Süße Bretterbuden

Sonntag, der 2. Juli. Gartengeburtstag, so steht es heute im Familienkalender. Wir sind, ich muss es erst nachrechnen, jetzt im siebten Gartenjahr. Ohne Gewähr, es ist mir gerade zu kompliziert. Gestern waren wir kurz dort, es gab die Hundertjahr-Feier des Gartenvereins bei strömendem Regen, ein Wettergeschenk für die verdorrenden Parzellen zum Jubiläum. In der Laube war es erstaunlich kühl, eine feuchtklamme Oktobertemperatur war es, aber wir hatten keine Zeit, das ausgiebig zu genießen. Wir haben nur eben einen Großeinkauf in die Schränke verräumt und mussten dann schnell weiter.

Nebenbei habe ich auf dem Fest mit einem geschätzten Gartenfreund kurz besprochen – auch dieser Verein hat also einen Bezug zum Jahr 1923, über das ich gerade so viel lese. Auch der Verein hat selbstverständlich mit deutscher Geschichte zu tun, und das nicht zu knapp. Man könnte die letzten hundert Jahre dementsprechend auch am Beispiel dieser Kolonie abbilden, die immerhin schon aufgrund ihrer Insellage im Fluss ein bemerkenswertes Phänomen ist, auch in der deutschen Schrebergartenwelt. Man könnte hundert Jahre hinter Hecken ergründen und abbilden, die letzten Zeitzeugen über vergangene Jahrzehnte befragen – aber wer sollte für so ein Projekt Zeit haben.

Es gibt eine Kurzgeschichte von Wolfgang Borchert, Sie kennen sie vielleicht, „Billbrook“. Darin geht es um einen kanadischen Feldwebel, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Hamburg stationiert ist, er heißt Bill Brook. Er bemerkt, dass es in Hamburg einen Stadtteil Billbrook gibt, der also so heißt, wie er heißt, es irritiert ihn sehr, eine verwirrende Erfahrung, er liest das Schild mit dem Hinweis immer wieder. Und er beschließt, dorthin zu gehen, vom Alsterufer in der Innenstadt aus, an dem sein Hotel steht. Es ist ein weiter Weg nach Billbrook von der Alster aus, er geht zu Fuß und er geht lange, stundenlang. Zuerst geht er noch durch halbwegs normal anmutende Straßen, nur hier und da eine Ruine, dann immer mehr durch eine unwirkliche Geröllwüste, denn das östliche Hamburg liegt direkt nach dem Krieg komplett zerstört und größtenteils menschenleer. Es geht in der Geschichte darum, was dieser Gang durch die Wüste im Kanadier auslöst, wie es ihn mitnimmt. Er steht irgendwann auf einer Brücke mitten im Nichts, auf einer Brücke, die zerbombte Geröllfelder verbindet. Es könnte die Brücke sein, die bis heute zur Billerhuder Insel führt, auf der unser Garten liegt, sie liegt am Weg. Ich zitiere nach Projekt Gutenberg:

„Er fühlte sich unbehaglich, Bill Brook, und er war froh, als er plötzlich auf einer leicht geknickten geländerlosen Brücke vor einem kleinen hellen grünsilbernem schlickschwarzen Kanal stand. Er vergaß froh die Wüste, die im kilometerweiten Kreis ihn umkreiste. Er war ganz glücklich auf einmal und er hätte beinahe in die Hände geklatscht wie vor einem Geburtstagstisch, der sechsundzwanzigjährige Mann, als er am Kanalufer ein paar bunte lebendige Gärten, Wäscheleinen und Rauchfähnchen sah. Junge auch! knirschte er zwischen seinen breiten weißen Zähnen. Denn da schrien Kinder, eine Frau sang, einige Männer schimpften auf die Spielkarten, eine Gießkanne zischte, ein Dackel hustet. Junge auch, und die Unterhosen, die Strümpfe, die hellblauen, blaßroten Büstenhalter auf der Wäscheleine wedelten und ruderten und winkten aufgeregt: He, Herr Feldwebel, kommen Sie getrost näher. Sie können ruhig mal rüberkommen, Herr Feldwebel, wirklich, genieren Sie sich nicht!

Und Bill Brook, der Mann aus Labrador, schlug erleichtert mit beiden Fäusten auf das Stück Brückengeländer, das aus Versehen stehengeblieben war. Und er dachte glücklich: Sieh mal an! Diese kleinen süßen Bretterbuden! Wie kleine appetitliche Paläste! Und aus den Fenstern und Dächern kommen diese allerliebsten herrlichen gebogenen verdrehten Ofenrohre. Und aus diesen prächtigen pechschwarzen Rüsseln von Ofenrohren kommt so ein ganz blauer beweglicher krauser Rauch. Holzrauch, Pappenrauch, Rauch von gestohlenen Planken und Zäunen. Richtiger lebendiger lebenskräftiger unschuldig himmelblauer kräuslicher Rauch! Einen Moment, du verwegener alter Rauch, Moment, du alter hustender Dackel, Moment, ihr bildschönen Büstenhalter, einen Moment: Ich komme! Ich komme mal eben runter zu euch, wenn es recht ist.“

