Tippeditipp

Ich sitze am improvisierten Schreibtisch im Ferienbauernhof und schreibe Seite um Seite. Ich schreibe zielstrebig auf den Punkt zu, an dem man sich wieder einmal fragt, ob man da eigentlich gerade totalen Schrott produziert oder einen halbwegs guten Text, an dem Punkt komme ich gerade öfter vorbei. Sohn II kommt vorbei, baut sich vor meinem Schreibtisch auf, zeigt mit dem Finger auf mich und ruft in wüstem Kassandra-Tonfall: “Du Narr!”
Ich: “Wie bitte?!”
Sohn II: “Ich weiß eigentlich nicht einmal, was das heißt. Ich hatte nur gehofft, es ist ein lustiges Schimpfwort. Hat ganz gut geklappt, ne?”

Johannes Korten 1974 – 2016

Manche Nachrichten erwischen einen so, dass man auch als einigermaßen routinierter Schreiber weder geistreich noch sinnig-stimmig noch auch nur halbwegs sortiert darauf reagieren kann. Die Nachricht von seinem Tod erreichte uns direkt am Leuchtturm Westerhever, wo einem ohnehin ein scharfer Wind von der Nordsee in die Augen kommt, da fällt es gar nicht öffentlich auf, wenn man so etwas auf dem Handy liest. Am Leuchtturm von Westerhever steht man mitten in den Salzwiesen vor dem Wattenmeer, da hat man eigentlich nie Empfang, da kann man solche Nachrichten gar nicht bekommen, die man auch gar nicht bekommen will. Denkt man.

Das ist dieser Leuchtturm, den alle kennen, der rotweißgestreifte Leuchtturm schlechthin, das weithin sichtbare Signal für Schiffe auf dem Meer und auch für die Touristen an Land, und aus dem Leuchtturmbild könnte man eigentlich etwas machen, was recht gut zu Johannes gepasst hätte. Ich kann aber gerade nicht. Man kann nämlich nicht immer können, man muss es wohl nicht einmal, das ist auch so etwas, was man irgendwann lernen muss.

Isa, Kiki und Liisa haben schon geschrieben, da ist auch alles dabei, da wurde nichts ausgelassen, was wichtig war. Ach, es ist ein furchtbares Elend, und er wird mir fehlen. Er war online ganz selbstverständlich immer dabei, seit vielen Jahren. Wir hatten auch noch eine Verabredung offen, er wollte mir in Sachen “Ruhrgebiet mit Kindern” einiges zeigen, er mochte seine Heimat. Das wird seltsam und traurig sein, wenn ich dort wieder einmal bin.

Ich kann nur noch die Geschichte ergänzen, wie ich vor ein paar Jahren mit Johannes telefoniert habe, als ich die Idee zum Wirtschaftsteil für die GLS Bank hatte, denn wir hatten auch eine geschäftliche Beziehung. Das Telefonat führten wir beide in unseren jeweiligen Mittagspausen, es dauerte etwa zwanzig Minuten. Ich habe die Idee geschildert, er hat sich das angehört und war sofort begeistert. Dann haben wir kurz – wirklich sehr kurz – die Inhalte umrissen, die dafür in Frage kamen, haben ein paar Worte über den Stil und den Ton gewechselt. Ich habe eine Zahl genannt und er hat okay gesagt. Und in der darauf folgenden Woche haben wir schon mit der regelmäßigen Kolumne angefangen. Einfach so.

