Zunächst uneinsichtig

Ein kleiner Nachtrag fällt mir noch ein. Da geht es um die Wiederankunft der Herzdame aus Berlin neulich, ich berichtete von dem besonders heißen Tag. Der dann auch noch global Hitzerekorde brach, es passte wieder alles zusammen. In dem Beitrag erwähnte ich auch das Chaos im Bahnverkehr. All diese Verspätungen, Verschiebungen, Gleisänderungen, Ausfälle etc. All die verwirrten und teils verzweifelten Reisenden, das Gedränge und Geschiebe im Bahnhof.

(Christian hat drüben meine hier oft geschilderte Einschätzung der stets rappelvollen Bahnhofssituation gerade freundlich bestätigt, das ist auch einmal nett.)

Die Komplikationen lagen an diesem Tag zu einem erheblichen Teil auch wieder an Personen im Gleisbereich. Also an unbefugten Personen, es wurde immer wieder so durchgesagt. Bei früheren Gelegenheiten hörte ich auch die Formulierung „bahnfremde Personen“, was angenehm altmodisch amtsdeutsch klang. Bahnfremd als zulässige Abwertung.

Das ist jedenfalls ein Umstand, der etwas rätselhaft anmutet. Denn eindeutig gibt es doch eine Steigerung in der Häufigkeit dieser Vorkommnisse in den letzten Jahren. Zumindest leite ich das aus der mir bekannten Stichprobe ab. Die Herzdame und ich hatten solche Vorfälle auf sämtlichen Bahnfahrten in letzter Zeit und dauernd wird davon berichtet. Gestern etwa habe ich es zweimal in den sozialen Medien gesehen.

Ich kann es mir nicht vollkommen plausibel zusammenreinen, warum neuerdings dauernd irgendwelche Menschen auf Schienen herumlatschen und es früher deutlich weniger gemacht haben. Es gab einmal, und so lange ist es gar nicht her, ein paar Jahre nur, vielleicht eine Pandemie, eine allgemeine Übereinkunft, dass so etwas eher keine gute Idee sein kann. Auf den ersten Blick ist es ein Rätsel der Gegenwart.

Vor ein paar Tagen habe ich aber irgendwo noch eine Meldung dazu gesehen. Es war eine norddeutsche Lokalmeldung, glaube ich, dass da jemand telefonierend auf einem Gleis stand. Dass diese Person damit Züge aufhielt und sich, als Sicherheitskräfte versuchten, sie dort zu entfernen, „zunächst uneinsichtig“ zeigte. Womit wir also mit ziemlicher Sicherheit wieder bei Freiheit, Freiheit sind, nicht wahr. Ich kann hier machen, was immer ich will, eine Art Karen Langstrumpf. Vermutlich war das Telefonat einfach noch nicht beendet.

Wobei mir auffiel, dass „zunächst uneinsichtig“ bei genauerer Betrachtung eine treffende Beschreibung unserer Gesellschaft geworden ist. Es wäre auch ein hervorragender Buchtitel für eine umfassende, tiefschürfende, schwartendicke und Hartmut-Rosa-mäßige soziologische Erklärung des postpandemischen kollektiven Zustandes, möchte ich meinen: „Zunächst uneinsichtig – die Entwicklung der Gesellschaft seit 2020“.

Und es ist, jetzt der trostreiche Abschluss, ein Begriff, der, wenn man es besonders dringend so sehen möchte und auch immer noch über die Fähigkeit zum wenigstens zaghaften Optimismus verfügt, immerhin einen Rest Hoffnung in dem Wort „zunächst“ beinhaltet.

Da mal dran klammern.

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Urlaub und Unbill

In den Blogs und Timelines mehren sich saisongerecht die Urlaubsmeldungen, die Reiseberichte und die Postkartenfotos von Meeren und anderen Landschaften mit ausgeprägtem Schönheitsaspekt. Diesmal alles mit einem markanten Nord- und vor allem Dänemark-Schwerpunkt. Teils ist es dort gerade etwas herausfordernd, was das Wetter angeht. Kapuzenbilder sieht man hier und da, aber wann ist das Wetter schon perfekt. Und über Unbill aller Art schreibt es sich ohnehin besser und leichter als über reinen Genuss und ruhigen Seelenfrieden. Das Wetter dort oben soll uns als Konsumenten dieser Art von Abenteuermeldungen also nicht weiter stören, im Gegenteil.

Mich erreicht passend dazu eine verlockende Einladung auf eine Lieblingsinsel. Der ich diesmal zwar wegen anderer Pläne nicht folgen kann, aber es ergeben sich Optionen, das ist immer schön.

Ich lese über Urlaube, ich verlinke Artikel zum Tourismus, ich denke über das Reisen nach. Ich führe mehrere Gespräche über Urlaub und Ferien, vom Kolleginnen-Smalltalk am Kaffeeautomaten bis hin zu tiefsinnigeren Austauschversuchen. Auch über die stets irritierende Urlaubs- und Entspannungsunfähigkeit rede ich, mit der ich wieder nicht allein bin. Nie ist man mit etwas allein. Manchmal ist es ein Trost, manchmal ist es ein Fluch.

