Gelesen, vorgelesen, gesehen, gehört im April

Uwe Timm: Montaignes Turm. Essays. Das habe ich als eBook gelesen, daher ohne schickes Bild. Dabei fiel mir auf, dass sich Essays ganz hervorragend als eBooks eignen, das fühlt sich viel besser an als Romane, die Sachlichkeit der Gedanken harmoniert so nett mit der Technik. Vermutlich entwickelt man bei der Wahl der Medien irgendwann drollige Ticks, es gibt dann eben Bücher, die müssen gedruckt sein, die passen auf das iPad, die passen auf das Handy usw. Und warum auch nicht.

Essays also, es geht in dem Band hauptsächlich um Literatur und dabei wiederum um ältere. Da habe ich wieder gemerkt, dass ich, ohne recht zu wissen warum, Sekundärliteratur manchmal wahnsinnig gemütlich finde. Ja, gemütlich. Es fühlt sich seltsam heimelig an, über den Konjunktiv bei Kleist zu lesen, obwohl mich der wirklich nicht brennend interessiert. Ich habe auch nicht den Eindruck, mir besonders viel vom Inhalt zu merken, als Bildungsarbeit geht das also kaum durch, aber ich finde es irgendwie beruhigend und erbaulich. Die Raumform bei Montaigne, das nationale Identitätsgefühl bei Kafka, das klingt doch schon alles so herrlich unaufgeregt. so bibliothekslastig, so ruhig und ungestört erarbeitet in einem stillen Akademikerzimmer. Und das kann einem auch einmal guttun, sich in eine solche gelassen-gelehrte Stimmung zu begeben. Oder mir jedenfalls.

Und Uwe Timm ist natürlich ein ausgezeichneter Stilist, an seinen Sätzen denkt man gerne entlang, zumal er immer wieder so faszinierend wort- und detailverliebt ist. Wer ihn einmal auf der Bühne erlebt hat, der weiß, wie sich das auf die Zuhörer überträgt, diese Liebe zum Wort, zum Satz, zum Klang, zur Kleinigkeit. Und weil ich das so nett fand, diese Essays zu lesen, habe ich, ebenfalls als eBook, gleich darauf noch ein Sachbuch angefangen:

Karl-Markus Gauß: Lob der Sprache, Glück des Schreibens. Das sind kleine Stücke, irgendwo zwischen Glosse, Kolumne und Essay. Glänzend geschrieben und gedacht, es liest sich ein wenig so, als hätte man ein sehr, sehr gutes Blog entdeckt. So thematisch wild durcheinander, teilweise auch so kurz, meistens aber doch interessant. Ein ausgezeichnetes Zwischendurchbuch, von diesen Texten passen manchmal auch drei zwischen bei S-Bahnen. Im Freitag eine schöne Rezension zum Buch.

Gleich noch ein paar mehr Essaybände vorgemerkt, denn mit anderen Leuten quasi gemeinsam herumzudenken, das hat ja den Vorteil, dass man sich mal wieder fragt, ob man selbst eigentlich genug denkt. Gründlich genug denkt. Elegant genug denkt. Und die Fragen schaden ja nicht.

Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt
Wir haben Raketen geangelt

Das habe ich in Wahrheit noch gar nicht angefangen, das wollte ich nur anfangen. Ich habe Karen Köhler aber schon mehrfach daraus lesen hören und war jedesmal komplett hingerissen, ich fand die Geschichten wirklich außerordentlich gut. Und, weswegen ich das Buch auch schon erwähne, die Herzdame hat es bereits komplett durchgelesen und mir dann mehrfach Vorträge darüber gehalten, was das für ein tolles Buch sei. Und ich glaube fast, dass hat sie noch nie bei irgendeinem Buch gemacht.

Robert Seethaler: Die weiteren Aussichten

Die weiteren Aussichten

Bei Robert Seethaler reden alle vom Trafikanten und vom ganzen Leben, die beiden Titel scheinen ja gerade auf jedem Nachttisch zu liegen. Und bei mir ist es nun so – ich fand das hier noch besser. Das ist eine höchst spezielle Liebesgeschichte, ein abgedrehtes Road-Book, eine Hymne auf das Anderssein, ein durchgeknalltes Provinzstück, das ist ganz wunderbar und außerdem ein enormer Spaß. Zwischendurch klingt der Seethaler streckenweise wie Wolf Haas, das ist ein wenig irritierend, passt aber hervorragend zur Story und man möchte überhaupt nicht, dass das Buch aufhört. Ich weiß nicht, ob es bereits verfilmt wurde, es müsste aber ganz dringend verfilmt werden, ich würde dafür sogar ins Kino gehen. Es ist ja gar nicht selbstverständlich, dass man ein Buch beim Lesen so komplett als Film vor sich sieht, mit allen Details, aber hier ist das der Fall. Wirklich dicke Empfehlung! Grandioses Buch!

Nebenbei habe ich bemerkt, dass die drei Seethaler-Bücher, die ich jetzt kenne, jeweils einen vollkommen anderen Sound haben, als wären sie von drei Autoren geschrieben worden. Ich weiß nicht, ob mir das schon jemals bei einem Autor so aufgefallen ist. Wie isses nun bloß möglich?

Mai – Gedichte. Ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell.

Mai-Gedichte

Im Mai kriegen sich die Damen und Herren der Lyrikbrigade vor Freude natürlich gar nicht mehr ein, das ist auch nicht anders zu erwarten, das soll auch so sein. Sogar der olle Karl Krolow in “Neues Wesen”:

[…]
Frühling, ja, du bist’s!
Man kann das nachlesen.
Die grüne Hecke ist ein Zitat
aus einem unbekannten Dichter.
Die Leute streichen auch
ihre Familien an, die Autos,
die Boote.
Ihr neues Wesen
gefällt allgemein.

Der Satz mit der grünen Hecke, der hätte mir auch gerne einfallen dürfen. So schön.

Vorgelesen

Jutta Richter: Das Tontilon

Das Tontilon

Das ist ein Buch aus der Kindheit der Herzdame, sie hat noch eine ganze Menge der alten Kinderbücher, die auf die Söhne sehr anziehend wirken. Beim Wiederlesen kommt einem das Buch dann gar nicht mehr so toll vor, sagt sie, die Zielgruppe war aber gleichwohl sehr angetan. Und darum geht es ja.

