Man möchte einen Besen holen

Im Garten, auf der Terrasse vor der Laube, am Sonntag, der auch noch üppig warm ist. Die Blütenblätter der Magnolie fallen schon, es ist immer eine kurze Freude an der Purpurpracht, wenige Tage nur. Und die schweren Blüten fallen mit einem ausgesprochen uneleganten Geräusch auf den Boden, mit einem etwas ordinär anmutenden *platsch*, das nicht recht zu dem so kunstreichen Blühen passen will. Es deutet sich in diesem Geräusch schon an, wie es bald weitergehen wird, denn das mit dem Verfall, das kann die Magnolie nicht so gut, bei aller Liebe nicht, das ist nun einmal nicht ihr Metier. Was unter ihr herumliegt, dieses abgetragene, fortgeworfene Zeug, das sieht schon nach kurzer Zeit eher nach Schmuddel und Restmüll aus, nicht nach den dekorativ sanft vergehenden Resten eines großen, berauschenden Frühlingszaubers.

Man möchte einen Besen und einen Plastiksack holen, nicht die Kamera.

Auf der anderen Seite der Laube öffnet währenddessen der Flieder in der Nachmittagssonne die Blüten. Alle paar Minuten sehe ich eine Blüte mehr an dem Strauch, es ist fast so, als müsste ich auch zusehen können, wie sie aufgehen, aber es geschieht dann aber doch zu zeitlupig für mich. Wenn man nah genug an diesem Flieder vorbeigeht, dann ist schon etwas vom Duft zu ahnen, ein dünner Strich von Maiparfüm nur, es ist eine schwache, süße Ahnung in der Luft.

Und nachdem ich neulich stundenlang auf den Gimpel gewartet habe, sieht die Herzdame ihn heute prompt im Vorbeiflug, aber ihr „Guck mal! Guck mal!“ kommt zu spät für mich. Ich sehe ihn wieder nicht, nicht einmal den Schatten eines Flügels sehe ich. Ich fühle mich allmählich etwas vergimpelt von diesem Vogel, aber ich werde ihn im Laufe des Sommers schon noch erwischen. Warte, warte nur ein Weilchen.

Ich mache Kaffee, den ersten Gartenkaffee in diesem Jahr. Wir haben das Wasser wieder angestellt, wir kümmern uns um die Saisonanfangsmaßnahmen.

Ich lese später im Gartenstuhl den Anfang von „Nahe dem wilden Herzen“, von der brasilianischen Autorin Clarice Lispector, und es ist ein sehr guter Anfang (Deutsch von Ray-Güde Mertin). So ein Anfang ist das, bei dem man sich betont bequem hinsetzen und unbedingt stundenlang Zeit haben möchte, wenn nicht sogar einen weiteren Tag frei– hier ein Artikel im Standard über die Autorin. Ein sehr guter, aber kein leichter Text, merkt man dann nach wenigen Seiten, der erfordert deutlich Konzentration, vielleicht sogar mehr, als man im Gartenstuhl in der Nachmittagssonne aufbringen kann.

Ich werde es noch herausfinden.

Das Buch "Nahe dem wilden Herzen" liegt im Gras neben Magnolienblütenblättern, die noch gut aussehen und farblich zur Schrift auf dem Einband passen

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Montagslinks

Neulich lief eine Meldung durch die Presse, oft arg verkürzt, da ging es darum, dass junge Männer immer konservativer und junge Frauen immer progressiver werden. Für Menschen mit Interesse an Soziologie und gesellschaftlicher Entwicklung hat der Deutschlandfunk in der Reihe Systemfragen (Paulus Müller) 20 Minuten zu dem Thema, in denen das etwas genauer auseinandergenommen wird. Fand ich lohnend.

Und, apropos Frauen und Männer, bei Radiowissen gibt es eine Folge aus dem Jahr 22 über die Wirkung der Droge Macht (mit Thomas Middelhoff als reuigem Sünder), in der am Rande auch auf die unterschiedlichen Wirkungen von Macht auf die Geschlechter eingegangen wird. 23 Minuten.