Wer fährt also wie lange wohin und was wird dann dort gemacht. Überall klingt es gerade an, „Warst du schon“ als Gesprächseinstieg. Das gemeine Fernweh bleibt bei mir weiterhin aus, das ist vermutlich eine Art Glück – muss ich mich damit nicht auch noch herumschlagen. Man hat doch in der Regel schon genug Probleme im Alltag. Ich lese und höre Reiseberichte manchmal gerne, aber sie locken mich meistens nicht.

Dennoch nebenbei schon einmal Koffer packen. Für ein wenig Reiserei, die Familie zieht mich mit. Nicht alles im Leben muss man selbst entscheiden, und auch das kann ein Vorteil sein. Und man packt ohnehin viel konzentrierter, glaube ich, wenn man nicht durch übermäßige Vorfreude abgelenkt wird.

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Schnell noch einmal in der Bücherei gewesen. Ich hatte doch glatt Italo Svevo vergessen, und so geht es ja nicht. Seinen Zeno Cosini auf der Reise endlich einmal nachholen, das ist auch so ein Vorhaben seit Jahrzehnten.

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In den Medien gibt es mehr und mehr Schlagzeilen zu Olympia und mir fällt wieder ein, dass wir das als Kinder stunden- oder tagelang im Fernsehen gesehen haben. Ohne jedes Interesse an Sport, nicht nur in meinem Fall. Nur weil es nichts anderes gab, siehe auch Wintersport. Man kann es heute kaum noch erklären, dass man da stundenlang vor dem Dressurreiten oder sogar vor dem Biathlon gesessen hat, weil es immerhin bunte Bilder mit Ton waren und damit doch besser als alles andere. Immer in der Hoffnung, dass da irgendwas halbwegs Unterhaltsames, Unvorhergesehenes passieren könnte. Ein scheuendes Pferd, ein Sturz, ein Unfall. Die Erwartungshaltung war moralisch keineswegs einwandfrei.

Man kann es heute kaum noch vermitteln, meine Söhne machen keine auch nur annähernd ähnliche kollektive Erfahrung. Man kann es sich auch selbst kaum noch vorstellen, aber so war es eben. Opa erzählt vom Krieg, Opa erzählt vom Fernsehen im letzten Jahrhundert.

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Halbwegs passend dazu gehört: Eine neue Folge Radiowissen über Zeitzeugen und ihre Bedeutung.

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Zwei Tretboote an einem Steg an der Außenalster

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Glitzersichtungen und Abwesenheitsmeldungen

Bitte bei der Kaltmamsell das eingebundene neue Video der Pet Shop Boys beachten, New Bohemia. Und auch ihren Kommentar dazu, den ich gut nachvollziehen kann.

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Im englischen Guardian gibt es in letzter Zeit ein irritierend ansteigendes Interesse an Germany. Immer öfter findet unser Land dort auf der Online-Titelseite statt, mit recht bunten Themen, keineswegs nur mit den üblichen Nachrichten zur Regierungspolitik und internationalen Verbindungen. Sondern etwa auch mit El Hotzo oder mit den Punks auf Sylt. Ungewohnt, das so häufig analysiert zu sehen.

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Zwei Updates zum Thema Overtourism. Zum einen eine Sendung beim Deutschlandfunk über Barcelona: Warum sich Massentourismus so schwer regulieren lässt (18 Minuten). Auch hörenswert, wenn Sie in Hamburg, München, Berlin oder anderen Städten und Gegenden wohnen, die routinemäßig stark bereist werden.

Zum anderen gibt es eine weitere Quotenregelung für ein allzu attraktives Ziel, diesmal auf einer Insel in Frankreich. Da dann auch wieder Sylt etc. mitdenken.

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Auf filmfriend wird die alte Maigret-Serie aus Frankreich mit Bruno Cremer wiederholt. Damit werde ich eine Weile angenehm beschäftigt sein, diese Serie habe ich in bester Erinnerung. Mir war so, als würde sie durch Besetzung und Machart die Stimmung der Bücher besonders treffend wiedergeben, und Bruno Cremer schien hervorragend zu meinem vorgestellten Maigret zu passen. So sagt jedenfalls mein Gedächtnis.

Ich werde das gründlich überprüfen. Die Folgen haben, das kann ich jetzt schon sagen, eine herrliche Ruhe in den Einstellungen. Sie sind auf die denkbar beste Art sedierend nach einem wilden Tag. Wie manchmal auch die Simenon-Lektüre.

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Ansonsten ist Taylor Swift in der Stadt. Was ich vor allem daran merke, dass sämtliche lokalen Medien in etlichen Meldungen aufgeregt berichten, dass man es überall merkt. Das Stadion, in dem sie auftritt, ist allerdings weit weg von uns. Von den Konzerten werden wir hier nichts mitbekommen und die jüngeren Menschen in meinem privaten Umfeld interessieren sich eher nicht für ihre Musik.

Ich sehe im kleinen Bahnhofsviertel beim Einkaufen lediglich zwei junge Frauen, die hohe Stiefel, Glitzerkleidchen und seltsame Armbänder tragen. Exakt die in den Medien beschriebenen Kennzeichen der Fans sind das, ich habe natürlich aufgepasst. Das werden also die berühmten Swifties sein, stelle ich kundig und eingeweiht fest. Hat man die auch einmal gesehen.

