Weiterhin nichts

Am Abend sehen wir mit der ganzen Familie eine weitere Folge von „Der Doktor und das liebe Vieh“. Mittlerweile wirkt die Titelmelodie schon familiär euphorisierend, hurra, Sofasitzen und Gucken im Rudel. Haben wir also auf den letzten Metern der Kindheiten doch noch erfolgreich gemeinsames Fernsehen als Erlebnis etabliert, das war knapp.

Wir sind in der Serie mittlerweile weit fortgeschritten und ich finde es zunehmend verstörend, dass die drei Tierärzte niemals eine Angabe zur Dosierung der Medikamente machen. Sie geben den Bauern dauernd Flaschen mit Flüssigkeiten in verstörenden Farben mit und Pulver und Salben, sie sagen: „Nehmen Sie das“ oder „Geben Sie ihr davon“, sie zeigen auf das Schwein oder auf die Kuh – und dann ist alles klar. Die Bauern sehen die Flaschen oder Dosen sinnend an, nicken und ziehen zufrieden ab. Keine Beipackzettel, keine weiteren Informationen, gar keine, nicht ein einziges Mal. Wenn man erst einmal darauf achtet – es macht einen irre. Wieso hat das damals keinen gestört, es ist doch offensichtlicher Unsinn?

Außerdem tragen in dieser Serie alle Männer permanent Pullunder und ich merke, wenn die Läden jetzt geöffnet wären, ich würde eventuell nach einem gucken. Aus modischer Solidarität zu mir sympathischen fiktiven Figuren, manchmal reagiert man doch wirklich seltsam und ja, man muss aufpassen, was man guckt. Literatur wirkt nicht so auf mich und ist also viel ungefährlicher. Ich meine – Pullunder. Ich muss doch bitten.

Ansonsten sind wir ausreichend damit beschäftigt, beim Zusehen immer wieder zu überlegen, wer in dieser Familie eher Siegfried, Tristan, James oder einem der verschrobenen Bauern ähnelt, das fällt hier jetzt unter Gesellschaftsspiel. Man braucht dringend etwas Entertainment, nicht wahr.

Ich lese am Morgen zunächst beflissen die Beschlüsse der MPK nach, allerdings ähneln diese so sehr einer vertrackten Textaufgabe, dass ich nicht bis zum Ende komme, die Aversion gegen so etwas ist in den letzten Wochen einfach zu groß geworden. Und es ist auch egal, ich nehme ohnehin an, dass es vorerst besser und auch einfacher ist, weiterhin nichts zu machen, auch wenn es mich, wie vermutlich die meisten, allmählich wirklich drängt, etwas zu machen, etwas zu erleben. Text dazu an anderer Stelle in Kürze, fällt mir gerade ein, bevor ich den hier noch einmal schreibe.

Im Laufe des Tages stand ich heute einmal im Flur und wusste auf einmal nicht mehr, was ich wollte. Das ist nicht originell, aber es dauerte unangemessen lange, bevor mir auf die schlichte Frage „Wer bin ich und was mache ich hier?“ endlich eine halbwegs plausible Antwort einfiel, und die schien mir dann auch noch zweifelhaft. Daraus wurde dieser Tweet:

Mir fiel zu diesem Tweet noch – apropos seitliche Bewegungen – ein Lied der Smothers Brothers ein, die Ballade von Hermann and Sally, ein bewegendes Lied, gar keine Frage, Sie kennen es vielleicht nicht. Die Smothers Brothers, das noch eben als Empfehlung, sind sowieso interessant, ruhig mal nachlesen, nachsehen, nachhören. Wichtige Humorgeschichte, bis hin zu ihrer Version von The impossible dream, man kann sie auf Youtube finden.

Die Söhne haben übrigens nach wie vor Ferien, die Herzdame hat jetzt auch Urlaub. Ich werde morgen früh als last man standing mein Notebook mit besonders erlesener Bitternis im Herzen aufklappen und noch einen letzten langen Tag arbeiten. Und ich werde das aus lauter Gemeinheit in der Küche tun und alle verbellen, die da nach dem genüsslichen Ausschlafen hineinwollen um zu frühstücken oder was auch immer zu tun: „Ich habe einen Call! Raus! Wichtig!“

Sollen sie sich doch Kuchen kaufen, wenn sie Hunger haben.

Ab morgen Abend bin ich dann eventuell besser gelaunt, vielleicht sogar eine ganze Woche lang.

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Und im Schlaf war er nichts

Am Abend (pardon, ich bin noch bei gestern) wende ich mich wieder dem Sofa und Hörbüchern zu, während die Familie um mich herum exzessiv wuselt und eskaliert und mich alle drei Minuten anspricht. Aber ich spiele heute einmal eiserne Konzentration, ich ziehe das durch, ich liege, ich höre. Ich kriege in Wahrheit zwar nichts mit, aber egal. Das Freudenhaus von Maupassant, das kenne ich immerhin schon als selbst gelesenen Text aus einem Buch zum Anfassen, da sind ein paar Aussetzer in Ordnung.