Arnhild Kantelhart (Hrsg.): Es war eine dunkle und stürmische Nacht. Vorleseklassiker. Mit Bildern von Jutta Bauer,

Es war eine dunkle und stürmische Nacht

Es war eine dunkle und stürmische Nacht

Das habe ich tatsächlich wegen des Titels aus der Bücherei mitgenommen, weil gerade Sturm aufkam und es draußen dunkel wurde, als ich das Buch in die Hand nahm. So etwas kann man ja nicht ignorieren, da muss man den Zeichen folgen. Ich fand die Auswahl sehr ansprechend, in dem Buch findet man u.a. Brecht, Calvino, Krüss, Kipling, Tolstoi, eine wilde Mischung mit Geschichten, die auch dem vorlesenden Elternteil Unterhaltung bieten, weil sie manchmal etwas neben dem Erwartbaren liegen. Und Gott sei Dank tun sie das. Es ist nämlich gar nicht so leicht, gute Vorlesebücher mit vielen möglichst verschiedenen Geschichten zu finden. Wenn man die Regalmeter in Buchhandlungen und Büchereien entlangguckt, werden gerade immer mehr Bände nach Themen zusammengestellt, Jungsgeschichten, Mädchengeschichten, Mutgeschichten, Lachgeschichten, Schulgeschichten, Piratengeschichten und immer so weiter. Bei uns funktioniert Abwechslung aber viel, viel besser.

Und apropos Piratengeschichten, da muss ich auch einmal erwähnen, dass diese ganzen Reihen für Erstleser, diese Leselernbücher für Erstklässler – dass die allermeisten von denen ganz furchtbar sind. Die Geschichten sollen einfach sein, versteht sich, sie sind aber meist auch noch witzlos und bieder bis zum Anschlag, wirklich, das ist ein einziges Desaster. Ich verstehe auch gar nicht, wieso es in diesen Büchern immer noch dauernd um Indianer und Piraten und Ritter geht, die Erstklässler hier interessiert das gar nicht mehr, das ist doch Kindergartenkram, sagen sie. Sohn I und ich lassen diese Bücher jetzt wieder weg und lesen lieber ganz normale Geschichten.

Von dem Fischer und seiner Frau. Ein Märchen von Philipp Otto Runge, nacherzählt von Uwe Johnson, illustriert von Katja Gehrmann.

Von dem Fischer und seiner Frau

Das Buch hat Sohn II ausgesucht, der gerade strikt darauf aus ist, dass Bücher möglichst dünn sein müssen und gerne auch nur EINE Geschichte enthalten. Da bieten sich zahlreiche Märchenbände an. Die Herzdame und ich waren, Johnson hin oder her, etwas pikiert, denn das Märchen gehört doch eigentlich plattdeutsch erzählt, zumindest an einigen Stellen, aber nun gut. Wir sind hier ja tolerant und weltoffen. Die Illustrationen sind aber auf jeden Fall super.

Und weil Sohn II so besonders an kurzen Geschichten interessiert ist, gab es noch, ebenfalls aus dem Altbestand der Herzdame:

Ursula Wölfel: Siebenundzwanzig Suppengeschichten. Mit Bildern von Bettina Anrich-Wölfel. Das sind Geschichten, die so kurz sind, dass man sie vorlesen kann, während die noch zu heiße Suppe etwas abkühlt. Also ultimativ kurze Geschichten und das begeistert den Sohn wirklich sehr. Vielleicht sollten wir demnächst zu getwitterten Geschichten übergehen? Die eigentlich angepeilte Zielgruppe liegt vermutlich eher bei drei, vier Jahren, die Geschichten sind auch sehr einfach zu verstehen. Um nicht zu sagen sehr schlicht.

Gesehen

Nichts. Macht nichts. Ich habe den ungenutztesten Netflix-Account, den man sich vorstellen kann, immer wieder denke ich, ich könnte doch mal. Irgendwann. Bei Gelegenheit. Tja.

Gehört

Liebe, Schaps und Tod: Wader singt Bellmann. Ein Album, das eine eigene Wikipedia-Seite hat, wie praktisch. Bellmann ist vielleicht nicht so bekannt, mehr zu dem schwedischen Dichter kann man hier nachlesen. Er gehörte zu den Leuten, aus denen druckreife Lyrik nur so herausperlte, man kennt das z.B. von Goethe, der konnte das als junger Mensch auch schon. Bellmann ist von vielen, vielen deutschen Künstlern aufgenommen worden, wenn man etwas sucht, findet man die erstaunlichsten Stücke, etwa “Juhnke singt Bellmann”, das ist allerdings ziemlich schrecklich. Ich neige ja immer wieder zu schwerem Ohrwurmbefall und in diesem Monat bin ich “Weile an dieser Quelle” einfach nicht mehr losgeworden, das fiel schon unter zwanghaftes Nachsingen, kurz vor Behandlungsbedarf. Allmählich lässt es aber doch nach, ich habe die Hoffnung, im Mai wieder anderes hören zu können. Und beim Frühstück nicht mehr von Bekassinchen trällern zu müssen, die man ohnehin nicht mehr essen darf.

 

Bei Wind und Wetter

Die Balkonsaison ist eröffnet. Wie in jedem Jahr verbringt die Herzdame Stunden und Stunden auf den paar Quadratmetern, immer mit verblüffendem Einsatz bestrebt, noch mehr und noch schönere Blumen dort unterzubringen. Und Johannisbeeren. Und Erdbeeren und Tomaten. Und Kräuter, eh klar. Und Balkonmöbel und Deko und überhaupt, es ist erstaunlich, wie viel Liebe, Zeit und Mühe diesem winzigen Plätzchen gewidmet werden. Ich bin da nur Zuschauer, nein, ich bin nicht einmal das. Aufgrund langer ehelicher Tradition ist der Balkon nämlich komplett ihr Ding. Ich halte mich da raus.