Im Büro sehe ich außerdem eine Abwesenheitsmeldung, die sich ausdrücklich auf dieses Konzert bezieht. Das ist eine Premiere für mich, so etwas ist mir bisher noch nie begegnet. Ein Erfolg für Taylor Swift, das dann auch einmal anerkennen.

Wobei ich ohnehin seit einiger Zeit einen noch weiter zu verifizierenden Trendverdacht bezüglich automatisierter Antwortmails im Job habe. Die Abwesenheitsmeldungen aus verschiedenen Firmen scheinen gerade deutlich persönlicher zu werden, ausgeschmückter, heiterer und erklärender.

Man ist nicht mehr einfach nur weg oder ooo, man ist nicht nur dann und dann wieder erreichbar. Nein, man macht vielmehr ausdrücklich in der Zwischenzeit dieses oder jenes. Man lebt ein unterhaltsames, buntes Leben und man sagt auch, wie es dabei zugeht, in auffällig lockerem Tonfall.

Vielleicht fiel es in Ihrem Umfeld auch schon auf? Kurz gegoogelt, und guck an, auf Cosmopolitan steht: „Der Trend aus den USA, sich in den Abwesenheitsnotizen auch mal einen Spaß zu erlauben, schwappt peu à peu auch nach Deutschland über …

Da kommt also noch etwas. Man wird sich vermutlich bald eine bunte Sammlung der schönsten Sätze anlegen können, die man als Antwort auf berufliche Anliegen bekommen wird, heiter-besinnliche Bonmots. Wie früher im Poesiealbum.

Schön, schön.

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Von Schnecken und Menschen

Am Sonntagabend der Biden-Rückzug und ich stelle bei der Gelegenheit wieder etwas fest, und gar nicht mal gerne. Denn während ich jahrelang bei solchen Ereignissen den Abend in den Timelines Reaktionen mitgelesen und dort alle relevanten Links und Kommentare kundiger Menschen zuverlässig serviert bekommen habe, kommt es mir heute dort deutlich verändert vor. So viele eher, nun ja, altkluge Bemerkungen, das Wort trifft es leider, so viele Anmerkungen nach Art der Kalenderweisheiten auch. Dazu matte Scherze, substanzlose Prophezeiungen, Unkenrufe aller Art … und wenig Links zu guten Quellen. Entweder es hat sich tatsächlich nach Twitter etwas verändert, oder ich habe es früher nur nicht bemerkt. Ich weiß gar nicht, welche Möglichkeit ich schlimmer finden soll.

Am Ende wird die Erklärung wieder nur sein, dass wir alle älter werden. Und warum sollten wir dabei besser werden. Das haben wir an den Generationen vor uns auch nicht so beobachtet, nicht wahr. Man peilt Waldorf und Statler an, muss dabei aber bedenken, dass es junge Menschen waren, die ihre Pointen geschrieben haben.

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Die Herzdame ist aus Berlin zurück. Das war ihre letzte Station, sie kam in einem pünktlichen Zug wieder in Hamburg an. Dem Chaos im Hauptbahnhof nach zu urteilen war es der einzige pünktliche Zug weit und breit, ein seltenes Glück. Der Bahnhof war am Sonntagnachmittag unfassbar voll, wie immer zur besten Reisezeit. So viele Menschen mit teils monströsen Gepäckmengen, wahre Berge von Zeug. Wie auch immer das alles in überfüllte Züge passen sollte, man bekam schon im Vorbeigehen erhebliche Zweifel.

Auf den Gesichtern in der Wandelhalle und an den Bahnsteigen war deutlich zu sehen, dass nach drei Tage Hitze und immer noch weiter steigenden Temperaturen sogar der große und so überaus meinungsstarke Freundeskreis Sommerwetter allmählich stimmungsmäßig und körperlich nachgab. All die ungesund aussehenden roten Flecken auf der Haut, dazu die durchgeschwitzt nasse Kleidung, der von jedem Menschen tropfende Schweiß, die glasigen Blicke, der hier und da versagende Kreislauf, das Japsen, das stöhnende, ächzende Stehenbleiben.

Mehrere bereits umgekippte Personen gleich auf einen Blick im Bahnhofsgewirr. Dienstbeflissene Sanitäterinnen, herbeieilendes Aufsichtspersonal, selbst fast eingehend in den Dienstklamotten – also man konnte deutlich sehen, dass Hitze, wahre Hitze kein Spaß ist. Eher eine Bedrohung.

Eine Luft wie geschmolzene Butter, dazu allmählich gelblicher werdendes Licht. Die schon den ganzen Tag erwarteten Unwetterwarnungen auf den Smartphones, eine nach der anderen, pingpingping, eine Unzahl. Und das Gewitter, die Gewitter zogen dann über Stunden langsam, quälend langsam die Elbe entlang von Niedersachsen heran.

Ich sah gerade aus einem Dachfenster, als der erste Windstoß des deutlichen Wetterumschwungs ums Hotel nebenan geschossen kam, unerwartet schnell und erstaunlich ruppig. Der knallte mir das hochgeklappte Fenster mit einer solch rüpelhaften Verve auf den Kopf, dass ich erst nicht wusste, ob ich am anderen Alsterufer die ersten Blitze über Harvestehude oder doch nur aufschlagbedingte Sterne sah.

Mit Beule in die nächste Woche, so wirkt das Wetter nach und man erinnert sich besser.

