Tito, Aracataca

Aus Bildungsgründen habe ich ein weiteres Zeitzeichen gehört. Wobei ich nach etlichen Folgen wiederholt bemerke, dass mich Geschichte und Soziologie bei dieser Art von Schlaufunk-Sendungen stets am verlässlichsten interessieren. Es ging diesmal um Tito (14 Minuten). Ich hätte bei einem Test zum Thema nicht einmal schlecht abgeschnitten, wenn ich das einmal streberhaft anmerken darf. Ich denke es leider ohnehin nicht eben oft, denn die Allgemeinbildung ist doch eher loses Flickwerk, bei genauerer Betrachtung. Aber Geschichte hat eben mit Geschichten zu tun, das erleichtert das Lernen und Merken ungemein. Fand ich schon in der Schule.

Nur lose assoziativ verbunden habe ich kurz darüber nachgedacht, dass man den Satz „Wir gehen zum Jugoslawen“, der für mich und für Sie vermutlich noch eine recht präzise zu beschreibende Gastro-Erinnerung ist (nur westdeutsch?), mit schnell abrufbaren Geschmacks- und Geselligkeitserinnerungen, jungen Menschen wie etwa meinen Söhnen erst erklären müsste. Und so kurz wäre diese Erklärung dann gar nicht, wenn man es einigermaßen treffen will. Bei Sven Regener etwa, fällt mir ein, kommen solche Sätze in seinen Romanen vor. Und da, wo Sie und ich vermutlich noch recht genau wissen, was gemeint ist und wofür es steht, müssen nachfolgende Generationen sich erst etwas erarbeiten.

Der Grillteller Dubrovnik in der deutschen Literatur des letzten Jahrhunderts, auch das wird dann ein Seminarthema, so geht das zu.

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Einen Artikel im Guardian über Aracataca habe ich gelesen. Das ist der Ort, der die Kulisse von „Hundert Jahre Einsamkeit“ war, also das Dorf Macondo im Roman. Es geht um die aktuelle Verfilmung des Romans.

Images of Gabo’s smiling, moustachieod face are to be found on almost every street, and statues of the author and his characters are dotted around the town. The local train station has been repainted in an Instagram-friendly scheme of bright yellow, white and turquoise; the telegraph office where Gabo’s father worked is now a museum, and his childhood house has been reconstructed and filled with its original possessions.“

Alte Gebäude von historischem Wert und mit obligatorischen Reiseführererwähnungen instagramfreundlich anstreichen. Man wundert sich fast, dass es nicht schon weltweit so gemacht worden ist. Aber am Ende wird es gerade erst ein heißer Trend im Tourismus? Dann wird es ohnehin niemand aufhalten können, und das instagram-friendly scheme für die Hamburger Speicherstadt oder das Lübecker Holstentor wird schon konzipiert und angerührt. Das mal im Auge behalten.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Es eskaliert vor sich hin

Ich bin bei der Kafka-Biografie kurz vor dem Ende des mittleren Bandes angekommen, die Beziehung zu Felice Bauer eskaliert schlimmstmöglich vor sich hin. Es ist kaum mitanzusehen, mit jeder Seite wird es übler. Und dabei ist diese Biografie von Reiner Stach so gekonnt und elegant geschrieben, dass man das alles deutlich vor sich zu sehen meint. Vielleicht sieht man es allzu deutlich, der Autor nimmt einen gekonnt mit.

Das ist manchmal denkbar unangenehm, und zwischendurch denke ich, dass das vielleicht alles falsch ist. Ein Leben so aufzudröseln, eine Psyche so zu zerlegen, Briefe zu veröffentlichen und zu analysieren, Tagebücher auszuwerten, Notizen, Zeugenaussagen, Textfetzen. All diese Lebensspuren interpretierend zu lesen und dabei zu bewerten. Es ist im Grunde, man kann auf diese Sichtweise testweise einschwenken, eher unangenehm. Was macht man da eigentlich, worin wühlt man da.

Wenn man sich nur kurz vorstellt, lediglich zu Illustrationszwecken, das eigene Leben wäre irgendwann solchen Deutungen und Nacharbeiten unterworfen, mit dem jahrelangen Studium von sämtlichen Chatverläufen und Postings etc.: Was für ein Gedanke. Wobei dann unter den gelehrten und mühsam erarbeiteten Schlussfolgerungen selbstverständlich auch mehrere Fehldeutungen wären, denn wie könnte es anders sein? Als ob mich andere verstehen würden! Und wie gravierend könnten die vor allem sein, diese Fehldeutungen. Denn es stand immerhin gar nicht alles irgendwo, vielleicht das Entscheidende gerade nicht – das ist doch furchtbar. Ein überaus gruseliger Gedanke ist das, wenn man ihn etwas ausspinnt. Und es hilft nichts, dass man dann nicht mehr dabei wäre, bei der Zergliederung nach dem Ableben, es ist dennoch auf eine gewisse Art … creepy.

