Dies und jenes anprangern

Freitag, der 25. August. Die Kaltmamsell und auch andere hatten es bereits verlinkt, aber ich wiederhole es, weil es wirklich interessant ist, das Interview mit Elisabeth Bronfen. Halten wir in der Gesellschaft Ambivalenzen schlechter aus, weil wir weniger Zeit haben oder weniger Zeit auch nur zum Denken aufzuwenden bereit sind? Das sind schon Gedanken, die man weiterführen kann, nicht wahr.

Mit meiner Annahme, dass die unblogbaren Probleme mit dem nahenden September wieder die Lage dominieren würden, lag ich dummerweise richtig, obwohl wir nach Kräften alles tun, es nicht zu einer self-fulfilling prophecy werden zu lassen, wir sind da nämlich so weit aufgeklärt. Herrje. Ein schlechter, ein sehr schlechter Tag. Alles mühsam veratmen.

Der versprochene Regen kommt ansonsten nicht, die gründliche Abkühlung kommt auch nicht, nicht einmal die Wolken kommen. Ich stehe am frühen Morgen auf dem Balkon und hadere mit allem, ich prangere dies und jenes an, aber wenigstens mache ich das leise. Es gibt genug andere Verrückte, die hier den ganzen Tag laut brabbelnd und mit dem Schicksal verbal ringend durch den Stadtteil laufen, viel zu viele gibt es davon, zu denen möchte ich freiwillig nicht gehören.

Kathrin Passig über Blogs:

Wir lesen Blogs nicht mehr so wissentlich wie vor 15 Jahren, „ich rufe diese Seite in meinem Browser auf“ oder „ich abonniere diesen Blog“. („Abonnieren“ bestand darin, dass man den Blog in den eigenen Feedreader aufnahm, aber Feedreader sind so erklärungsbedürftig geworden wie Wählscheibentelefone.) Ein Großteil von dem, was wir in unsere Social-Media-Timelines gespült bekommen, sind technisch gesehen in Blogs erschienene Beiträge. Aber wenn wir anderen davon erzählen, sagen wir nicht „stand im Nachtleuchtende-Grottenolme-Blog“, sondern wahrscheinlich nur „hab ich irgendwo gelesen, find ich jetzt nicht wieder“. Das Kassenbon-Textformat hat sich so flächendeckend durchgesetzt, dass es unsichtbar geworden ist.

Man möchte sich ja boomerhafte Sätze, die mit „Man …“ beginnen, gerne verkneifen, aber dass die Menschheit Feedreader mehrheitlich nicht verstanden hat – man kann einfach nicht aufhören, sich darüber zu wundern, nicht wahr, wenn man die Hochphase dieser unfassbar nützlichen Tools erlebt hat.

Aber gut, ich fühle mich bei dieser Feststellung mittlerweile auch schon wie jemand, der immer noch ein Wählscheibentelefon hat und nicht aufhört, dessen Vorzüge zu preisen.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

 

Knick und Kapitelende

Donnerstag, der 24. August. Schulanfang. Einer geht nun in die zehnte Klasse, wie fortgeschritten klingt das denn, einer geht in die achte Klasse. Morgens wieder knurrende, murrende Kinder, die unmotiviert im Weg herumlungern, aber danach, wenn sie dann weg sind, gibt es hier zwei freie Schreibtische zur Auswahl. Es hat also auch etwas Gutes. Okay, nur für mich. Aber immerhin.

Ich sehe auf Mastodon jetzt häufig Meldungen zu Bluesky, es werden dort Parallel-Accounts eingerichtet, es gibt wohl auch eine Abwanderungsbewegung dorthin. Ich habe da bisher keinen Account, das stellt für mich eine Neuerung dar. Früher, und dieses früher ist nicht allzu lange her, wäre ich vor Neugier schier eingegangen, heute warte ich das alles entspannt ab. Vielleicht sehe ich es mir einmal an, um zu wissen, worüber sie da alle reden, vielleicht mache ich das aber auch nicht. Kommste heut nicht, kommste morgen, meine Güte, was bin ich gelassen, so kenne ich mich gar nicht. Es hat doch etwas, dergleichen etwas ruhiger zu betrachten. Und das ist hier zwar nur eine persönliche Anmerkung, sie lässt sich aber vermutlich mühelos in den kulturhistorischen Kontext einfügen – die große Zeit der sozialen Medien ist mit einiger Sicherheit vorüber. Wie überhaupt das Internet, wie wir es kannten, so nicht mehr existiert, man wird später diese Phase, in der Twitter einging und gleichzeitig die AI auftauchte und alle Suchergebnisse zuverlässig komplett vermüllte, mühelos als Knick ausmachen können, als ein Kapitelende. Der Rest ist Nostalgie, Opa erzählt von Twitter und Google.