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Im Guardian sah ich die Meldung zum gewaltigen Temperatursprung in der Antarktis. Entschieden unheimlich.

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Die Kaltmamsell verschenkt gerade einen Artikel der Krautreporter zur Entwicklungspolitik, die man nicht so nennen sollte, wie sie schreibt. Diese Verschenkoption auf der Seite ist wirklich eine großartige Sache. Ich habe deutliche Schwierigkeiten mit Seiten, die ich abonniere und auch gut finde, etwa den Economist, deren Paywalltexte ich dann aber nicht mit Ihnen teilen kann.

In den Jahren des Bloggens ist mir das Teilen so selbstverständlich geworden, es geht mir mittlerweile erheblich gegen den Strich, wenn das nicht geht. Was nicht heißen soll, dass ich für das dahinterstehende wirtschaftliche Problem der Redaktionen und Verlage eine Lösung wüsste. Nicht einmal ansatzweise weiß ich das, und nicht einmal für mich selbst.

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Der WDR erinnert mit einem Zeitzeichen an Karl-Heinz Deschner, dessen „Kriminalgeschichte des Christentums“ ich als junger Mensch verschlungen habe; es war vermutlich das erste längere wissenschaftliche Werk, durch das ich mich gearbeitet habe, ich fand es spannend.

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Teresa Bücker teilte auf Bluesky den für mich schrägsten Text am Sonntag: „The most mysterious cells in our bodies don’t belong to us.“ Man trägt also seine Familie immer mit sich herum, in einem sehr wörtlichen Sinne. Als ob wir es nicht alle längst geahnt hätten.

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Dieser eine Tag

Der Sonnabend. Dieser eine Tag mit der so ungewöhnlichen Wärme, über die man sich einerseits von Herzen freuen möchte, weil der März hier dermaßen nass, windig und 12-gradig wie eine überaus unerwünschte Februarverlängerung war, über den man sich andererseits auch nicht zu viel freuen darf, weil Klimakrise, dies, das. Was macht man da emotional und auch sonst.

Entscheidet man sich für die positive Gefühlslage, dann lastet besonders viel Druck auf diesem Tag, dann muss da verdammt viel Genuss in die wenigen Stunden, Sommergefühle wie damals, oder weit, weit fortgeschrittene Frühlingsgefühle zumindest, Gartenspaß oder Spaziergangslust, das finde ich schon wieder etwas herausfordernd und neige spontan eher zum Trotz, ob all dieser unvermuteten Anforderungen. Der Freundeskreis Reaktanz zieht sich wie immer zunächst schmollend zurück.

Ich mach doch nicht was, nur weil Wetter!

Da könnte ja jedes Wetter kommen.

Dann erst einmal Brötchenholen bei 14 Grad am frühen Morgen, da geht es schon los. Die Hausmeistergehilfen der Häuser um die Ecke grüßen deutlich freundlicher als sonst, während sie rumpelnde Container an mir vorbeirollen. Die nicken sonst kaum, heute aber dieses Winken und Lachen. So ist das Leben im sonnigen Süden, stelle ich mir vor, guten Morgen Sonnenschein, gleich Nana Mouskouri im Ohr. Lebt sie eigentlich noch? Immer alles nachsehen. 90 Jahre wird sie im Oktober.

Ich bestelle meine Brötchen und der Verkäufer sagt: „Besonders gerne!“ Warum sagt er das, warum strahlt er so. Liegt auch das am Sonnenschein, der blendend durch die Schaufensterscheibe fällt, was geschieht mit dieser Stadt.

Frühstück bei offener Balkontür. Insekten kommen irritiert einen Meter in die Wohnung, wieso ist hier ein Loch in der Fassade, das war da gestern noch nicht. Kann man da am Ende gut brüten oder fressen oder so etwas. Das mal abchecken.