Erstens habe ich von Blumen überhaupt keine Ahnung, zweitens finde ich, dass man da so selten sitzen kann. Es ist immer zu heiß oder zu kalt. Oder es regnet. Oder die Sonne blendet, der Wind stört, und aus den Blumentöpfen krabbeln lästige Insekten. Ich bin ein eher seltener Gast auf dem Balkon. Ich warte immer auf den perfekten Moment, auf das exakt passende Wetter und die genau richtige Stimmung – und manchmal kommt das sehr lange nicht zusammen. Dennoch stehen auf dem Balkon vier Stühle, theoretisch könnte jederzeit die ganze Familie dort sitzen. Zumindest war das bis gestern so. Als ich gestern kurz nach dem vielleicht doch einmal perfekten Balkonwetter sehen wollte, konnte ich mich gar nicht mehr auf meinen Platz setzen. Auf dem steht jetzt nämlich eine Laterne. Eine schicke, riesige Gartenlaterne mit Glasscheiben und Metallrahmen und dicker Kerze drin.

Und die Herzdame hat mir erklärt, die Laterne sei dekorativer als ich, könne sowohl Regen als auch Sonne ab und sei abends ein großes Licht, wenn ich schon müde werde. Womöglich findet Sie meine Haltung beim Thema Balkon etwas anstrengend? Doch, könnte sein.

Aber das macht eigentlich auch nichts, es war eh ein wenig zu windig auf dem Balkon.

(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

Lange Nacht der Museen

Am letzten Wochenende war in Hamburg die Lange Nacht der Museen, das ist dieser Abend, an dem alle Hamburger Museen bis weit in die Nacht geöffnet sind und ein unfassbar vielseitiges Programm anbieten. Mit Performances, Shows, Führungen, Konzerten, Vorträgen, Events und Bespaßungen aller nur vorstellbaren Art. Das Programm des Abends ist ein Taschenbuch von respektabler Dicke, und auch wenn man schon etliche Museen in Hamburg kennt – man entdeckt immer noch welche, in denen man nie war. Es gibt wirklich sehr viele in dieser Stadt. Die Veranstaltung hat mittlerweile etliche Ableger, es gibt die Lange Nacht der Theater, der Kirchen, der Industrie, womöglich gibt es längst auch die Lange Nacht der Blogs und ich habe nur wieder nichts mitbekommen. Das Prinzip scheint sich jedenfalls bewährt zu haben.

Früher waren die Herzdame und ich in jedem Jahr an diesem besonderen Abend in den Museen, das war eine Veranstaltung, die wir immer sehr genossen haben. Es gab wunderschöne und sommerlich anmutende Abende mit grandioser Live-Musik, bei denen wir gleich bei der ersten Band hängengeblieben sind. Es gab geradezu grotesk verregnete Abende mit klitschnassen und durchgefrorenen Besuchermassen, die sich in schlecht beheizte Hallen drängten, weil irgendwo irgendwer etwas vorlas, mit dem man nicht gerechnet hat. Es war immer spannend und sehr unterhaltsam. Dann haben wir Kinder bekommen und kurz Pause gemacht. Und zack, waren ganze sieben Jahre um, manchmal ist es ja erstaunlich. Nach sieben Jahren war es natürlich höchste Zeit, endlich wieder mitzumachen – und zwar mit den Kindern. Kann man da gut mit Kindern hingehen? Das haben uns andere Eltern mehrfach gefragt, und bevor ich das gleich en detail beantworte, schnell die Kurzfassung für Eilige: Jo!

Man kann da tatsächlich sehr gut mit Kindern hingehen. Man muss nur auf zweierlei unbedingt verzichten – auf einen Plan und auf jeden Ehrgeiz, irgendwas zu schaffen.

Statue vor der Kunsthalle

 

Wir haben mit der Kunsthalle und der Galerie der Gegenwart angefangen, weil sie so überaus praktisch vor unserer Haustür liegen. Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen fanden beide Kinder das Treppenhaus dort spannend und mussten erst einmal ganz rauf und ganz runter laufen. Da es selbstverständlich brechend voll war, dauerte das ziemlich lange und brachte die umwerfende Erkenntnis, dass man von oben runter gucken konnte. Toll!

Danach fanden wir das “Kinderzimmer”, einen Raum speziell für die kleineren Gäste. Dort liegt ein von einem Künstler entwickeltes Konstruktionsspielzeug aus, ich habe den Namen leider nicht parat. Die Kinder können zugreifen und einfach bauen.

Konstruktionsspielzeug

 

Fertig gebaute Exponate stehen überall herum, es ist nicht ersichtlich, ob von Besuchern oder von Künstlern montiert und es ist ja auch vollkommen egal. Teils fortgeschritten kunstvolle Modelle, teils wildeste Konstruktionen. Man steckt eben so vor sich hin. Oder man lässt die Kinder stecken und basteln, dann kann man in Ruhe Besucher beobachten, das ist ja in Museen oft mindestens ebenso interessant wie die Ausstellung. Der Vater als solcher, das zeigte die Beobachtung in dem Raum dort wieder, der Vater als solcher hat ja doch bedeutende Schwierigkeiten, den Nachwuchs einfach irgendwas basteln zu lassen. Denn der Durchschnittsvater kann, selbst wenn er als Bildungsbürger im Museumsbesucherlook daherkommt, seinen inneren Funktionswestenträger und Dremelinhaber so wahnsinnig schlecht verleugnen. Also erklärt der Vater dem Kind wie man richtig baut – und nicht etwa nur irgendwas.

Konstruktionsspielzeug

 

Ich habe die Jungs dennoch irgendwas bauen lassen, mir fehlt da jeder pädagogische Ehrgeiz. Ich neige ohnehin nicht zu ungefragter Einmischung, ich glaube eher an das Bestellerprinzip – wenn die Kinder etwas brauchen, dann melden sie sich schon. Und wenn sie sich nicht melden, dann kann man sie auch machen lassen. Das gilt auch dann, wenn sie am Wochenende einen ganzen Tag lang im Kinderzimmer versonnen Legosteine herumschieben oder im Sommer stundenlang draußen Fussball spielen. Ich dränge mich nach Möglichkeit eher nicht auf.

Konstruktionsspielzeug

 

Die Kinder haben fast eine Stunde mit diesem Steckspielzeug zugebracht und fanden das immerhin so toll, dass sie am nächsten Tag sogar noch einmal in dieses Museum gehen wollten. Mit dem Zeug mussten sie ganz dringend noch mehr machen. Vom Rest der Ausstellungen im Haus haben wir tatsächlich kein Stück gesehen.