Lieber nicht derart berühmt werden, dass solche Ausdeutungen irgendwann von Interesse für die Allgemeinheit sein können. Das ist vielleicht als Regel daraus abzuleiten, und das ist immerhin recht einfach zu befolgen. Denke ich so. Aber nach einer Weile lese ich dann doch wieder mit Interesse in dieser großartigen Biografie weiter. Es geht hin und her in mir und ich weiß nicht recht, was ich final von der Sache zu halten habe. Aber gut, das gilt oft, wenn nicht sogar immer.

Die Verlobung von Franz und Felice wird dann endlich gelöst, und man möchte „Gott sei Dank“ murmeln beim Lesen oder es an den Rand schreiben. Obwohl man den Ausgang der Story längst kennt und überhaupt nichts überraschend kommen kann. Aber das macht gutes Erzählen aus, dass man es dennoch denkt.

Dabei fällt mir ein – ich hatte im letzten Jahr, als ich den Briefwechsel Bachmann – Frisch las, den unangenehmen Eindruck, dass es dieses Buch nicht geben dürfte, dass diese Veröffentlichung entschieden zu weit ging. Und ich habe erst später Rezensionen von kompetenteren Menschen gelesen, die diese Position ebenfalls vehement vertraten und dafür auch gute Gründe anführten.

Es ist kompliziert, glaube ich.

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Gelesen: Einen Artikel im Guardian über Menschen, die sich malen lassen. Es geht in dem Text nicht um prominente Menschen wie den englischen König. Drei interessante Bildbeispiele werden gezeigt, und man kann einmal drüber nachdenken, wofür man sich selbst entscheiden würde, in welchem Stil man sich sehen möchte.

„With selfies available to anyone with a smartphone and professional photography affordable and accessible, the desire for a painted portrait speaks to the pull of tradition and its unique process – the artist’s interpretation of the subject that often reveals more than just a likeness.“

Das ist dann, im Gegensatz zur biografischen Arbeit, eine Ausdeutung schon zu Lebzeiten. Und man kann das Ergebnis, wenn es einem nicht gefällt, dezent verschwinden lassen.

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Ostwind in der ungelüfteten Stadt

Die Paketabholgeschichte von gestern endete damit, dass ich den Kiosk doch noch fand und hineinging. Ein Mann kam aus einem Hinterzimmer. Ich sagte, dass ich eine Sendung abholen wolle. Er sah mich genauer an, nickte und sagte: „Ich weiß.“ Dann lachte er.

Ich weiß nicht, warum er lachte. Es war auch kein unfreundliches Lachen, es war eher auf die gute Art onkelhaft, und er war ein sympathischer Typ. Ein älterer Mann vermutlich arabischer Herkunft, aber das rät man immer nur. Ein gutaussehender, freundlicher, älterer Mann, eine ansprechende Figur mit ausgesprochen filmtauglichem Gesicht, beste Besetzung.

Die Geschichte, also wenn dieser Tag eine Geschichte gewesen wäre, hätte an dieser Stelle eine eher Mary-Poppins-artige Wendung genommen, denn jede halbwegs erfahrene Leserin hätte sofort gemerkt, aha, eine wichtige Nebenfigur tritt auf. Typ skurriler Ladenbesitzer, das kennt man doch. Gleich geht wieder etwas los. Wir biegen erneut ab ins Fantastische, vermutlich auf der nächsten Seite schon. Auch mit diesem Kiosk und seinem Besitzer wird es etwas auf sich haben, weißte Bescheid.

Ich habe das Paket aber einfach nur mitgenommen. Zwischen den seltsamen Momenten im Alltag wird die Wirklichkeit übergangslos wieder zur unauffälligen Wirklichkeit, gibt sich dann über längere Zeit glanzlos und täuscht bis zum nächsten beachtenswerten Vorfall graue Beständigkeit vor, als könne es nichts anderes geben. Man kennt das.

Es war auch nur das in dem Paket, was ich nach der Bestellung erwartet hatte, ein weißes Leinenhemd, die Sommerausrüstung. Es passierte nichts weiter, was mich noch einmal ins Fiktive verwiesen hätte. Oder ich müsste länger darüber nachdenken, das kann natürlich auch sein. Wer weiß, was einem alles entgeht, nur weil man nicht lange genug denkt oder nicht langsam genug schreibt.

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In der letzten Woche noch eine weitere Gartenjahrpremiere: Die Herzdame und ich fahren zum ersten Mal nach der Arbeit in den Garten und gießen. Es ist viel zu trocken, der letzte Regen ist in Hamburg lange her, das frisch gepflanzte Gemüse überlebt ohne unsere Hilfe nicht.

