Bleiberecht für Novalis

Ich habe den letzten Band von Gerhard Henschel durchgelesen, ich habe gestern das letzte Büchereibuch zurückgegeben, ich kann also mit dem großen Winterprojekt Wiederlesen beginnen. Wozu ich mich sinnend wie son Intellektueller vors halbwegs aufgeräumte Regal stelle und erst einmal abwäge. Wir haben gerade sechs Kartons Bücher verkauft, es ist jetzt hier und da tatsächlich etwas Luft zwischen den Büchern, man sieht sie alle recht gut, die Verstecke sind rar geworden, selbst das Unterholz der Reclambändchen wirkt zugänglich. Ganz oben links die bereits erwähnten vier Bände Novalis, die Ausgabe von Kluckhohn und Samuel, erschienen mutmaßlich 1928 in Leipzig bei Meyer in der Klassikerreihe, gedruckt in einer Type, die mir heute eher nicht mehr lesefreundlich vorkommt, um es betont milde auszudrücken. Leinen in stark verblichenem Grün mit Goldprägung, es gibt eingeheftete Facsimilia der Handschrift und anderes Bomusmaterial. Schon schick. Die Wiederlesewahrscheinlichkeit ist allerdings nicht im messbaren Bereich, schon gar nicht in dieser Schrift, da brauche ich bald eine Lupe. Kurz reingesehen, Die Lehrlinge von Sais beginnen so:

“Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren entstehen sehn; Figuren, die zu jener großen Chiffernschrift zu gehören scheinen, die man überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, im Innern und Äußern der Gebirge, der Pflanzen, der Tiere, der Menschen , in den Lichtern des Himmels, auf berührten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspänen um den Magnet her, und sonderbaren Konjunkturen des Zufalls erblickt.”

Wer kennt es nicht, wie man da so unter uns Bloggern sofort anfügen möchte, nicht wahr, die große Chiffernschrift, wir lesen ja quasi nichts anderes und haben genau zu diesem Zweck Eierschalen und ähnliches Zeug auf den Schreibtischen herumliegen oder strolchen durch wimmelige Fußgängerzonen und stehen konzentriert entziffernd in überfüllten S-Bahnen, so läuft das doch. Vielleicht könnte ich da entgegen der ersten Erwartung noch weiterlesen, wenn ich so drüber nachdenke, aber dann in anderer Ausgabe. Diese hier kann aber dennoch gerne bleiben, da sie mich freundlichst an meine Zeit im Antiquariat erinnert, in der ich noch Bücher als Gehalt bekommen habe. Der Geruch des Laden steigt immer noch aus den Seiten auf, wenn ich einen Band irgendwo aufschlage. Und so schlecht sind die Erinnerungen nicht, die sich mir da schwankend nähern (mehr dazu, kurzer aber hier notwendiger Werbeblock, in meinem Buch “Marmelade im Zonenrandgebiet”). Novalis bleibt also, Novalis riecht gut.

Frontispiz Novalis

 

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Der Ellenbogen des Urologen

Kiki kritisiert Hörbücher und Bücher, bevor sie sie gelesen oder gehört hat, das könnte man auch schön zu einem Format ausbauen und jeden Monat die ganze Bestsellerliste auf diese Art verwerfen. Wunderbare Idee eigentlich, man kommt fast in Versuchung. 

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Die Söhne haben gerade erst gemerkt, dass die Läden neuerdings und mutmaßlich für immer dank der neue Feiertagsregelung an Halloween geschlossen haben werden, das finden sie gar nicht mal so witzig. Das findet im ganzen Stadtteil vermutlich sogar jedes Kind ziemlich empörend. Die kostümierten Kinderhorden sind hier nämlich immer am frühen Abend schön im Zuckerrausch marodierend und plündernd durch die Geschäfte gezogen, das war viel einfacher und gewinnbringender, als mühsam an einer Privatwohnung nach der anderen zu klingeln, wo sie dann eh an Gegensprechanlagen scheiterten oder auf wer weiß wie verstockten Leute stießen, die Halloween gar nicht kannten und auch nicht kennen wollten, Ignoranten überall. Das Verkaufspersonal in den Läden war gut beraten, sich an diesem Tag recht großzügig zu zeigen, denn Kinder können bei so etwas wirklich ungemein nachtragend sein, wie man es in dem einen Geschäft, wo man einmal, haha, zu Halloween ach so gesunde Äpfel verteilt hat, noch heute an mangelnder Kundschaft unter einer gewissen Größe merkt.

Aber egal, das ist nun alles Vergangenheit und die größeren Kinder des Stadtteils haben gegenüber den ganz Kleinen einen wunderbaren ersten Fall von “Früher war alles besser”. Es wird nicht lange der einzige bleiben.