In den Gärten schrien die Kinder, schreibt Wolfgang Borchert, und es gibt heute noch Menschen in unserem Verein, die sind dort tatsächlich geboren worden, mitten in den Gärten, auf der Insel in der Bille, in den kleinen, süßen Bretterbuden. Aber gut, es könnte auch eine andere Stelle auf dem Stadtplan in der Kurzgeschichte gemeint sein, es gibt noch mehr Gartenvereine auf dem Weg und ich weiß bei den anderen nicht, wie alt sie sind.

Das gesprühte Wort "Brook" an der S-Bahnstation Rothenburgsort

Jedenfalls die Feier vor dem Vereinsheim im Regen. Es besteht im baulichen Kern übrigens aus den Resten einiger Baracken des Roten Kreuzes, noch von 1945 … na, das ist ein zu weites Feld.

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Der Tag war ansonsten eine ausführliche Ausarbeitung des alten und von mir als eher blöd empfundenen Spruchs „große Kinder, große Sorgen“, wie alle Eltern sicher wissen, kommt es manchmal doch hin. Ich halte den Satz dennoch für grundsätzlich falsch, aber egal. Wir haben uns also eher durch den Tag gemüht, die Herzdame und ich, es gab Ärger, Sorgen und Zumutungen verschiedener Art, variatio delectat.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 8.7.2023

Ich habe für das Goethe-Institut wieder etwas über die Lage geschrieben.

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Weitere Links bei Kiki, ich teile ihre Alles-Anzünden-Schlussfolgerung bei Verkehrsfragen und staune weiter, wie schnell wir jeden Konsens bei diesem Thema aufgeben. Es brechen recht eindeutig immer mehr Menschen immer öfter mehr Regeln. Ich kann das ziemlich einfach abzählen, etwa anhand der Leute, die hier entgegen der Einbahnstraße mit etwa 50 durch die Zone 30 fahren usw.  Es ist wirklich verblüffend, es tritt quer durch alle Gruppen und Altersklasssen ein, es ist gesellschaftlich sicher ein schlechtes Zeichen und ich glaube, dass das steigende Interesse an seltsamen Parteien und populistischen Versprechungen mit dem eindeutigen und rapiden Anstieg der Anzahl an Kurzdistanzmaximalbeschleunigern mit erheblichem Mangel an Affektkontrolle im Stadtverkehr irgendwie korreliert.

Aber ich beobachte das natürlich in der Mitte von Hamburg. Vielleicht ist es bei Ihnen ganz anders, das kann immer sein, vielleicht gibt es hier besondere Effekte, auf die ich nicht komme. Wir haben bekanntlich alle diesen Stichprobenfehler in unserer Wahrnehmung, den man gar nicht oft genug erwähnen kann.

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Näheres zum Aufgabenbereich von Landräten, die sind ja neuerdings von einigem Interesse.

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Ankes Blog wird 21, sie meldet es mit mäßigem Enthusiasmus. Sturm und Drang liegt eben weit hinter uns. Manche Blogs schlafen bekanntlich auch ein, aber es fehlt den Autorinnen dann vielleicht auch etwas. Und manche holen zusammenfegend größere Zeiträume auf, andere fangen nach längerer Pause mit einem bestimmten Format wieder an, es gibt viele Möglichkeiten. Ich stehe einfach jeden Morgen auf und schreibe, ich könnte es gar nicht tiefschürfender erklären. Das gehört mittlerweile einfach so, wie Zähneputzen oder Kaffeetrinken.

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Hier wird meine Lektüre zum Jahr 1923 aufgegriffen.

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Nicola über die Aufmerksamkeitsökonomie, geschrieben mit einem Herz für Langversionen.

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Vanessa mit einer Buchempfehlung und außerdem mit Bienenstich, ich bin etwas neidisch. Ferner ein Absatz zur Elterngelddiskussion und zur Schuldenbremse, auch interessant.

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Mainstreammarmelade

Sonnabend, der 1. Juli. Ich wache herzinfarktgefährdet auf, denn es klopft energisch von außen an die Balkontür, was bei einer Wohnung unterm Dach doch eher nicht vorgesehen ist, schon gar nicht gegen fünf Uhr am Morgen. Die Rabenkrähe ist es, die vielleicht etwas mehr Hunger hat als sonst und mit dem Schnabel nach drinnen morst: Jetzt! Erdnüsse! Viele! Es sind schlaue Vögel, sie wissen definitiv, wie es läuft. Und es läuft dann auch, also ich in dem Fall.