Dann sind wir in das Museum für Kunst und Gewerbe und haben uns die große Tattoo-Ausstellung angesehen, jedenfalls so viel davon, wie man bei den Besuchermassen wahrnehmen konnte, es war wirklich enorm voll, das folgende Bild täuscht etwas.

Die Söhne im Museum

 

Die Söhne werden vor allem Besucherbeine gesehen haben. Die ausgestellten Tattoos haben die Kinder teils begeistert, teils verwirrt, teils abgeschreckt, das wird für die meisten ausgewachsenen Besucher ähnlich gültig sein. Künstler malten Besuchern Fake-Tattoos auf die Haut, Sohn II hat sich sofort angestellt, geduldig gewartet und sich dann ein prachtvolles Herz mit Flügeln auf den Hals zeichnen lassen. Schon diese Aktion war für ihn den ganzen Abend wert, so ein geflügeltes Herz ist doch etwas ganz anderes als die niedliche Tierschminke in der Kita. Sohn I hat (leider erfolglos) versucht, das frische Tattoo des Bruders instagramgerecht zu fotografieren, so konnte jeder seinen Neigungen nachgehen.

Anschließend irrten wir des längeren durchs Museum, weil sich Sohn I vage an einen schiefen Stuhl erinnerte, den er dort einmal vor Jahren gesehen hatte, den wollte er gerne noch einmal sehen. Weder er noch ich wussten noch, wo der Stuhl war und wie er genau aussah, das dauerte daher etwas und wir haben auf diese Art ziemlich viele Exponate gesehen. Ohne jeden Erklärdruck, einfach vorbeigehen, gucken und staunen und weiterrennen. Wenn man sich ganz zurücknimmt und die Kinder machen lässt, dann geht das sehr gut. Es ist vollkommen unkalkulierbar, was sie interessant finden. Sohn II dachte plötzlich über Holztäfelungen nach (“Das ist wie bei Jesus in der Krippe, da war auch alles mit Holz”), Sohn I grübelte über barocke Stühle (“Die konnte man gar nicht drehen? Wann hat man denn Drehen erfunden?”). Wir fanden nach schier endlosen Wanderungen durch die Flure endlich den schiefen Stuhl wieder, der den Sohn sofort nicht mehr interessierte: “Is’ auch egal, wir können weiter.” Der Weg ist das Ziel und so, schon klar. Wobei Wege auch etwas ermüden können.

Sohn I schläft im Museum

 

Dann fuhren wir mit einem der Sonderbusse zum Museum der Arbeit, weil dort Ole mit seiner Band auftrat. Sohn II war glücklich, weil er Swingmusik hören und dazu tanzen konnte, Sohn I war glücklich, weil es Limo und Crêpes gab, denn mit Limo in der Hand kann man gut Tanzenden zusehen und muss selbst nichts machen. Die Kinder fallen in Bezug auf das Mitmachen etwas verschieden aus, genau wie die Eltern. Während ich mit Sohn I eher am Rand der Veranstaltung stand und mir alles aus sicherer Entfernung ansah, gingen Sohn II und die Herzdame näher an die Band und ins Getümmel, bei so etwas teilt sich die Familie ganz friedlich und stimmig auf. Es war bereits neun Uhr, die Kinder waren dezent müde, aber die Aufregung hielt sie noch wach.

Im Museum der Arbeit kamen wir etwa zehn Meter weit, dann fand auf unserem Weg eine Vorführung zum Thema Bonbonherstellung statt. Die Bonbons wurden da auf alten Pressen geformt und hinterher verteilt, wir hatten also nicht die leiseste Chance, die Kinder daran vorbei zu bekommen. Nun dauert die Bonbonherstellung aber eine ganze Weile, denn das Zeug muss ja erst schmelzen, aromatisiert werden, geknetet werden, wieder fest werden… Die Söhne lehnten an der Wand und lauschten den Erklärungen der Dame, die den Herstellungsprozess und auch in epischer Breite die Geschichte des Zuckers in Deutschland erklärte. Und allmählich rutschten die beiden immer tiefer und tiefer, die Augen wurden kleiner und kleiner, es ging auch schon auf zehn Uhr zu. Als die Bonbons endlich ausgeteilt wurden, klaubten wir die Söhne vom Boden und trugen sie halb schlafend nach Hause.

Machen wir das wieder? Unbedingt. Hat es den Kindern gefallen? Und wie. Schon diese wimmelnde Bienenstockatmosphäre der überfüllten Museen, die überall heranwehende Musik, die Museumsangestellten mit den aufgeregt roten Bäckchen, diese Ahnung, dass überall etwas geboten wird, da vorne, da auch, und guck mal da… Man braucht wirklich keinen Plan. Man geht einfach irgendwo hin, fängt irgendwo an und lässt die Kinder mal gucken. Die finden dann schon was. Ich kann das sehr empfehlen.

 

Kurz und klein

 

Brodtener Ufer

Neulich bei „12 von 12“, als ich über das Brodtener Ufer schrieb, war der Artikel nur mit Handybildern illustriert. Das geht auch nicht anders, sonst könnte ich diese Artikel zum 12. nicht abends online stellen. Ich habe aber zwischendurch auch mit der Kamera fotografiert, diese Bilder reiche ich jetzt noch nach.

Und da auch einige norddeutsche Leserinnen das Ufer nicht kannten, hier noch mehr dazu bei der Wikipedia 

Die Söhne am Brodtener Ufer 

Die Söhne am Brodtener Ufer 

Sohn I vor Ostsee  

Treibholz 

Die Ostsee vor Travemünde 

Das Brodtener Steilufer 

Die Ostsee vor Travemünde 

Findlinge 

Bäume am Brodtener Steilufer 

Radler am Brodtener Steilufer 

Abbruchkante am Brodtener Steilufer 

Warnschild an der Steilküste 

Das Dienstags-Update bei „Was machen die da“

Ja, ich weiß, heute ist Mittwoch. Das Update war pünktlich am Dienstag, nur diese Meldung hier geht leider etwas nach. Wir haben Esther Ajai interviewt, eine Schmuckdesignerin, die beruflich gleich mehrere Umwege genommen hat. Und der man, wenn man das so liest, wohl auch noch ein paar weitere zutraut. Weil es bei manchen Menschen eben so gehört. Das Interview findet man hier.