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Ich habe mich mit einem Urologen über Ellenbogen unterhalten und nein, das war keine Verwechslung der Fachrichtung. Das war auch kein Versuch, eine besonders originelle zweite Meinung zu meinen orthopädischen Problemen einzuholen, nein, der Urologe, bei dem ich eigentlich wegen dieses männerspezifischen Vorsorgedingens war (Vorbildfunktion, ne! Jetzt Sie! Oder Ihr Mann, Freund, was auch immer, egal), der hatte nämlich auch das, was ich habe, also am Ellenbogen, versteht sich. Und er war damit immerhin ganze sechs Monate lang außer Gefecht. Da habe ich ja noch was vor mir, wenn ich es ihm nachmachen möchte. Aber wer will schon Urologen nachmachen?

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Musik! Man kann ja nicht immer nur Jazz hören. Ab und zu muss man einfach neue Saiten aufziehen. Was ich von John Martyn gar nicht kannte, das ist sein spätes Album “Glasgow Walker”. Kann man auch mal hören, stelle ich gerade fest, das ist vermutlich auch gut für Hamburger Stadtspaziergänge brauchbar. Aber hier erst einmal etwas von damals:

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Und übrigens bin ich heute noch ein klein wenig überzeugter als gestern der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Bemerknisse eines ehemals Sechzehnjährigen

Vorweg ein Dank an den Leser Michael S. für die Zusendung eines Adventskalenders mit Bio-Saatgut. Stark! Faszinierend auch die Entgeisterung der Söhne, denn die Eltern haben jetzt bereits einen Adventskalender, sie noch nicht. Noch lange nicht.

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Lenz Jacobsen über die öffentliche Erregung.

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Wie berichtet verlief die Woche für mich eher nicht so erbaulich, was mir dann am Freitagnachmittag doch noch seelisch auf die Beine geholfen hat, war für meine Verhältnisse recht originell, das war nämlich ein Musikstück, das an der S-Bahnstation beworben wurde, und ich neige ja dazu, alles nachzuschlagen, nachzusehen, nachzuhören, was mir unterwegs so begegnet, es könnte immerhin ein sinnvoller Zufall dabei sein. Obwohl es Zufälle dieser Art gewiss gar nicht gibt, schon gut, geschenkt, ich beliebe da von der Wissenschaft abzuweichen. Die H-Moll-Messe vom ollen Bach war das jedenfalls, deren Aufführung in einer der Hamburger Kirchen da per Plakat am Bahnsteig angekündigt wurde. Ich kann Musik dieser Art dummerweise nur höchst selten ab, für einen kurzen Moment kann sie dann aber geradezu beglückend und seltsam aufrichtend wirken. Dank moderner Technik kann man jedes Musikstück sofort und überall hören, auch an einer zugigen S-Bahnstation am Freitagnachmittag, das ist eine erfreuliche Entwicklung, die man eigentlich öfter würdigen sollte. So stand ich also im schaurigen Hammerbrook, hörte Bach und es war gut. Nur reproduzierbar ist das Trostphänomen leider nicht, schon am nächsten Tag geht Bach bei mir wieder gar nicht mehr, es ist fast ein wenig bedauerlich.

Immerhin weiß ich aber in etwa, wann Bach bei mir sein kann, nämlich verlässlich immer kurz nach Herbstbeginn, an den ersten richtig dunklen Regentagen, wenn es wieder kalt und stürmisch ist und die Kollegen vom Stadtrand schon von wieder was von Bodenfrost munkeln, wenn das Übergangsjäckchen allmählich etwas unzureichend wirkt, wenn ich also auch wieder Lust auf Tee bekomme, auf Mandarinen und Herzensternebreuzeln und dergleichen. Bach ist bei mir mit anderen Worten nichts als ein Saisonartikel, das hat er ganz sicher nicht verdient und das tut mir auch angemessen (haha! gemerkt?) leid. Aber was soll ich machen.

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Am Straßenrand liegt wieder ein Karton voller Bücher, diesmal sind viele Krimis dabei, die gehen schnell weg, auch die Herzdame nimmt sich einen mit. Ein paar Stunden später ist der Karton schon geleert, ein einziges Buch nur ist noch übrig, in kirchlich anmutendem Rot leuchtet der Umschlag und der Titel heißt: “Die Regeln des Managements”. Das also interessiert dann doch eher keinen, vielleicht liegt es daran, dass hier so viele erfolgreiche Menschen um mich herum wohnen, für die wäre es ja geradezu peinlich, so etwas mitzunehmen, es könnte jemand sehen. Oder das Buch ist allgemein als unzureichend und schlecht bekannt, das kann natürlich auch sein, ich kenne mich bei Managementratgebern nicht mehr aus. Mir fällt aber wieder der im letzten Artikel erwähnte Manager ein, der mit dem selten blöden Satz, denn das war einer von diesen Typen, über die ich eigentlich mehr schreiben könnte. Was man einerseits nicht tut, versteht sich. Was andererseits aber doch verlockend ist, schon wegen eines Satzes von Anne Lamott.