Wir fahren gegen Mittag in den Garten. Dort hören wir in der Ferne, drei, vier Wege weiter, das sommerhelle Läuten des Eiswagens, da sehen wir wie in jedem Sommer die lachend und jauchzend vorbeirennenden Kinder im Grundschulalter, das abgezählte Kleingeld in den Fäusten. Nach ein paar Minuten kommen sie allerdings deutlich langsamer zurück, ohne Eis, aber laut schimpfend, Spatzenbande nichts dagegen. Und was sie da von sich geben, das hört man bei ihnen zwar in hellerer Tonlage als bei den Erwachsenen, kann es ansonsten aber kaum von den allfälligen Klagen der Älteren unterscheiden – wie teuer ist bitte das Eis geworden, ja spinnen die denn, das kann doch nicht sein, das ist doch Wahnsinn, so viel!

Und sie gehen schmollend mehr Geld holen, bei ihren Eltern, die ihre Klagen dann gewiss fast wortgleich wiederholen werden. Währenddessen klingelt der Eiswagen lockend immer weiter, kommt zurück, liebe Kinder, kommt zurück.

Während es noch klingelt, Junijuligebimmel, fliegen mir Hummeln, Bienen und Schmetterlinge durchs Bild, ein riesiges Pfauenauge wie auf einem Kunstdruck, so beeindruckend, stimmen Meisen, Amseln, Zilpzalp und Heckenbraunelle in die Sommergeräuschkulisse ein, sehe ich, dass in den Beeten Vergissmeinnicht und Silberblatt blühen, dass die Maiglöckchen schießen, die jetzt Aprilglöckchen werden.

Die Vogelbestimmungsapp sagt, dass sie einen Gimpel hört, ganz sicher ist sie. Ich habe im Garten noch nie einen Gimpel gesehen, ich habe überhaupt schon sehr lange keinen Gimpel mehr gesehen, sicher jahrelang nicht, zuletzt vermutlich als Schimpfwort in irgendwelchen älteren Texten.

Ich setze mich in einen Gartenstuhl und sehe in den frisch ergrünten Weißdornbaum über mir und auch in die Büsche unter ihm, Holunder und Blutjohannisbeere, ich warte auf den Gimpel. Lange warte ich, für meine Verhältnisse sogar geduldig, vielleicht schlafe ich auch ein wenig ein dabei, das kann sein. Vogelbeobachtung muss man ernst nehmen und also angemessen anstrengend finden, das ist richtig so. Es erscheint zwar kein Gimpel, aber ich war, so fand ich dann hinterher, an einem solchen Tag doch vollkommen angemessen beschäftigt.

Man muss es sich alles zurechtdrehen, bis es passt.

Die Herzdame aber steht später vor dem Erdbeerbeet und überlegt laut, ob das nicht woanders besser wäre, ob es nicht etwas mehr in die Sonne müsse, und ob dann, wenn das also dorthin, ein anderes nicht vielleicht … und ich kenne sie lange genug, um zu erkennen, wenn ihr eine Projektidee wächst, und ich erahne auch den Punkt, an dem ihr Gemurmel in Taten übergeht.

Ich fliehe rechtzeitig.

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Den Verfall nicht geleugnet

Ich habe seit Tagen einen Lyrik-Ohrwurm. Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf dieses Gedicht, nämlich „Nicht gesagt“ von der Kaschnitz (das kann man etwa hier lesen). Ich bin dermaßen angetan von dem Ende, wie unfassbar gelungen ist das gemacht, den Titel als Ellipse wieder aufzugreifen …. Großartig. Ich würde als Deutschlehrer vermutlich vollkommen unangemessen vor der Klasse in Ekstase geraten, beim gemeinsamen Lesen und Studieren.

Aber auch sonst. Den Verfall nicht geleugnet und nicht die Verzweiflung, es kommt mir nachvollziehbar vor und klingt dabei noch gut, ein sehr zugängliches Gedicht. Wenn man viele Jahre viel geschrieben hat, dann bleibt einem schließlich so etwas wie diese Verse. Ich sympathisiere heftig.