Dann das Evangelium nach Johannes, denn ich finde, das habe ich schon einmal erklärt, die Bibel aus sprachlichen Gründen interessant, wenn schon nicht aus religiösen. Allerdings fängt das Werk etwas kryptisch an, Sie wissen schon, das Wort ist bei Gott und Gott ist das Wort oder wie herum und noch in der ersten Minute war der Schlaf beim Buddenbohm oder der Buddenbohm im Schlaf und Schlaf ist er geworden und im Schlaf war er nichts. Seit Jahrhunderten schlafen Menschen in Gottesdiensten ein, das ist eine gut erprobte Wirkung, warum nicht auf Erfahrungen vertrauen. So verging der Abend, ich habe nicht viel davon mitbekommen und das ist vermutlich auch gut so.

Am nächsten Morgen schon wieder Nebel. Alles neigt zu Wiederholungen, auch das Wetter, auch ich. Ich stehe im Bademantel auf dem Balkon, sehe ins urbane Grauweiß und sage leise: „Hier spricht Edgar Wallace.“  Nichts rührt sich, gar nichts, und was nützt die schönste Kamerafahrt über den Kirchhof, wenn danach einfach nichts kommt. Ich gehe lieber in der Wohnung herum und suche das Positive, denn von selbst springt es einen manchmal nicht an. Pflanzkartoffeln, denke ich, ich nehme einfach die Pflanzkartoffeln. Die liegen da auf der Anrichte, auch ein seltsam aus der Zeit gefallenes Wort übrigens, sie liegen da und warten darauf, dass ich sie liebevoll in eigens für diesen Zweck gesammelte Eierkartons bette, auf dass sie munter vortreiben und bald ins Beet können, welches ich bei besserem Wetter noch mit Kompost großzügig zu versorgen habe. Das sind doch klare und nach vorne gerichtete Gedanken, so ist es recht und zack, bin ich eingenordet für einen Tag, den ich mit Staunen als Mittwoch zur Kenntnis nehme, wo es doch ein Donnerstag ist, also gefühlt. Wenn nicht sogar ein Freitag, also kräftemäßig.

Teresa Bücker, ich sehe es bei der morgendlichen Streife durch mein Internetrevier, schreibt etwas über Ferienschulen, alleine das Wort schon, aus dem Vokabular von Frau Mahlzahn oder was, jene Frau Bücker also zitiert hier Sue Reindke:

Ferienschule ist das Schlimmste, was man noch machen kann. Es hört sich zwar logisch an, doch wenn Schüler*innen in der normalen Lernzeit schon Schwierigkeiten haben, brauchen sie andere Dinge als noch mehr Druck.”

In diesem Zusammenhang siehe auch: „Giving kids a break is the best way for them to catch up after a year of disruption.”

Ferienschule, meine Güte. Und für Erwachsene dann bitte Urlaubsarbeit, ist klar, wir fallen sonst zurück.

Apropos Arbeit, mein Home-Office findet heute in der Abstellkammer statt. Die ist groß und geräumig, da gibt es sogar einen Schreibtisch. Allerdings gibt es keine Fenster und was man spricht, das wird wegen einer Belüftungsöffnung auch im Treppenhaus gehört. Wenn man also etwa Auftragskiller ist und telefonisch etwas zu klären hat, dann ist diese Kammer als Arbeitsort etwas ungünstig, zu viele Zeugen. Ich bin kein Auftragskiller, das wollte ich auch nie werden, denn da muss man zu viel reisen, das mochte ich früher nicht. Neuerdings würde ich gerne mal rauskommen, aber für einen Berufswechsel ist es bei mir schon zu spät. Ich setze mich in die fensterlose Kammer vor das Notebook und stelle mir – man muss irgendwo auch fantasiestarkes Kind bleiben – um mich herum besseres Wetter vor, eine andere Stadt, eine andere Jahreszeit. In fensterlosen Räumen immer träumen, alte Regel.

Der Satz mit dem Auftragskiller erinnert mich auf Umwegen an einen Scherz meiner Mutter, an ihren besten womöglich, den habe ich vermutlich schon einmal erzählt. Er ist vielleicht gar nicht von ihr, das kann sein, aber er ist immer noch gut, finde ich. Und zwar war das ihre Antwort, als ich ihr mal erzählte, dass Sohn I später beruflich etwas mit Menschen machen möchte, da sagte sie, und es klang überzeugend spontan: „Soll er Bestatter werden, da kriegt er Menschen geliefert.“ Der Satz illustriert auch recht schön die gesellige Begabung in unserer Familie.