Und dieses erste Gespräch war so, dass wir danach nie wieder über den Wirtschaftsteil an sich reden mussten. Weil wir in diesen zwanzig Minuten alles besprochen hatten, weil wir uns völlig einig waren, weil wir uns verstanden haben. Es war zu dem Zeitpunkt eine durchaus unübliche Vereinbarung und Kooperation zwischen einem Unternehmen und einem Blogger, vermutlich hätte jedes andere Unternehmen, hätte jeder andere Online-Redakteur tagelang, wochenlang, monatelang nachgedacht, Bedingungen verhandelt, Preise geschraubt, Verträge aufgesetzt, Sicherheiten eingebaut, Pflichten nachverhandelt, ich bin da ziemlich sicher. Mit Johannes und der GLS Bank habe ich einfach gemacht. Und wenn es darum geht, sich an seine helle Seite zu erinnern – etwas einfach zu machen, das ist eine charakterliche Stärke, die man gar nicht so oft trifft, wie mir scheint,

Das hat sich später bei “Was machen die da” wiederholt, das war auch bei “Ein Buch für Kai” und anderen Aktionen von ihm oder mit seiner Beteiligung nicht zu übersehen. Einfach machen, das konnte er wirklich gut. Das wird der deutschen Online-Szene fehlen, da werden wir uns alle etwas Mühe geben müssen, um das zu ersetzen, nicht wahr. Einfach machen, das ist längst nicht jedermanns Sache.

In seinem letzten Blogeintrag hat er Wünsche geäußert, da geht es um Achtsamkeit, Gemeinsamkeit, um das Gute im Leben und auch um den Sinn. Das sind Schlagworte, die man in Richtung Kalenderspruchweisheit ausdeuten kann, es sind aber auch Schlagworte, wie sie ganz selbstverständlich im Wirtschaftsteil vorkommen, denn dort geht es ja um die seltsame Spannung zwischen wirtschaftlichem und sinnvollem Handeln. Was machen wir warum, welche Folgen hat das. Warum machen wir das eigentlich nicht gemeinsam, statt immer gegen andere  – und ist das alles eigentlich gut?

Das hatten wir damals so gemeint, und das hat er in seinem Beruf übrigens immer so gemeint. Das war etwas, worum ich ihn immer sehr beneidet habe, um diesen Sinn im Beruf.

Aber letzte Wünsche soll man nicht nur lesen, man soll auch nach Möglichkeit etwas damit anfangen. Dann will ich in meinen gesammelten Links mal nachsehen, ob ich etwas zu Achtsamkeit, Gemeinsamkeit und Sinn finde. Und mich an den nächsten Wirtschaftsteil machen. Denn solche Wünsche muss jeder bei sich einbauen, wo es eben gerade passt.

Leg den Text von damals auf

Seltsam auch, in alten Notizbüchern aus irgendwelchen Gründen unverbloggtes, aber fix und fertig ausformuliertes Zeug zu finden, was macht man denn damit? Das fühlt sich ganz merkwürdig an, als würde man heute merken, dass man vor einem Jahr eine angefangene Arbeit nicht beendet hat. Oder als würde man noch längst vergessene Schulden bei jemandem haben, der man in dem Fall vermutlich selbst ist. Da merkt man dann auch, wie tief sich das im Laufe der Jahre in einem verankert hat, eine Idee auch ja zu verbloggen, das ist bei mir doch glatt ins protestantisch geprägte Arbeitsethos übergegangen. “So etwas verbloggt man doch!” Nicht auszuschließen, dass ich das genau so schon von mir gegeben habe, wer immer strebend sich bemüht und so, Sie kennen das.

Einen Text immerhin kann ich vielleicht reaktivieren und so die Schreibschulden bei mir selbst begleichen. Die ziemlich genau ein Jahr alten Zeilen beschreiben die Zugfahrt von München nach Hamburg auf der Rückreise von Südtirol. Eine spätabendliche Zugfahrt, auf der nach und nach alle einschlafen und es im Abteil immer ruhiger und ruhiger wird, das könnte klappen, das machen wir nämlich in diesem Jahr genauso, in wenigen Wochen schon. Und vermutlich wird die Szenerie halbwegs gleich sein, so ein hochsommerabendlicher Zug eben, also ein Zug mit nur mehr oder weniger funktionierender Klimaanlage, das wird sich ziemlich sicher so wiederholen. Die Kinder werden hitzemüde sein, die Erwachsenen auch, und nicht nur die Familie Buddenbohm wird dann schon wieder an einen vergangenen Urlaub denken, während vor den Fenstern die Landschaft immer flacher und flacher wird.