Das ist eine Dame, die ich abgesehen von einem Auftritt bei einer Ted-Talk-Veranstaltung gar nicht kenne, sie macht irgendwas mit Kreativem Schreiben. In diesem Talk, den sie kurz nach ihrem sechzigsten Geburtstag gehalten hat, hat sie zwölf Dinge aufgelistet, die sie ganz sicher weiß. Also aus ihrer Lebenserfahrung heraus. Eine ungemein herausfordernde Aufgabe, nehme ich an, ich muss mir das auch mal vornehmen, dann bin ich die nächsten Jahre immerhin sinnvoll beschäftigt. Sie sagte da jedenfalls auch etwas über das Schreiben und über die Frage, wie man über seine Erlebnisse schreiben kann. Und in diesem Zusammenhang, ich zitiere nur aus dem Gedächtnis: “Wenn Menschen meinen, du hättest freundlicher über sie schreiben sollen, hätten sie sich einfach besser benehmen sollen.”

Ich gebe zu, ich habe gelacht. Sehr.

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Ich habe ein neues Buch angefangen, “Die Welt im Rücken” von Thomas Melle, hier mehr dazu. Der Büchereibücherstapel ist damit bald komplett erledigt, dann kann ich mir das mit dem Wiederlesen der Werke im Regal also noch einmal genauer überlegen. Vorher aber noch, weil es nun einmal gerade frisch erschienen ist: Gerhard Henschel mit dem achten Band der Martin-Schlosser-Romane: “Erfolgsroman”. Hier eine Rezension dazu, die übrigens eine seltsame Formulierung enthält: “Erst als er dann auf die damals Zwanzigjährige und heutige Schriftstellerin Kathrin Passig trifft, kommt sein Liebesleben wieder ins Lot.” Ein denkwürdiger Satz, nicht wahr, wie ich als ehemals Sechzehnjähriger und heutiger Blogger betonen möchte. Und Liebesleben im Lot – ich weiß ja nicht. Aber ein guter Kneipenname wäre es, merke ich gerade, “wir sind alle im Lot.” Gibt es bestimmt irgendwo, vermutlich in Berlin, in Berlin gibt es ja alles.

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Gar nichts

An der Straße vor dem Büro hängen Werbeplakate für Konzerte von Angelo Branduardi und Shakin’ Stevens, das ist erstens in dieser Kombination wirklich unpassend und wirkt zweitens auch verunsichernd bezüglich der aktuellen Jahreszahl. Habe ich gleich in der ersten Stunde Mathe oder arbeite ich schon seit mehreren Jahrzehnten? Ein paar Meter weiter wird für Falco geworben, das aber scheint laut Unterzeile ein Musical zu sein. Was immerhin weiterhilft, so ein Musical schreibt sich ja nicht über Nacht, dann ist der wohl wirklich schon länger tot und 2018 kann grob hinkommen. Haben wir das geklärt. 

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Ich habe heute morgen getwittert, dass der Start in den Tag ein Fehlstart war und deswegen alle noch einmal zurück in die Betten müssen, ein zugegeben gar nicht mal so guter Scherz, aber die Vorstellung lässt mich seitdem gar nicht mehr los, wie sie da alle murrend und knurrend in der ganzen Stadt wieder in die Betten steigen und angespannt darauf warten, dass noch einmal jemand etwas ansagt, zurück auf Start wie damals bei den Bundesjugendspielen, da natürlich ohne Betten, schon klar. Die einen nur schwer genervt, weil der Quatsch sich jetzt noch länger hinziehen wird, die anderen besorgt, weil andere jetzt eine Winzigkeit besser wegkommen könnten, noch andere wiederum mit leichter Hoffnung, jetzt minimal besser ins Rennen zu kommen, so warten sie und warten, nervös und angespannt, bis endlich das erlösende Zeichen kommt, und dann aber los. Allerdings fällt mir gerade ein, wenn meine Tage wie Bundesjugendspiele wären – nein, wir streichen diese Vorstellung bitte gleich wieder. Entsetzlich.

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“So, und jetzt kommst du” von Arno Frank durchgelesen und trotz der – das liegt bei dem Buch in der Natur der Sache – vorhersehbaren Handlung sehr lesens- und empfehlenswert gefunden. Lesen Sie das ruhig auch, es wird Ihre Kindheit mit einiger Sicherheit relativieren, was ja bei der einen oder dem anderen auch mal ganz nett sein kann. Und es gibt darin wichtige Details, die sind überhaupt nicht vorhersehbar.

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Ich hatte mal vor vielen Jahren ein Gespräch mit einem Manager, der mir tatsächlich allen Ernstes zum Einstieg den unfassbar dummen und fürchterlich klischeehaften Satz entgegenwarf: “Ich möchte keine Probleme hören, nur Lösungen”, vermutlich hatte er das aus einem besonders leicht lesbaren Sachbuch übers Management. So wie diese Woche bisher jedenfalls in jeder Beziehung verlaufen ist, ich hätte dem nach dieser Vorgabe nichts sagen können. Gar nichts.