Als es dann regnete, als es endlich viel regnete, wenn auch von Starkregen diesmal keine Rede sein konnte, kamen ringsum nach und nach immer mehr Menschen auf die Balkone und an die Fenster, leicht oder kaum bekleidet. Sie atmeten gierig die frischer werdende Luft und steckten die Köpfe in den Regen, hielten auch in kindlich anmutender Begeisterung Hände in die Tropfen. Wie Schnecken von der Feuchtigkeit belebt und ermuntert.

Sie winkten sich manchmal sogar zu, diese Menschen im Regen, von Balkon zu Balkon und zu Fenster, ein eher ungewohnter sozialer Überschwang in dieser Stadt. Man grüßte sich durch die allgemeine und hochwillkommene Erfrischung. Und unten auf der Straße gingen welche ohne Schirm und alles, die ihren Schritt dennoch nicht beschleunigten, trotz des Wolkenbruchs. Die nur wehrlos nass und nasser wurden, wie unter ihrer Dusche zuhause.

Und wenn man so etwas sieht, dann weiß man, es war längere Zeit viel zu warm in der Stadt.

Ein Aufkleber an einem Verkehrsschildmast: "FCKAFD", im Hintergrund unscharf eine leere Straße

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Fortschritte hier und da

Am Nachmittag des heißen Freitags mit der weltweit so spektakulär zerschossenen virtuellen Arbeitsumgebung ging ich zum Friseur. Zauselig wochenlang verspätet wie immer und trotz Hitze windverweht. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann es hier zuletzt windstill war, es muss mittlerweile lange her sein. 2024 auch als durchwehendes Jahr betrachten, es ist doch ein markanter Umstand.

Der Friseur ist im Souterrain unter einem alten Gebäude, quasi in einem Kellergewölbe. Darin war es herrlich temperiert, höhlenhaft kühl und bei der immer drückenderen Juliluft in der glühenden Stadt überaus angenehm. Das Kürzen der Haare fühlte sich an wie das Abnehmen einer saisonal verfehlten Pelzmütze. An Hitzetagen ist so ein Untergrundfriseur eine unbedingte Empfehlung, man macht eine belebende, befreiende Erfahrung. Beschwingt für wenigstens einen Moment ging ich danach wieder nach Hause. Zurück ins Backofendachgeschoss, um dort den hochsommerlichen Schmelzprozess fortzusetzen.

Kurz war es immerhin nett, da unten im Keller. Aber ich kann bei Hitze auch nicht jeden Tag zum Friseur gehen, ich habe weder so viele Haare noch so viel Geld.

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Am Sonnabend in der Bücherei gewesen und einen Arm voll italienischer Literatur besorgt, wie geplant. Dazu die Erinnerungen von Vicki Baum, von denen die Kaltmamsell mehrfach schrieb.

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Ich habe in letzter Zeit etliche Filme aus den Siebzigern gesehen (es ist alles nur eine Phase) und gar nicht hier untergebracht. Mit immer größerem historischem Interesse an diesem Jahrzehnt habe ich die gesehen, an dieser seltsamen Zeit, in der ich Kind war und Teenager wurde.

Mit immer mehr Augenmerk darauf, dass das, was in diesen Filmen abgebildet und geschildert wurde, doch wohl zwingend das war, was mir damals als kollektive Erzählung die zu erwartende Welt der Erwachsenen erklärt hat. Und also sicher auch meine Vorstellungen für eine Weile geprägt haben wird. So hat man mir erwachsene Männer und Frauen und ihr Benehmen vorgeführt, ihr Paarungsverhalten, ihre Karrieren, Ziele und alles.

Vor diesem Hintergrund ist es dann die Zeit wert, auch Filme, die ausdrücklich schlecht gealtert sind, wie aktuell etwa „Ein Elefant irrt sich gewaltig“ (1976) auf arte, noch einmal zu sehen. Darüber hat man damals also gelacht. Über dieses platte Männer- und Frauenbild, über diese ruckelige Beziehungssystematik und die kaum zu ertragende Kommunikationsunfähigkeit bei allen Beteiligten. Über diesen schlichten Chauvinismus etc. Lässige Klapse auf Kellnerinnenpopos als Ausdruck heiteren Überschwangs und dergleichen, man schämt sich fast beim Zusehen. Aber so war es eben.

Nur Jean Rochefort ist weiter sehenswert in seiner Rolle, er spielt einfach gut. Oder er hat ein Gesicht, das ich heute noch gerne sehe, ich kann es kaum unterscheiden.

Aber der Rest … meine Güte. Wie viele hundert Jahre sind die 70er her, wie weit war der Weg. Diese Frage bei jedem Film aus der Zeit.

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Fleetblick von der Fleetinsel elbwärts

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Ordnung nach Art des Hauses und nach Potemkin

Die Herzdame ist nach wie vor auf Reisen und meldet ab und zu Zwischenfälle der mehr oder weniger heiteren Art aus anderen Gegenden des Landes. Ausgefallene Züge, Erkrankungen und dergleichen, nichts Besonderes.

