmerzensmann vom Dienst am Schreibtisch sitze, habe ich in letzter Zeit doch verdächtig oft mit mehr Freizeit geliebäugelt. Es war vielleicht ein wenig viel. Ich habe zu viele Abende mit der Arbeit zugebracht, ich habe frühmorgens immer gleich wieder angefangen, zu selten Pausen gemacht… aber irgendwann ist es eben auch mal gut. Dachte ich mir so. Und überlegte lange hin und her wie ich denn bloß zu mehr Freizeit kommen kann. Wo die Stunden wohl herzunehmen sind, die man sorgsam mit liebevoll arrangiertem Nichtstun auffüllen könnte? Die passen nämlich einfach nirgendwo rein, wie ich es auch drehe und wende. Nicht am Morgen, nicht am Vormittag, schon gar nicht am Nachmittag und natürlich auch nicht am Abend, wenn die Kinder endlich schlafen und man freie Bahn hat. Nein, es ist alles bis auf die letzte Minute besetzt und verplant und verkauft, im Grunde ist es schlimm. Das ist ja kein Leben, wenn man gar keine unverplante Zeit mehr hat, nicht wahr.
Und dann hatte ich eine Idee. Eine echte Knalleridee, so eine, bei der man gleich merkt, man hat gerade einen richtig, richtig tollen Gedanken: Einfach mal einen ganzen Tag freischaufeln! Das wäre es doch, und am besten gleich regelmäßig! Komplett nichts tun! Einen deklarierten Pausentag, das klingt doch wirklich nach einem tollen Konzept? Oder? Und dann fiel mir ein, dass schon andere Menschen vor mir auf das Prinzip gekommen sind, und zwar schon vor einiger Zeit. Sie nennen es Sonntag.
Aber egal. Ich habe ihn eben gerade neu erfunden, und zwar ganz alleine. Was mir wohl als nächstes einfällt? Rollende Treppen? Sich drehende Türen? Kutschen mit Motor? Maschinen, die rechnen können? Ich scheine doch Potential zu haben.
(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung.)
Aus der Planungsphase
Während wir wie in jedem Jahr die Kindergeburtstage vorbereiten, als seien sie dem großen Herbst-Manöver der NATO vergleichbar, also zumindest vom Aufwand, nicht ganz vom Kostenfaktor und der Truppenstärke her, während wir also Gästelisten hin- und herdiskutieren, Geschenke besprechen, Kuchenrezepte nachlesen, Locations suchen und Einladungskarten basteln, bestehen die Söhne, ebenfalls wie in jedem Jahr, auf dem Programmpunkt Schnitzeljagd. Alles andere ist im Grunde egal, eine Schnitzeljagd muss es aber geben, da gibt es gar keinen Verhandlungsspielraum. Wobei wir uns in dieser Familie uneinig sind, was eine Schnitzeljagd eigentlich ist. Die Herzdame besteht darauf, dass so etwas in zwei Gruppen gemacht wird, eine läuft vor und legt die Spur, die andere rennt hinterher und sucht. Ich kenne es eher so, dass ein Erwachsener die Spur legt, mit eingestreuten Rätselaufgaben und dergleichen, und alle Kinder gemeinsam suchen, aber diskutieren Sie so etwas mal mit Nordostwestfalen, die in ihrer Kindheit alles so gemacht haben, wie es immer schon gemacht wurde, seit Anbeginn der Zeit. Ich finde es ja eher unpraktisch, mit sieben aufgeregten Siebenjährigen zu diskutieren, wohin die zu legende Spur denn mal führen könnte, und ich erkenne bei der Zweigruppenlösung auch eine zwingend notwendige Verdoppelung des Betreuungsschlüssels, die Herzdame findet es so aber viel unterhaltsamer.
Jedenfalls tendieren die Söhne wegen massiver Einflussnahme der Herzdame nun auch zur Zweigruppenlösung, eine Horde Kinder rennt also vor und legt eine Spur, wohin auch immer. Nach einer sportlichen Alsterrunde z.B. sind die Kinder sicher angenehm erschöpft, im Grunde ist das eine interessante Variante, danach ist die Party dann auch schon so gut wie vorbei. Aktuell wird hier erörtert, wie denn die Spur gelegt werden soll, ich berichte quasi live aus dem familiären Planungskommittee. So eine Spur kann man mit Kreide auf den Asphalt zeichnen, mit getrockneten Erbsen legen, mit Mehl, Sägespänen, Papierschnipseln, mit Zetteln, man kann da auf etliche Möglichkeiten kommen, die alle aber auch Nachteile haben. Erbsen rollen weg, Papier weht weg, Mehl auch, Kreide geht bei Regen schon mal gar nicht und in Hamburg regnet es tatsächlich ab und zu. Klebt man Zettel irgendwo an, nehmen sie ordnungsliebende Nachbarn nach fünf Minuten wieder ab, das kennen wir schon, das haben wir bereits erlebt. Außerdem wohnen wir hier in einem kinderreichen Stadtteil, hier interessieren sich gleich alle möglichen Kinder für eine auffällige Spur, wer weiß, wer einem dann hinterher läuft? Kinderscharen, die man gar nicht kennt? Hameln reloaded? Oder wer die Spur ändert, verräumt, zerstört? Es ist kompliziert, wie alles. Mein bewusst pragmatischer Vorschlag, sich bei der Schnitzeljagd natürlicher Materialien zu bedienen, die im urbanen Umfeld reichlich vorkommen, wenig auffallen und doch leicht zu finden sind, also z.B. Hundekot zu dezenten Pfeilen auf dem Weg anzuordnen, stieß eben gerade rundweg auf Ablehnung.