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Musik! Und sie reden auch ein wenig.

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Brief, Buch, Baklava

Vorweg ein Dank an Unbekannt für die Briefsendung aus dem etwas speziellen Bundesland, die mich leider verspätet erreicht hat. Großartig!

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In den Kommentaren zum letzten Artikel wurde gefragt, welche Bücher ich denn mehrmals gelesen habe. Bei den großen deutschen Romanen führen da sicher mit einigem Abstand die Buddenbrooks und der Schimmelreiter. Die Familiensaga, weil ich auch aus dieser Stadt komme, weil ich auch auf dieser Schule war, weil man das Buch eben kennt, wenn man aus Lübeck kommt, weil man manchmal verdammt lange braucht, um sich ein eigenes Urteil zu bilden und in Ruhe sagen zu können: Ach nee. Dann doch nicht. Aber in frühen Jahren hat mich der Roman immerhin so weit geprägt und traumatisiert, dass ich mir später sogar eine Frau mit ähnlichem Nachnamen … Nun ja. Liebe war schon auch im Spiel. Den Schimmelreiter habe ich eher aus Begeisterung gelesen, gerade neulich erst habe ich ihn wieder gelesen, und er macht immer noch Freude. Diese herrliche Verschachtelung der Erzählebenen am Anfang! Das wunderbare Bild des Pferdeskeletts auf Jeversand! Ganz groß. Effi Briest habe ich nach der Schulzeit noch einmal und sozusagen in Ruhe und ohne nervende Lehrerfragen gelesen, den Stechlin habe ich als Erwachsener doppelt oder sogar dreifach gelesen, mindestens einmal davon zur Beruhigung in wirren Zeiten, quasi als kultiviertes Sedativum. Diese Auswahl ist ziemlich vorhersehbar und konventionell, merke ich gerade. Geradezu brav, wenn ich es recht bedenke. Einiges von Keyserling las ich auch mehrfach, fällt mir noch ein, der schrieb immerhin das edelste Deutsch, wo gibt. Na, Geschmackssache. Und aus dem Ausland? Auf jeden Fall Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, ein Roman, den ich bis heute jedem empfehlen möchte, immer wieder. Als Jugendlicher habe ich natürlich auch das ganze Hemingwayzeug mehrfach gelesen, aber das zählt in diesem Zusammenhang nicht, zu lange her. Aus reiner Bewunderung: mehrere Bände von Guy de Maupassant, wobei es so viele von ihm gar nicht gibt. Und natürlich einiges von Simenon. Okay, es kommen doch ein paar mehr Bücher zusammen, zugegeben. Demnächst dann mehr dazu beim Wiederlesen. Oder beim Aussortieren.

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Auf einer dieser Craftbeerbuddeln, auf denen hinten jetzt wie bei Weinen draufsteht, wozu das Gebräu jeweils passt und welche wunderfeinen Geschmacksnoten man als Kenner im Abgang erwarten darf, wird mir als harmonisch ergänzendes Gericht Baklava empfohlen. Baklava! Zum Bier! Ich glaube, ich habe meinen persönlichen Peak Craftbeer damit endgültig erreicht.

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Man müsste Klavier spielen können.

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Schlammfarbene Pullover und wiedergelesene Bücher

Neues Buch angefangen: “So, und jetzt kommst du” von Arno Frank. Darin enthalten eine schöne Stelle über ein Stück Geschichte, über das Telekolleg: “Wenn Bärbel den Fernseher überhaupt einschaltete, dann nur für Tagesschau. Und Telekolleg-Sendungen im Dritten, wo blasse Mathematiker in schlammfarbenen Pullovern schleierhafte Grafiken und Vektoren benäselten.”

Schön daran ist, dass Jüngere dies nur für eine nette Polemik halten werden, ich es aber auch genau so erinnere. Die schlammfarbenen Pullover! Immer trugen die freudlos murmelnden Mathelehrer in diesen Sendungen solche Pullover. In diesen Sendungen, die man natürlich nicht komplett guckte, die man nur kurz und wie starr vor Schreck ein paar Minuten laufen ließ, wenn sie beim Umschalten am Nachmittag plötzlich erschienen. Was da erklärt wurde, das war auch nie für uns bestimmt und passend, das war immer für irgendwann später, seltsamerweise galt das allerdings auch noch in der gymnasialen Oberstufe. Und so verlässlich trugen die Mathematiker – immer waren sie männlich – diese schlammfarbenen Pullover, man gewann irgendwann den Eindruck, mathematische Kenntnisse der Extraklasse könnte man schon durch das bloße Überstreifen eines solchen Kleidungsstücks erwerben, ein allerdings unerträglicher Gedanke, ich meine: schlammfarben. Für mich standen diese blassen Mathematiker auch noch für die Folgeschäden des Fachs. Die Freaks, die in Mathe gut waren, die würden später so aussehen und beruflich vor grauer Pappkulisse mit dürren Stöckchen auf seltsame Kurven zeigen müssen, diese Filme waren mir ernste Warnungen.