Es gibt eine Lesung mit der Kaschnitz bei Youtube, aus dem Jahr 1966, sehe ich gerade und bin nach dem Ansehen erneut beeindruckt. Sehen Sie mal rein – wie ernst das war, wie besonnen, durchdacht und bemüht. Aus dieser Zeit komme ich, das war mein Geburtsjahr und es ist für mich immer wieder fantastisch, aberwitzig und unvorstellbar, wie weit wir uns von der Möglichkeit und auch Stimmung solcher Sendungen fortentwickelt haben, in welch anderer Zeit wir gelandet sind.

Es ist einerseits vollkommen klar und erwartbar, wie sehr sich die Welt in nur einem Leben ändert, jedes Geschichtsbuch belehrt einen da umfangreich, es bleibt andererseits kaum zu verarbeiten.

Interessanter Kanal übrigens, da mal noch mehr ansehen.

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Ich lese abends immer noch in „Schau heimwärts, Engel“, Thomas Wolfe. Auch hier anschließender Spaß mit KI: Ich befrage eine Software nach dem Inhalt des Buches, nur um recherchehalber zu sehen, was da „gewusst“ wird. Das Ergebnis ist sogar plausibel, eine brauchbare Inhaltsangabe, und darunter werden mir dienstbeflissen weitere Fragen vorgeschlagen. Eine der empfohlenen Fragen dort lautet: „Welche Rolle spielt Johannes im zweiten Teil des Buches?“ Ich klicke die Frage an. Die Antwort lautet: „In dem Buch kommt kein Johannes vor.“

Ja, so wird man schlauer.

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Berit Glanz wies auf Mastodon auf dieses sehenswerte Tanzvideo hin:

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Zu ungewisser Zeit in San Marino

In der SZ an unvermuteter Stelle ein Klimakrisenhinweis auf den überaus milden Winter, die Spargelzeit ist ganze vier Wochen nach vorne gerückt. Was Kleingärtnerinnen prompt bestätigen können, denn fast alle Monatsangaben etwa auf Saatgut oder auch bei Schnittanweisungen etc. kann man getrost um einen Monat vorziehen. Es kommt schon hin, und auch die früher so zuverlässigen Eisheiligen rücken allmählich ins Märchenland vor. Der April ist nun der Mai, der Mai ist der Juni, so wie in dieser Woche auch der Mittwoch der Donnerstag ist und sogar die Uhrzeit bekanntlich eine andere – wie ist es alles wieder kompliziert.

Bis zum Jahr 2050 soll Hamburg klimatisch schon ungefähr San Marino entsprechen, Berlin etwa Canberra, las ich irgendwo, da haben wir also auch die geografische Verschiebung. Was bleibt eigentlich noch bestehen, in dieser von uns so gründlich verbogenen Welt, was ist noch verlässlich?

Raum und Zeit schon einmal nicht. Aber der Alltag, der ändert sich verdächtig wenig oder gar nicht. Man steht eben morgens auf und arbeitet. Mad Max in der Buddenbohm-Version.

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Gestaunt: In Hamburg gibt es immerhin 37 Heuschreckenarten, darunter so interessant klingende wie Warzenbeißer und Weinhähnchen. Und auch das ist wieder eine Meldung mit dezentem Klimabezug, versteht sich.

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Wie Sprachassistenten das Denken beeinflussen (Audio vom Deutschlandfunk, 4 Min, kann man aber auch lesen)

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Morgendliche Frage von mir an eine KI, welches Gemüse gut zu Singapur-Curry passt, weil ich gerade ein Brett vor dem Kopf habe und mir einfach kein Gemüse einfallen will. Die kompetente Antwort lautet: “Fischkopf vom Roten Schnapper.“

Ja, okay. Vielen Dank auch.