Apropos Home-Office. Wie viele andere überlege ich gerade schon einmal, ob das Home-Office eigentlich Teil meines Alltags bleiben sollte und wenn ja in welchem Anteil. Die Pandemie hat da für etliche Möglichkeiten geschaffen, die es früher nicht gab, was jetzt alles geht! Ich habe allerdings noch nie Home-Office in der entspannten Version gemacht, ich kenne das nur als Doppelbelastung. Denn vor Corona habe ich das meist bei Kinderkrankheiten gemacht und während Corona waren die Kinder auch immer da, und wie die da waren, die waren so etwas von da. Und das wiederum heißt, wenn diese Pandemie einmal vorbei ist, dann müsste ich eigentlich Home-Office erst einmal testen, um zu wissen, wie ich das finde. Ein vielleicht halbwegs origineller Gedanke in der aktuellen Situation. Aber so sieht es aus.

In der Abstellkammer liegen neue, leere Notizbücher auf dem Schreibtisch, mein Vorrat, nein, ein Teil meines Vorrats. Zwanzig Stück, das fällt bei mir unter Reichtum. Dazu dann noch der Vorrat neben dem Bett, im Moment geht es, ich komme so durch. Also was Raum für Notizen betrifft, das ist ja wichtig.

Und in der Abstellkammer stehen auch vier alte und etwas ausgeblichene Bilder eines Urlaubs, ein beschädigter Rahmen drumherum, deswegen wurden sie vor einiger Zeit ausrangiert und hier erst einmal abgestellt. Dänemark ganz damals, da war die Herzdame gerade mit Sohn I schwanger und steht auf einem Foto mit rundem Bauch auf einem Steg an der Nordsee in der Abendsonne, welche sie freundlichst beleuchtet. Das ist ein ganzes Zeitalter her. Da reiste man noch. Auf einem der Bilder sieht man einen Stapel Bücher, man kann nicht erkennen, welche das sind, aber sie liegen auf einem Kaminsims und sehen gut aus. Diesen Stapel habe ich in dem Urlaub durchgelesen, einfach so, das weiß ich noch. Ein Buch nach dem anderen, noch eines, noch eines, aber satt war ich noch immer nicht.

Interessant, was ich alles mal konnte.

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Ich bin ganz vorne

Die unblogbaren Themen sind bei der ichweißnichtwievielten Welle, ich zähle schon längst nicht mehr mit. Die anderen Themen daher umso mehr beachten, das also notieren, was überhaupt noch beschreibbar ist, da mal genauer hinsehen. Noch genauer. Zwischen allem anderen hindurchsehen, zwischen den gewissen Themen durchschreiben. Alles mitschreiben, Schreiben tut gut, es ist im Grunde doch einfach.

Am Morgen hängt Nebel über der Stadt, der Kirchturm verliert sich oben im Ungefähren. Vögel drum herum, stilles Geflatter im Dunst, auftauchen, abtauchen. Die Häuser ringsum noch lange ohne alle Lichter. Die Pandemie hat die Menschen zu Spätaufstehern gemacht, auch an Werktagen, ich bin drei Stunden vor der Mehrheit. Ich bin ganz vorne, ich bin der Erste, ich habe gewonnen. Was auch immer.

Ich klappe mein Notebook auf. Ein Auto der Stadtreinigung fährt laut vorbei, auf dem steht: „Wir lassen nichts liegen.“ Irgendwo muss das Motto des Tages ja herkommen. Ich gehe noch einmal auf den Balkon, ich lasse auch keine Aussicht liegen. Was ist anders? Die Mirabelle auf dem Spielplatz ist auf einmal lichtgrün umflort. „Geht doch!“, rufe ich ihr zu, „Geht doch!“ Ruhig auch mal Pflanzen motivieren, das macht sonst wieder keiner. Was noch? Zwei Elstern sind noch einmal auf Nestbesichtigung, leise diskutierend. Die Lage, die Lage, sie wissen nicht recht. Die Ringeltauben im kahlen Holunder gucken tantenhaft indigniert.

Auf dem Wohnzimmertisch ilafarbene Tulpen. Die schieben die Herzdame und ich entschlossen an den Rand, da müssen jetzt zwei Notebooks hin und Mäuse und Papiere und Stifte und viel Kaffee und Headsets und Ladekabel. Deko ist hier längst nicht mehr systemrelevant. Auf meinem Notizblock steht: „Pro Office“. Ich lese das und denke: Ich weiß ja nicht.