Den Söhnen ist gar nicht klar, wie nett sie es heute mit Youtube haben, mit diesen jungen Leuten da, die den Satz des Pythagoras fröhlich rappend erklären können, und zwar so, dass man ihn sogar versteht. Mathe hat sich ziemlich zum Vorteil verändert.

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Wie in jedem Herbst habe ich mit einem wenig erfolgversprechenden Versuch begonnen, die Bücher im Wohnzimmer auszulichten und aufzuräumen, ein der heiligen Ordnung gewidmetes Vorhaben, das die Wohnung unweigerlich ins komplette Chaos stürzt, schon weil die Herzdame dadurch animiert wird, auch mal eben etwas zu räumen, was wiederum die Kinder veranlasst, ihre Sachen auch mal durchzusehen. Und die interessieren sich natürlich auch für unsere Stapel, denn wir könnten ja etwas weggeben, was sie noch gebrauchen können, wobei aus der Sicht eines gewissen Sohnes allerdings alles noch zu gebrauchen ist, das erschwert das Ganze ein wenig. Es sieht hier jetzt also wieder sehr bunt aus.

Seit etlichen Jahren schon behalte ich nur Bücher, von denen ich vage glaube, dass ich sie irgendwann ein zweites Mal lesen könnte, irgendein Kriterium braucht man eben bei der Auswahl. Die Anzahl der Bücher, bei denen das bisher auch tatsächlich eingetreten ist, dieses zweite Lesen, sie ist wohl im kleinen, einstelligen Bereich. Das als Auszeichnung zu verstehende Wiederlesen, mache ich das irgendwann nach Renteneintritt, in zehn Jahren, in zwanzig Jahren, im Seniorenheim, mache ich es nie? Oder jetzt? Warum nicht jetzt? Die gesammelten Werke von Novalis in vier Bänden, habe ich da ernsthaft jemals wieder Lust drauf? Lesen oder nicht lesen, das ist hier die Frage. Der Herbst, Zeit für die wirklich großen Probleme, Sie kennen das.

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Wieder im Büro gewesen. Ich hatte ganz vergessen, welch Bild des Elends die Menschen in der S-Bahn morgens abgeben, wie müde, zermürbt, beladen, geknechtet und trostbedürftig sie alle aussehen, wenn sie zur Rush-Hour am Montag in die Büros fahren, niedergedrückt vom Alltag, frierend vor Erschöpfung, wirklich, es greift einem ans Herz, wenn man des Mitleids überhaupt noch fähig ist.

Morgen wieder zu Fuß gehen, dann muss ich mir das Elend wenigstens nicht ansehen. Immer konstruktiv vorgehen! Und nie auf die Spiegelungen in Schaufenstern achten!

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte, wobei ich auch gegen eine gewisse Beschleunigung des Vorgangs nichts einzuwenden hätte.

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Bemerknisse am Elbdeich

Ich stehe im Osten von Hamburg am Elbdeich und sehe über das Wasser auf Gegenden, die nie zuvor ein Mensch … Na ja. Andere nennen es einfach Niedersachsen. Was ich eigentlich sagen wollte: Wie wunderbar rabiat so ein Deich die Landschaft vereinfacht. Minimalisten müssten am Deich wohnen. Gehen sie vor die Tür, ist da auf einer Seite immer nur der Deich, über den kann man nicht einmal drübergucken und der zieht sich, und wie der sich zieht. Stundenlang zieht der sich. Simpler geht es gar nicht, keine Optionen, keine Verlockungen, kein weiter Blick, nix als Deich, immer gleich hoch und nahezu endlos. Da könnten sie glücklich sein, die Anhänger des Wenigen. Am Sonntag fünf Kilometer am Deich entlang gehen, fünf Kilometer am Deich zurückgehen, dann wieder ab in die Wohnung, in der auch nichts ist, dann einmal Detox mit alles und scharf, da lacht das Herz.

Aber was ja stört, wenn wir mal kurz in die andere Richtung sehen, das sind diese Windkraftanlagen. Und zwar stören sie aus einem Grund, der bei den Meldunge zu ihren Nachteilen viel zu kurz kommt, so weit ich weiß, vielleicht weil man einen gewissen Sinn für Ästhetik braucht, um ihn überhaupt wahrzunehmen. Ich stehe vor, Moment, zehn Masten, die stehen da schnurgerade in einer Reihe und die riesigen Rotoren oben drehen sich, das hier ist Norddeutschland, natürlich drehen die sich, wir können Wind, wenn schon sonst nichts. Allerdings, und ich finde das wirklich furchtbar abstoßend, geradezu skandalös eigentlich, drehen die sich nicht im Takt. Jede einzelne Mühle dreht sich einfach irgendwie, synchron ist da gar nichts, nicht einmal zufällig ist da etwas synchron, dafür müsste man wohl fünfzig von den Dingern sehen. Im Grunde fällt der Blick also auf eine grauenvolle Unordnung, auf ein wirres Gezappel, auf einen Anblick gräßlich und gemein, jeden Menschen mit Sinn für Takt und Eleganz muss das auf Dauer fertigmachen.