Doch, ich bewahre die Seiten aus dem Notizbuch des letzten Jahres einfach mal auf, baue auf der Zugfahrt noch ein paar Details aus dem aktuellen Jahr ein und verblogge das dann. Wer weiß, vielleicht sitzt dann am Nebentisch sogar wieder jemand, der in Powerpoint eine Präsentation über Schlagbohrmaschinenmarketing erstellt, wer weiß. Let’s talk about Déja-vu.

Oder das hier: “… die neongrünen Badehosen der Söhne und die grellorangefarbenen Bojen leuchten in den Sonnenstrahlen auf, während der Himmel westlich von Husum wie blaues Glas über dem Meer steht, das von unten im Spätnachmittagslicht zurückleuchtet. Ein älteres Paar geht baden. Die auflaufende Nordsee ist kalt, die sieht nur so einladend aus, das täuscht. Sie geht vor und spritzt ihn ein wenig nass, er wird sofort böse, brüllt sie an und zieht schimpfend an Land, wo er sich sofort wieder anzieht, immer weiter lauthals fluchend. Sie dagegen wirft sich lachend und prustend ins Wasser …”

Das bekommen wir vermutlich auch wieder hin. So oder so ähnlich.

Die Herzdame packt gerade Koffer, meiner ist schon seit Montag gepackt und ja, ich bin noch bei Trost. Der Urlaub war nur etwas überfällig.

Buddenbohm & Söhne

Es fehlt ja immer noch ein Update, fällt mir gerade ein, ein Update zu den bloggenden Söhnen. Denn zum einen wird vielleicht aufgefallen sein, dass Sohn I schon lange nicht mehr gebloggt hat, zum anderen schreibt Sohn II gerade erstaunlich viel – wie kommt das?

Sohn I hat bekanntlich den Preis als bester Nachwuchsblogger 2015 bekommen, die Statue steht im Kinderzimmer oben im Regal, sein erster Pokal, seine erste Trophäe, sein erstes Gewinndings, die Freude war riesig. Und das ist auch schon der Grund, warum er dann eine Weile nicht mehr gebloggt hat – denn er hat ja gewonnen. Mit anderen Worten, er war ja fertig, der Drops war gelutscht, been there, done that, got the T-Shirt. Ein wunderbares Beispiel für die Wirkungslosigkeit von Bonussystemen, aber das nur am Rande.

Sohn II dagegen findet es gerade ungeheuerlich interessant, dass andere Menschen vielleicht tatsächlich ein Buch kaufen, das er empfiehlt, darüber denkt er lange und gründlich nach, kommt auf weitere Themen und motiviert damit neuerdings wieder seinen großen Bruder, der ja auch mal was zur Umwelt schreiben könnte oder über Elektroautos und zu Kinderzeitschriften und zu Dings und zu Dings und über diese App und jenes Buch und den Film! Über den auch! Und dann fällt ihnen so viel ein, dass erst einmal gar nichts dabei herauskommt, welcher Autor würde das nicht kennen. Aber wenn wir im Urlaub sind, da könnte man auch über guten Kuchen und Spielplätze und so! Denn guter Kuchen ist wichtig, das ahnen auch Reiseblogger, die noch keinen einzigen Text zum Thema Reisen geschrieben haben.