Und es ist sicher bedauerlich uncharmant, aber für die Situation einer abwesenden Partnerin gibt es auch wieder einen Dan-Reeder-Song. Einen Song, von dessen Lyrics ich mich allerdings pflichtgemäß und ausdrücklich distanzieren muss. Er fällt mir selbstverständlich mehr assoziativ in meiner besonderen Situation ein, dieser Titel. Er wurde nicht etwa in den letzten Tagen besonders tief nachempfunden: „I don’t always miss you when you’re gone.“


Ein schönes Lied jedenfalls. Ich zitiere einen Youtube-Kommentar: “You give me hope and help make the quiet domestic moments of our lives feel like they still have poetry to them.”

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Die Herzdame ist also auf für unsere Verhältnisse ausgedehnten Reisen, die Herren Söhne wiederum treiben sich altersadäquat und ferienbedingt lange mit Gleichaltrigen in der Stadt herum, wo auch immer. Herumhängende Jugendliche, man kennt das. Längst sind wir in der Phase des Loslassens angekommen.

Drei Familienmitglieder sind ausgeflogen und ich bemerke etwas, das mir sonst kaum auffallen kann. Nämlich die gar nicht kleine, tief spießig anmutende und doch bis in mein Herz dringende Freude darüber, dass die aufgeräumte Wohnung aufgeräumt bleibt.

Stun-den-lang bleibt hier alles ordentlich. Es bleibt sauber, korrekt und ausgerichtet und meine innere Großmutter nickt ungewohnt zufrieden beim Blick in jedes Zimmer. Es gibt keine Stelle, über die man „noch einmal mit einem feuchten Lappen gehen müsste“, wie sie in meiner Kindheit oft mahnend zu sagen pflegte. Die Spüle blitzt ganztägig und im sauberen Kühlschrank liegt alles fein und sinnig sortiert.

Überhaupt liegt einfach alles in dieser Wohnung gerade da, wo es meiner Meinung nach hingehört. Und sämtliche Fenster und Türen sind und bleiben geöffnet oder geschlossen oder gekippt, gerade so, wie ich es im Moment arrangiert haben möchte.

Wenn ich mich nicht bewege, verändert sich gar nichts um mich herum. Es ist mir ein Fest, ein schwer zu beschreibendes.

Wie ich den Anblick dieser Ordnung genieße. Wie es auch ausgesprochen entstressend auf mich wirkt, es spricht gewiss Bände. Es ist doch immer interessant, wenn die Alltagsgrundsituation sich etwas verändert, und sei es nur minimal und kurzfristig, man kann dann wieder etwas über sich lernen.

Und wenn sich so etwas noch einmal ergeben sollte – vielleicht buche ich mir dann eine dieser Firmen, die umfassende Grundreinigungen anbieten, inklusive aller Schränke von innen und auch der allerletzten Winkel in der Wohnung, hinter den Heizkörpern und so. Und sehe den hocheffizienten Profis zu, wie sie routiniert einen Idealzustand herstellen, und genieße dann hinterher noch wesentlich gründlicher.

Ja. Vielleicht wird es mir das tatsächlich wert sein.

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Gesehen auf arte: Diese Doku über Straßenfotografie in New York. Ich mochte, wie darin der körperliche Einsatz betont wurde, das Jagen und Sammeln, das lange Lauern, die Unruhe der Suche, der Arbeitsaspekt. Man bekommt bei Zusehen fast Lust, auch wieder draußen herumzuknipsen und die Stadt, das Leben darin einzufangen.

Aber nur bis einem wieder einfällt, dass es heute rechtlich viel zu kompliziert ist, wenn Menschen im Bild erkennbar sind. Straßenfotografie in Deutschland geht nicht.

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Bei Vanessa kann man gerade ihre Dänemarkreise mitlesen. Wobei ich Vanessa immer lesenswert und unterhaltsam finde, worüber auch immer sie schreibt. Sie hat da einen Absatz über die Dänen, der inhaltlich gar nicht originell ist, das haben schon viele so oder ähnlich festgestellt, bei dem man den Umkehrschluss mitdenken muss. Denn Folgendes fällt überhaupt nur auf, weil es bei uns nicht so ist:

Die Dänen haben eine wunderbare Eigenschaft: Sie erschaffen Infrastruktur für Menschen. Sie bauen helle, offene Bibliotheken und Begegnungsräume drinnen und draußen, sie bauen Spielplätze, stellen Picknickbänke in die Gegend, haben öffentliche Toiletten und sorgen dafür, dass man sich willkommen fühlt. Man sieht den Orten an: Es ist den Dänen etwas wert, dass alle sich wohl und in ihren Bedürfnissen gesehen fühlen.

Und apropos Menschen im öffentlichen Raum. Vor dem Hauptbahnhof liegen wieder betrunkene Menschen und schlafen ihren Rausch aus. Nicht viele, aber doch einige. Und man lässt sie da. Diese Menschen, die man während der EM alle so beflissen entfernt hat, aus dem öffentlichen Raum abgeschoben hat. Adrette Kulissen nach Art des Potemkin waren das, ich fand es peinlich.

In Paris wird man während der olympischen Spiele Vergleichbares beobachten können, das kurzfristige Ausblenden des Elends.

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Auf Instagram durch die Werke von David Szauder geklickt. Bunt und schräg.

