Offline

Ich war, wo ich sonst nie bin, ich war in einem Kaufhaus. Also in einem ganz großen, in der Hamburger Innenstadt stehen noch welche. Da gab es in der hinterletzten Ecke einen Ständer mit Notizbüchern im dringenden Sonderangebot, denn vermutlich werden Notizbücher überhaupt nur im Januar verkauft: “Dieses Jahr schreibe ich aber mal was auf!” Und dann liegen sie da doch wieder leer herum und niemand kauft im Februar ein zweites und in den Kaufhäusern schiebt murrendes Personal lustlos die Stapel hin und her. Aber wo Notizbücher liegen, da blättere ich jedenfalls interessiert herum, denn Notizbücher kann man nie genug haben und die Suche nach dem perfekten Notizbuch ist bekanntlich endlos und nein, Moleskine ist doch nicht die Antwort auf alles.

Da lagen dann, ich habe sehr gestaunt, “Blogger-Notizbücher”, das stand tatsächlich so auf dem Einband. Man konnte vorne seine Followerzahl eintragen, auch seine Wunschfollowerzahl und seinen Blognamen mit Domain und so etwas, überall waren lustige Bulletpoints und handgeletterte Dingse und Aufzählungszeichen für viele, viele tolle Ideen, die man dann verbloggen soll, kann, was auch immer. Unten auf jeder Seite stand lustig “Eat. Blog. Sleep. Repeat”. Vielleicht war es auch eine andere Reihenfolge, vielleicht war es auch noch ein Wort mehr, ich konnte das kaum erkennen, ich musste so lachen. Blogger-Notizbücher! Es war leider schon spät und kurz vor Ladenschluss, sonst hätte ich noch schnell bei der Herrenmode nachgesehen, ob man in diesem Frühling Bloggeranzüge und Bloggerübergangsjäckchen trägt. Aus besonders selfiefreundlichem Material und mit Extratasche für das Blogger-Notizbuch.

Eat. Blog. Sleep. Repeat. Wirklich, dieses Offline ist viel unterhaltsamer als man immer denkt. Da ruhig mal hingehen!

Jetzt erst einmal eat. 

Unbekannte Gemüse und weiterführende Schulen

Ich habe hier drüben Wasserspinatsamen gewonnen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was Wasserspinat überhaupt ist, ich habe nie vorher davon gehört, aber egal, ich pflanze das ein. Obwohl das Gemüse etwas problematisch klingt, Wasserspinat, da denkt man doch eher an Rahmspinatfail, Küchenprobleme und Chefkochdesaster als an feines Essen. Ich bin aber sicher, das wird gut, ich vertraue der Bloggerin drüben voll und ganz. Den Beschreibungen nach wächst das Zeug außerdem gut, wenn es nass steht, das sollte in Hamburg nun wirklich kein Problem sein, nass können wir. Vom Geschmack werde ich dann nach der Ernte berichten. Wenn ich es bis zu einer bringe.

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Im Vorbeigehen gehört:

„Wie diese kleinen Läden hier wohl alle überleben, mit dem überschaubaren Angebot?“

„Du überlebst doch auch.“

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Heute erfolgte die Anmeldung eines Sohnes auf einem Gymnasium, also schon wieder ein erstes Mal. Die Kinder werden heutzutage zu diesem Anlass dort dem Direktor vorgestellt, ich kann mich nicht ansatzweise erinnern, dass das in meiner Kindheit auch der Fall war. Vermutlich wurden wir noch kurz vor Beginn des Schuljahres nebenbei per Telefon im Sekretariat avisiert oder aber am ersten Tag der fünften Klasse einfach dort durch die Tür geschoben. Und es gab natürlich auch im Jahr vor dem Schulwechsel keine Tage der offenen Tür, an denen sich die weiterführenden Schulen den künftigen Schülerinnen möglichst liebreizend und einladend präsentiert haben, also mit beeindruckenden Aufführungen der Schülerband und des Schulchores, mit hilfreich herumführenden Oberschülerinnen und endlosem Erklärwillen aller Beteiligten und lustig experimentierenden Physiklehrern vor brandneuen Legorobotern, oh nein, es gab da eher einen ausgeprägten Angstkult.

“Warte bis zum Gymnasium, da wird es richtig schwer!” “Du kriegst Latein, da musst du dann erst richtig arbeiten.” “Ja, das wird alles sehr mühsam, aber da musst du eben durch.” “Viele schaffen das ja nicht, immer dran denken, mein Freund!” “In Mathe hast du eh keine Chance. Überhaupt keine.”

Und alle haben bei diesem Angstkult mitgemacht, im Nachhinein ist es eigentlich recht merkwürdig. Ich hatte aber sowieso durch das fliegende Klassenzimmer und die Feuerzangenbowle  etwas falsche Vorstellungen von Gymnasien und den dort lehrenden Professoren, ganz so schlimm kam es dann doch nicht. Na, die Zeiten ändern sich.