Es ist ansonsten auch der erste Morgen mit kühlerer, dunklerer Anmutung. Ich stelle es mit großer Zufriedenheit fest und weiß recht sicher, ich werde erst wieder Mitte Januar endgültig genervt vom Wetter sein. Bis dahin wird mein weitgehendes Einverständnis mit der Jahreszeit, dem Regen und der Temperatur etwa reichen, so zumindest der Erfahrungswert, und tatsächlich ist meine Zufriedenheit über die Stimmung dieses Morgens so groß, ich könnte sie auch unter der alten Rubrik „Was schön war“ verbuchen.

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Hier ohne jeden Zusammenhang eine Aufzählung, welche europäische Stadt wie oft in der Literatur seit 1920 vorkommt. Überraschend fand ich darin nur Porto. Na, vielleicht auch Brüssel.

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Und es kam tatsächlich noch einmal Geschenkpost, ich danke herzlich für das Treibhaus vom ollen Koeppen. Sehr schön!

 

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Im Bild ein Hausboot auf der Bille, gegenüber der Billerhuder Insel.

Ein lilafarbenes Hausboot auf der Bille

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Währenddessen in den Blogs

Ein Verriss zu John Irving, der sich nachvollziehbar liest. Wobei ich ihn schon sehr lange nicht mehr gelesen habe, ich bin eher der Hotel-New-Hampshire-Nostalgiker. Das wird mir bleiben und auf eine Art ewig nachklingen, das war damals ein gutes Leseerlebnis. Selbst wenn das Buch nicht gut war, ich würde es gar nicht wissen wollen.

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Gröner über Turner

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Die Kaltmamsell über den Familienpfiff. Einen solchen gab es bei uns auch, ich könnte ihn allerdings nicht fachgerecht beschreiben und die Erinnerung daran ist mir auch eher unangenehm. Er wurde von meiner Mutter rege eingesetzt, etwa am Strand. In meiner eigenen Familie habe ich nichts dergleichen eingeführt, es pfeift auch im Umfeld niemand nach seinen Kindern. Nein, wirklich niemand, auch nach längerem Nachdenken fällt mir kein Beispiel dafür ein, ich höre dergleichen auch nicht vom Spielplatz unten vor der Tür. In der Firma hat mich vor vielen, vielen Jahren einmal eine Kollegin darauf hingewiesen, dass man ja immer wisse, wo ich sei, wegen dieser dauernd gepfiffenen Melodie … ich wusste gar nicht, was sie meinte, ich pfiff das sozusagen nicht mit klarer Absicht, es war so eine verinnerlichte Selbstverständlichkeit für mich, beim Gehen machte ich das eben. Die Titelmelodie von Pippi Langstrumpf war es, und ich habe sie von dieser Stunde an nicht mehr gepfiffen. Glaube ich jedenfalls.

Und auch herzliche Glückwünsche nach München, ins andere Bahnhofsviertel, das Blog der Kaltmamsell wird 20.

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Weitere Links wieder bei Kiki

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Ah, what the hell

Mittwoch, der 23. August. Für mich ein Tag, um anlassbezogen mit Paul Simon zu singen:

“Yesterday it was my birthday

I hung one more year on the line

I should be depressed

My life’s a mess

But I’m having a good time

I’ve been loving and loving And loving

I’m exhausted from loving so well

I should go to bed

But a voice in my head Says „Ah, what the hell.“

Er hat viele gute Lieder geschrieben, keine Frage.

Heute Office-Office, die Wege sind mir allerdings zu warm, all die verschwitzten, klebrigen, tropfenden Menschen in den S-Bahnen, mich eingeschlossen. Die Luft in der Stadtmitte riecht dumpf nach Sauerstoffmangel und später am Tag auch ein wenig nach Gewitter, aber es kommt nichts, noch lange nicht, es dräut nur mit etwas abgetönten Wolken.

In den sozialen Medien sehe ich das erste Lebkuchenbild, nein, es sind Dominosteine, wie erwartbar war das denn.