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Alsterboote der weißen Flotte am Anleger Jungfernstieg

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Die Zeit der Mirabelle

Die Mirabellen am Baum vor dem Balkon sehen reif und farbsatt aus, sonnige Kuller im ersten Morgenlicht. Allerdings ist erst eine Frucht bisher gefallen und liegt achtlos zertreten auf dem Weg zum Spielplatz. Phänologisch wird es also viertel vor Spätsommer sein, wie wir neulich gerade gelernt haben.

Im Garten könnte ich schon in den ersten Apfel mit Augustgeschmack beißen, nehme ich stark an. Allerdings bin ich in diesem Jahr selten wie nie im Garten. Das entsprach keinem Vorhaben von mir, das hat sich einfach so ergeben. Die Wochen vergehen und ich bekomme dort nichts mit. Das Wetter passt nicht, die Stimmung passt nicht, es gibt andere Vorhaben. Es ist etwas seltsam, stelle ich zwischendurch fest. Wie sich eben jedes Jahr irgendwas ergibt und nach einer Weile, manchmal nach Monaten erst, merkt man auf einmal: Ach guck, das also macht dieses Jahr aus. So ist das jetzt also. So geht dieses 24, und ein Gartenjahr ist es nicht.

Aber vielleicht finden wir zum besinnlichen Laubharken im Oktober wieder zusammen, die Parzelle und ich.

Es ist ansonsten wieder zu warm für alles, und das ganze Wochenende wird so sein. Heiß, viel zu heiß für mich. Langsames Verglühen, aber als To-Do.

Einen Satz habe ich gestern im Vorbeigehen gehört, eine junge Frau am Handy sprach ihn, zischte ihn, in verhalten wütendem Tonfall: „Dann gründe ich eben noch eine weitere Firma! Mir doch egal!“ Passiv-aggressives Unternehmerinnentum vielleicht. Falls es ein Trend wird, ich habe es früh bemerkt. Trotzgründungen und Dennoch-Karrieren, Business aus Bockigkeit. Später dann alles abgebildet im Dagegenan-DAX.

Apropos Unternehmerinnen, die Agentur Mann beißt Hund schließt leider. Die war ein geschätzter Kunde von mir, und die Erklärung für das Ende ist auch wieder ein kleines Stück Zeitgeschichte. Wenn Sie gerade KollegInnen suchen, das ist in Zeiten des Personalmangels immerhin nicht unwahrscheinlich, sehen Sie sich die Seite mit den Beschreibungen der angestellten Personen dort einmal an. Ich habe ausgesprochen gerne mit der Firma gearbeitet und weise empfehlend auf das Team hin.

Sie kennen eine Gründerin der Agentur auch als hier oft verlinkte Bloggerin, by the way. Ich wünsche alles Gute für die nächste Phase!

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Gesehen: Everything everywhere all at once, gerade in der ARD-Mediathek. Noch bis zehnten August dort verfügbar, man muss es schon einplanen. Diese Verfügungszeiten sind etwas lästig, sind sie nicht? Außerdem ist der Film nur zwischen 22 und 6 Uhr verfügbar, wenn man keinen ARD-Account mit verifizierter Altersangabe hat. Wenn man ihn aber vor 6 Uhr morgens startet, kann man ihn später zu jeder beliebigen Tageszeit weitersehen, es kommt mir alles etwas albern vor.

Den Film hat die Kaltmamsell vor zwei Jahren im Kino gesehen und ich dachte seit damals schon, dass ich ihn sehen wollte – Blogs wirken erwiesenermaßen auch langfristig. Ich schließe mich ihrer damaligen positiven Bewertung weitgehend an, ich mochte das. Abgefahren, wild, anders und unterhaltsam, nur leider nennenswert zu lang.

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Hier noch Ed Zitron zum Crowdstrike-Vorfall gestern mit interessantem Bezug zu anderen bekannten Geschichten, wie etwa Boeing. Ich halte seine Schlussfolgerungen in den letzten Absätzen für richtig. Dummerweise sind sie richtig, es ist keine gute Erkenntnis.

Alsterboote am Anleger Jungfernstieg unter wolkigem Himmel

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Großstadtfeierabend

Neuerdings, ich habe es noch gar nicht erwähnt, kreisen abends die Mauersegler im Himmel über dem Spielplatz. Wenn es etwas ruhiger wird, wenn die Stadt etwas nachlässt, wenn man die Schreie dieser Vögel deutlicher hören kann, lösen sie das etwas eintönige Rufen des Grünfinks ab. Sie übernehmen die Tonspur, bis es spät dunkel wird.

Tatsächlich Mauersegler. Von denen doch immer nur andere in meine Timelines und in den Blogs geschrieben haben, die ich stets vermisst habe. Vielleicht habe ich sie nie wahrgenommen, vielleicht gab es sie tatsächlich nie da, wo ich wohnte, ich weiß es nicht.

Jetzt erst sehe und höre ich sie also endlich jeden Abend. Allerdings auch nur am Abend. Zuverlässig fliegen sie in der Sommerprogrammreihe der Freilichtvorführungen nach dem täglichen Arbeitsprogramm der Stadt, hoch über der Wetterfahne auf dem Kirchturm. Zwei, drei Wochen vielleicht noch, dann sind sie schon wieder weg.