Gestern haben wir dieses Blogding noch einmal gründlich besprochen, was man da macht, wie das vielleicht wirkt, was man überhaupt macht, wenn man schreibt, wenn man im Internet schreibt, wenn man Bücher schreibt oder in Zeitungen. Ich habe ihnen noch einmal gezeigt, dass hier “Buddenbohm & Söhne” drüber steht, das fanden sie sehr aufregend. Und ein Zitat von Sohn II habe ich zwar schon auf Twitter etc. verbreitet, es ist aber so schön, es muss unbedingt auch im Blog stehen:

„Man kann über alles bloggen, über alles! Wenn man nur genug nachdenkt, kann man auch über ein Sandkorn bloggen!“

Wer beim Bloggen ein wenig Motivation braucht – einfach mal einen Sechsjährigen fragen. Läuft.

In der S-Bahn

In der S-Bahn sitzen mir zwei Mädchen gegenüber, irgendwo im Pubertätsalter, vierzehn Jahre vielleicht. Sie unterhalten sich in einem sehr rudimentären Deutsch und nach einer Weile reime ich mir zusammen – die beiden können keine gemeinsame Sprache, lernen aber gerade zusammen Deutsch und kommen wohl gerade vom Sprachkurs oder aus der Schule, wie auch immer. Unmöglich zu sagen, aus welchen Ländern sie kommen, grob Richtung Süden wird nicht falsch sein, mehr kann man nicht raten oder gar erkennen. Sie könnnten geflüchtet sein, zugereist, eingewandert, Expat-Töchter, was auch immer. Die Kleidung gibt keine Hinweise, H&M vermutlich, wie überall. Sie fallen zwischendurch nur so kurz in ihre jeweiligen Muttersprachen, dass ich sie nicht zuordnen kann.

Sie haben es denkbar schwer, sich zu verständigen, aber sie sind beide gleich alt und haben Jungs in der Klasse oder im Kurs, über die man sich dringend, wirklich enorm dringend austauschen muss, also reden sie eben trotzdem. Ihre Sätze bestehen fast nur aus Adjektiven, Substantiven und irrem Gekicher, da fehlt alles sprachliche Beiwerk, aber das Milo süß ist, das kommt dann doch deutlich zum Ausdruck, sehr oft sogar. In einer gemeinsamen Sprache würden sie enorm viele Wörter in kurzer Zeit von sich geben, aber sie haben nur ziemlich wenige Begriffe zur Verfügung, es macht sie wahnsinnig, gleichzeitig finden sie es aber auch witzig. Milo süß! Ja, Milo süß. Bei anderen Namen werden Augen verdreht, wird noch mehr gekichert, werden Augen sogar hochdramatisch gerollt, werden wegwerfende Gesten gemacht und Hände zum Himmel gehoben. Sie stoßen sich an und lachen sich kaputt und sind sehr aufgeregt und versuchen sich zu verabreden, wozu sie Zeiten und Straßennamen und Nummern brauchen, das ist wieder ziemlich schwer, und schließlich werden Karten auf dem Handy gezeigt und Stadtteile buchstabiert. Al-to-na, so ein komisches Wort, sie lachen sich schon wieder kaputt. Und dann einigen sie sich mühsam, wo sich treffen können, um noch mehr zu reden, denn reden müssen sie unbedingt bald wieder, auch wenn sie es nicht können. Weil Milo süß. Hihi.

Gehört: Kurukuku von den Muckemachern

Ich habe die CD mit dem südlichen Sound von dem Muckemachern schon einmal kurz erwähnt, mittlerweile haben die Söhne sie aber reichlich testgehört, daher doch noch ein kleiner Nachschlag. Denn man wird als Vater natürlich nahezu zwingend mit den Sounds aus dem CD-Player des Nachwuches beschallt. Und da möchte ich – nein, keine bezahlte Werbung – doch noch einmal darauf hinweisen, dass es eine ziemlich feine Kinderzimmersommer-CD ist, auch für Erwachsene angenehm zu hören. Man kann sie an Sommerabenden gut laut hören, und zwar gleich so laut, dass es auf dem Balkon noch ankommt, denn dort passt die Musik besonders, am besten wenn die Stadt heiß ist und sich tatsächlich nach Sommer anfühlt.