Es ist ansonsten der einzige gesicherte Regentag weit und breit, die ersten Tropfen auf den Fenstern erscheinen prompt, während ich mir den ersten Kaffee mache. Sehr viel mehr Regen wird es heute noch werden, sagt der Wetterbericht, und ich habe ausgerechnet an diesem Tag zwei Outdoor-Termine, sonst weit und breit keine im Kalender. Wie persönlich soll man alles nehmen? „Wenn ich mal richtig ICH sag, wie viele da wohl noch mitreden können?!“ Rühmkorf hat das damals geschrieben, Phönix voran hieß das Gedicht, ich habe schon oft daraus zitiert.

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Am Morgen gelesen: Der Meeresspiegelanstieg in Thailand. Immer wieder diese bemerkenswerten Stücke im Guardian, auch mal Medien loben. Außerdem: Die rassistische Revolution in einer deutschen Zeitung. Wenigstens auf die taz kann man sich noch verlassen, stabile Haltung da.

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Die Herzdame hat gestern Kirschen gepflückt, viele davon. Die Herzdame braucht nun in logischer Folge Gelierzucker, mindestens fünf Pakete, sagt sie. Im Supermarkt, in den ich weisungsgemäß und wiederum beflissen eile, gibt es allerdings nur noch zwei davon. Ich stehe vor leergeräumten Regalen, denn auch hier gilt vermutlich wieder: Man schwimmt so im Mainstream dahin, auch beim Zubereiten der Marmelade und beim Kauf der benötigten Zutaten.

Aus dem Laden „Kräuterhaus“ auf meinem Weg wurden sämtliche Zimtlatschen gestohlen, in allen Größen und Farben. Ich lese es auf dem Rückweg vom Gelierzuckerkauf, es hängt ein Aushang zum Vorfall im Schaufenster. Man nimmt, so lese ich weiter, zwar an, dass das Karma die Unholde schon richten wird, hat den Diebstahl aber auch ganz konservativ zur Anzeige gebracht. Immer alles doppelt absichern, ich verstehe das.

Ich wusste allerdings nicht, dass es Zimtlatschen überhaupt noch gibt, das Stichwort klingt für mich eher nach 1990. Ungefähr.

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Abends im Bett habe ich noch etliche Gedichte von Karl Krolow gelesen und nicht verstanden. Ich erwähne das ab und zu, damit es vielleicht jemand nachmacht, es ist nämlich vollkommen in Ordnung, Gedichte zu lesen und nichts zu verstehen. Es ist vielleicht sogar großartig verwirrend, und wenn man dann zwei, drei Zeilen findet, die doch irgendwie anklingen, wie schön das dann immer ist – aber es ist leider auch so eine aussterbende Kulturtechnik, fürchte ich, sich von Gedichten irritieren oder betören zu lassen. Lest mehr Lyrik, esst mehr Obst!

Hier noch mehr Rühmkorf.

Ein aufgeschlagenes Buch, der Anfang des Gedichtes "Variaton auf "Abendlied" von Matthias CLaudius

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Es regnet am Morgen

Freitag, der 30.6. Der Juni neigt sich, ich erledige weitere Monatsabschlussdinge in diversen Berufen und nehme nur nebenbei und widerstrebend zur Kenntnis, wie verschiedene etablierte Medien durch ihre Berichterstattung den Faschismus immer weiter normalisieren.

Mario Sixtus fasst es auf Mastodon recht gut zusammen:

Hitler: „Ich bin kein Nazi!“

Deutsche Presse:
„Hitler: ‚Ich bin kein Nazi!'“

Ein leider zutreffender Scherz. Wieder dieses Summe-Teilchen-Problem, einzelne Journalistinnen in meinen Timelines wirken durch die Bank zurechnungsfähig, vernünftig, gut oder sogar hervorragend informiert und eindeutig der klaren Analyse fähig, auch moralisch gefestigt, in der Gesamtheit aber, bzw. in dem, was sie da als Blatt oder Seite oder Sendung produzieren … Es ist doch arg seltsam. Selbiges gilt übrigens auch für die SPD und für die Grünen, vielleicht sogar noch deutlicher. Es gilt aber faszinierenderweise nicht für andere Parteien, das ist auch leicht festzustellen. FDP-Mitglieder etwa sind auch einzeln oft schwer zu ertragen ob ihrer etwas besessen wirkenden Trollhaftigkeit. Schon von der Art her, wie die Leute aus Parteien sich in den sozialen Medien aufführen und wie dumpf sie dabei argumentieren, kann ich meine Wahlentscheidungen ableiten, und zwar bemerkenswert leicht.

Ich habe es neulich schon einmal erwähnt, ich habe jedenfalls eine Art geistiges Heimweh nach einer Zeit, als Spiegel, SZ, Zeit, Tagesschau und dergleichen noch ausdrücklich meine mediale Heimat waren. Tempi passati, ich bin mittlerweile im Exil beim englischen Guardian.

Nun, man nennt es wohl Nostalgie, es ist überhaupt nichts Besonderes und früher war keineswegs alles besser, ich weiß. Früher war es nur kompatibler mit mir.