Auf dem Weg zur U-Bahn ist die Stadt stickig, staubig und durchglüht wie im Hochsommer. Obwohl zwischendurch ein heftiger Ostwind durch die Straßen kapriolt, schon seit Tagen ist der da und pfeift hier herum und zieht einfach nicht weiter. Er kreist durch die Stadtteile, lauert an den Ecken und heult zwischendurch in den Lüftungen auf. Er treibt leichten Müll über die Plätze, tanzende Papiertüten, leere Hundekackbeutel und all die weißen Servietten, die er von den Imbisstischen raubt.

Dieser Wind kühlt aber seltsamerweise die Stadt bei seinem Spiel nicht ab und er frischt auch nichts auf. Die ganze Stadt riecht immer weiter arg ungelüftet. Es ist ein seltsames Wetter. Es ist ungewöhnlich, es fühlt sich falsch und ungehörig an, aber es scheint niemandem aufzufallen. Etwa 26 Grad sind es an diesem Tag. Wie könnte man so einen Tag von einem Juni- oder Juli-Tag unterscheiden, von irgendeinem heißen Tag in den Sommerferien? An der Farbe der Kirschen etwa.

In unserem Garten wird der Rasen an den ersten Stellen trockengelb, sehen wir dann beim gemeinsamen Gießen. Das Jahr schreitet voran und hat mittlerweile deutliche Gebrauchsspuren und Schäden.

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Regen und Nebel dagegen in üppigster Ausprägung bei der Landlebenbloggerin.

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Jens Scholz über Trends und das Begaffen von Unfällen.

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Nach dem Weltenwechsel

Ich muss ein Paket abholen, das durch irgendwelche unergründlichen, vielleicht neuen Postvorgänge nicht in unserem Stadtteil, sondern drei U-Bahnstationen weiter für mich lagert. In einem Kiosk, von dem ich noch nie gehört habe. Wie das immer zugehen mag … als Kunde staunt man und wundert sich, was macht die Post da jetzt wieder. Warum klingeln ihre Leute nicht einfach und geben mir die Sendung, ich bin doch da. Es wäre einfacher für alle, scheint mir, aber was weiß ich schon.

Ich stehe jedenfalls vor dieser U-Bahn-Station und orientiere mich, ich überlege, wo ich eigentlich hinmuss. Ich suche in der Mail, die ich von der Post bekommen habe, den Straßennamen, die Hausnummer. Vermutlich muss ich noch einmal eine Rolltreppe runter, durch diesen Fußgängertunnel und unter der riesigen Kreuzung durch, nehme ich an. Da drüben irgendwo wird es sein, müsste es sein. Diese Richtung kann grob stimmen, genau kenne ich mich hier aber nicht aus und verstehe auch die Karte auf dem Handy nicht auf den ersten Blick. Ich rate etwas herum und gehe dann los.

Beim Gehen gucke ich vermutlich noch einmal aufs Handy, wie ich es oft mache, wie wir es wohl alle machen. Ich passe sicher nicht genau auf, ich bin ohnehin leicht abzulenken. Ich gehe aber, das merke ich doch, erstaunlich lange. Der Weg da unten nimmt kein Ende, denke ich zwischendurch. Wie groß kann denn bitte so eine Kreuzung von unten sein. Ich sehe endlich die nächste Rolltreppe, ich fahre nach oben – und stehe da, wo ich eben schon stand, als ich überlegte, welcher Weg hier zu nehmen sei. Ich sehe mich um und staune und sehe sicher einigermaßen verwirrt aus.

Es kommt mir vollkommen unmöglich vor, dass ich einen Kreis gegangen sein soll. Mein Verstand ist entschieden gegen diese Erkenntnis. Da unten war kein Kreis, ich kann mich nicht einmal an einen besonders kurvigen Weg erinnern. Bin ich nicht einfach durch einen geraden Tunnel gegangen, vielleicht war er auch etwas schräg im Verlauf, das will ich nicht ausschließen?

Wie kann ich dann hier sein, wenn ich doch dort sein müsste, drüben auf der anderen Seite der Kreuzung, wo jetzt aber niemand steht, der so aussieht wie ich? Wie geht das zu, ich verstehe es nicht. Ich verstehe für einen Moment gar nichts mehr, die Wirklichkeit wackelt bedenklich. So ähnlich muss sich geistige Umnachtung anfühlen, wenn Orte nicht mehr zum Erleben und Denken passen. Es ist unheimlich und verunsichernd.