Nach der Arbeit komatöser Mittagsschlaf auf dem viel zu warmen Bett. Zerschlagen wieder aufgewacht wie nach einer OP mit Vollnarkose, ein absolut grausiges Gefühl. Sinnlos Kaffee in mich eingefüllt, dem Kreislauf war nicht mehr zu helfen. In der viel zu heißen Küche gekocht, Rahmspinat mit Kartoffelbrei und Spiegelei, Familienküche der schlichten Art. Eine Wespe stürzte sich dabei in die brutzelnden Eier, ein zielstrebiges Kamikaze-Insekt war das, in schnurgerader Linie vom Fenster zur Pfanne. Das tote Tier aus dem Essen gefischt, den Sommer gründlich sattgehabt.

Es kam schon die erste Schulmail, die Einladung zum Elternabend in der nächsten Woche, here we go again. Ich lese die Mail, ich notiere den Termin, ich klappe das Notebook zu. Ich gehe Schulbrotzutaten kaufen, da war ja was. Die Herzdame sucht schon einmal die unterschriebenen Zeugniskopien raus, die dann am ersten Schultag gegen die Originale getauscht werden. Rituale.

Es kommt Geschenkpost, der leider kein Zettel beiliegt, es ist ein Buch: „Der Trost der Schönheit“ von Gabriele von Arnim. Ganz herzlichen Dank!

Auf den Wegen gehört: Der Überläufer vom Lenz, gelesen von Burghart Klaußner.

Gelesen auch noch einige Seiten im Stoner, ich finde es weiterhin hervorragend.

Abends dann weiter mit der Herzdame die Transatlantik-Serie gesehen, ohne rechte Begeisterung. Aber sie sieht zu Ende, was sie angefangen hat, denn die Herzdame ist im Gegensatz zu mir ein Mensch mit Zielstrebigkeit und Konsequenz, und ich mache diesmal mit, es ist immerhin auch Zeit zu zweit.

Prigoschin stirbt außerdem vermutlich, sein Flugzeug wurde wohl abgeschossen, nichts Genaues weiß man nicht. Auf Mastodon lese ich routinierte und sehr zynische Kalauer dazu, wie auch die ebenso routinierten Hinweise, dass man über so etwas aber keine Kalauer machen dürfe. Man kennt das, auch das sind Rituale.

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Mittlere Menschlichkeit

Dienstag, der 22. August. Ich werde 57, guck an, und ich werde gleich mehrmals am Tag etwas uncharmant darauf hingewiesen, dass das aber nicht mehr allzu jung klinge. Als ob es mir entgangen sein könnte.

The body stiffens, tires and aches
In its wrinkled, blotchy skin
With each decade, more camouflage
For the wild eyed child within

Peter Gabriel, So much, ein schöner Text ist das.

Er hat es trotz der melancholischen Melodie als positives Lied gemeint, lese ich nach, man darf also vermutlich entspannt mitsummen, und das mache ich dann auch.

Ansonsten Office-Office. Wieder eine Verabschiedung in die Rente, wieder das Nachrechnen, wie lange man sich kannte. Dreißig Jahre und mehr, weißt du noch, weißt du noch, wir damals in dieser so anderen Welt.

Am Nachmittag fahre ich mit der Herzdame in den Garten. Ich ernte die Aroniabeeren, was ich noch nie gemacht habe. Aber die von uns gepflanzten Büsche hängen in diesem Jahr erstmals dermaßen voll, es sind so überaus prächtige, dicke, verlockend aussehende Früchte – mal sehen, wie das mit dem Trocknen im Backofen klappt. Ich könnte sie dann im Winter ins Müsli werfen und immer „Superfood“ beim Kauen denken, denn Aroniabeeren sind überaus gesund. Allerdings esse ich normalerweise kein Müsli, schon wieder so ein Problem. Irgendwas ist eben immer.