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Beobachtungen aus Taiwan. Die fand ich interessant, zum einen, weil man schon bei Punkt 2 merkt, dass sich gar nicht alle Gesellschaften gleichmäßig schlecht entwickeln und unser betont ruppiger, rücksichtsloser und überaus egoistisch motivierter Umgang miteinander also gar kein globales Ding ist, zum anderen, weil man hier und da bei den Punkten denkt: Ach guck, das ist doch mal gut gemacht – und einem dann wieder auffällt, wie wenig anfällig der Mensch für best practice ist. Ein Umstand, den ich immer wieder höchst verwunderlich finde, in allen möglichen Umfeldern.

So ein lernfähiges Wesen, so viel Ignoranz und Abwehr. Wie isses nun bloß möglich.

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Jazz, Rumba, Reggae

Am Dienstagmorgen in mich hineingefühlt, wie ein Mensch, der dabei etwas merken würde, dann trotz eher unklarer Beweislage beschlossen, halbwegs gesund und also leistungsfähig zu sein. Gearbeitet und zumindest einen Sohn wieder zur Schule gejagt, das reguläre Alltagswiederaufnahmeverfahren nach Ferien und familiär geteilter Krankheit. Die Herzdame wirft ihr Firmennotebook ebenfalls an. Die Begeisterung hält sich allerdings überall in Grenzen, und das Wetter illustriert die Szenerie passend mit Dauerregen und Temperaturrückgang. Ein etwas verhangener Tag, in jeder Hinsicht, und nach der Arbeit habe ich das unangenehme Gefühl, vom Tag dezent überfordert zu sein. Dabei war gar nichts Besonderes. Ein Montag war es eben, wenn auch an einem Dienstag.

Der Mittwoch war dann nicht besser. Die Woche und der Autor wirken insgesamt etwas gebraucht und unterdurchschnittlich performend. Aber man muss es sich alles stets passend ausstatten und an solchen Tagen etwa wieder den schwarzen Rollkragen tragen und skandinavischen Jazz bei der Arbeit hören, obwohl der Winter doch vorbei ist, aber dann geht es.

Für den Sonnabend sind hier bis zu 24 Grad angekündigt, dann kann man wieder zu Rumba und Reggae übergehen und auch das Hawaiihemd – ach nein. Ich besitze so etwas gar nicht.

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Gelesen: Diesen langen Text über einen unglücklichen Milliardär, es greift einem ans Herz. Nein, tut es nicht. Und pardon, ich weiß schon wieder nicht mehr, wer den Text wo empfohlen hat.

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Bei Vanessa schreibt jetzt auch der Reiseleiter mit und reist mit dem Zug in den Urlaub, nicht per Flug. Eine gute Sache, sowohl das Verkehrsmittel als auch schreibende Angehörige. Die Herzdame sagte zufällig gerade an diesem Morgen: „Wenn ich einmal wieder Zeit zum Schreiben habe …“, aber es klang durchaus nicht wie etwas, das demnächst eintreten könnte. Wenn die Kinder aus dem Haus sind vielleicht, denn wie ich immer sage: Der Mensch braucht Ziele, es können auch entlegene sein.

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Menschen auf Balkonen

So eine Großstadt wie diese hier ist über und über mit Balkonen an den Häusern versehen, und erstaunlich viele davon, die Mehrzahl vermutlich, werden nie oder fast nie benutzt. Werden nie betreten, werden oft auch gar nicht erst nicht dekoriert, nicht möbliert, nicht beschattet, nicht bepflanzt. Sind nur da, hängen da funktionslos an den Fassaden herum, es ist im Grunde eine wahnsinnige Verschwendung. Wurden teils für Unsummen an Altbauten nachgerüstet, zur Wertsteigerung der Wohnungen, zur vermeintlichen Freude der Mieterinnen, sind jetzt eben da.

Ich habe, wenn ich in der Küche ans Fenster trete, eine ganze Reihe solcher Balkone im Blickfeld, und nur teils gehen sie traurig nach Norden. Teils wohnen hinter den Balkonen eben Menschen, die auf den Balkon nicht kommen, weil sie Schichtdienst haben oder weil sie besonders dringend drinnen zu tun haben oder weil sie kategorisch lichtscheue Vampire sind, weil sie besonders schlimme Höhenangst haben, was weiß ich. All die Erklärungen, die man nicht kennt.