„Mauersegler schreien, zersicheln diese Luft“ – wenn ich ihre Rufe höre, habe ich gleich den Text von Degenhardt im Kopf, das Lied vom Vorstadtfeierabend. Das ist auch so ein Lied, bei dem man sich mit dezentem Gruseln fragen kann, wie es denn nun gealtert ist. Degenhardt schrieb einige Texte, die aus heutiger Sicht eher unerträglich sind, links doch etwas zu weit über den Rand hinaus, aber er lag auch oft richtig. Die Jahre und die Gegenwart bestätigen es in kaum zu übersehender Weise, siehe auch Hannes Wader et alii.

Sie hatten damals deutlich öfter Recht mit ihren Ahnungen und Ängsten, als wir es uns heute wünschen können.


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Gelesen: Ein taz-Longread über den Tourismus auf Mallorca und Ibiza, bzw. über die Probleme damit. Ein Thema, das mich weiterhin fasziniert, weil viele Aspekte in gewisser Weise und natürlich nicht in diesem Ausmaß auf unser kleines Bahnhofsviertel ebenfalls zutreffen. Unser sogenanntes buntes, lebendiges (lies: überfülltes) Szeneviertel, das vom Hamburg-Tourismus eine große, eine allzu große Portion abbekommt. Das Thema hat selbstverständlich auch Bezüge zu Helgoland, Sylt, Travemünde und überhaupt zur Küste. Ich kann im Geiste also immer etwas aus meinen Erfahrungen und aus meinem Alltag anlegen. Fast mein ganzes Leben habe ich dort verbracht, wo andere gerne hinreisen. Mit Ausnahme der paar Jahre auf dem Land, die doch eher im Nirgendwo.

Ich habe mir diesen Artikel über den Massentourismus unterwegs beim Einkaufen von Software vorlesen lassen, was ich, warum eigentlich, bisher noch nie gemacht habe.

Es ging aber gut, das also vielleicht öfter so machen.

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Gehört: Einen Beitrag im Deutschlandfunk: Klaus Mann im Spiegel einer ganzen Epoche. Über die neu erschienene Biografie von Thomas Medicus. 20 Minuten. Es ist, um es vorwegzunehmen, keine der Biographien mit sensationellen neuen Entdeckungen oder unerwarteten Wendungen. Es ist ein Aufarbeiten des Bekannten, was nicht als Kritik gemeint ist. Ein umfangreiches, gründliches Werk ist es sicher.

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Dann noch einen weiteren Film von Stéphane Brizé auf arte gesehen und wieder sehr gemocht: Man muss mich nicht lieben (Anne Consigny und Patrick Chesnais, beide ungemein überzeugend). Noch ein Liebesfilm, ebenso empfehlenswert wie neulich schon Mademoiselle Chambon, ganz ausgezeichnet. Ich bin hell begeistert von seinen Figuren. Im Wikipedia-Artikel zum Regisseur steht ein Zitat von ihm:

„Ich verwende meine Kamera in meinen Filmen eigentlich immer als Lupe, mit der ich bestimmte Momente und Gesten in voller Größe zeige und überhöhe. Bis die Kleinigkeiten, die man im Alltag nicht einmal bemerken würde, so zur Explosion gelangen. Darin liegen meine Höhepunkte, und darin liegt für mich auch die besondere Macht des Kinos.“

Damit kann ich etwas anfangen, das verstehe ich auch als Autor und man könnte auch noch einen Rückbezug zu Degenhardts Liedern am Rande mitdenken.

Ein abendlicher Sreg an der Alster

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Extrawürste und komplizierte Tage

Gesehen: Das Böse unter der Sonne von 1982, eine Agatha-Christie-Verfilmung, gerade bei 3sat verfügbar (bis 21. Juli). Der Film ist vor allem wegen der Besetzung interessant, Maggie Smith, Jane Birkin, Diana Rigg und Peter Ustinov. Vielleicht staunt man nebenbei auch über die Ähnlichkeit von Denis Quilley mit Kaiser Wilhelm II., ich zumindest fand die auffällig. Und interessante Kostüme gibt es zu sehen, da hat sich jemand fröhlich ausgetobt in der Garderobe und hatte sichtlich Spaß.

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Gehört: Eine Folge Radiowissen über Josef Guggenmos. Die Älteren erinnern sich vermutlich an seinen Namen, weil sie einmal die Jüngeren waren.

Ich wusste nicht, dass Guggenmos nach einem Schlaganfall große Schreibschwierigkeiten hatte und daher spät im Leben zur kürzesten Form fand, zum Haiku. Zu dieser Gedichtform gibt es auch eine Folge Radiowissen, neulich habe ich die gerade gehört. Wie es wieder alles zusammenpasst, ich bin sehr zufrieden damit.

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Und sonst, was macht der Blogger am Donnerstag? Er arbeitet Notizen ab, wie auch an jedem anderen Tag.

Ich habe beruflich neuerdings öfter Kontakt mit unserem Büro in Wien. In einem Gespräch mit den Kolleginnen dort fiel der Begriff „Extra-Würschtel“, das ist ein Begriff, den ich besonders schön finde, wie auch einige andere Austriazismen („Ich will Sie nicht weiter sekkieren“, der Begriff ist mir sonst nur bei Ludwig Hirsch begegnet), die ich jetzt erfreulich oft hören kann.

Und vermutlich kennen Sie das, Ohrwürmer gibt es auch sprachlich, nicht nur musikalisch. Ich denke also seit dieser Erwähnung dauernd Extra-Würschtel, das Wort kreist im Kopf. Es passt erstaunlich oft in den beruflichen oder privaten Alltag.