Dank übrigens, ich habe vergessen, an wen er korrekt zu richten wäre, für die Empfehlung von „Stoner“ von John Williams, es ist wirklich ein hervorragender Roman. Lange bin ich nicht mehr so gerne an den ersten fünfzig Seiten drangeblieben und er hält mich unerwartet sogar von den bereitliegenden Bukowski-Briefen ab. Aber Leseleidenschaften muss man immer mitnehmen, wo auch immer man sich gerade festliest, da ist man richtig, alte Regel. In der Wikipedia wird Ulrich Greiner zum Buch zitiert: „Wir begreifen: Man kann das Leben nur leben, so gut es eben geht. Wirklich verstehen kann man es nicht. Vielleicht ist das die größte Stärke dieses bewegenden Buches: dass es seinen Helden nicht durchschaut, nicht zurechtdefiniert. Es stellt ihn in all seinen Stärken und Schwächen, in all seiner mittleren Menschlichkeit vor uns hin und sagt: Seht, euer Bruder!“

Das hat er gut gesagt, der Herr Greiner, so sollten wir unsere Taten wohl öfter sehen, das ist doch denkbar entspanntes Erwartungsmanagement: Was auch immer wir machen, es sind vermutlich alles bestenfalls Akte mittlerer Menschlichkeit. Ein beruhigender Gedanke.

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Knietief in der Woche

Montag, der 21. August. Die Wälder brennen weiter in Kanada, auf Teneriffa und in Griechenland, der Sturm Hillary landet in Mexico und Kalifornien und bringt dort Rekordregenmengen. Über der Schweiz steigt die Null-Grad-Grenze in unglaubwürdige Höhen, 5.300 Meter muss der Wetterballon hoch, damit es endlich kalt wird, null Grad.

Und sonst so? Barbenheimer-style gatherings blamed for Covid rise in Germany.

Ich sehe außerdem das Wort “Taupunkt” mittlerweile dermaßen häufig in den Meldungen zum Wetter, ich lese es endlich doch einmal nach, was es damit auf sich hat, auch wenn die eben verlinkte Wikipedia-Seite äußerst unangenehm nach Physiklehrbuch aussieht. Ich checke den Wert, ab dem es offiziell für den Durchschnittsmenschen unangenehm wird, im aktuellen Wetterbericht und leide ab jetzt viel berechtigter und wissender, mit Kennzahl dran und allem, das ist auch ein gewisser Fortschritt. Auf Mastodon wird sofort die Feuchtkugeltemperatur ergänzt – immer muss man noch weiter lernen.

Ansonsten Home-Office. Man dreht sich am Montagmorgen kurz um und steckt schon wieder knietief in der Woche, man macht eine Mail auf und es ist Montagmittag, schön ist das alles nicht.

Auf Spotify finde ich immerhin nebenbei Paté de Fuá, das ist eine mexikanische Gruppe, mit für uns sommerlich-südlich klingender Musik, schön passend zu den vorerst letzten Sonnentagen, es sind angenehme Augustrestmelodien. Ich höre mich durch das Best of und finde ungewöhnlich viele Titel speicherbar. Ich verstehe selbstverständlich kein Wort von den Texten, aber das ist mir recht, sonst könnte ich beim Hören auch nicht arbeiten. Italienisch, Spanisch und Portugiesisch also bloß nicht lernen, ich brauche manchmal solche Musik, an der ich sprachlich nicht hängenbleibe.

Auf die Gruppe gekommen war ich über Playlists der etwas obskuren Musikrichtung Dark Cabaret. Die dazugehörigen Songs klingen streckenweise wie der Soundtrack zum Blog des Herrn Kid37, und es sind auch dabei interessante Spezialitäten zu finden. Etwa diese hier, Evelyn Evelyn:

Das ist eine charmante und empfehlenswerte Freizeitbeschäftigung, in die Verästelungen der Musikgenres tiefer und noch tiefer hinabzusteigen, bis es immer seltsamer klingt. Man kann sich etwas länger damit beschäftigen, man schmutzt dabei nicht, man ist auch anderen Menschen nicht im Weg und man braucht kaum Ausrüstung dafür, es ist eine empfehlenswerte Angelegenheit, will mir scheinen. Abgesehen von den bekannten Nachteilen, die Streamingdienste nun einmal haben.

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Offen für Veränderungen

Sonntag, der 20. August. Waldbrände in Kanada, auf Teneriffa und in Griechenland, Überflutungswarnungen in Kalifornien im Tagesprogramm. Mir kommt es gerade passend vor, das fortlaufend zu notieren, denn das Hintergrundgeräusch der Zeit, auf jeden Fall dieses Sommers, es ist nun einmal die Unwetterwarnung, der Katastrophenbericht.