Die durchbrechende Sonne vergoldet jäh den verwehenden Nebel vor den Fenstern und gleichzeitig steigt der auch, ein Spezialeffekt allererster Klasse. Ich nicke anerkennend. Jetzt sieht man auch die Wetterfahne auf dem Kirchturm, sie blitzt auf und will gesehen werden, Süd, Südwest. Ich denke an den vent du sud in dem Lied über Flandern von Brel, quand le vent est au sud écoutez-le chanter. Man assoziiert sich so durch, man assoziiert sich so weg. Brels Strahlen, während er diese Stelle singt, zu und zu schön, das kann ich immer wieder gucken.

Und ich hatte das schon einmal, ich weiß, aber ich mag es so sehr, dass es dieses Lied auch auf Flämisch gibt. Man kann den Text mitlesen, während er singt, man kann Flämisch mitsingen und man weiß dann, es ist de zuidenwind und da hat man wieder was gelernt.

Allerdings kommt mit dem Wintersüd hier keine Wärme, mit diesem Süd kommt eher ein Tief nach dem anderen. Nackenschläge ohne Ende und es wird auch wieder kälter. Im Wetterbericht auf dem Handy erscheinen die Piktogramme für Schnee und Regen, Minusstriche vor Zahlen sehe ich auch. Aber das kommt erst noch, heute wird noch schön, heute gibt es alles mit Goldrand und in der Sonne wird es gehen. Ich erkenne die Tagestemperatur ab dem Vormittag immer an den Menschen auf dem Spielplatz. Ich gucke von oben, was die anhaben und ob die Jacken offen sind und ob die da herumhüpfen oder entspannt auf den Steinen sitzen. Dann weiß ich Bescheid.

Es klingelt, das ist die Geschenkpost. Ich bin mit Dankespostkarten seit zwei Wochen knietief im Dispo, da dringend mal ran, Herr Buddenbohm. Aber hier auch schon einmal ein Dank.

Es klingelt schon wieder, das ist der Hausmeister. Der dichtet etwas in der Küche ab, die dürfen wir danach einen Tag nicht benutzen, sagt er, das kommt für uns überraschend. Kein Wasser, kein Kochen, kein Aufenthalt. „Frei!“, rufe ich, „Ich bin frei!“ Dann fällt mir der Bürojob wieder ein. Irgendwas ist immer.

Es klingelt im Posteingang. Zwei Kunden finden gottseidank Texte von mir gut, das ist erfreulich. Allerdings sind es Texte, die ich geschrieben habe, als es mir nicht gut ging, darüber muss ich nachdenken. Ein Tag mit einem seltsamen Krankheitsgefühl war das, ein Gefühl völliger körperlicher Verelendung, wie kurz vor einem Ausbruch von etwas. Es war dann aber gar nichts, es war vermutlich nur wieder die Müdigkeit, der Stress, die Situation. Aber in diesen Zuständen jedenfalls, so sieht es wohl aus, denn es hat sich mehrfach ähnlich wiederholt, schreibe ich also besonders brauchbar und zur vollen Zufriedenheit der geschätzten Kundschaft. Eine Variante mit außergewöhnlich gelungener Produktion in körperlicher und geistiger Bestform wäre mir vielleicht lieber, aber was soll ich machen. Ich erzähle das nebenbei der Herzdame, die mir daraufhin vorschlägt, ich möge doch, wenn man bei mir mal eine finale Krankheit diagnostizieren sollte, auf den letzten Metern schnell noch einen Besteller schreiben, das könnte nach der Logik eventuell klappen und dann sei sie wenigstens versorgt, das würde sie gut finden. Romantik!

Zum Mittagessen holen wir Pizza aus einem Restaurant. Also die Herzdame und die Söhne holen sich je eine Pizza, ich esse nur die Reste und also am meisten. Familienlogik, manchmal ist es ja seltsam.

Am Nachmittag hat ein Sohn einen Arzttermin, ich bringe ihn hin und warte vor der Tür. Die Sonne scheint und Menschen flanieren auf und ab. Einer entdeckt etwas Bekanntes und sagt zu seiner Frau: „Guck mal, da vorne ist Bonprix.“ Und die Frau sagt: „Das ist doch wohl egal, was wo ist.“

Ein Polizist sagt einer Frau in der Fußgängerzone, dass sie auch beim Rauchen die Maske tragen müsse, die Frau sagt: „Das geht doch gar nicht.“ Der Polizist lacht. Die Frau guckt, der Polizist guckt, dann macht sie die Zigarette aus und setzt die Maske auf.

Die Weihnachtsbeleuchtung wurde doch noch abgehängt, sehe ich. Nur ein kleiner Teil hängt noch, also nur eine der Strippen, die da quer über die Straße gehen und an denen dann die Beleuchtung baumelt. Es ist die letzte Strippe, die noch da hängt, vielleicht wurde sie vergessen. Oder es ist die Erste und sie fangen schon wieder an, das kann auch sein. Es wundert einen nichts mehr.