In einer Fantasy-Story würde ich natürlich kurz darauf merken, dass es noch weitere Merkwürdigkeiten und rätselhafte Unstimmigkeiten an diesem Tag und in der näheren Umgebung gibt. Ich würde merken, dass dies und das nicht mehr zu meinen bisherigen Erfahrungen passt, dass mich vielleicht andere Menschen grüßen als sonst und dergleichen. Mir würde auffallen, dass ein Geschäft nicht mehr da ist, wo es gestern noch war, dass ein Kino anders heißt. Ich würde bald ahnen, dass, und es wird dann zwei, drei Abschnitte später immer deutlicher, ich eventuell nicht mehr in der gleichen Welt wie vorher bin. Es geht hier in mancherlei Hinsicht merkwürdig zu, das wird dann mit jedem Absatz immer klarer. Es ist etwas seltsam, auf dieser anderen und doch erst einmal gleich aussehenden Seite des Tunnels.

Da mal beim Plotten noch ein paar Ungewissheiten einbauen. Einige leichte Unklarheiten und auch Verweise auf körperliche Beschwerden, so dass es sich als Deutung auch anbieten könnte, dass ich zwischendurch gestorben bin und der Übergang in die andere Dimension dann also nur eine weitere U-Bahn-Rolltreppe in der Großstadt war. Eine weitere Rolltreppe, nach der man einfach irgendwie weitermacht, weitgehend wie vorher. In einem Szenario, dass dem bisherigen Leben verblüffend ähnelt, eine Art metaphysische Banalisierung des Endes.

Na, aber wer hat Zeit, Geschichten zu schreiben.

Ich habe aus Gründen der geistigen Sicherheit jedenfalls gut auf den Rest des Tages geachtet. Es kam mir aber alles um mich herum bekannt und normal vor, so gut wie jedes Detail war mir vertraut und wie erwartet. Also es war alles normal verrückt, es war so, so wie die Welt eben ist. Oder wie sie mir zumindest seit längerer Zeit vorkommt, denn früher, das denke ich manchmal, früher war mir alles noch vertrauter. Aber das wird eine normale Erfahrung sein, wenn man sich dem Rentenalter nähert. Ich glaube also, ich bin noch da, wo ich war. Und ich mache dann erst einmal von hier aus weiter.

Vielleicht gucke ich noch eine Weile etwas skeptischer, das mag sein.

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Munro, Heinz

Es starb hochbetagt Alice Munro. Hier ein Nachruf in der FAZ, hier einer im Guardian und in diesem Blogtext ist das sehenswerte Video eines halbstündigen Interviews mit ihr verlinkt. Wie sympathisch ist dabei das, was sie gleich am Anfang über die kleine Meerjungfrau von Andersen sagt, ein hervorragender Einstieg. Aber auch sonst:

„How did you learn to write stories?”

„[…] I had a long way to school.“

Eine einleuchtende Erklärung, ich mochte ihre Antworten. In meinen Timelines ist die Munro allerdings kein großes Thema, wenn man es etwa mit den so emotionalen Reaktionen beim Tod von Auster vor ein paar Tagen vergleicht. Bei ihm war es die große Betroffenheit, die auch etliche Lektüreerzählungen auslöste, bei der Munro ist es eher ein beiläufiges Abnicken und lässiges Winken. Selbst in den Literaturblogs sind die Erwähnungen überschaubar.

Ich verstehe diese Verteilungen manchmal nicht recht. Ich meine es nicht als Vorwurf, vielleicht fehlt mir tatsächlich etwas, um das richtig einschätzen zu können. Aber gut, ihr Alter wird eine Rolle gespielt haben.

Ich habe ihre Erzählungen jedenfalls gemocht. Ich habe auch ihre Meisterschaft in der Kurzform verstanden, glaube ich zumindest, und ich merke mir ihre Geschichten gerne noch einmal vor, zum ehrenden Abschiedslesen später im Jahr. Der vorher zu konsumierende Bücherstapel ist allerdings bereits herrlich hoch. Ich kenne gar nicht alle Texte von ihr, da gibt es noch etwas zu holen, das ist auch schön. Es ist oft etwas bedauerlich, schon alles von einer Dichterin zu kennen, nichts mehr übrig zu haben.

Sie hat Geschichten geschrieben, die man gut ein zweites Mal lesen kann, daran erinnere ich mich. In den Nachrufen der Zeitungen wird sie mit Maupassant, Mansfield, Hemingway und Tscheschow verglichen, und höher kann man kaum greifen.

Wenn Sie noch Urlaubslektüre für den Sommer brauchen, nehmen Sie ruhig die Munro mit. Ihre Texte passen von der Länge her immer zwischen zwei oder Strandbesuche oder Bergwanderungen, und es gibt rund 150 Geschichten zur Auswahl.