Das klingt nicht nach Kindermusik, jedenfalls wenn man den Texten nicht gerade intensiv lauscht und bei Refrains wie Selleri Sellera dann doch einen gewissen Verdacht hat. Das klingt eher nach Latin-Party, nach Salsa, nach Reggae, das klingt jedenfalls ziemlich tanzbar oder zumindest mitwippbar und hüpfkompatibel, es klingt auf jeden Fall ganz außerordentlich nach bestem Wetter und wesentlich wärmeren Ländern. Würden die Texte auf Spanisch oder in einer anderen Sprache interpretiert, der man nicht oder nur sehr begrenzt folgen kann, man käme nicht darauf, dass es eine Kinder-CD ist, und so muss es ja auch sein, finde ich. Sohn I fand die Texte witzig, momentan ist es sogar die CD, die er am liebsten mag, sagt er, mit besonderem Verweis auf den Song “Cumbianer”. Cumbia sagte mir nichts, wieder was gelernt. Die Liedinhalte zielen ungefähr auf sechsjährige Kinder, mit erheblicher Streuung nach oben und unten.

 

Wer bei Spotify ist, findet die CD übrigens auch dort. Wir meinen: empfehlenswert.

 

Instagram-Geschichten – Oberhafenhunde

Da steht Sohn I auf der Oberhafenbrücke, ich habe das Bild auf Instagram “Stadtkindsommer” genannt, und ich mag es sehr. Da sieht der Sohn so aus, als könnte er auch schon wesentlich älter sein, solche Momente kommen bei Achtjährigen vor, als würde der Teenie in ihnen schon ab und zu durchschimmern, wenn man sie nur aus dem richtigen Winkel oder im richtigen Licht betrachtet.

Über diese sehr urban wirkende Brücke gehen wir, wenn wir von unserem kleinen Bahnhofsviertel aus zu Fuß in die Hafencity gehen und nicht die U-Bahn nehmen. Da gehen wir dann so rüber, suchen Graffitis und denken dabei nahezu unweigerlich: ach guck, denken wir dann, das ist ja gar nicht so weit in diese Hafencity, das ist doch wie nebenan. Und dass wir da ja ruhig öfter hingehen könnten, echt jetzt mal, wo es doch wirklich um die Ecke ist, das denken wir auch. Einfach mal einen Spaziergang dahin machen, so eine kleine Abendrunde etwa.

Und dann machen wir das aber doch wieder monatelang nicht, weil es nun einmal nicht unser Revier ist. Wie bei Hunden oder so.

Die Liebe, die Liebe

Und zwischendurch haben wir, also die Herzdame und ich, als wir gestern nur zu zweit beim Lieblingsitaliener waren, um eine gewisse Szene aus “Susi und Strolch” nachzustellen, noch einmal sehr amüsiert festgestellt, dass die Herzdame nach wie vor zwei meiner Bücher nie gelesen hat. Und zwar aus beziehungstechnisch ebenso logischen wie auch unüberwindbaren Gründen. Denn sie besteht seit Jahren darauf, dass ich ihr da eine persönliche Widmung hineinschreibe, mit Sinn und Gefühl und allem, vorher fasst sie die Werke ganz sicher nicht an. Ich wiederum verweise stereotyp auf die schöne Tatsache, dass “Mit Dank an die Herzdame” immerhin schon gut lesbar gedruckt vorne drin steht und ich bekannterweise alles schreibe, nur kategorisch keine Grußworte. Dann haben wir angestoßen und wie immer dort sehr fein gegessen.

Ich würde nach einigem Nachdenken nicht vollkommen ausschließen, dass wir beide manchmal etwas stur sind. Lübeck gegen Nordostwestfalen, das ist weiß Gott kein leichtes Match. Mit anderen Worten, wir passen wirklich sehr, sehr gut zusammen.