Die Reihe der sommerlichen Großveranstaltungen und Belästigungen ist doch noch nicht durch, heute finden hier die Cyclassics statt, das große Radrennen, lauter Leute in Lycraleibchen. Also steht wieder stundenlang der Hubschrauber überm Haus wie an den Himmel gepinnt, und ich müsste gerade etwas lauter tippen, um das nervtötende Dauerbrummen zu übertönen. Es scheint mir heute etwas zu warm für Sport zu sein, aber bitte, man kann das wohl anders sehen.

Auf Instagram und Tiktok sehe ich eine zunehmende Verherbstung der algorithmisch vorgeschlagenen Bilder und Filmchen. Es wird dort schon wieder Zeit für Dark Acadamia, Chopin am Klavier und Edinburgher Altstadtszenen im Regen. Okay, meinetwegen, der Sommer war sehr groß etc. etc., mir ist eh alles zu heiß und zu drückend, das kann jetzt abgeräumt werden. Ich bin offen für Veränderungen, sofern sie eine Abkühlung und eine Belebung des Kreislaufs mit sich bringen.

Vereinzelt auftauchende Christmas-Vibes in den Videos sind mir aber doch etwas zu früh, wir wollen nicht übertreiben. Ich habe in dieser Saison noch nicht einmal Pflaumenkuchen gegessen, und ich bin da konservativ.

Aud Mastodon werden die Auswanderungsmöglichkeiten ergänzt, sehe ich, neben Irland, Neuseeland, Dänemark und dem inneren Biedermeier werden nun auch Belgien und die Schweiz genannt. Wobei Dänemark weiterhin vor Neuseeland führt. Und ja, ich zähle mit.

Am Nachmittag will ein Sohn das Grillen erlernen, wir zelebrieren daher eine Lehrmahlzeit im Garten, wobei wir alle vier gleichzeitig dort sind und gemeinsam vor der Laube essen, das kam lange nicht vor und ist vielleicht sogar das erste Mal in diesem Jahr. Denn so geht es zu mit Teenagern. Ich sehe im Wetterbericht, dass der Somme gegen Ende der Woche vermutlich erst einmal eingestellt wird, vielleicht wird es für so etwas keine weitere Gelegenheit mehr geben.

Ein ausgesprochen netter Nachmittag ist das jedenfalls, und insgesamt war es verdächtigerweise schon das zweite recht gelungene Wochenende in Folge. Die Skepsis steigt.

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Eher widerlich als sommerlich

Sonnabend, der 19. August schon. Ich könnte gerade hinter jede Datumsnennung ein „schon“ schreiben, es passt zu meinem fortwährenden Staunen über den kalendarischen Fortschritt.

Ein schwer zu ertragender, allzu heißer und schwüler Tag. Die Luft in der Stadt ist eher widerlich als sommerlich, und das Licht ist auch auf eine seltsame Art gelblich, aber das denke ich schon seit Tagen. Als sei ein Filter vor dem Wohnzimmerfenster, da ist doch so ein unverkennbarer Stich, eine ganz seltsame Verzerrung – ich bin dann auch froh, wenn es wieder abkühlt und die Luft endlich klarer und kühler wird. Etwas Herbst würde dem Jahr jetzt gut tun, denke ich dauernd beim Blick aus dem Fenster. Ich bin also wieder so weit, das Gefühl tritt diesmal fahrplanmäßig Ende August ein, es ist für mich alles richtig so.

Die Wohnung ist schier unerträglich an diesem Tag, langsames Garen auf dem Sofa, es ist quälend und man kann sich höchstens nebenbei freuen, dass es hier gar nicht das volle Programm gibt, in anderen Gegenden in Deutschland ist es noch deutlich heißer. Ich arbeite ein wenig neben dem Ventilator, ich gebe irgendwann auf und fahre in den Garten. Die Laube ist allerdings auch eine Gluthölle und auf dem Rasen vor der Hütte steht die Luft, kein Windhauch rührt sich, nichts. Lastendes Schweigen über der Insel der Gärten. Wenn man still auf der alten Hollywoodschaukel sitzt und sie nicht gerade quietscht, hört man nichts, absolut gar nichts, auch das Eichhörnchen huscht ninjamäßig vorbei, eine rötliche Bewegung im Augenwinkel. Kein Wind, kein Vogel, kein Mensch, es ist eine Stimmung, die mich wahnsinnig macht und ich bin später am Tag froh, dass heute kein Sohn mit mir hier übernachten möchte. Dann doch lieber in der Wohnung sein, wo es eine Dusche gibt, die immerhin kurz hilft.