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Gehört: Ein Zeitzeichen (13 Minuten) über Henry John Heinz, also über den Mann mit dem Ketchup. Eine amerikanische Erfolgsgeschichte, die als literarische Kurzgeschichte viel zu langweilig und deutlich zu vorhersehbar wäre, bis hin zum Ende, dem so erwartbaren Verkauf des Familienunternehmens und der nun schlechteren Qualität des Produktes. Die Sendung enthält die etwas verstörende Information, dass der Sänger Ed Sheeran ein Tattoo hat, welches eine Flasche dieses Ketchups abbildet. Weil er das Zeug so unglaublich gerne und geradezu leidenschaftlich konsumiert. Man kann dieses Tattoo leider auch per Bildersuche im Internet verifizieren.

Andere Menschen sind immer noch seltsamer, als man ohnehin schon denkt. Vielleicht sollte man es beruhigend finden.

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Bescheidene Alltagsfreuden

Als Nachtrag zu meinen gestrigen Erwähnungen der Phänomene des Klimawandels im eigenen Garten, zu all den möglichen Verschiebungen, Veränderungen und Wanderungen hier noch die Sichtweise von der Vogelinsel Trischen aus.

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Was war am Montag in dieser Woche? Ich habe zum Montag keine Notizen. Eventuell gab es in dieser Woche keinen Montag, oder ich habe ihn schon verdrängt oder er war in einem geradezu unvorstellbaren Ausmaß uninteressant oder ich war, wie es auf den Grundschulzeugnissen damals hieß, allzu oft abgelenkt. Egal.

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Vor meinem Bürofenster in Hammerbrook scheint die Maisonne am Dienstagmorgen auf eine graue Wand. Lichte Betonflächen, sie symbolisieren hier zurückhaltend die bescheidenen Alltagsfreuden in diesem seltsamen Stadtteil ohne jede Schönheit, der fast ausschließlich der Arbeit gewidmet ist, der Verwaltung von Konzernen und also auch der Organisation der Arbeit von anderen.

Frühlingslaubgrün ist aber der Coffee-to-go-Becher, den ich von zuhause mitgebracht habe. Er steht auf meinem Schreibtisch und vertritt hier die Natur, so wertvoll wie eine kleine Zimmerpflanze.

Man arbeitet so vor sich hin. Es ist zur großen Irritation aller eine Woche ohne jeden Feiertag, da fallen wie von selbst genug Aufgaben an, um die etwas zähen Bürostunden zu füllen, unvorstellbare fünf normale Tage lang. Man kann sogar Sachen anfangen, die etwas länger dauern, man kann bei Aufgaben Strecke machen, es ist alles etwas ungewohnt. „Aber nächste Woche dann wieder!“ Das sagt man sich und grinst zwinkernd, um Pfingsten wissend, mit Fingerzeig zum Wandkalender.

Der Mai ist einer der sympathischeren Monate, keine Frage. Er verführt aber zu einer gewissen Lässigkeit im Umgang mit Pflichten und ernsten Dingen. Dass die Herzdame und ich nächste Woche Urlaub haben und die Söhne auch schon wieder Ferien, es trägt dazu bei, dass wir diese Wochen als etwas weichgespülten Monat empfinden. Ein merkwürdiges Gefühl, dem vielleicht nicht recht zu trauen ist, wie eine gewisse Instanz in mir fortwährend mahnen möchte.

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Es kamen pünktliche Wahlbenachrichtigungen bei uns an, und zum ersten Mal waren es drei große Umschläge. Ein Sohn hat seine Premiere und reift also staatsbürgerlich heran.

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Bei jedem aufblühenden Kräutlein

Für den Freundeskreis Künstliche Intelligenz, oder wie man diese Tools so nennt, hier ein längerer Text von Edward Zitron, in dem es im ersten Teil interessante Informationen zu Sora gibt, dem Video-Tool, das neulich überall bejubelt und herumgereicht wurde. Das fand ich interessant und, wie man in meiner Brotberufbranche begeistert sagen würde, voller Insights. Ein allerdings arg überstrapazierter Begriff.

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Während ich mit der Herzdame am Sonntagnachmittag auf der Hollywoodschaukel im Garten sitze und Käsekuchen esse, schwirrt über uns etwas in wellenartiger Flugbahn durchs Blickfeld und verschwindet im Geäst des Weißdornbaums. Sekundenkurz nur ist es zu sehen, ein Etwas mit rötlichem Schimmer. Es ist damit allerdings vollbracht, ich habe ihn tatsächlich gesehen, den Gimpel, den Dompfaff, den Blutfink. Wobei mir die letzte Bezeichnung nicht geläufig war, aber der Wikipedia. Ich habe ihn jedenfalls erkannt, ich habe ihn ertappt und abgehakt, das wochenlange Versteckspiel ist durch.

Nächste Runde: Jetzt der Mönchsgrasmücke auflauern.