Wenn man erst einmal darauf achtet, ist es schon faszinierend, wie viele Extra-Würschtel einem über den Tag verteilt unterkommen, wer alles wo welche will, bis hin zu den Sonderwünschen der Familie beim Abendessen. Ich werde diesen Ausdruck also gar nicht mehr los.

Und da ich nach Möglichkeit weiterhin alles nachschlage, war ich doch erheblich überrascht über die Begriffsgeschichte der Extrawurst. Guck an, die heißen also tatsächlich so. Wer ahnt denn so etwas!

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Ansonsten ziehen sich die letzten Tage vor dem Urlaub in unangenehmster Weise. Und als ob das nicht schlimm genug wäre, reichern sie sich nebenbei auch noch mit unerwarteten Komplikationen an, ich nehme es ihnen doch etwas übel. Aber wie Tage so sind, es ist ihnen vollkommen egal, wie man sie findet und bewertet, sie ziehen ungerührt ihr Ding durch.

Aber ich auch, Freund Donnerstag, ich auch.

Ein U-Bahnsteig im Hauptbahnhof, Blick in die Röhre des Tunnels

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Verlässliches Aushalten

Die Herzdame ist, ohne dass es schon etwas mit Urlaub zu tun hätte, auf Reisen durch mehrere Städte in Deutschland. Ein buntes Programm verschiedener Verpflichtungen mit etwas Unterhaltungsprogramm dabei wird es für sie geben. Es ist eine Art Tournee mit Auftritten hier und da, in Konferenzräumen, auf Familienfesten etc., sie wird ganze sechs Tage unterwegs sein. Ob sie dabei aber auch an den richtigen Tagen in den richtigen Städten sein wird, das weiß man nicht, denn sie reist mit der Bahn.

Nach wie vor: Wie ungern ich das schreibe. Aber es ist nun einmal so, dass sie einen Zug bucht, einen Augenblick wartet und dann schon die Nachricht bekommt, dass der ausfällt, anders fährt oder sonst etwas eintritt, das nicht planmäßig ist. Wie in einer Satire auf die Gegenwart des ÖPNV, so hört es sich an. Der Zug für eine Urlaubsreise demnächst, das ist jetzt bereits gemeldet worden, weit im Voraus, wird ebenfalls nicht so fahren wie gedacht. Auch diese Reise wird also eher spannend werden. Als ob ich beim Reisen auf Spannung stehen würde. Bin ich Indiana Jones oder was.

Antje Schrupp, Sie kenne sie vielleicht, schrieb neulich irgendwo, dass ihr Geschäftsmodell der Vortragenden, der Sprecherin hier und da, also dauernd unterwegs, nicht mehr funktioniert und/oder erheblich teurer werden muss. Weil sie überall eine Nacht mehr einplanen muss, eine Sicherheitsnacht wegen der Bahn. Slow Travelling, aber als schlechter Scherz.

Wenn wir uns richtig erinnern, die Herzdame und ich, waren wir jedenfalls noch nie so lange getrennt, stellten wir etwas überrascht fest. Obwohl es doch nur sechs Tage sind, was so lang nun auch wieder nicht klingt. Ein erlebbarer Zeitraum, man wird sich hinterher noch zuverlässig wiedererkennen können.

Eventuell sind wir recht eng zusammen und scheinen uns, das kann man nach deutlich mehr als zwanzig Jahren wohl allmählich interpretieren, verlässlich auszuhalten. Das ist nicht selbstverständlich und daher eine erfreuliche Erkenntnis, die man stets besonders sorgsam sammeln, vermerken und betonen sollte.

Aber auch gleich wieder ein Hannes-Wader-Ohrwurm, schon bei der Erwähnung, dass sie reist:

Morgen gehst du für lange Zeit fort

Für ein Jahr und du gibst mir dein Wort

Dass du mich nicht für immer verlässt

Leg dich lieber nicht fest.“

Wenn man viele Texte auswendig kann, kann man im Alltag dauernd Musik anlegen. Manchmal ist es schön und passend zur Situation, manchmal ist es nicht ganz so.

Hier der Song in einer Version von Alin Coen, erschienen auf einem insgesamt hörenswerten Album:


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Gehört: Ein WDR-Zeitzeichen zu Erich Mühsam und ein Kalenderblatt über die Schriftstellerin Ann Radcliffe, die mir nicht geläufig war. Wieder was gelernt.

Außerdem hörte ich eine Folge „Hintergrund“ beim Deutschlandfunk über die Erntearbeitskräfte aus Osteuropa: Beendet der Mindestlohn die Ausbeutung?

Wie immer gilt, dass Fragen in den Überschriften der Medien in aller Regel verneint werden können und also eher sinnlos sind. Und dass irgendwas jemals die Ausbeutung beenden könnte – man hat doch nach den letzten zwei-, dreitausend Jahren Geschichte der Menschheit ohnehin einige Zweifel, hat man nicht?

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Gesehen: Diese Doku über Catherine Deneuve auf arte. Sicher nur für den Freundeskreis französischer Film interessant. Für den aber sehr, es gibt wiederum attraktive Schnipsel ihrer zahlreichen Rollen.

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