Und man muss das jetzt natürlich beides zusammendenken, rechts der Deich, die eindeutige Linie, das stringente Durchhalten, das immerwährend Richtige und Notwendige – links dagegen die Mechanismen der Unordnung, die fehlgeleitete Unruhe, die gemeine Ablenkung, das koboldhafte Chaos. Und so ist es ja auch sonst, nicht wahr, größte Klarheit neben flattriger Verworrenheit, wir Menschen gleichen nämlich, liebe Gemeinde, asynchronen Windkraftanlagen am Deich. Sie müssen sich jetzt natürlich noch vorstellen, dass ich nach dem letzten Satz zur Verdeutlichung wild mit den Armen herumwedeln würde, ließen meine Gelenke das denn zu.

Seien Sie bloß froh, dass ich nicht Pastor geworden bin.

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Hinterbeine und Arme

Gestern beim Orthopäden. Im Wartezimmer liegt ein räudiges, zerspieltes Stofftier auf dem Kindertisch neben dem Lego und den Bauklötzen, ein Hund wohl oder ein Fuchs, das ist von oben schwer zu erkennen. Das Tier liegt auf dem Rücken, die Beine in die Luft gestreckt, wobei zumindest eines der Hinterbeine in einem Winkel absteht, der nicht gesund und auch nicht so gemeint sein kann. Eine Mahnung für die kleinen Patienten hier, so sieht das dann aus, wenn man auf seine Knochen nicht aufpasst.

Mein Ellenbogen macht mittlerweile Karriere bei anderen Ärzten, so komme ich, da ich den ja dauernd begleiten muss, auch mal in abgelegene Stadtteile wie etwa Altona. Immer das Positive sehen! Da war ich Ewigkeiten nicht! Die Firma hat mir für die nächste Woche eine Sprechrolle angeboten, daher gehe ich auch mal wieder zur Arbeit. Das ist fürchterlich nett von der Firma, hoffentlich fällt mir vor Montag auch wieder ein, was die da eigentlich so machen und wo noch einmal das Büro liegt. Von Passwörtern, Usernamen etc. ganz zu schweigen. Ist ja alles eine Weile her mittlerweile.

Wie das dann weitergeht – unklar. Vermutlich wird es eine Operation geben. Oder zwei. Im Januar oder so. Bis dahin übe ich einfach das Leben mit chronischen Schmerzen, man gewöhnt sich an alles. Sie merken, hier wird nicht viel gejammert. Lassen Sie mich einfach hier zurück, ohne mich können Sie es schaffen.

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Genau genommen war ich jetzt acht Wochen nicht im Büro, dazu eine kleine Erkenntnisbilanz in zehn Punkten:

  1. Ich finde Ruhe und Alleinsein großartig. Noch besser als immer vorgestellt. Mir ist im normalen Alltag vieles viel zu laut und Großraumbüros sind ganz zweifellos eine Erfindung des Teufels.
  2. Es wird nicht langweilig, nichts vorzuhaben. Es wäre natürlich noch besser gewesen, wenn ich die Hände hätte vernünftig benutzen können, aber es ging auch so. Spazierengehen, lesen, diktieren, nachdenken – ich komme schon zurecht.Ich komme sogar hervorragend zurecht. Ich würde auch jahrelang so zurecht kommen.
  3. Ich vermisse die Berufstätigkeit nicht. Also abgesehen vom finanziellen Aspekt, versteht sich. Ich habe längst nicht mehr das Gefühl, mit Berufstätigkeit und Karriere irgendwem irgendwas beweisen zu müssen. Nicht einmal mir selbst.
  4. Die Familie klappt erheblich, wirklich erheblich besser, wenn mindestens ein Elternteil tiefenentspannt ist und ohne Ende Zeit hat. So dramatisch viel besser klappt das, ich müsste eigentlich sofort und dauerhaft Hausmann werden. Aber Geld, ne. Irgendwas ist immer.
  5. Ich habe erstaunlich viel Spaß daran, mit den Söhnen für die Schule zu lernen. Könnte ich tatsächlich stundenlang machen (können sie aber nicht, ihr Tag ist einfach zu kurz – Ganztagsschule und die Folgen).
  6. Ich komme so leicht ohne Twitter, Facebook etc. aus – als Sucht kann ich Social Media wirklich nicht ernst nehmen.
  7. Es gibt keine Überdosis Mittagsschlaf.
  8. Aber auch nach acht Wochen habe ich es noch nicht geschafft, einfach entspannt irgendwo zu sitzen, in einem Park oder so, an der Alster, was weiß ich. Ich sehe da immer Leute sitzen, überall sitzen Leute, die nichts machen, die sitzen einfach nur. Den Dreh kriege ich nicht, protestantische Arbeitsethik from hell, Dabei nie religiös gewesen! Schlimm. Ich muss zumindest immer so intensiv nachdenken, dass es als strebsame Bemühung durchgeht. Man hat aber auch Macken!
  9. Die wildesten Stimmungsschwankungen habe ich auch ganz ohne beruflichen und terminlichen Stress. So etwas findet man wohl ohne längere Testphase nicht heraus, man rät da sonst immer nur.
  10. Ich komme tatsächlich darauf, was ich alles gerne schreiben möchte, wenn ich nur mal genug Zeit habe. Das hat jetzt nichts genützt, weil ich ja aus medizinischen Gründen nicht viel schreiben konnte. Aber gut zu wissen ist es dennoch. Und irgendwann wird es wieder gehen, so die Theorie.