Kurz darauf hört die Merlin-App auch noch Mauersegler über uns, damit bin ich jetzt bei 29 Vögeln auf der Life-List. Immerhin! Die 50 wirkt allmählich erreichbar, wenn auch vielleicht nicht in der Stadtmitte. Man müsste einmal einen Ausflug machen, an die Küste oder in einen Wald oder so, das soll es alles in der Nähe geben.

Die Herzdame und ich sitzen im fast schon zu heißen Sonnenschein, wir trinken Kaffee, wir essen Käsekuchen vom Bäcker. Wir schaukeln dezent, wir befinden und bewerten Temperatur, Windstärke und Sonnenintensität, auch das Rasenwachstum bei uns und bei den Nachbarn. Was man auf diesem Gartenmöbelstück eben zu tun hat, man sollte immer alle Aufgaben ernst nehmen. Aus der Herzdame perlen danach weitere Projektideen, und wie kreativ sie dabei wird. Aus jedem Blick ins umgebende Grün wird eine vielleicht demnächst schon umzusetzende Vorstellung.

Ich halte mich zurück, ihr nicht den Unterschied zwischen einem Garten und einem Bauspielplatz zu erklären, denn es gibt ja keinen, aus ihrer Sicht. Und wer weiß, ob ich diese Phase nicht auch einmal wieder habe, vielleicht bald schon. Phasen kommen und gehen, man kann vor sich selbst kaum sicher sein.

Unter den Aronien flammt es rot auf, fällt uns zwischen zwei Schlucken Kaffee auf, der erste Mohn blüht dort. Sie kommt mir früh vor, diese Blütezeit, aber das ist nur ein Gefühl, durch keinerlei Recherche abgesichert. Ich sehe erst später nach, die Blütezeit passt in den Mai.

Bei allen Naturerscheinungen muss man sich jetzt die Frage stellen, ob das eigentlich richtig so ist und noch in der klassischen Ordnung, oder ob es längst ein Zeichen für den Klimawandel und gewaltige Änderungen ist, für das große Drama.

Bei jedem aufblühenden Kräutlein ist das zu fragen, bei jedem krank aussehenden Baum oder Busch, bei jedem womöglich aus dem Süden zugewanderten Insekt vor den Fenstern in der Laube, bei jeder seltsam gemusterten Spinne.

Und längst nicht alle dieser Fragen kann man aus dem Stand beantworten. Wir wissen vermutlich fast alle viel zu wenig, was das angeht. Aber es passt in die Zeit, jetzt dazuzulernen.

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Psychedelisches Scrollen

Am Sonnabendmorgen sehen die nächtlichen Timelines aus wie ein kollektiver Trip. Ich sehe pinkpurpurnes Gewaber auf zahllosen Fotos, noch einmal und noch einmal, ein Bild und ein Clip nach dem anderen und auf allen Plattformen. Intensive Lavalampenbetrachtungen sind nichts dagegen, psychedelisches Scrollen am Morgen. Die Nordlichter erschienen in ungekannter Pracht und Intensität über Deutschland, besonders über dem Süden. Giardino hat etwas im Blog dazu, und wie schön ist das.

Was die allgemeine Stimmung angeht, scheinen Polarlichter der Nation nennenswert besser zu bekommen als die sonst so gern gesehenen Talkshows, aber sie werden leider auch deutlich seltener ausgestrahlt. Man wird diesen Umstand dummerweise kaum ändern können, es ist wahrhaft bedauerlich.

Hier hat ein Sohn versucht, im Hamburger Umland etwas vom Spektakel am Himmel mitzubekommen, aber das misslang. Es war bedeckt, es fand nichts statt. Ich dagegen habe mich gar nicht erst bemüht, mich hält so leicht nichts von meiner Nachtruhe ab. Man muss Prioritäten setzen.

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Nach längerer Pause habe ich einmal wieder ein Hörbuch gehört. Begleitend zur Biografie-Lektüre gab es: „Das Urteil“ von Kafka, gelesen von Sven Regener. Es gibt über 200 Deutungsansätze für diese Erzählung, sehe ich im gerade verlinkten Artikel. Da darf man mit anderen Worten also beim Lesen oder Hören denken, was immer man will. Denn auch das wird schon irgendjemand kundig und mit nachgewiesener Fachkompetenz wortreich und überzeugend vertreten haben.

Laut Wikipedia sei Kafka mit diesem Text „das Opfer einer Massenvergewaltigung von Interpreten geworden“, so drastisch hat es die dort zitierte Susan Sontag ausgedrückt. Er selbst hat, wenn ich richtig aufgepasst habe, zweimal notiert, dass er nicht weiß, was der Text zu bedeuten hat.

Sven Regener, das habe ich vor längerer Zeit schon einmal notiert, liest Kafka hervorragend, für mich gehört dieser Text jetzt so. Es ist eine etwas überraschende Kombination, diese Stimme und dieser Schreibstil, aber es geht für mich auf. Worin auch schon wieder eine Interpretation liegt. Nun, man kommt ohne nicht aus. Man befindet dauernd irgendwas beim Kulturkonsum und deutet mit jedem eigenen Gedanken.