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Die Befindität

„Wie ist die Befindität“, das fragt der Hofrat Behrens im Zauberberg seine Patienten, das ist der sogenannte Humor von Thomas Mann. Wenn einem so ein Hofrat auf dem Flur begegnen würde, mit dieser Frage, in dieser Lage, wo sollte man anfangen?

Ich bitte einen Sohn, mir den Avatar in einer App zu gestalten. Ich habe keine Lust auf das Gefummel und Gefrickel, mir ist das Ergebnis auch egal, ich habe im Grunde keine Lust auf gar nichts, nicht auf Apps, nicht auf Avatare, ich möchte ins Bett und dort länger bleiben. Alleine. Schweigend. Aber! Der Sohn fragt, ob der Avatar cool sein soll oder mehr so wie ich, und ich glaube, die Frage ist ebenso berechtigt wie zielführend. Um den legendären Satz aus diesem Meditationsbuch im letzten Jahr, über den ich immer noch lache, diesen „Da wo du hingehst, da bist du dann“ (ich könnte da wirklich stundenlang drüber lachen, ich brauche seit diesem Satz überhaupt keine Comedy mehr), um also diesen Satz etwas abzuwandeln: „So wie du wirst, so bist du dann.“

Die Söhne haben Ferien, ich nicht, die Herzdame nicht. Ich stehe morgens zur normalen Zeit auf, ich gehe in die Küche und werfe Kaffee und Notebook an, ich murmele „Käpt‘n auf Brücke“ und mache Enterprise-Türgeräusche. Ffft.

Es läuft nicht. Ich bin uncool, die Situation ist uncool und der März ist auch nur gut für einen Fake-Frühling, sagt die Erfahrung. Im Garten ist es kalt und grau und nicht eben schön. Wir fahren dennoch hin, dann wechselt einmal am Tag die Kulisse und wenn wir da sind, dann können wir wieder nach Hause fahren, dann haben wir etwas unternommen.

Aushielt er, bis er den Urlaub gewann. Nächste Woche. Das ist so die Befindität.

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Links am Morgen

Das mit den Zedern ist toll, aber auch, was hier im Absatz Kontrast steht, trifft es.

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Schreiben und Corona: “I can’t connect with my imagination. I can’t connect with any creativity. My whole brain is tied up with processing, processing, processing what’s going on in the world.

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Johnson und seine Briefe (Audio)

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Wolfgang Müller hat ein neues Lied:

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Das hier fand ich auch gut. Arlo Parks.

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Und auch das hier. Bei einem Konzert dieser Art in der ersten Reihe stehen, das wäre gerade verlockend. Ein etwas seltsamer Gedanke für mich.

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Aber in Berlin ist das anders

Ich suche Menschen, ich suche Gesellschaft. Ich will über Menschen schreiben, da muss ich auch Menschen sehen, und zwar mehr, als mir im Home-Office und in der Home-School über den Weg laufen. Viel mehr. Ich gehe in einen großen Park. Es ist ein Frühlingstag mitten im Winter. Sonnenschein, Pulloverwetter, für manche ist das auch schon T-Shirtwetter. Einige Büsche haben sich in aller Eile einen hauchdünnen Schleier aus lichtem Grün übergeworfen, noch leicht zu übersehen. Die Krokusse dagegen blühen schon in aller Deutlichkeit, der Rasen ist überall mit lilafarbenem Leuchten durchsetzt. Sogar zwischen den Pflastersteinen und Treppenstufen kommen hier die Frühblüher durch, überall strahlt es bunt und die Menschen im Park bleiben ab und zu stehen und lächeln und seufzen und zeigen sich die schönsten Stellen und machen dann Fotos von sich und den Blüten. Der Krokus beweist den Frühling, das ist sein Job. Und wer den ersten Krokus im Jahr sieht, der macht ein Foto davon für die sozialen Medien, das ist unser Job. Im Nebenerwerb dann noch die uralten Scherze über den Plural der Pflanze.

Eine junge Frau macht Fotos von einer anderen jungen Frau, die sich zu diesem Zweck in die Krokusse legt und dort dekorativ räkelt. Eine Schulter wird frei, ein Lächeln strahlt, eine Hand versucht verschiedene Haltungen, so oder so? Was ist besser? Finger in den Haaren, Hände an den Wangen. Augenaufschlag. Krokusse knicken unter dem Motiv weg, aus denen wird sicher nichts mehr. Man wird, wenn die Frau sich wieder erhoben hat, ihren Umriss in den Blumen noch ahnen können.

Zwei Schülerinnen gehen vorbei, bleiben stehen, pflücken Blumen, stecken sich Krokusblüten in die Haare und machen dann Selfies. Sie gucken auf ihre Handys und kichern und kichern. Auf den Fotos ist der Frühling 21, und es wird alles ganz normal aussehen. So normal albern, wie es in dem Alter eben ist.