Wassermelonenstücke auf einem Holzbrett über Rasen

Die Herzdame geht am Abend aus, ich kapituliere. Es gibt Wettermomente, da kann ich nichts gewinnen, nicht einmal einen Tag oder Abend.

Weiter „The Kominsky Method“ gesehen. Ich sympathisiere sehr mit Alan Arkin und freue mich auch, dass der Vater von Monica und Ross aus Friends in einer Folge kurz auftritt. Ich bin sonst eher nicht in der Lage, Querverbindungen zwischen Produktionen zu erkennen, ich habe in den letzten drei Jahrzehnten viel zu wenig dafür gesehen, ich freue mich also über kleine Erfolge. Geschrieben hat diese Serie Chuck Lorre, immer alles nachlesen. Und der hat diesen Song hier geschrieben, bevor er mit den Serien anfing, guck an.

Das Video ist auch etwas tiefer aus der Zeit gefallen, möchte man meinen. 1986 war das.

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Es gibt später Pellkartoffeln aus dem Garten. Sie schmecken gut, aber nicht sensationell besser als die Kartoffeln aus dem Discounter. Vielleicht sollte ich doch wieder speziellere Sorten anbauen, vielleicht also lieber wieder die alten Varianten bei den Bioversandhäusern kaufen. Nicht mehr die Klassiker pflanzen, die in diesem Jahr in den Beeten waren. Sehr klein sind sie außerdem in diesem Jahr, die armen Kartöffelchen, es sind kaum stattliche Exemplare dabei, vermutlich weil es in der ersten Phase des Wachstums so trocken und die Erde so betonhart war.

Aber was weiß ich schon.

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Faustkeilanwendungsfragen

Freitag, der 18. August. Im Standard lese ich ein Update zum Tourismus, bzw. zum Over-Tourism, es geht um die zu buchenden Tickets für die üblichen Attraktionen. Die Perspektive des Textes scheint mir allerdings ganz auf Seite der Touristen zu verbleiben, und das wird der Sache kaum gerecht, denke ich.

Deutlich wird jetzt, dass der neulich geteilte Text von Lars Fischer zu Corona keine Einmaligkeit war, es werden nun nach langer Pause wieder mehr Artikel, Thesen und Krankmeldungen zum Virus breit geteilt, here we go again. Man ergreift in den Timelines routiniert Partei pro oder contra mehr Schutzmaßnahmen, denn man ist ja nach mehreren Pandemiejahren gut ausgebildet und mit Argumenten üppig versorgt, die reichen sicher auch noch durch den Herbst und den Winter.

Am Vormittag Home-Office in der etwas öden Ausprägung, ein Wochenende würde dem Tag jetzt gut tun, fällt mir schon früh am Tag auf, und das denke ich dann durchgehend bis 13 Uhr. Danach Erledigungen aller Art, was man sich so auch auf die Visitenkarte schreiben könnte, es passt schon und beschreibt den Alltag treffend und zureichend.

In der Apotheke sehe ich ein neues Hinweisschild auf das E-Rezept und mir fällt dabei ein, dass ich über dieses Thema exakt gar nichts weiß. Ich müsste also, wenn es mich denn demnächst betreffen sollte, erst einmal aufholen, siehe auch E-Auto-Betankung, Balkonkraftwerke und gewiss noch etliche andere Themen, auf die ich gerade nicht komme. Es ist manchmal schwer zu unterscheiden, ob es an meinem Alter liegt, wenn ich bei einigen Entwicklungen erst einmal zögerlich oder schlicht vollkommen desinteressiert zurückbleibe, oder ob manche Prozessänderungen und Neuerungen einfach gerade flott Fahrt aufnehmen und der Rückstand bei mir also nur durchschnittlich und erwartbar ist. Es ist vermutlich auch egal.

Aber es wird auch immer wahrscheinlicher, dass ich z.B. in einer Situation, in der ich ein E-Auto laden müsste, erst einmal wie ein Steinzeitmensch vor den Gerätschaften stehen werde. Wo kommt denn hier der Faustkeil rein?

Währenddessen lese ich in den Briefen der Ingeborg Bachmann an Max Frisch, dass sie gerade in seiner Wohnung ist, er aber auf Reisen, und der Plattenspieler (sie verwendet in den Briefen noch oft das Wort Grammophon) nicht funktioniert, es muss da erst ein Spezialist kommen, ihn zu reparieren, und sie leidet etwas, denn sie kann keine Musik hören. Das ist ein Gefühl, das die Söhne nicht kennen, fällt mir auf, ich aber schon noch – keine Musik hören zu können, weil der Plattenspieler nicht geht.