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Es regnet am Morgen. Wir sehen aus dem Fenster und denken, dass wir heute nicht gießen müssen, was also alle Gartenbesitzerinnen sofort denken, sobald es auch nur etwas tröpfelt. Zumindest in dieser Hinsicht wird man tatsächlich naturnäher durch so eine Parzelle.

Am Nachmitttag komme ich beim Einkaufen an einer Demo vorbei, an einer kleinen, fast winzigen Demo. Sie richtet sich gegen das Sterben der kleinen Läden im Bahnhofsviertel, gegen die Gentrification und Vertreibung. Es sind Pressevertreterinnen da, es werden Fotos gemacht, jemand hält eine Rede. Es gibt keinen regen Zulauf, das Thema interessiert eher nicht, obwohl sich alle gerne über die Umstände aufregen und es ganz schlimm finden, dass es hier kein Fischgeschäft mehr gibt, keinen Käseladen usw. Pardon, ich korrigiere mich – das Thema interessiert also allgemein schon, bewegt aber keinen ernsthaft zu mehr als zu flapsigen Kommentaren auf Facebook. Das ist nicht als Anklage gemeint, ich stelle es nur fest.

Ein Protestplakat gegen die Vertreibung kleiner Läden in Sankt Georg

Der Juni endet dann mit Amselgesang. Der Vogel sitzt am Abend auf unserem Balkongeländer, nur etwa zwei Meter von mir entfernt der große Soloauftritt. Ich sitze knapp hinter der offenen Tür – und dann erst merkt man, wie laut sie wirklich singen können, die Amseln, es ist unglaublich. Wie aus so wenig Vogel so dermaßen viel Lautstärke und Melodie kommen kann, wie fantastisch das eingerichtet ist.

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Byron kommt herum

Donnerstag, der 29.6. Am Morgen ungern gelesen: Auch die Nordsee ist zu warm. Wie unsere Wohnung, denke ich in etwas ungelenkem Gedankensprung, denn hier drin kühlt es an ein, zwei Tagen mit Sonnenpause nicht so angenehm ab wie draußen, hier drin hält sich vielmehr die Essenz der Wärme und des Sommers. Andere würden es vielleicht schön finden, die Vorlieben fallen da immerhin verschieden aus. Ich dagegen finde es anstrengend, denn ich vertrage Hitze dummerweise mit jedem Jahr schlechter, wohl wie die meisten Menschen ab einem gewissen Alter.

Gegen neun Uhr merke ich, dass noch gar nicht Freitag ist, danach wieder spontane Eintrübung der Laune. Ich verhalte mich im Laufe des Tages aus Trotz einfach dennoch so, als sei der Monat schon komplett gelaufen. Ich beende die nächste Monatskolumne für das Goethe-Institut und bilanziere die privaten Ausgaben des Junis, ich mache diverse Abschlüsse. Ich schreibe jeden Tag die Kosten der Einkäufe mit, jedenfalls die für das normale Zeug, also was man mit vier Personen so vertilgt und verbraucht. Im Juni weichen wir da deutlich von der Nachrichtenlage ab, unsere Ausgaben steigen viel stärker als es die Inflationsmeldungen vermuten lassen, sie steigen fast wieder alarmierend. Entweder haben wir besonderes Pech mit dem Einkaufskorb, das kann es immer geben, oder es liegt doch an den Wassermelonen, die es auch nicht gerade geschenkt gibt, ich müsste noch genauer hinsehen. Das Obst habe ich aber generell im engeren Verdacht, Obst ist nach wie vor teuer. Esst mehr Obst, gebt mehr aus.

Aber, immer auch das Positive sehen, schon vier Salatgurken haben wir in diesem Monat selbst geerntet und nicht im Discounter gekauft! Das sind Selbstversorgungseffekte im, nun ja, Vier-Eurobereich. Immerhin, denke ich angestrengt, immerhin, und blende dabei sorgsam aus, dass ich diese Gurken vorgezogen gekauft habe für den Preis von je … ach, lassen wir das, es macht einen nicht glücklicher und klingt schon wieder unangenehm nach Textaufgabe.

Byrons Briefe habe ich am Abend durchgelesen. Eine kleine Überraschung gibt es nebenbei, er hat Grillparzer für einen der ganz Großen gehalten, für jemanden, der von der Nachwelt zweifellos als Genie erkannt werden würde, für einen erhabenen Dichter. Ich bin mir nicht sicher, ob Grillparzers verblassender Nachruhm dem heute gerecht werden kann.

Egal, den Byronband werde ich jedenfalls wieder zum öffentlichen Bücherschrank bringen. Der soll unbedingt weiterreisen, was zweifellos zu diesem Dichter passt, auch wenn die nächste Boomerbude hier im kleinen Bahnhofsviertel nicht mit Missolunghi zu vergleichen ist. Er kommt doch immerhin noch etwas weiter herum auf diese Art.