Der von Regener gelesene Schloss-Roman war mir damals jedenfalls ein Hauptvergnügen in der Hörbuchreihe und es gibt noch mehr Kafka von ihm, vermutlich das komplette Werk. Ich werde in der nächsten Zeit wohl noch ein paar seiner Texte parallel zum abendlichen Fortschritt in der Biografie-Lektüre hören (er hat gerade an Felice Bauer erstmalig etwas von Abschied geschrieben), ich werde quasi multimedial vorgehen.

Wie so ein Mensch mit Methode.

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Das banalste Mahl, das Festmahl

Am nächsten Tag hat die Herzdame dann, kaum dass ich im letzten Blogartikel etwas von „wenig Arbeit“ geschrieben hatte, spontan angefangen eine steinerne Beetumrandung (die automatische Rechtschreibkorrektur besteht hier auf Bettumrandung) dort zu setzen, wo vorher erst noch etwas Rasen wegmusste und wo dann nach vollendeter Tat auch einiges nachgepflanzt werden muss. Es gab nicht die geringste Veranlassung zu dieser Aktion, es gab keinen drängenden Umstand, keinen Schönheitsfehler im Garten, es gab keinen sichtbaren Mangel in der Gestaltung. Es muss die reine Lust gewesen sein, die sie trieb. Die Lust, mit so etwas anzufangen, tätig zu sein, etwas mit den Händen zu fertigen.

Da kann man nur danebenstehen, es nickend zur Kenntnis nehmen und ansonsten weiträumig aus dem Weg gehen. Der Garten ist groß genug dafür, man kann ausweichen. Vielleicht ab und zu noch dem arbeitenden Menschen Getränke zureichen oder ein stärkendes Essen kochen. Gelegentlich aus dem Laubenfenster sehen und beifällig loben, was auch immer sie da tut. Lob ist oft richtig und willkommen, man kennt das aus eigener Erfahrung. Angebracht ist Lob allerdings auch, denn die Projekte der Herzdame gehen meist gut aus und sind auch noch vorzeigbar.

Und zwischendurch immer wieder daran denken, dass es nicht selbstverständlich ist, auch nach zwanzig Jahren noch restlos begeistert davon zu sein, die richtige Frau geheiratet zu haben. Die Erfahrungen im Umfeld weisen eher in eine andere, fatalere Richtung. Wir sind die da Ausnahme, und in diesem Fall einmal eine angenehme.

Sie mag jetzt eben solche Arbeiten, denke ich mir in der sicheren, ruhigen Laube, während ich die Kafka-Biografie aufschlage, ich dagegen mag gerade nur Lesen und Schreiben. Es verträgt sich im Moment gut so, es ist betont harmonisch, wir verstehen uns bestens. Man kommt sich im Garten nicht ins Gehege, was auch ein seltsamer Ausdruck ist, fällt mir auf. Selbstverständlich gleich nachgesehen: „Die Redensart stammt aus der Jägersprache und ist auf Nebenbuhler des Platzhirsches gemünzt worden, die in ein Wildgehege eindringen und das weibliche Rudel bedrängen.“ Quelle hier, wieder etwas gelernt.

Und das stärkende Essen, das ich in der Laube kochte, waren dann die ersten Pellkartoffeln der Gartensaison. Nie schmecken sie uns so gut wie an dem Tag, an dem wir sie zum ersten Mal im Frühling draußen essen. Es ist das banalste Mahl, es sind nur Kartoffeln und Kräuterquark, und der wurde nicht einmal selbstgemacht. Aber es ist ein Festmahl, es ist ein Genuss erster Klasse. Die Frischluft als alles entscheidende Zutat.

Und ein paar Meter weiter, es war mir bisher nicht aufgefallen, blüht die Akelei unter dem Flieder in einem gediegenen Lilaton, in einer ausgesprochen vornehmen Farbe. Diese Blume vielleicht lieber siezen, sie sieht danach aus.

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Es gibt gerade diese Aktion „Mähfreier Mai“, im englischen Original No Mow May, was sich anhört, als würde man es gut als Refrain in einem melancholischen Stück singen können. Sie haben vielleicht oder hoffentlich von der Kampagne gehört. Wenn wir uns an die Vorgabe dort halten sollten, wird der Rasen am Ende auf der Parzelle bis über unsere Köpfe stehen. Die Laube und wir werden dahinter verschwinden, ein grüner Abgang wird das für uns werden.

Denn er wirkt im Moment doch etwas überambitioniert, dieser Rasen, er ist sichtlich dschungelwillig. Auch die gerade neu gesetzte, steinerne Beetumrandung würde man dann nicht mehr sehen. Aber darauf kommt es nicht an, ich habe es ja verstanden.