Ich setze mich auf ein Mäuerchen und mache mir Notizen. Mir gegenüber sitzt ein Mann auf einer Bank und schreibt auch etwas. Ganz ernst sieht er dabei aus. Ab und zu guckt er sinnend in den Himmel, dann auf die Blüten, dann wieder auf seinen Block. Er schreibt immer nur einen Satz oder ein paar Stichwörter, dann macht er eine lange Pause. Bestimmt macht er viel geistreichere Notizen als ich. Das denke ich immer, wenn andere Menschen schreiben. Ich möchte nicht wissen, wie oft es stimmt.

Es ist unfassbar warm in der Nachmittagssonne. Die Menschen auf den Bänken recken die Gesichter in die Sonne, ziehen ihre Jacken aus, legen Mützen ab und setzen Sonnenbrillen auf.

Ich sehe überall nur einzelne Menschen oder Paare. Gruppen sind nicht erlaubt, die Kontaktbeschränkungen. Man hält sich daran. Die Paare reden miteinander und viele der einzelnen Personen reden in ihr Handy. Überall höre ich Gemurmel, leises Reden, Diskussionen in etlichen Sprachen, viel Englisch dabei. Hörte man früher auch so viel Englisch im Park? Ich kann mich nicht erinnern, früher ist lange her. Am Teich schnattern die Enten, das passt erstaunlich gut in das allgemeine Reden.  Was ich nicht höre, das sind Schreie oder lautes Rufen. Ich höre auch kein Lachen, all die Laute höre ich nicht, die in Gruppen entstehen. Es toben auch keine Kinder herum, es ist alles dezent und eher verhalten. Da hinten ist eine Kita, der Spielplatz im Garten ist kinderleer. Wie voll und trubelig wäre es hier früher gewesen, bei diesem Wetter, zu dieser Uhrzeit. Aber jetzt – es ist ein Pandemiepark.

Zwei Männer joggen am Teich entlang, der eine sagt gerade: „In Berlin ist das aber anders.“ Der andere lacht und sagt: „Ja, in Berlin!“ Mehr höre ich nicht.

Das kann man, wenn man nicht gerade in Berlin ist, bei jedem Thema sagen: „In Berlin ist das aber anders.“ Das ist in jedem Smalltalk eine sichere Sache, damit wird man nie etwas falsch machen können, denn in Berlin ist es wirklich anders. Was auch immer.

Ein Mann sagt im Vorbeigehen zu einem anderen: „Die Kinder von Fridays for Future haben doch Recht.“ Der neben ihm sagt: „Ja, aber!“ Und dann folgt eine längere Erklärung, die verstehe ich schon nicht mehr, das macht nichts.

Ein Punk führt seinen Hund aus und sammelt dessen Kacke mit einem Beutel auf. Punk kannste schon sein, aber Kacke liegenlassen, also nein. Alles hat Grenzen.

Hier und da sitzen Menschen auf Bänken oder Klappstühlen und tippen in Notebooks und sehen konzentriert nach Arbeit aus, das wird wohl Park-Office sein. Neben einer Frau stehen mehrere Ordner im Rasen. Sie hat den Computer und ein Heft und mehrere Blätter auf dem Schoß, Wind darf nicht aufkommen.

Eine Mutter kommt mir entgegen, sie hält ihre Tochter an der Hand, die ist noch im Grundschulalter. „Mama“, sagt das Mädchen, „kaufst du mir eine E-Gitarre?“

Ich gehe herum und höre hier und da Sätze. Ein Mann sagt zu einer Frau: „Mein Problem ist ja, dass ich nie etwas versuche.“ Die Frau bleibt stehen und sieht den Mann an, ausgesprochen freundlich sieht sie ihn an. Der Mann guckt zurück und nach einer Weile ist klar, er versucht wirklich nichts. Schließlich lacht die Frau, wuschelt ihm durch die Haare, hakt sich bei ihm unter und zieht ihn weiter. Vielleicht fand da gerade eine Geschichte nicht statt, denke ich, vielleicht war aber auch genau das die Geschichte. Es ist manchmal schwer zu unterscheiden. Ich sehe den beiden nach, die Frau lacht immer noch. Der Mann nicht.

Ein Paar hat eine Box dabei und übt zu lauter Musik Salsa auf dem Weg. Tanzende Menschen, wie lange habe ich das nicht mehr gesehen! Ich bleibe einen Moment stehen und sehe zu. Nicht weit davon machen zwei auf ausgerollten Matten so etwas wie Yoga. Langsame, fließende Bewegungen, und Anfänger sind sie gewiss nicht. Allerdings stört sie jetzt die Salsa-Musik, sie kommen mehrmals aus ihrem ruhigen Rhythmus, versuchen es noch einmal. Dann geben sie es auf und wippen kurz mit den nach oben gestreckten Beinen im Takt der Salsa, das geht auch. Schließlich hören sie auch damit auf und sehen wie ich den Tanzenden zu.