Ein Pappkarton auf einer Treppe, auf dem Deckel steht "Gratis in gute Hände abzugeben - oder in schlechte, ist uns egal"

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Hier noch etwas zum steigenden Meeresspiegel, es geht um die Sicherheit vor Hochwasser in London. In Hamburg wird das erstaunlich wenig thematisiert, denke ich schon recht lange.

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Silber und Salz

Dienstag, der 27.6. Am Morgen lesen, was weit draußen im Pazifik befürchtet und geplant wird.

Ansonsten ein Tag, an dem ich nichts notiert habe, was selten genug vorkommt. Ein Tag also, an dem ich womöglich auch nichts gedacht habe und mich dabei, wie immer in solchen Fällen, dann permanent gefragt habe, ob das nun erholsam sein soll oder was. Mich macht so etwas tendenziell gereizt. Bemüht unbemüht sein, mich verwirrt es.

Nebenbei habe ich immerhin noch festgestellt, dass ein Sohn in diesem Sommer viel entschlossener als ich sein Monatsticket nutzt, dass er nach der Schule mit Freunden den ganzen Streckenplan in Hamburg abfährt, irgendwo aussteigt, dort dann herumgeht. Einfach nur, weil es geht. Heute waren sie in Niendorf. Was macht man denn in Niendorf? „Ja, nichts.“ Aber irgendwelche Eindrücke gewinnen sie doch dabei, denke ich mir. Im nächsten Jahr sollen in Hamburg die Schülerinnentickets kostenlos werden, lese ich, das ist einmal eine gute Nachricht, eine sinnvolle Entscheidung. Ob sie dann auch als Deutschlandticket gültig sein werden, das ist noch in Klärung. Na, man hofft so vor sich hin, und schön wäre es schon.

Mittwoch, der 28.6. Das von einer Großmutter geerbte Silberbesteck, mit dem ich neulich nicht fertig geworden bin, habe ich nach dem Home-Office weiter geputzt. Dabei diese Methode mit Alufolie, Salz und heißem Wasser probiert. Es stellt sich heraus, das funktioniert tadellos, es gibt also Haushaltstipps auf Tiktok, die tatsächlich anwendbar sind. Ich kann mich jetzt sogar wieder in den Löffeln spiegeln, das allerdings empfinde ich als eher unschön. Motivbedingt.

Auf meinen Einkaufswegen noch mehr über das Jahr 1923 gehört, es geht da um Thüringen und die extremrechten Bestrebungen dort, es ist alles enorm frustrierend. Hundert Jahre sind ein Tag. Wenn Sie diesen Satz gerade spontan Udo Jürgens zuordnen konnten und vielleicht sogar die Melodie gehört haben, sind Sie wohl auch nicht mehr das jüngste Exemplar, ne.

Update: Stimmt gar nicht, bei Udo Jürgens waren es tausend Tage! Zunehmende Verwirrung hier, Dank an Thomas Renger für den Hinweis.

Es geht mir nicht durchgehend so, dass mir Nachrichten aus Deutschland oder der Welt spürbar aufs Gemüt oder die Tagesform schlagen, ich komme über lange Strecken mit meinem fröhlichen Fatalismus recht gut durch, im Moment aber ist die Mischung aus dem Erstarken der Rechten und der fortschreitenden Klimakatastrophe plus Krieg schon extraherb. Ich lese in den Timelines von Menschen, die jetzt in energischer Gegenreaktion kurzentschlossen linksgrünen Parteien beitreten. Diese Phase habe ich schon hinter mir, been there, done that, got the t-shirt, es war leider nicht meine Welt.

Aber bitte, machen Sie das ruhig, es ist richtig so und ich wünschte tatsächlich, ich wäre da verwendbarer.

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Ansonsten ist unübersehbar ein islamischer Feiertag, das Opferfest, wie ich dann nachlese. Ich sehe viele Menschen in Festtagskleidung, aus verschiedenen Herkunftsländern und Kulturkreisen, teils sind sie betont prächtig gewandet. Es gibt viel Glanz und viel Gold, leuchtende Farben. Die Kinder können, auch das lese ich nach, an diesem Tag schulfrei haben, wenn die Eltern das so anmelden, ich hoffe, ich gebe das richtig wieder. Aber nach der Zahl der Kinder zu urteilen, die ich zur Schulzeit im Familienverband draußen sehe, wird es wohl so sein.

In der S-Bahn sitzen mir zwei kleine Mädchen in goldfadendurchwirkten, glänzenden Kleidern gegenüber. Ihre Eltern neben ihnen tragen Kleidung aus dem gleichen Stoff, mit dem gleichem Muster, und die beiden Kinder strahlen dermaßen gut gelaunt und aufgeregt, es ist fast ansteckend.

Aber eben nur fast. Das ist immerhin Hamburg hier und man fährt zur Arbeit. Contenance.