Esther Ajai

12 von 12 im April

(Zur Erläuterung, worum es sich bei „12 von 12“ handelt – siehe hier)

Ich habe im letzten Monat zum ersten Mal bei dieser „12 von 12“-Aktion mitgemacht, und als Mensch von Ausdauer und Strebsamkeit mache ich das natürlich auch weiterhin. Außerdem ist es wahnsinnig praktisch, fixe Termine im Blog zu haben, das füllt sich dann alles wie von selbst. Im März ging es zur Cap San Diego, das war zwar beruflich, hatte aber eindeutig Ausflugscharakter. Und da der 12. in diesem Monat auf einen Sonntag fällt, war es ganz leicht, schon wieder maritime Ausflugsbilder einzusammeln. Im nächsten Monat wird es sich um einen Dienstag handeln, das wird dann schon erheblich schwieriger.

Heute also ein Ausflug, und der beginnt in Familien selbstverständlich mit der Vorbereitung des Proviants.

Äpfelchen

 

Wobei der Apfel nur aus Gründen der Bildästhetik auf diese Art zerteilt wird, denn nach neuerer Erkenntnis essen beide Söhne diese Früchte plötzlich auch gänzlich unzerschnippelt. Also so wie wir früher in unserer Kindheit, die Älteren erinnern sich. Ich habe noch nicht entschieden, was ich mit all der Lebenszeit anfangen werde, in der ich künftig nicht mehr für Kinder Äpfel zerteilen muss, ich habe womöglich bald überhaupt keine Ausrede mehr, mit dem Romanzyklus endlich anzufangen. Schlimm!

Ein anderer Bestandteil des Proviants waren diese neumodischen Minibananen, von Kindern geradezu unweigerlich Babybananen genannt. Am Ende heißen sie wirklich so, ich habe es nicht nachgeschlagen. Da ist jedenfalls nichts dran, das lohnt das Pellen kaum.

Babybanane

 

Wir fuhren nach Timmendorf. Das liest sich so leicht, das ist für mich aber gar nicht leicht, immerhin war ich einmal Travemünder. Als Travemünder fährt man da nicht hin, das ist so ein Ding wie Kiel/Lübeck oder Düsseldorf/Köln usw., davon gibt es ja viele Paarungen der lokalen Abneigung. Sie haben alle gemeinsam, dass man sich lächelnd darüber erheben kann, Kiel ist gar nicht so schlimm, in Köln kann man mittlerweile auch Alt bestellen, habe ich gehört. Timmendorf aber, Timmendorf geht gar nicht. Timmendorf ist das, was entsteht, wenn sich die Bewohner von Hamburg-Eppendorf einen Ort an der Ostsee ausdenken, und das möchte man einfach nicht. Wobei Eppendorf und Sankt Georg auch so eine Sache ist, zugegeben. Es ist kompliziert. Aber egal, kurz aufs olle Heimatmeer geguckt:

Ostsee bei Timmendorf

 

Es ging aber auch gar nicht um Timmendorf, es ging um das Sealife. Das ist ein großes Aquarium, in das uns die betreibende Firma eingeladen hat – vielen Dank. Peinlicherweise haben wir fast ein Jahr gebraucht, um einen passenden Termin für diesen Besuch zu finden, was wieder beweist, dass man wirklich zu überhaupt nichts kommt.

Das Aquarium ist, das muss man anmerken, nicht ganz billig, aber es ist auch ziemlich gut. Die Kinder waren sehr angetan und hey, es gibt Seespinnen. Seespinnen können eine Spannweite bis zu vier Metern haben und auf diesen Grusel kann man ziemlich lange starren. Das Bild ist von oben aufgenommen und gibt nur schlecht wieder, welchen Eindruck sie hinterlassen. Man kann die Tiere auch von der Seite sehen, und wenn sie so auf einen zulaufen… wow. Wenn hier heute diverse Familienmitglieder schlechte Träume haben – es wundert mich nicht.

Seespinnen
 
Man kann in diverse Aquarien quasi eintauchen, da gibt es Tunnel und Röhren, in die man mit dem Kopf kann, als wäre man mitten im Wasser. Besonders für die Kleinen ziemlich toll. Ich habe kein Bild von den Seewölfen, die ich vermutlich noch nie vorher gesehen habe. Aber das ist auf jeden Fall auch eine sehr spezielle Begegnung. Die Jungs fanden die schwarzen, missmutig glotzenden Seewölfe nicht spannend, haben dafür aber Nemo gefunden, auch nett.
 
Nemo in Anemone
 
Ebenfalls nicht im Bild, aber wirklich beeindruckend ist eine riesige Meeresschildkröte, die da über einem vorbeischwimmt und noch nicht annähernd ausgewachsen ist. Die Schildkröte lohnt schon den Besuch, die ist großartig. An diversen Stellen im Aquarium stand fachkundiges Personal und hat den Besuchern, besonders den kleineren, mit Engelsgeduld immer wieder alles erklärt, das fand ich auch angenehm. Die Häutung des Hummers haben die Söhne jetzt jedenfalls besser verstanden, als wenn da nur ein Schild an der Wand gehangen hätte.

Vor dem Aquarium dann typisches Strandgut, was an Küsten eben so angespült wird.

Holzwal
 
Dann sind wir spontan ans Brodtener Ufer gefahren, nur raus aus Timmendorf. Das Brodtener Ufer ist, wie die Leserinnen meines Meer-Buches wissen, früher mein Spielplatz gewesen. Wenn sich noch jemand an die Geschichten erinnert, hier etwa ist der Schauplatz des „Selbstmordspiels“, die „Geschichte vom Mantelmännchen“ hat sich nur ein wenig weiter ereignet:

Brodtener Ufer
 
Und was soll ich sagen, es war unwirklich schön, an diesem Ufer. Die Temperatur stieg gerade, als wir ankamen. Eine Luft wie vom Arzt verordnet, ein Himmel wie auf Ölgemälden im Museum. Das Meer spiegelglatt, nur hier und da kräuselten ein paar Windstöße die Oberfläche, als würde jemand einen japanischen Garten rechen, aus dem Nichts erscheinende Striemen auf der Oberfläche. Draußen die Fährschiffe nach Finnland, und man steht an der Steilküste da ganz oben und der Blick geht weit, weit, weit.
 