Ja. So war das. In der Steinzeit.

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Größerer Hunger, kleinere Portionen

Donnerstag, der 17. August. Gestern habe ich mit der Herzdame noch die Miniserie Transatlantic angefangen, wir verblieben nach zwei Folgen allerdings eher unterwältigt. Man kann es der Ausstattung, der Kostüme und der bekannten Figuren halber sicher sehen, das schon, aber alle paar Minuten haben wir doch deutliche Fluchtreflexe. Weltgeschichte, die für Netflix allzu sehr optimiert und zurechtgebogen wird – schwierig, schwierig. Natürlich wird Geschichte für Erzählzwecke immer zurechtgebogen, das geht auch nicht anders, aber manchmal ist der Mechanismus einfach zu sichtbar. Bei der Kaltmamsell sehe ich übrigens etwas zur Romanvorlage.

Außerdem habe ich Ein Mann namens Otto (mit Tom Hanks) angefangen. Ich fand dann aber schnell, dass es eher keinen Grund gibt, diesen Film zu sehen, wenn man das Original schon kennt und sogar gemocht hat, denn den schwedischen Film habe ich in guter Erinnerung. Das also wieder abgebrochen.

Mehr Erfolg hatte ich dann bei The Kominsky Method mit Michael Douglas und Alan Arkin in den Hauptrollen, mit grandios besetzten Nebenrollen. Das hat etwas, da werde ich wohl dranbleiben. Ich fand den Einstieg in die erste Episode etwas schwach, aber es hat sich diesmal gelohnt, nicht zu früh wieder auszusteigen, die ersten zehn Minuten reichen eben doch nicht in jedem Fall zur korrekten Bewertung einer Serie oder eines Filmes aus. Geduld haben Du musst, ja, ja.

Die Serie ist allerdings arg männerlastig, es geht um das fortschreitende Altern zweier Freunde, inklusive urologischer Probleme etc., ich bin nicht sicher, ob das auch Zuschauerinnen stark anspricht.

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Ansonsten ein Tag mit anstrengendem Home-Office. Die Familie ist mir heute entschieden zu turbulent um mich herum. Aus Sicht werktätiger Eltern ist es dann auch nett, wenn die Schule irgendwann wieder anfängt. Aus der Perspektive der Söhne fällt die Beurteilung der Lage selbstverständlich dezent anders aus, und auch das ist nachvollziehbar.

Nachmittags habe ich ein Termin bei der Zahnärztin, es geht dabei nur um die routinemäßige Zahnreinigung. Diesmal wird sie ausgeführt von einer männlichen Nachwuchskraft, und zwar in Rekordzeit, geradezu ungestüm. Das Erlebnis wird, so stellte ich fest, keineswegs entspannter, wenn es einem sehr schnell widerfährt. Immerhin ungeahnt fix wieder auf der Straße gewesen, um dort in Ruhe „WAS WAR DAS DENN?!“ zu denken.

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Abends in einem vietnamesischen Restaurant in der Innenstadt gewesen und nicht satt geworden. Schlimm. Entweder werde ich in letzter Zeit deutlich verfressener oder die Portionen werden kleiner. Ich müsste eine Versuchsreihe daraus machen, um es besser beurteilen zu können, aber wer hat denn Zeit für so etwas. Danach noch eine Stunde vor einer Bar bei uns im kleinen Bahnhofsviertel gesessen. Auch selbst mal dort an der Außengastro teilnehmen, die ich sonst immer nur im Vorbeigehen wahrnehme und beschreibe, das kommt bei mir selten genug vor. Wir wurden in dieser Stunde, in der wir dort saßen, ich habe mitgezählt und berichte es ohne jede Wertung, einfach nur als Tatsache in diesem Jahr und in dieser Stadt, zwölfmal von irrlichternden Elendsgestalten in verschiedenen Stadien der Verwahrlosung angebettelt, darunter waren wiederum sehr junge Menschen und auch solche, die nach vorgetragener Bitte nicht einfach schnell weitergingen, sondern wortreich klagend stehenblieben.

Im Hintergrund der Szene war die Hilfseinrichtung für Straßenkinder, in der auch reger Betrieb war, und ich finde nicht, dass man all das noch elegant verdrängend ausblenden kann.

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