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Die Montagslaune

Montag, der 26.6. Nach einer furchtbaren Nacht, es ist erheblich zu warm in der Wohnung, man verglüht auf dem Bett, am Morgen entsprechend unerholt aufgewacht. Tropennächte, es klingt so nett wie in einem Jugendabenteuerroman, ist es im Erleben dann aber gar nicht. Im Wetterbericht prangt in der Vorschau auf die nächsten 14 Tage an jedem Tag ein Regentropfen, an manchen Tagen sind es sogar zwei, Gewitterwolken und Blitze sehe ich auch und die Temperatur soll demnächst deutlich sinken. Ich bin damit nicht unzufrieden, der Garten wird es auch nicht sein, allein mir fehlt noch der Glaube.

Ich lese widerstrebend die Wahlergebnisse in Thüringen nach, die Sache mit dem Landrat. Man kann sie, wenn man sich gerade intensiv über das Jahr 1923 informiert, nur schwer verdauen, nein, man kann sie gar nicht verdauen und es tut mir ausgesprochen leid für alle Menschen dort, die auf irgendeine Art zum Feindbild der Rechten gehören. Es werden nicht eben wenig sein, und sie werden nun noch offener angegriffen werden. Die Mechanismen sind so einfach, und es ist alles bekannt. Man kann es in Geschichtsbüchern nachlesen, in der Soziologie, in der Psychologie, in der Wahlforschung, überall. Bei Joseph Roth, bei allen Autorinnen der verbrannten Bücher, bei so dermaßen vielen, die Bibliotheken sind voll damit.

Und ich halte den Satz, den ich in Kommentaren heute öfter lese, die Politik müsse sich wieder oder mehr „an den Bedürfnissen der Menschen orientieren“ für falsch, für Unsinn, geradezu für ein Missverständnis der demokratischen Gesellschaftsordnung. Politik muss sich an dem orientieren, was richtig und machbar ist. Alles andere ist Populismus. Die Menschen haben das Bedürfnis, überall kostenlos zu parken und auch bei Rot über Kreuzungen zu fahren, um ein einfaches Beispiel zu nennen, und es können einem wirklich viele Beispiele einfallen. Die Menschen haben auch ein Bedürfnis nach Freibier, dann muss die Politik das wohl bereitstellen, was weiß ich. Meine Güte.

Ich sehe mir einen Vortrag zum Klima von Mark Benecke an (darauf gekommen via Sven auf Mastodon), danach ist die Montagslaune nicht weiter steigerbar, der Tag kann weg.

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Berlin, Byron, Beeren

Sonntag, der 25.6. Ich sehe mir am Morgen eines heißen Tages eine arte-Doku an, es geht um die Arbeit bei Hitze. Danach fahre ich in den Garten, auf dem Weg kaufe ich Brötchen in einer Bäckereikettenfiliale. Die Stadt wird gerade erst warm, der Verkäufer trägt aber schon, und ich sehe das in dieser Form zum ersten Mal, einen kleinen Ventilator an einem Band um den Hals. Das Gerätchen ist nach oben gerichtet und kühlt ihm fortwährend das Gesicht und den Hals. Was es jetzt alles gibt, wie es alles zusammenpasst.

Ich höre wieder Volker Ullrich, Deutschland 1923, Das Jahr am Abgrund. Es geht gerade noch einmal um die Hyperinflation und ich möchte eine winzige Stelle zitieren, speziell für Leserinnen und Leser in Berlin. Sie erscheint mir ungemein passend, wenn nicht sogar sensationell passend, diese Stelle, besonders auch für den Freundeskreis Bezüge zu Gegenwart. Durch die aberwitzigen Preise werden im Laufe des Jahres 1923 die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln für viele Menschen vollkommen unerschwinglich, da alle aber dennoch dauernd irgendwo hinmüssen, wie es in Großstädten nun einmal zugeht, suchen sie sich andere Möglichkeiten und ich möchte eine Schlagzeile aus diesem Jahr zitieren. Vorsicht, sie tut vielleicht ein wenig weh: „Berlin ist jetzt die Stadt der Radfahrer.“ Es ist hundert Jahre her, meine lieben Berlinerinnen, ich winke freundlich.

Auf Dauer können einen die Bezüge zur Gegenwart aber auch ein wenig nerven, permanent musss man beim Lesen oder Hören mitdenken, es ist wie damals in der Oberstufe, keine Seite kann man in Frieden einfach nur genießen. Ich flüchte daher zu Byron, zu seinen Briefen. Aber das hilft auch nicht, denn dort steht, es geht gerade um die Weber: „So sehr wir auch gewiss, mein Lord, jede Verbesserung in den Künsten, die der Menschheit zum Segen gereichen kann, dankbar begrüßen mögen, so dürfen wir doch nicht gestatten, dass die Menschheit den Verbesserungen auf dem Gebiet der Technik geopfert wird. Der Unterhalt und die Wohlfahrt der Armen ist für die Gemeinschaft von größerer Bedeutung als die Bereicherung von ein paar Monopolisten durch technische Verbesserungen, die den Arbeiter seines Brotes berauben und ihn „seines Lohnes unwert“ machen.