Nicht weit von dieser Stelle gab es früher manchmal Swingtanz an Sommerabenden, ich habe dabei manchmal mitgemacht. Da habe ich draußen getanzt, mit etlichen Menschen! Ganz dicht kam man sich dabei, und ich kannte die anderen manchmal gar nicht, fremde Menschen hat man angefasst. Gesicht an Gesicht, Körper an Körper. Wie lange das her ist, es wirkt schon unvorstellbar und irgendwie pornös. Das war eine andere Zeit.

Ich komme noch einmal an der Bank vorbei, auf der der alte Mann gesessen hat, der sich wie ich Notizen gemacht hat. Auf der Rückenlehne steht etwas, mit schwarzem Filzstift hat da jemand hingeschrieben: „I saw myself sitting on a bench.“ Das soll man dann tiefsinnig finden, nehme ich an.

Ich gehe an einem geschlossenen Eiscafé vorbei aus dem Park. Vielleicht ist es zu, weil eigentlich noch Winter ist, vielleicht ist es zu, weil es Corona gibt. Man sieht schon gar nicht mehr hin, wenn etwas geschlossen ist. Es ist sowieso alles geschlossen.

Nur der Park nicht.

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Verschwende deine Stunde

Ich habe lange darauf gewartet, jetzt ist es endlich, endlich einmal passiert, nach all den Wochen, wenn nicht sogar Monaten. Drei Familienmitglieder hatten tatsächlich gleichzeitig Termine außer Haus, oder nein, sagen wir lieber, sie hatten irgendwelche Vorhaben. Termine, das ist so ein Wort aus der Vergangenheit. Man sagt das zwar noch so, aber es ist eigentlich Unsinn. Es gibt keine Termine mehr da draußen. Jedenfalls aber waren sie alle nicht da, die Herzdame nicht und die Söhne nicht, und ich war alleine, ganz alleine. Es war wunderschön. „Jetzt sind sie weg“, so sang ich lauthals und tanzte etwas im Wohnzimmer, „und ich bin wieder allein, allein.“ Es hörte und sah ja keiner.

Und wissen Sie, was ich dann mit dieser ungeheuer kostbaren Stunde, was ich mit diesem exotischen Stundenjuwel gemacht habe? Mit dieser einzigen Fürmichstunde weit und breit, mit dieser finest quality time? Gar nichts! Ha! Ich habe sie hemmungslos und in voller Absicht verschwendet, vertändelt und vertan. Fast achtlos habe ich sie gänzlich ungenutzt vorbei und zum Fenster hinaus ziehen lassen, ganz so, als kämen da noch mehr, noch viel mehr Stunden. Ganz so, als hätte ich einen ungeheuerlichen Reichtum an solchen Stunden, die nur mir exklusiv zur Verfügung stehen, zur gänzlich freien Verfügung, versteht sich, ohne alle Zuständigkeiten für irgendwas  mit Home- davor. Als sei ich Stundenmillionär, genau so habe ich mich benommen. Denn ich dachte mir, nur so wird es sich halbwegs fürstlich anfühlen. Hau raus die Zeit, verprass sie. Verschwende deine Stunde. Ich habe, und wer hat, lebt angenehm.

Das war schön.

Okay, und kurz war es auch.  Aber schön.

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Regen, Wind, Sturm und Schnee

Ich habe einen Wolfgang-Borchert-Gedicht-Ohrwurm, es geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Und ich habe gesehen, man kann sich bei der Hamburger Staatsbibliothek die Handschrift dazu ansehen, wie toll ist das denn. Das ist ganz und gar nicht die Schrift, die ich vermutet hätte, vermutlich ist meine Schrifterwartung durch seine etwas härteren Texte geprägt, Draußen vor der Tür und das alles. Gucken Sie mal hier, da ist das. Stell dich mitten in den Regen, glaub an seinen Tropfensegen.

Ich kann das jetzt auswendig. Ich sage es laut auf dem Fahrrad auf, ich fahre an der Alster entlang. Wäre ich auf der anderen Alsterseite, denke ich beim Fahren, ich könnte es auch aufsagen, während ich am Wolfgang-Borchert-Denkmal vorbeifahre. Aber ich fahre gerade woanders hin, ich sage es also woanders in den Fahrtwind, denn echten Wind, den gibt es heute eher nicht. Es gibt auch keinen Regen, es gibt schon gar keinen Sturm, alle drei Strophen sind heute eher nicht direkt anwendbar. Ich fahre nur Rad durch einen fortgeschritten freundlichen Tag, ich fahre mangels Best- und Frühlingsform allen anderen Radfahrern hinterdrein- und versuche, gut zu sein.