Die Kinder rennen an die Abbruchkante, und man ruft ihnen Warnrufe nach, wie sie früher meine Mutter mir nachgerufen hat. Die Kinder laufen voraus, sie suchen einen Weg, wie man da runter kommt, ans Meer. Geht es da? Zu steil? Ich sage nein zu Wegen, die ich früher selbstverständlich runtergeklettert wäre. Ich merke das innere Kind, das da noch einmal runter will, an den gefährlichen Stellen. Aber ich war damals 12, die Söhne sind deutlich jünger, wir gehen weiter und suchen einen machbaren Weg, einen Weg für Eltern und Kinder. Und steigen runter zum Meer.
 
Die Söhne an der Ostsee
 
Und die Söhne haben dieses Meer- und Strandglück, an das ich mich auch noch erinnere. Sie können sich gar nicht lassen vor Freude über die Steine, den Sand, das Wasser, das Treibholz. Sie sammeln Zeug und buddeln und rennen und werfen und zwischendurch stehen sie einfach und gucken, das Meer, das Meer.
 
Und Sohn I springt wie ich damals über die Findlinge in der Brandungszone. Ich sehe zu und ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn man erst im Sprung sieht, wo man landen kann, wenn man sich besonders kraftvoll abstößt, weil man wirklich weit fliegen muss. Ich weiß es so genau, dass ich es mitfühle, während er doch springt, ich fühle es in jedem Muskel, was er da macht. Es springt vor mir und in mir und seine Haare fliegen im Seewind, so blond und lang wie meine damals. Und da darf man auch einmal kitschig werden, meine Damen und Herren. Das ist nämlich so ein Vater-Sohn-Moment, bei dem man ganz leicht etwas ins Auge bekommt, wenn man da so mit Kamera und Proviant behängt steht und guckt und spürt, wie es in einem zuckt, weil es die eigene Geschichte ist, die hier neu bebildert wird.
 
Sohn I spingt
 
Noch einmal, wenn sich jemand erinnert, dies hier ist zum Beispiel die Stelle, genau die Stelle, an der meine Geschichte „Auf den Steinen sitzen“ spielt, auch aus dem Meerbuch.
 
Steine vor Travemünde
 
Da fahren wir jetzt wohl öfter hin, genau an diese Stelle zwischen Niendorf und Travemünde, wo kein Ort ist, nur Strand und Steilufer. Das war so perfekt, das muss wiederholt werden, sogar einigermaßen dringend.

Zurück in Hamburg dann das gewohnte Ritual, der Tag geht, ein Dithmarscher kommt.
 
Dithmarscher Pilsener
 
Und dazu Lachsrisotto. Eines der wenigen Gerichte, das hier alle mit allen Zutaten essen.

Lachsrisotto
 
Und damit endet der Tag.

Es gibt Salat

Immer schon vegan

Katharina Seiser, die hier auch schon als Herausgeberin von “Deutschland vegetarisch” und “Österreich vegetarisch” und “Einer für alles” vorkam und überhaupt in geradezu sportlicher Taktung mit Neuigkeiten in meinem Buchregal vertreten ist, hat vor einiger Zeit ein Experiment gemacht. Für eine Zeitschrift. Das werden einige mitbekommen haben, das ging ganz munter durch die sozialen Medien – es ging um die vegane Ernährung. Da hat sie sich eine Zeit lang vegan ernährt und ihre Erfahrungen dokumentiert, und zu diesen Erfahrungen gehörte auch das Erstaunen über die vielen künstlichen Ersatzprodukte.

Im Laufe des Experiments entstand die Idee zu dem jetzt vorliegenden Kochbuch „Immer schon vegan“ (Fotos von Vanessa Maas, Brandstätter Verlag), es geht darin um vegane Küche ohne Ersatzprodukte, um Rezepte, die einfach immer schon vegan waren. Sei es aus religiösen Gründen, weil keine tierischen Zutaten da waren, oder weil sie einfach niemand vermisst hat – egal. Die Gerichte wurden nach nur zwei Kriterien ausgewählt, sie mussten vegan einwandfrei und traditionell funktionieren, und, genau so wichtig, sie mussten schmecken. Das ergab eine spannende Sammlung von Rezepten aus aller Welt, sortiert nach Jahreszeiten. Und das kommt übrigens ganz ohne die idelogoische Dröhntüte aus, die man sonst oft mit veganer Ernährung verbindet. Es ist einfach eine Sammlung von Rezepten ohne tierische Zutaten. Fertig.

Nach einer lesenswerten Einführung zur Frage, wie der Geschmack ins Essen kommt und welche Zutaten eigentlich was machen, geht es mit dem Frühling los. Den haben wir da draußen gerade und ich habe das gemacht, was ich auch schon bei Eschi Fiege neulich gemacht habe, ich habe einfach vorne angefangen. Deswegen gab es Ananas-Avocado-Salat, das ist ein Rezept aus Kuba. Habe ich schon jemals kubanisch gekocht? Vermutlich nicht.

Bei dem Wort Salat sind die Söhne natürlich sofort und gründlich aus dem Spiel. Salat in egal welcher Ausprägung fällt für sie einfach nicht in die Kategorie Lebensmittel, vielleicht abgesehen von dem unsalatigsten aller Salate, dem norddeutschen Kartoffelsalat, also dem mit viel Mayonnaise. Über den kann man mit ihnen reden. Manchmal. Ansonsten ist Salat aber komplett abwegig.

Immer schon vegan

Dieser Salat hier ist ein etwas ungewöhnliches Geschmackserlebnis, wie man sich denken kann, wenn man die Zutatenliste sieht:

1 reife Ananas

2 Handvoll Brunnenkresse (ich hatte nur gewöhnliche Kresse)

1 rote Zwiebel

2 reife Hass-Avocados

2 EL ungesalzene geröstete Erdnüsse ohne Häutchen

2 Knoblauchzehen

Sat von 1 – 2 Limetten

Saft von einer Orange

¼ TL gemahlener Kreuzkümmel

1 geh. TL Salz

Viel schwarzer Pfeffer

8 EL fruchtiges, nicht zu scharfes Olivenöl

Ja, das klingt erstaunlich, aber lesen Sie ruhig weiter, das ist nämlich großartig. Wie Katharina Seiser schreibt, schmeckt es “schillernd fruchtig und reichhaltig”, und das stimmt auch genau so.