1812 war das, stellen Sie sich das vor, 1812. Vielleicht besser noch einmal: „Der Unterhalt und die Wohlfahrt der Armen ist für die Gemeinschaft von größerer Bedeutung als die Bereicherung von ein paar Monopolisten durch technische Verbesserungen …“

Ich lege das Buch weg.

Ich pflücke mir ein paar Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Erdbeeren, Süßkirschen, Sauerkirschen und dann auch noch auch drei Gurken. Der Mensch braucht Ablenkung, denke ich mir. Er kann sie in Beeten und anderswo finden.

Eine kleine Schüssel voller eben gepflückter Himbeeren

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Legale Suchtmittel zur freien Verfügung

Sonnabend, der 24.6. Der Tag beginnt mit den Ereignissen in Russland, der Prigoschin-Aufstand. Ich hänge selbstverständlich an den Newstickern, es ist eine Sucht. Nie habe ich es geschafft, solche Lagen zu ignorieren oder einfach etwas abzuwarten, vielleicht am Abend alles nachzulesen. Ich will das alles wissen, möglichst aus zig Quellen, und möglichst sofort, jetzt. Ich weiß, dass es mir nichts bringt, dass es überhaupt nichts nützt und auch nichts ändert, aber das hilft dem Drang nicht ab. News-Junkies sind schwer von ihrem Stoff abzubringen, das Zeug ist auch allzu leicht zugänglich für uns. Das Internet ist da keine Hilfe, ist eher die Legalisierung eines starken Suchtmittels.

Egal, es gibt schlimmere Abhängigkeiten, so viel steht auch fest. Und ich war auch schon vor dem Internet drauf, das Medium ist in diesem Fall unschuldig. Ich gehöre zu den Leuten, die damals pausenlos den Bildschirmtext im Fernseher aktualisiert haben, ob nicht vielleicht eine neue Meldung, etwas Eiliges, Wichtiges … das kann man heute auch keinem mehr erzählen, liebe Kinder, ich weiß.

Wobei ich bei den Tweets und anderen Meldungen aus den Kreisen der Presse und der Fachwelt aus Stiftungen, Universitäten, Think-Tanks etc. die schier endlose Wiederholung von Popcorn-Witzen in Bezug auf Russland abstoßend finde. Die fortschreitende Infantilisierung der Weltgeschichte, alles nur noch Sketch-Szenen mit Lachern vom Band, jeder Clip und Scherz bemüht bunter und zynischer als der andere. Muss das so?

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Im Garten bieten sich währenddessen Erdbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Taybeeren und Kirschen in leuchtenden Farben lockend zum Verzehr an, wobei die Taybeeren geschmacklich nicht recht überzeugen. Sie wirken seltsam unentschlossen in der Richtung, wonach genau soll das schmecken. Aber sie bekommen doch noch eine freundliche Vier von mir, was soll die Strenge. Auch mal was durchgehen lassen! Die Himbeeren dagegen – der Hammer. Und einige winzige Erdbeeren, tiefrot sind sie, sie schmecken wie saftiges Sommerkonzentrat. Kleinfinkerkuppengroß nur, aber so süß kann der Juni sein.

Zwei lange Gurken gibt es auch schon, es sind die ersten der Saison, und wie immer schmecken sie viel gurkiger als die Exemplare aus dem Discounter. Die Birnen schwellen jetzt schneller, die Äpfel auch, die Pflaumen aber fallen in diesem Sommer komplett aus. Die Johannisbeeren schwächeln erheblich, die Heidelbeeren sind noch lange nicht dran. Na, die Bilanz ist so schlecht nicht.

Ein Blick in einen Kirschbaum, rote und gelbe Früchte, viele

Die Kartoffeln blühen, die Tomaten und einige Gurken auch noch, der Topinambur geht mir immerhin bis zur Brust. Von zwölf gepflanzten Kohlrabis sind noch zwölf am Leben, das ist eine Sensation. Unfassbar ist das, noch nie haben wir das erlebt, muss man sich jetzt auch noch Sorgen um die Nacktschnecken machen oder was, hat das Artensterben sie erwischt.

Den Rittersporn und auch einige andere Stauden hat der Regen am Donnerstag ruppig niedergeprügelt. Sogar eine Rose liegt geschlagen darnieder, die pinkfarbenen Blüten verdreckt im Staub, es ist eine Majestätsbeleidigung.

Nach dem roten Mohn ist nun der rosafarbene dran und blüht nach Kräften, die Kapuzinerkresse holt auch schon einmal aus und spannt die raumgreifenden Blätter immer weiter. Die Telekien blühen, die Schafgarbe, das Löwenmaul, einige Nelkenarten, die erste Hortensie, das Brandkraut, die Wucherblume.