Dann auch noch die Balkone, vielleicht landestypisch, auf denen nichts ist, kein Stuhl, kein Tisch, kein Sonnenschirm, kein Blumentopf – aber doch ein riesiger, vermutlich teuer Grill. Von denen gibt es auch nicht wenige.

Neulich aber, als hier zum ersten Mal die Zwanzig-Grad-Marke fast erreicht wurde, als der Jahreszeitenschalter also in aller Gründlichkeit umgelegt wurde und auch die Pullover auf einmal deutlich fühlbar zu warm wurden, als draußen die T-Shirts zahlreich wurden und auch schon einige kurze Hosen ins Bild kamen, da konnte man, es war ein wenig wie in einem Naturfilm, ein seltsames Schauspiel beobachten. Da betraten nämlich viele von diesen Menschen, die ihre Balkone sonst nicht benutzen, sie doch einmal. Ich ging in den Garten, ich sah das Vorkommnis gleich mehrfach auf meinem Weg durch die Stadtteile.

Sie stehen dann an solchen Tagen da, diese Menschen, und fühlen so herum, man sieht es ihnen geradezu an. Sie fühlen die Jahreszeit, die Wärme, die Veränderung. Sie wittern. Gucken in den Himmel. Legen auch einmal die Hände auf das Geländer, fassen Holz, Metall oder Stein an, als wollten sie dessen Festigkeit prüfen. Befühlen das Material wie kundige Handwerkerinnen. Beugen sich etwas vor, sehen hinunter und herum, die Fassaden entlang, auf andere Balkone, teils möbliert. Denken sich vielleicht: „Eigentlich auch nett, so ein Balkon.“

Gehen aber nach einer Weile wieder rein, weil man sich ja auch nicht setzen kann, auf dem Balkon, denn da ist ja nichts. Und kommen dann bis zum nächsten April nicht mehr raus. Also abgesehen von denen, die alle paar Wochen etwas grillen müssen.

Faszinierend.

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KI, Kafka

Ich denke über einen Gegensatz nach, der mich immer mehr beschäftigt und im Moment etwas ratlos zurücklässt.

Zum einen breitet sich KI mit all den verbundenen Anwendungen in rasender Geschwindigkeit aus und es wird so dermaßen vielfach über sinnvolle Einsatzvarianten berichtet, noch mehr über die bald möglich werdenden Einsatzvarianten. Es gibt auch mehr und mehr tatsächlich schon laufende Anwendungen in diversen Prozessen. Das gilt auch für die Branche meines Brotberufs und verwandte Jobfelder, und ich habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass da viel dran sein wird, es wird die Jobs verändern, sogar in absehbarer Zeit.

Wenn man bei Google nach künstlicher Intelligenz sucht, die Suche auf News beschränkt und dann nach Datum sortieren lässt, wenn man also sieht und eine Weile beobachtet, mit welcher Frequenz da berichtet, angenommen, vorhergesagt und ausgedeutet wird, wird man den Eindruck einer dezenten Überhitzung, eines gerade etwas wahnhaften werdenden Hypes und überhöhter Geschwindigkeit nicht mehr los.

Zu anderen teste ich selbst im privaten und freiberuflichen Teil des Lebens immer wieder diverse Möglichkeiten mit mehreren Anbietern, und die Ergebnisse sind fast durch die Bank fehlerhafter Schrott, zweifelhaftes Zeug oder unterbelichteter Schwachfug. Bestenfalls sind es mangelhafte Versatzstücke oder nur mit weiterer Mühe verwendbare Teillösungen. Oder sagen wir etwas milder: Es ist mir alles nicht gut genug.

Was sagt mir das nun?