Immer schon vegan

Die Ananas korrekt zerteilen, das sieht man sich am besten mal auf Youtube an. Oder man kauft sie gleich zerteilt, wenn man es nicht so mit dem Heimwerken hat. Brunnenkresse waschen, schleudern. Zwiebel schälen, halbieren, in Streifen schneiden.

Für das Dressing Knoblauch schälen, halbieren und sehr fein hacken. Limetten und Orange auspressen. Alle Zutaten ohne Öl gut verrühren, dann erst Öl zugeben. Salzig-kräftig abschmecken.

Ananas, Brunnenkresse und Zwiebel mit dem Dressing mischen, dabei noch etwas Dressing zurückbehalten.

Die Avocados längs halbieren, Kern entfernen, schälen. Fruchtfleisch grob zerteilen, auf dem Salat verteilen. Erdnüsse hacken, den Salat mit dem restlichen Dressing beträufeln und mit den Erdnüssen, die ich übrigens gar nicht hatte, bestreuen.

Das habe ich alles so zusammengebastelt und dabei schon gemerkt, dass es faszinierend anders und ziemlich toll schmeckt. Ich habe das nett drapiert und auf dem Wohnzimmertisch bereit gestellt, um die Herzdame damit zu überraschen, es soll der Stimmung in Beziehungen ja gelegentlich helfen, wenn man sich mit hervorragendem Essen verwöhnt.

Das allerdings hat nicht funktioniert. Die Herzdame hat sich nämlich, ohne sich groß mit der Begrüßung und den Erklärungen des Kochs aufzuhalten, sofort an den Tisch gesetzt und losgelöffelt, wobei sie allerdings nach einem flüchtigen Blick aufs Essen davon ausging, es handele sich um Kartoffelsalat ohne Mayonnaise. Doch, die Optik gibt das her, jedenfalls wenn man nur ganz kurz hinsieht. Ihr Gesichtsausdruck war dann recht interessant, denn wenn man Kartoffel erwartet, aber Ananas im Mund hat, dann ist der Mensch etwas irritiert, und der Geschmacksnerv erst recht. Ich hatte dann in der Folge sehr viel Salat fast ganz für mich alleine – und das war gar kein Problem. Sehr guter Salat, ich kann es wirklich beurteilen. Ich habe Unmengen davon gegessen und ich werde es wieder tun, ich fand ihn super.

Immer schon vegan

Wer übrigens tierfreie Rezepte sucht, der wird bei der Sammlung zum Tierfreitag immer wieder fündig, die Seite ist ein weiterer Ableger des Seiser-Experiments. Auch dort geht es um Rezepte ohne Ersatzprodukte.

Aus „Immer schon vegan“ demnächst hier noch mehr.

 

Gelesen, vorgelesen, gesehen, gehört im März

Gelesen

Ted Thompson: Land der Gewohnheit. Deutsch von Susanne Höbel. Das hatte ich bereits in einem der Wirtschaftsteile kurz erwähnt, weil es in dem Buch auch um die Finanzkrise in Amerika geht, da wird sogar das Modell der Hypotheken erläutert – und es ist gar nicht so langweilig, wie es klingt, das hat er wirklich gut gemacht, der Ted Thompson. Der Roman handelt von einen Mann in schon fortgeschrittenem Alter, der aus seiner Ehe ausbricht, eine verblüffte Frau und ratlose Kinder zurücklässt, die längst selbst erwachsen sind. Nach kurzer Zeit kommt er zur Einsicht, einen Fehler gemacht zu haben, sucht einen Rückweg – und scheitert daran spektakulär. Die Frau ist bereits anderweitig bestens versorgt, die Kinder bleiben auf Distanz. Das ist erzählerisch feinstes Kunsthandwerk, durchkomponiert, genau richtig erzählt, da sitzt jedes Adjektiv, da passt jede Metapher, da wird jede Figur völlig angemessen in die Handlung eingeführt – und irgendwie ist es mir zu perfekt. Das ist so ein Schreibstil, der zweifellos gut ist, aber eher durch Fleiß als durch Ideen funktioniert, glaube ich. Wenn man dem Mann ein beliebiges Thema zuwirft und ein halbes Jahr wartet, dann macht er pünktlich einen Roman daraus, und an dem Roman wird dann auch noch alles richtig sein. So liest sich das. Ganz seltsam. Interessant, aber irgendwie auch befremdlich. Hier in der Zeit war eine längere Rezension.

Land der Gewohnheit

Mascha Kaléko: Das lyrische Stenogrammheft

Das lyrische Stenogrammheft

Sehr angenehme Lektüre, im Herbst wäre sie vielleicht noch eine Winzigkeit besser temperiert gewesen. Eines der Lyrikbücher, die man gerne als Hauptmahlzeit durchgehen lässt. Wer Kästners etwas ernstere Gedichte mag, der wird auf jeden Fall auch diese lieben.

Wenn ich allein bin, ist das Zimmer tot.
Die Bilder sehn mich an wie fremde Wesen.
Da stehn die Bücher, die ich längst gelesen,
Drei weiße Nelken und das Abendbrot.

So fängt das Gedicht “Melancholie eines Alleinstehenden” an, und es ist doch immer wieder faszinierend, wieviel Elend in vier Zeilen passt.

Robert Seethaler: Der Trafikant

Der Trafikant

Das habe ich wieder wegggelegt, was aber gar nicht gegen das Buch spricht. Nein, das Buch ist völlig in Ordnung, es interessiert mich nur thematisch nicht, ich habe, warum auch immer, eine Aversion gegen historische Figuren, die in Romanen vorkommen. Ich mag keine Mutmaßungen über Freud, ich weiß gar nicht, wie das kommt. Gegen Mutmaßungen über Freud ist eigentlich nichts einzuwenden. Aber nun, man hat eben so seinen Geschmack. Gleich das nächste Buch von Seethaler bestellt, dazu in Kürze mehr.

Alles frisch. Neue Erzählungen aus Finnland, herausgegeben von Stefan Moster.