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Ich habe das Feld von Robert Seethaler zu Ende gehört. Das Hörbuch ist in 78 Abschnitte eingeteilt, bei mindestens einem dieser Abschnitte bin ich mir ganz sicher, dass ich über die meiste Zeit komplett abgelenkt war, ich könnte nichts davon nacherzählen. Ich habe während des Hörens an Gott weiß was gedacht, ich habe auf den Verkehr geachtet oder ich stand vor einem Joghurtregal im Supermarkt und dachte intensiv über die Auswahl nach, ich habe Bekannten auf der Straße zugewunken oder beim Portugiesen Kaffee bestellt, was weiß ich, ich habe jedenfalls nicht ordnungsgemäß auf den Text geachtet. Dennoch bin ich, auch wenn es komplett verrückt klingt, sogar bei diesem Abschnitt sicher, dass er mir gut gefallen hat. Was mich natürlich an meinem Urteilsvermögen bei Hörbüchern noch mehr zweifeln lässt, man sollte sich selbst aber ohnehin nicht zu viel vertrauen. Vielleicht reicht es mir tatsächlich, wenn etwas gut klingt? Um der Sache auf den Grund zu gehen, müsste mir jemand mit der Stimme von Robert Seethaler bitte mal testweise einen Konsalik vorlesen. Dann wüsste ich mehr.

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Neues Hörbuch angefangen: Die Pest von Camus, gelesen von Ulrich Matthes, übersetzt von Uli Aumüller. Das muss ich immerhin nicht gut finden, bei dem Werk sind sich die Literaturwissenschaftler einig, das ist definitiv gut, das kann ich einfach glauben, so weit, so einfach. Camus ist bei mir eine größere Bildungslücke, warum auch immer. Zu meiner Schulzeit war der irgendwie auf dem Lehrplan nicht vorgesehen, danach war nie die Gelegenheit. Jetzt aber. Scheint auch ganz gut zu passen, wo wir doch die Pest wieder im Land haben.

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Außerdem angefangen: “Einfach gehen” von Steven Amsterdam, übersetzt von Marianne Bohn. Das wollte ich gar nicht lesen, ich wollte nur mal kurz hineinsehen, aber gleich in der ersten Szene geht es um Sterbehilfe. Das ist nicht gerade das verlockendste Thema, aber das ist so geschildert, dass man unwillkürlich ein paar Minuten dranbleibt und zack, hat man kurz darauf schon ein Drittel des Buches durch. Der Autor arbeitet als Palliativpfleger, der kennt sich aus und das merkt man. Es reißt einen nicht runter, es gibt nur zu denken, sehr gut gemacht.

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Ein Fleet in Hamburg Hamm

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Rote Wirbel

Das Wetter: Nach wie vor furztrocken, um es mal deutlich auszudrücken. Bei der Kaltmamsell kann man gucken, wie die Isar gerade aussieht.

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Zwischendurch ein herzlicher Dank an die Leserinnen, die den Hut gerade auf anderen Wegen als via Paypal befüllt haben – ich bin hocherfreut und begeistert, das ist ja alles keineswegs selbstverständlich.

Ein nachgereichter Dank (pardon!) auch für die Zusendung zweier Bücher mit ausdrücklichem Gartenverwendungszweck, ich bitte um Entschuldigung, das ist dezent verspätet.

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Ich höre weiter Robert Seethalers “Das Feld”, gelesen von ihm selbst, und finde es immer noch gut. Ich höre selten Bücher, ich habe da also keine Routine. Ich bin ein altmodischer Leser, immer noch gerne Papier und stapelweise und abends im Bett bis zum Einschlafen. Was jetzt aber nicht so leicht herauszufinden ist: Hätte ich das Buch anders gefunden, wenn ich mich auf ganz herkömmliche Weise in das Buch vertieft hätte? Also nicht nur in Details, das versteht sich ja, das man da ganz andere Stellen besonders wahrgenommen hätte, sondern auch grundsätzlich? Hat man womöglich einen ganz oder wenigstens leicht anderen Geschmack, wenn man Texte nur übers Ohr wahrnimmt? Das hat bestimmt schon einmal jemand untersucht, aber das habe ich dann verpasst. Zwischen dem mit den Fingern verfassten Text und der diktierten Version liegen doch auch Welten, zumindest am Anfang, spiegelt sich das am Ende bei der Lektüre, beim Hören?