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Ansonsten die Kafka-Serie gesehen, über die gerade alle reden. Dann erst diverse Kritiken nachgelesen und diese teils etwas bemüht mäkelig gefunden, aber egal. Mir hat die Reihe gefallen, ich war sehr einverstanden. Und hatte danach einige ausgezeichnete Kafka-Träume, was will man mehr. Hinterher habe ich noch das (ältere) Interview mit dem sympathischen Reiner Stach, dem Kafka-Biographen, gesehen, in dem noch einmal an den wunderbaren Satz „Ich will keinen Trost, ich will Akten“ aus dem Schloss erinnert wird. Ebenfalls empfehlenswert, dieses Interview.

Die Kafka-Bücher von Reiner Stach vorgemerkt.

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Im Bild die Purpurmagnolie im Garten, die späte Blüte. Also spät im Landesvergleich.

Eine einzelne Blüte einer Purpurmagnolie

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Nass in nass

Die Herzdame fragte am Sonntagmorgen um acht Uhr nach dem Aufwachen, ob es denn nun acht Uhr oder acht Uhr sei, wobei sie sich bemühte, die beiden Achten etwas verschieden zu betonen, als sei eine irgendwie anders als die andere, und ich sagte bestimmt, es sei tatsächlich genau acht Uhr. Damit hatten wir dann das Thema Uhrumstellung wieder einmal final abgehandelt.

Der zwanzigste Bloggeburtstag ist heute, es fiel mir gerade noch ein. Kein Aprilscherz, nein. Blog und Befüller sind allmählich doch etwas herangereift, könnte man meinen. Also zumindest der Zahl nach.

Und hier noch eben ein Bild aus der letzten Woche.

Es regnet, und wie es regnet. Unten auf dem pfützengesprenkelten Spielplatz eine filmhafte Szene, da steht ein kleines Kind mit einer roten Regenjacke im dunkelgrauen Wetter. Ich kann nicht erkennen, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Es ist einfach ein Kind, und es ist das einzige auf dem Platz, bei dem Wetter geht kaum jemand raus. Von dem Kind ist auch nicht viel zu sehen, denn es hält einen Schirm über sich, der ist zu groß für einen kleinen Menschen, und er ist schwarz und glänzt nass im ergiebigen Regen, der so leicht nicht aufhören wird, auch in den nächsten Stunden nicht. Ein Erwachsenenschirm ist das, kein lustiges buntes Schlechtwetterzubehör für Kinder. Vom Vater geliehen wahrscheinlich, von der Mutter, die aber beide gerade nicht zu sehen sind. Sie werden sich irgendwo unterstellen und auf ihr Kind warten, sie sind nicht in meinem Blickfeld.

Das Kind steht vor einem besonders großen Findling, der in der Mitte des Platzes liegt und bei besserem Wetter von Kindergrüppchen erklettert und dann von oben verteidigt wird. Es steht vor dessen glatter und steiler Nordwand, an der allerdings auch bei Sonnenschein niemand hochkommt. Auch der Stein glänzt im Regen. Ein riesenhafter, steinerner Krötenleib ist er bei diesem Wetter, dunkelerdfarben.

Unter dem überdimensionierten Schirm des Kindes kommt immer wieder ein Arm hervor, plastikrot beärmelt, eine kleine Hand auch. Die hält Kreide, die malt auf dem Stein.

Nun kann man bei Regen auf einem nassen Stein mit angefeuchteter Kreide nicht gut malen, wie wir alle wissen. Aber das ist vielleicht eine allzu erwachsene Sichtweise, der sich keineswegs alle anschließen müssen. Dieses Kind etwa muss es nicht, das denkt offensichtlich anders.

Es streckt immer wieder den Arm und die Hand aus, es malt unverdrossen auf dem Stein. Geht einen Schritt zurück und guckt, geht wieder näher ran und guckt genauer. Es malt mit großer Geste. Tritt schon wieder zurück und guckt. Ich kann nicht erkennen, was es da vor sich hat. Was mag da schon zu sehen sein, welche Spuren auf dem Stein kann es geben. Ein schnell verlaufender, wohl kaum zu erahnender Kreidestrich. Farbige Tropfen vielleicht nur, schnell aufweichende Kreidekrümel auf feuchtem Krötengrund. Schlierige Buntspuren.