Alles frisch - Erzählungen aus Finnland

Das ist eine Anthologie finnischer Erzählungen, die hat mir gefallen. Man wird beim Lesen irgendwie den Kaurismäki im Kopf nicht los, aber das macht auch nichts. Ziemlich überraschend fand ich, dass etwa 90% des Buchs im Sommer spielen. Man denkt doch bei Finnland immer sofort an den Winter, nicht wahr? Der kommt im Buch aber quasi nicht vor, im literarischen Finnland ist immer Sommer, es ist immer hell und ein paar Meter weiter ist immer ein See, in dem man spontan baden kann. Mit einem geliebten Menschen etwa, der es dann aber nur noch zwei bis drei Ansätze durch die Geschichte schafft, bevor er von seinem Charakter oder den Umständen er- oder auch gleich zerlegt wird, so ist das eben in Finnland. Ich mochte das Buch, aus Finnland könnte man glatt mal mehr lesen.

Sapphia Azzeddine: Mein Vater ist Putzfrau. Aus dem Französischen von Birgit Leib. Das habe ich mir zum Indiebookday gekauft, ohne das Geringste über das Buch zu wissen. Aber es ist eine Vater-Sohn-Geschichte, das ist natürlich passend und es fängt gut an. Mehr als drei Seiten habe ich allerdings noch nicht geschafft.

Mein Vater ist Putzfrau

April – Gedichte. Ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzel und Christine Schmidjell. Die Erklärung des Aprils überlasse ich Karl Krolow:

Uns gehören
die Tauben auf dem Dach.
Die Dose Bier
schmeckt wieder im Freien.
Nun muss sich alles, alles
wenden.

Wissen Sie noch früher, als wir Bier noch aus Dosen getrunken haben? Man merkt sogar an der Lyrik, wie man alt wird!

April Gedichte

Urs Widmer: Reise an den Rand des Universums

Urs Widmer Reise an den Rand des Universums

Das ist Urs Widmers Autobiographie. Mit dem jetzt schon berühmt gewordenen ersten Satz: “Kein Schriftsteller, der bei Trost ist, schreibt eine Autobiographie.” Widmer gehört zu den Autoren, von denen ich fast alles im Regal stehen habe und Widmer kann man schwer erklären, den muss man einfach mögen. Bei Widmer ist es immer irgendwie egal,. worum es geht, es ist so ein überaus freundliches, angenehm langsames Erzählen, bei dem man gar nicht recht merkt, wie es zugehen kann, dass es nicht banal ist. Wie macht er das? “Seine Sprache lässt uns mitschweben” steht auf dem Schutzumschlag. Und so ist es auch tatsächlich.

Christian Ankowitsch: Warum Einstein niemals Socken trug. Wie scheinbar Nebensächliches unser Denken beeinflusst. Das lese ich als Ebook auf dem Handy zwischendurch. Sehr kurzweilig, sagt man das überhaupt noch? Kurzweilig? Klingt komisch, merke ich gerade. Ein angenehmer Stil für ein Sachbuch, in so einem Stil würde man sich gerne die ganze Welt erklären lassen. Und es sind ein paar Kapitel drin, bei denen es zu einem fetten “Ha! Hab ich es doch immer schon geahnt!” reicht, und das ist natürlich angenehm, sich so bestätigt zu sehen. Die anderen Kapitel sind zwar ebenfalls lesenswert, aber so ein kleiner Triumph ist schon ganz nett. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Vorgelesen

Erhard Dietl: Mein Bilderbuchschatz

Mein Bilderbuchschatz

Das war die große Geschichtenliebe von Sohn II in diesem Monat, das Buch kann ich jetzt auswendig.

Victor Caspak & Yves Lanois: Die Kurzhosengang. Mit Bildern von Ole Könnecke, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Andreas Steinhöfel. Das liest die Herzdame gerade vor, ich habe es schon vor einiger Zeit mit erheblichem Spaß selbst gelesen. Das Buch wird empfohlen ab 10, bei uns kommt es auch mit 5 und 7 gut an, obwohl Sohn II vermutlich nicht alles versteht, aber das muss auch nicht unbedingt stören. Eine wilde Abenteuergeschichte, spannend, witzig, rasant, auch für den vorlesenden Erwachsenen höchst vergnüglich.

Die Kurzhosengang

Gesehen

Nichts. Macht nichts. Die Herzdame war aber mit den Söhnen in “Shaun das Schaf” im Kino und war sehr begeistert. Das ist natürlich toll, führt aber zu einem Problem, denn kleine Kinder, die im Kino waren und danach auf Personen stoßen, die nicht dabei waren, kommen auf die grandiose Idee, diesen Personen den Film zu erzählen. Und Fünfjährige können vieles, aber Filme erzählen – nein. Eine Filmszene, die von einem Fünfjährigen nacherzählt wird, verlängert sich mindestens um den Faktor 2. Und so ein Film hat verdammt viele Szenen.

Gehört

Die Herzdame hat einen Balboa-Tanzkurs gemacht. Und wenn ich schon nicht mitmache, möchte ich dennoch verstehen, was sie da so macht, also hab ich mir dazu ein Video angesehen. Das ist, wie man deutlich sieht, ein Tanz auf wenig Raum, der wurde in überfüllten Tanzsälen erfunden, man kann das ganz gut erkennen, finde ich. Viele Schritte, kein Platz.

Dass der Tanz überhaupt nicht einfach ist, erkennt man vielleicht besser in diesem Video:

Zwischendurch habe ich die Herzdame von einem ihrer Tanzkurse abgeholt, wo sie gerade mit Sohn II übers Parkett wirbelte, der diesen Sport sehr spannend findet. Da gab es Livemusik der Band von Ole, den wir einmal für “Was machen die da” in seiner Eigenschaft als Swing-Trainer interviewt haben. Und ich habe dabei wieder gemerkt, dass mir die Musik gut gefällt. Weswegen ich jetzt, wenn ich am Schreibtisch sitze, gerne in einem Browsertab diese Folge von Filmchen auf Youtube anmache, in der vergnügte Menschen zu ansprechender Musik durch fremde Städte tanzen. Ab und zu klicke ich dann beim Schreiben da hin und gucke ihnen kurz zu, wie sie durch Nashville, Sibirien oder Wien tänzeln – das hebt die Stimmung. Meine jedenfalls.

Und von dem Swing kam ich dann zu Johnny Hartman, den ich überhaupt nicht kannte. Ein Jazz-Sänger, hier ein Clip mit ihm. Keine Musik, die man gut nebenbei hören könnte, eher Stücke, bei denen man mal in Ruhe zuhören sollte. Es gibt ein berühmtes Album von ihm mit John Coltrane, sehr empfehlenswert.