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Ich lese Mark Mazower: “Was du mir nicht erzählt hast”, übersetzt von Ulrike Bischoff. Ein Historiker klärt seine Familiengeschichte mit den Werkzeugen seines Fachs und alter Schwede, ist das ergiebig. Wenn man dachte, man kennt sich in der Geschichte Europas vor 33 einigermaßen aus, bei der Lektüre wird man wieder ganz bescheiden.

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Ich gehe auf den Spielplatz und wirbele wie die Kinder Laubhaufen mit den Füßen auf. Es ist heute kein einziges Kind da, aber Laub gehört nun einmal gründlich verwirbelt, das haben wir hier schon immer so gemacht. Ich trete an die große Eiche, in der die Eichhörnchen wie komplett irre hin- und her rennen, seit Stunden schon. Sie rasen immer wieder den Stamm hinauf und hinab und umkreisen ihn, sie springen über die Äste und von Baum zu Baum und über den Platz, sie balancieren in stürmischer Eile über die den Kirchhof begrenzende Mauer. Sie suchen in aller Hektik die Eicheln zusammen und lassen sie gleich wieder fallen, wenn sie die nächste oder eine größere sehen, fliegende Wechsel, diese Eichel, nein, diese, vielleicht haben sie den Zweck der Übung auch längst aus den Augen verloren. So eilig suchen sie, als würde der Winter in der nächsten Woche schon mit ganzer Härte ausbrechen, Schnee bis ins Flachland, Eis und Hagel – dem ist aber gar nicht so, sagt der Wetterbericht. Sie gönnen sich jedenfalls keine Minute Pause, sie sind rote Wirbel im gelb leuchtenden Laub. Wie lange kann man auf diese atemlose Art einer Aufgabe nachgehen? Der Eichelhäher, die Ringeltauben und die Amsel gucken immer wieder irritiert zu ihnen hin, wenn sie wie besessen durchs Bild stieben. Ich klopfe an die Eiche und sehe zu ihnen hoch. “Guten Tag”, sage ich und versuche, seriös und vertrauenserweckend zu klingen, “ich möchte mit ihnen über Burn-out sprechen.” Die Tierchen denken gar nicht daran, auf mich zu reagieren, die Tierchen haben zu tun. Dann eben nicht. Aber soll keiner sagen, ich würde mich nicht kümmern.

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Egal. Musik!

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Der Vogelzug

Gelesen: “Die Flut war pünktlich”, Erzählungen von Siegfried Lenz. Gar nicht mal so gut gefunden. Hm. Aber egal. das kann man machen, einfach was von einem Großmeister nicht gut finden, das ist okay. Es ist nur Literatur, da passiert nix. 

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Ich lese außerdem in “Der Freund und der Fremde” von Uwe Timm, die Erinnerungen an seinen Freund Benno Ohnesorg (ja, genau der). Das wollte ich schon seit dem ersten Erscheinen 2005 mal lesen, aber man kommt ja zu nix.

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Für den Freundeskreis Insel: Eine geschichtentaugliche Meldung von Baltrum. Ich schreibe ja gerade nix, aber das müsste doch bitte jemand verarbeiten, so eine wunderbare Vorlage. Der schießwütige Hotelier, der auf Vogeljagd am Strand geht und das erlegt, was wegziehen kann, während er aus Gründen, die man sich noch erarbeiten müsste, die Insel nie länger verlassen hat, dazu eine frei erfundene Hassliebe mit einer Umweltschützerin und das alles auf einer in grandioser Natur gelegenen Insel, die mit steigendem Meeresspiegel eh nicht mehr lange … das ist doch wirklich einladend. Titel: “Der Vogelzug”, in etwa Novellenlänge, das klingt doch geradezu schulbuchtauglich.

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Den Satz “Unter jedem Dach ein Ach” (hier gefunden) kannte ich nicht, den finde ich aber ganz wunderbar. So einfach, so gut, den merke ich mir, den denke ich jetzt bei jedem abendlichen Spaziergang durchs Viertel vor jedem Haus. Ich habe mich, so allerdings die bittere Wahrheit, zuerst verlesen und dachte da steht: “Unter jedem Dach ein Arsch”. Was die Formulierung nicht zwingend unzutreffender macht, nicht wahr. 

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Aufkleber "I am loved"

Sohn II: “Das hat bestimmt jemand da hingeklebt, der überhaupt nicht geliebt wird. Und der macht das nur, damit es dann jemand wie du fotografiert, jemand, der ein Blog hat oder Instagram. So läuft das doch. Und es klappt ja auch.”

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Wie auch immer. Musik!

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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