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Es gibt eine neue Monatsnotiz von Nicola, ein mir sehr angenehmes Format.

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Kirschnüsse, anschwellender Sommer

Vorweg herzlichen Dank für die überaus freundliche Zusendung von Siri Hustvedts „Leben, Denken, Schauen“, kaum dass es auf dem Wunschzettel war. Es ist ein wahrer Büchersegen gerade. Ich bin hellbegeistert und enorm vorfreudig, der Stoff wird wohl bis in den Sommerurlaub reichen, um gedanklich ein wenig nach vorne zu springen.

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Die Frühlingsabendverteilung der Familienmitglieder erfolgte an einem der letzten warmen, sonnigen Tage hamburgisch flussbezogen, fiel mir nebenbei auf: Zwei von uns waren an verschiedenen Abschnitten der Elbe, einer war an der Bille und einer an der Alster. Da habe ich gleich Heidi Kabel oder Jan Fedder im Ohr: An de Alster, an de Elbe, an de Bill, dor kann jeeder eener moken, wat he will.

Artur Schulenburg hat das Lied 1940 geschrieben, es lässt sich online erstaunlich wenig über ihn finden. Ich habe nach unbefriedigender Google-Suche ein AI-Tool nach ihm gefragt, und da kamen auch prompt Lebenslauf, Werke und Quellenangaben dazu, aber in den dort verlinkten Quellen stand gar nicht drin, was da gelistet und getextet war. Hm.

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Ansonsten waren wir selbstverständlich im Garten.

An einigen der Kirschbäume sind die Früchte auf einmal haselnussgroß. Es ist wieder unerfindlich, in welch kurzer Zeit dies geschehen sein muss. Eben waren da noch weiße Blüten, gerade vom Wind verweht, und es muss über Nacht geschehen sein, buchstäblich über Nacht, dass daraus maigrüne Kugeln wurden. Wie isses nun bloß möglich! Immer wieder staunend vor diesen Bäumen und Büschen stehen, in jedem Jahr. Seit fünf Jahren schon oder sechs mittlerweile, ich müsste nachsehen.

In welcher Eile jedenfalls diese Operation Frucht durchgezogen wird. Wie kurz das Wenige an Saison ist, wie drängend, stürmend und ungeduldig das alles angelegt ist. Von Mai bis September ist alles eine schwungvolle Bewegung, ein schnelles Anschwellen, und die statischen Postkartenbilder von der Natur, die wir im Kopf haben, wenn wir an den Frühling, den Sommer denken, sie sind falsch. Sie werden dem Elan und der Betriebsamkeit der Pflanzen gar nicht gerecht. Nur der Winter hat seine statischen Momente.

Die Stachelbeeren sind wie immer weit vor allen anderen Früchten und sehen schon nach baldiger Ernte aus. Was bei ihnen aber noch wochenlang täuschen wird, das kenne ich. Steinhart und eine Säure, dass es einem das Gesicht entgleisen lässt. Es wird auch ein Johannisbeerenjahr, so viel steht bereits fest, und die Heidelbeeren wollen auch mehr bieten als im Vorjahr.

Kürbis, Zucchini, Pak Choi, Tomaten und Kohlrabi haben wir in die Beete ausgepflanzt. Die Zuckererbsen kommen weiter nur zögerlich, vorsichtig und vermutlich frostverschreckt, die Karotten zeigen mit deutlicher Verspätung ihre niedlichen grünen Fähnchen, schon unkrautüberwuchert, da muss man mal ran.

Die Kartoffeln dagegen geben sich unverwüstlich und dienstbeflissen wie immer. Sie kommen mit großer Selbstverständlichkeit und auch an Stellen, an denen wir nie welche gesetzt haben. Sie wachsen aus den Küchenresten im Kompost und auch aus verlorenen Abfällen am Gartenwegrand, kurz vor der Biotonne haben wir sie irgendwann auf dem Weg aus der Schüssel verloren. Wir lassen sie überall zu, wo sie nur wachsen wollen.

Die Robustheit der Kartoffeln ist so beeindruckend wie beim Löwenzahn, ein einziges pflanzliches Dennoch. Platz da, hier wachse ich. Ich mache hier mein Ding, und das Ding sind am Ende dann Knollen, die wieder ihr Ding machen werden, ohne große Ansprüche zu stellen. Eine sympathische Pflanze, zuverlässig und pflegeleicht.

Auch etwas weiteren Lavendel haben wir neben die Laube gepflanzt, und noch einige Erdbeeren nachgesetzt. Man hat nie genug Lavendel und Erdbeeren im Garten.

Es war gar nicht viel Arbeit, das alles. Es war im Grunde nur ein wenig Spaß an freien Tagen.

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