Aber noch einmal kommt der kleine rote Jackenarm unter dem dunklen Schirm hervor und malt an die aus Kinderperspektive hoch aufragende Steinwand gegen die Farblosigkeit dieses Regentages an, nass in nass. Fast nichts ist vom Kind zu sehen, nur Arm und Hand und wie der Schirm sich ab und zu bewegt.

Ein paar hundert Meter weiter von uns die Hamburger Kunsthalle mit all den Meisterwerken. Aber das hier, direkt vor mir – vielleicht die Essenz.

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Hase und Maus

Gehört: Syphilis – Die Macht einer Infektionskrankheit. Weit neben meinen gewöhnlichen Themen, aber gerade deswegen interessant, denn ich höre ja absichtlich in fremde Wissensregionen hinein. In New York, las ich neulich irgendwo, steigen die Syphilis-Fallzahlen wieder, dort ist die Krankheit gerade ein Trend. Eine unheimliche Vorstellung.

Eine andere Folge von Radiowissen kann man vielleicht für den nächsten Ausflug ans Meer oder für ein Romanprojekt (Gott bewahre) vormerken, nämlich die über Leuchttürme und Feuerschiffe. Beim Kochen gehört, es gab Fisch, wie außerordentlich passend.

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Ich verbinde mit Ostern kein Traditionsessen, abgesehen von Süßigkeiten und hartgekochten Eiern. Auch nach längerem Nachdenken will mir nichts einfallen, was in meiner Familie oder in der der Herzdame für ein Pflichtprogramm oder einen zuverlässigen Erinnerungsanker stehen würde, nicht einmal Spargel, den es auch nur manchmal gab. Es ist ein wenig erstaunlich, ist es nicht? So ein großes, mehrtägiges Fest, so wenig Bodensatz der Erinnerung.

Eier und Speck fallen mir immerhin ein, aber Speck meine ich dabei nur als Hilfsmittel für glänzende Eier, man rieb die bunten Schalen früher mit den Schwarten ein. Oder macht man das heute noch? Speck war früher, besonders wenn meine Großmutter in unserer Küche war, ohnehin erstaunlich präsent in der Küche, viel präsenter als heute.

Speck und Butter, dass man das dauernd haben konnte, ihre Freude darüber. Meine Großmutter beim Speckschneiden am Küchentisch, mir dabei immer wieder Stückchen, Würfelchen zuschiebend, die ich auch gerne gegessen habe: „Nimm mal noch!“ Wie wenig Reste da für die Hunde blieben. Wie knapp das bemessen war, was so am Ende als nicht verwertbar entsorgt wurde, Knorpel und harte Schwarte.

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Im Garten blüht der Beinwell. Der ist noch gar nicht dran, noch lange nicht, es geht alles durcheinander. Und die Purpurmagnolie hat sich nun endlich auch zur Blüte entschließen können, spät aber doch. Der Rhabarber hat lange, rote Triebe, wie es sich gehört, die Radieschen kommen schon, die Möhren dann sicher demnächst, mit dem fedrigen Grün, dann auch Salat.

Den Sortennamen „Amerikanischer Brauner“ liest man allerdings auch nicht mehr ohne Unschuld, in diesen Zeiten.

Zuckererbsen stecken, eine gute Tätigkeit in der Rekonvaleszenz, man muss sich nicht viel bewegen dabei, nur einen Finger in den Boden bohren.

Auf dem Kompost sitzt eine Maus von außerordentlicher, geradezu bilderbuchhafter Niedlichkeit, dermaßen zierlich und uns eher unwillig als panisch betrachtend. Ach, die wieder, wird sie denken. Auch Mäuse machen was mit.

Und, wo wir schon bei Säugetieren sind, Im Bild heute festtagsoptimiert ein Hase, nicht ganz in seiner natürlichen Färbung.

Ein grüner Dekohase vor Büchern in einem Regal

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