Es ist überhaupt merkwürdig, manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Meinung bei der Planung der Kinderpartys gar nicht wirklich gefragt ist. Aber ich bleibe dran.
Zwischendurch ein Dank
… an den Leser C.F. der den Jungs Peter Pan zum Vorlesen geschickt hat, den wir bis zu den beiden Geburtstagen noch ein paar Tage weglegen. Und dann vermutlich am Tag zwischen den beiden Geburtstagen übergeben, damit es für beide ist. Da hat dieser seltsame Tag doch endlich einmal einen Sinn. Auch schön!
Das Dienstags-Update bei „Was machen die da“
Wir haben den Regionalulf besucht und interviewt. Ist das ein Beruf oder ist das ein Name? Jo.
Bitte hier entlang. Aber Vorsicht – es ist verschärft damit zu rechnen, beim Lesen Hungeranfälle zu bekommen. Oder Lust, den nächstbesten Biobauernhof zu besuchen. Oder länger zu überlegen, was ringsum eigentlich so wächst.
Der Hof
Was hier noch fehlt, ist der Hinweis auf den Ferienbauernhof, den wir auf Eiderstedt besucht haben. Da mehrere Leserinnen nachgefragt haben und das natürlich auch kein Geheimnis ist: Es handelte sich um den Ferienhof Reigardt in Tetenbüll. Da also hat man, wenn man die richtige Wohnung nimmt, die Schwalben im Zimmer, wobei die natürlich in Kürze wieder gen Afrika abreisen. Und da hat man auch, wenn man mit den anderen Kindern etwas Glück hat, den hier beschriebenen Bullerbü-Effekt.
Der Hof liegt etwas abseits der größeren Straßen, sehr ruhig, kaum Verkehr. Ganz im Gegensatz zu unserem Alltagserleben in Hamburg-Mitte sieht man hier übrigens kaum jemals SUVs, man sieht eher so etwas:
Ringsum also nichts als Gegend, sogar unfassbar viel davon. Darüber der spezielle Eiderstedter Himmel, ich schrieb hier darüber.
Ich stelle gerade fest, dass ich kaum Bilder vom Hof gemacht habe, man hat eben auch als Blogger so seine Aussetzer, pardon. Wenn man vom Hof geht, kann man auf den Weiden ringsum Kühe oder Schafe sehen, auf Eiderstedt gibt es noch sehr viel Viehhaltung, die ziemlich idyllisch aussieht, geradezu bilderbuchkompatibel.
Die Kühe gucken zurück – und wenn man stehen bleibt, dann gucken sie auch sehr lange und man kann mit ihnen ein wenig über die Weltlage sprechen. Kühe sind durchaus interessierte Zuhörer. Wenn man an ihnen vorbei joggt, gucken sie allerdings immer etwas fassungslos, Sport ist nicht so ihr Ding.
Der Hof hat größtenteils auf Ferienwohnungen umgeschwenkt, wie so viele in der Gegend. Aber es gab doch etliche Pferde, sehr viele Schafe, zwei Schweine mit Ferkeln, viele Hühner, Katzen und Hasen, für die Kinder war das allemal Bauernhof genug. Wenn man im Frühjahr hinfährt, kann man dabei sein, wie der Chef des Hauses Schafen beim Lammen hilft, alleine das wäre auch schon einen Besuch wert. Die Kinder können dreimal in der Woche reiten, ansonsten laufen die Tiere bemerkenswert frei herum, das fanden wir ganz großartig.
Ein Hof ist keine Appartmentanlage, das ist immer noch ein Betrieb mit ziemlich viel Getier und sehr vielen Kindern, die marodierend durch die Ställe ziehen. Wer eine geleckte Anlage erwartet, in welcher der Zimmerservice das Frühstück auf dem Tablett bringt, der ist hier natürlich falsch. Wer die Kinder laufen lassen möchte und froh ist, sich irgendwo in einer Hofecke in Ruhe in einen Strandkorb verkrümeln zu können – der ist hier genau richtig. Man sitzt da sehr gut. Ab und zu kommt ein Huhn vorbei, guckt auf den Buchtitel und legt kritisch den Kopf schief. Oder ein Schwein geht grummelnd über den Hof und sieht schmatzend zu, wie eine Horde Kinder jungen Katzen hinterherrennt.
Die Wohnungen sind anständig ausgestattet und, da ist man bei Ferienwohnungen ja immer dankbar, nicht hässlich. Normaler Ikeastil, da ist man geschmacklich in Sicherheit. Wer öfter Ferienhäuser online sucht, der weiß, dass das für ein Segen ist. WLAN ist vorhanden, aber ziemlich schwachbrüstig. Für etwaigen Bilderupload braucht man also stabile Nerven, reines Lesen ist okay. Wer O2-Kunde ist, der hat ringsum und auf der ganzen Halbinsel allerdings verlässlich gar keinen Empfang, der ist auf das WLAN angewiesen.
Zum Einkaufen oder ans Meer muss man mit dem Auto, das geht auf Eiderstedt aber generell nicht anders, jedenfalls so lange die Kinder noch keine größeren Fahrradtouren machen können. Husum, Sankt Peter-Ording, Tönning, Friedrichsstadt kann man gut erreichen, ebenso die kleinen Badestellen abseits der großen Strände vor Sankt Peter-Ording. Ich blogge später noch eine kleine Liste mit Empfehlungen zum Aufenthalt auf Eiderstedt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass wir da noch einmal hinfahren, ist tatsächlich ziemlich hoch, im Grunde hat noch kein Urlaub so gut funktioniert wie dieser. Wenn Sie da auch einmal hinfahren – grüßen Sie Carola und Hansi Reigardt bitte von den Buddenbohms.