Es kommt eine Mail vom Gartenverein, der Hinweis auf Johanni. Ab da ist Hecke zu schneiden, und zwar korrekt, versteht sich, siehe Merkblatt anbei. Es kommt jedes Jahr textgleich, man kennt das.

Und ab dem Johannistag ist auch, das ist noch wesentlich bekannter, kein Spargel mehr zu essen und kein Rhabarber. Ein Tag also, der die Saisonküche sauber in Phasen trennt. Es ist damit der einzige religiöse Feiertag, der mir gültige Anweisungen gibt, die etwas mit meinem Alltag zu tun haben. Faszinierend.

Ich schreibe dies so auf, die Herzdame aber liest die Mail vom Gartenverein, steht auf und schneidet die Hecke. Tatmenschen auch mal bewundern! Aber, versteht sich, nur indem ich es notiere.

Wir haben uns nun einmal so ausgesucht, wie wir sind, denke ich, und gehe später zusammenharken, was da so anfällt. Das macht man als Schreibender eh routinemäßg.

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Die Lösung aller Probleme

Freitag, der 23.6. In den Nachrichten sehe ich etwas Geschichtsunterricht, meine Heimatstadt betreffend, es geht um die Lübecker Märtyrer. Ich glaube, in meiner Schulzeit sind sie mir nicht als Teil des Lehrplans begegnet, ich habe zumindest nicht die leiseste Erinnerung daran.

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Im Bereich der Klimawandelmeldungen wird die Zukunft nun immer greifbarer, hier geht es etwa um Ostsee- und Elbe-Spree-Leitungen für das viel zu trockene Brandenburg. So tritt es also alles ein, so passiert es und drängt in den Alltag, und wie unaufgeregt und nebenbei man das zur Kenntnis nimmt, mit welcher Dezenz sich die Wirklichkeit verschiebt und verändert. Irgendwelche Nachrichten eben, irgendwelche Bauprojekte, okay, jetzt die nächste Meldung.

Aber hier auch einmal eine abweichend positive Sichtweise, Anders Levermann über die Lösung aller Probleme. Sympathisch vorgetragen, finde ich, einen schicken Anzug trägt er auch.

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Und in Hamburg gibt es heute noch Neuigkeiten für den Freundeskreis Stadt im Wandel, so soll es mit dem riesigen Gebäude von Gruner & Jahr weitergehen. Ich werde, versteht sich, nach Möglichkeit berichten, auch über das neue Einkaufszentrum in der Hafencity und den nachfolgenden weiteren Abfall der Innenstadt, wenn er denn so eintritt, wie es allgemein vorhergesagt wird. Ich habe das immerhin alles in Spaziergangsweite, im eigenen Revier, vor der Tür. Eine Menge Stadt ist das, was sich mir hier anbietet.

Am Nachmittag kommt die Sonne doch wieder durch, nachdem das Unwetter über Deutschland etwas kurze Abkühlung gebracht hat. Es wird schnell wieder heiß und ich merke, dass ich definitiv keine Lust habe, durch diese Hitze zu gehen. Allerdings brauche ich dringend noch Bewegung, denn ich lebe ungern unter 10.000 Schritten pro Tag. Einerseits ist das so, weil ich in manchen Dingen unerbittlicher Zahlenpedant bin, andererseits auch, weil ich die Bewegung tatsächlich brauche und sonst keinen Sport mache, ich gehe nur viel.

Ich gehe also raus und tauche sofort in die Kühle der U-Bahn ab. Ich fahre ein paar Stationen, ich gehe über Bahnsteige, ich fahre noch ein paar Stationen und gehe über andere Bahnsteige. Ich gehe durch den Untergrund des Hauptbahnhofs und durch den des Jungfernstiegs und auch den des Rathauses, ich gehe auch durch Gänge, in denen ich lange nicht war. Ich sehe mir wartende Menschen an, einfahrende Züge, aussteigende und einsteigende Passagiere, ich frage mich, warum ich so etwas nicht längst öfter gemacht habe, dann fällt es mir wieder ein: Ohne Abokarte ging das jahrelang gar nicht. In Hamburg darf man ohne Ticket nicht auf die Bahnsteige und ich lebe ebenso spießig wie regelkonform.

Ich finde meinen U-Spaziergang jedenfalls hervorragend und ungemein hitzeverträglich, es ist angenehm hier unten, gut temperiert. Das mal öfter so machen.

Ich suche mir den richtigen Sound für einfahrende Züge an halbvollen Bahnsteigen, die Wahl der Musik ist in allen Lebenslagen wichtig. Ich lande heute bei Jim Morrrison und den Doors, bei denen man öfter landen sollte. Es gibt kaum eine Band, bei der ich so oft beim Wiederhören denke: Ja, sie waren verdammt gut, es gibt da keinen Zweifel. Wahre Untergrundmusik ist das. Einen Tick lauter als normal sollte man sie hören, damit es maximal wirkt.

„The music was new, black polished chromeAnd came over the summer like liquid night.”

Eine Minute ist das nur, aber die hat doch was.

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