Ein schönes Gedicht, das unbedingt mal merken und beim nächsten Regen, Wind oder Sturm murmeln. Leichter Kitschverdacht, aber anderseits – Borchert. Kann man machen, glaube ich.

(Und ja, es gibt auch die Songversion von Bayon, ich weiß. Kannte ich nicht. Jetzt aber.)

Und sonst: Furchtbare Tage. Aber ein gutes Gedicht. Das ist nicht nichts. Ab der nächsten Woche dann die bescheuerten Hamburger Märzferien. Es gibt Übersichtsseiten, was man da alles machen kann, in diesen Ferien. Man kann es schnell zusammenfassen: Nichts. Natürlich nichts, es hat auch niemand etwas anderes erwartet, denke ich. Die Lage ist so, schon klar. Auf einer Hamburger Seite stehen tolle Tipps, was man dennoch machen kann, wenn man nichts machen kann. Tipp 1: Eine Schneekugel basteln. Das steht da wirklich. Mit den Kindern eine Schneekugel basteln und sie sich, so ergänze ich natürlich nur in Gedanken, solange gegen den Kopf hauen, bis endlich nichts mehr schmerzt, bis alles ganz leicht ist, so leicht, wie es vielleicht nie war.

Nein, ich scherze nur. Es wird schon. Vierzehn Tage keine Homeschool, darauf kommt es an, das wird sicher gut. In der ersten Woche haben die Herzdame und ich noch keinen Urlaub, da machen wir also Home-Office und die Söhne machen nichts oder Schneekugeln, was weiß ich.

Schneekugeln! Allein der Gedanke. Stell dich mitten in die Kugel, sieh wie schön die Flocken wehen – und versuch, nicht durchzudrehen.

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Links am Morgen

Kid37 spielt mit einem Tier. Es wirkt. 

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Ich wusste nicht, dass es einen Sperlingskauz gibt.

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Apropos Sperling. Hier noch ein Lied mit richtig Drama.


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Das ungefähre Vorhaben

Im Garten blühen die Schneeglöckchen, und zwar tun sie das im toten Winkel des Gartens. Also in einer Ecke, die im Sommer schattig liegt. Die Erde ist da nicht so gut, da ist dröger und verhärteter Boden, keinen Spatenstich schafft man da. Es ist zudem ein Grenzstück zu den Nachbarn, weder wir noch die machen da etwas, das ist, soweit es das im Schrebergarten überhaupt geben kann, ein Quadratmeter eher unkultivierte Brache, die aber nicht zu einer üppigen Wildnis wurde, eher zu einer Art müdgrüner Karstlandschaft. Der am wenigsten angesehene und betretene, der kaum jemals gewürdigte Bereich ist das, der Fleck, an dem man vorbeigeht, ohne hinzusehen. Und da blühen die also. Eine kleine Kolonie weißer Lämpchen nur, man kann sie schnell übersehen. Aber wenn man erst weiß, dass sie da sind, dann wartet man auch auf sie und sieht immer mal wieder nach. Und deswegen gucken wir also wenigstens einmal im Jahr, sehr früh im Frühjahr, da hin und lächeln und bücken uns und freuen uns. Ist das nicht geradezu kalenderspruchmäßig deep und besinnlich? So ist das mit Gärten, so ist das immer.

Wir ernten Pastinaken, die sind nach dem Winter in der Erde so aromatisch und duften dermaßen angenehm, man könnte sich reinlegen. Wieder nehme ich mir vor, noch viel mehr Pastinaken zu säen, denn das ist es wert, dass man diese kleine Freude noch vor dem eigentlichen Beginn des Gartenjahres hat, diese erste Ernte als Nachhall des letzten Sommers und auch als allerletztes Winteressen. Die Pastinaken scheiden die Jahre, nach den Pastinaken das Neue.

Mehr Pastinaken also. Das reicht eigentlich schon als Plan, beschließen wir spontan. Der Rest ergibt sich. Der Winter war so unfassbar anstrengend, zehrend und fordernd, der Garten wird uns in diesem Jahr nur zur Erholung dienen müssen. Es wird keinen Anbauplan geben, keine Projekte, keine Vorhaben. Hinfahren und Kaffee trinken. Hängematte und Kuchen. Lesen und Schreiben und Schlafen. So etwas. Wir machen nur, was leicht ist, wir machen nur, was uns einfällt. Radieschen, Mangold, Zuckererbsen. Kartoffeln, Kürbis, die sind alle leicht und gut. Wir spielen „Das Beste aus 2020, 2019 und 2018“, wir legen das Gemüse von damals auf.

Das Obst macht sich eh selbst. Unterm Baum stehen und auf Kirschen warten.

Ein Sohn liegt auf dem Rasen und guckt in den Himmel. Das ist das Vorhaben, genau das.

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