Instagram-Geschichten – Katzen gegen die NATO

Es ist eigentlich gar keine Geschichte, es ist nur etwas Kontext zu einem Bild, aber die Regeln mache ich hier ja selbst, what a stroke of luck. Instagram-Begleittexte schreiben sich angenehm leicht weg, ich brauche so etwas gerade, das ist genau das richtige Format für Zeiten der fortgeschrittenen Urlaubsreife, in denen man etwas Prokrastinationsspielzeug benötigt.

Wir sehen hier ein Haus an der Stelle, an der das Hamburger Grindelviertel in Eppendorf übergeht, jedenfalls ungefähr. Im Rücken des Fotografierenden denke man sich bitte ein Kino, in dem ich übrigens an dem Tag mit Isa war, als Deutschland gegen Frankreich spielte, wir hatten sehr, sehr viel Platz im Saal, es war uns ein Fest. Gesehen haben wir da diesen Film, eine äußerst nette Flucht- und Integrationsgeschichte, bei dem leider die weibliche Hauptfigur etwas zu kurz kommt, aber sonst, wie gesagt, schon nett und sehr herzig und empfehlenswert und auch komisch. Aber darum geht es gar nicht.

Es geht um die auf die Wand gemalten Katzen da an dem Haus, denn unter diesen Katzen stand, als ich im Jahr des Herrn 1987 – da reiste man noch mit Postkutschen, liebe Kinder – nach Hamburg zog, “Katzen gegen die Nato!” in ziemlich fetten, riesengroßen Lettern unter dem Wandbild. Ich zog nach Eppendorf, fast in Sichtweite des legendären Musikschuppens Onkel Pö, der allerdings kurz vor meinem Einzug schloss und in eine hippe Großkneipe umgebaut wurde, was ich der alten Hamburger Szene bis heute übel nehme. Ich gucke Udo Lindenberg, der hier ein Haus weiter residiert, immer noch böse an, wenn ich ihn auf der Straße im Vorbeigehen sehe.

Damals war Eppendorf noch ein Studentenviertel voller WGs, in jedem zweiten Haus gab es ein Antiquariat oder einen Trödler, in jedem dritten eine verrauchte Kneipe. Die Typen, die nach und nach erst ihre MitbewohnerInnen vergrault und dann auch ihre linke Gesinnung verdrängt haben, die bewohnen diese prächtigen Altbauwohnungen dort immer noch, sind mittlerweile aber Oberstudienrat oder Fachärztin oder Architekt oder Privatier oder irgendwas in einer Partei und im Immobiliengeschäft, was in Hamburg traditionell nahezu identisch ist, und das erklärt dann auch den sogenannten Charme des Viertels heute, aber darum geht es ja nicht.

Der Spruch “Katzen gegen die Nato” verschwand jedenfalls irgendwann wieder, darum geht es. Das Bild wurde alle paar Jahre liebevoll restauriert, ein Spruch erschien darunter aber merkwürdigerweise nie wieder, kein einziger, in all den Jahren nicht. Es gab kein “Katzen gegen die Wiedervereinigung”, kein “Katzen gegen das Ozonloch”, kein “Katzen gegen Saddam”, kein “Katzen gegen Hartz IV” und es gibt auch heute, wie man auf dem Bild deutlich sieht, kein “Katzen gegen Rassismus.”

Es ist eigentlich jammerschade. Wo doch Katzen zu allem eine Meinung haben, wie jeder weiß.

Zwischendurch ein Dank …

… an die Leserin B.A.K., die den Jungs Schwimmzubehör für die Sommerferien geschickt hat. Das werden wir in Südtirol einsetzen, wohin wir in wenigen Wochen noch einmal fahren, auf einen Bauernhof mit Swimming-Pool. Das ist eine vielleicht etwas seltsame, aber für Familien vollkommen sinnvolle und empfehlenswerte Kombination. Beim letzten Urlaub dort hat Sohn II Schwimmen gelernt, vielleicht klappt es jetzt ja mit dem Tauchen.