Damals war übrigens auch die Schulwahl noch viel einfacher als heute beim großen Sohn, ich ging selbstverständlich dahin, wo meine Geschwister auch schon waren. Um mir dann neun, nein, zehn  Jahre lang anzuhören, wie es mit denen war: “Ihre Schwester war ja auch nicht gerade die Fleißigste!” “Ihr Bruder war aber viel interessierter an Bio! Der war richtig gut! ”

Bauen und Lernen

Famous first times, wir haben eine Baugenehmigung, und es ist die erste Baugenehmigung meines Lebens! Spät, aber doch noch. Wir dürfen jetzt also ganz offiziell eine neue Laube dort hinstellen, wo dummerweise noch die alte halbe Laube steht, es ist weiterhin kompliziert. Das macht aber nichts, denn bei dem Wetter will ich eh nicht rausgehen. Ich will eigentlich überhaupt nichts, wie immer im Februar. Nur etwas Winterschlaf wäre schön, und dann irgendwann von zweistelligen Temperaturen geweckt werden. Buddenbär.

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Mein Bruder ist währenddessen weiter in der Ahnenforschung aktiv und findet dabei etwa den lapidaren Hinweis eines Standesbeamten zu einer Todesursache: “Verkohlt. Fliegerangriff.” So gesehen geht es uns heute ja noch gold, das kann man sich gar nicht oft genug klarmachen.

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Hier die Stelle mit dem Trecker bitte beachten. Fundstellen wie im November!

Und Frau Nessy fährt durch Herford.

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Ich mache mit dem Sohn Mathe, dann mache ich mit dem Sohn Englisch. Wozu der andere Sohn meint anmerken zu müssen: “Wenn du einfach Mathe englisch abfragen würdest, ihr würdet tierisch Zeit sparen“. Kinder mit Sinn für Effizienz! Da freut sich der Vater aus dem Controlling aber, und wie der sich da freut.

Blogs, Frost, Feldversuch

In der Berichterstattung über die Goldenen Blogger-Preise 2018 wurde an manchen Stellen erwähnt, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung von Blogs etwas verändert habe. Das kann man natürlich auch etwas lustig finden, denn das hat man seit dem Jahr 2000 oder so bisher in absolut jedem Jahr festgestellt, das ist also ein klein wenig redundant. In der Wahrnehmung der Medien hat sich in letzter Zeit womöglich auch etwas geändert. Oder auch in der Wahrnehmung des Wetters. Alles fließt, ne.

Auf dem Europacamp der Zeitstiftung in Hamburg wurden gerade etliche Panelteilnehmerinnen mit einer Wortreihung vorgestellt, die etwa “Journalistin, Publizistin, Bloggerin” oder “Autor, Blogger, Kolumnist” oder so ähnlich hieß, man merkte den teils beeindruckenden Wortballungen jedenfalls an, dass sie zu dem tendieren, was ich neulich hier als “irgendwer schreibt irgendwo irgendwas, alle können es lesen” definiert habe. Man braucht die Begriffe eigentlich gar nicht mehr.

Noch eine Beobachtung am Rande, die mich sehr amüsiert hat, nur ein winziges Detail des Europacamps, zu dem ich im Wiederholungsfall übrigens gerne wieder gehen würde, das war ein gutes Format – Sohn I wird noch etwas darüber schreiben. Im Foyer gab es einen Info-Tisch vom Blog der Republik, das wurde von altgedienten Medienhasen gegründet, man kann das drüben alles en detail nachlesen. Und weil sich die Zeiten eben ändern, ist das ein Blog, zu dem es schick designte Info-Flyer gibt, die lagen da auf dem Tisch auch aus. Wir Steinzeitblogger haben ja früher noch einfach auf Links gehofft, um irgendwann irgendwie bekannt zu werden, wir hatten ja nix! Aber egal, Opa erzählt vom Krieg. Außerdem saßen da jedenfalls drei Herren und eine Dame hinter den Flyern, die waren vielleicht die Betreiberinnen des Blogs, vielleicht aber auch nicht, ich wusste es nicht. Ich konnte sie auch nicht fragen, weil sie nämlich alle hochkonzentriert auf Notebooks herumtippten und energisch nicht hochguckten, auch nicht, wenn man direkt vor ihnen stehenblieb und sich einen Flyer nahm und sie fragend ansah. Vielleicht notierten sie gerade, dass da jemand vor ihnen stand, vielleicht schrieben sie auch gerade auf Twitter “Warten auf Interessierte” oder “Jetzt Blogvorstellung in der Halle” oder so etwas, wie auch immer, ich fand das sehr erheiternd, ein wirklich schönes Gleichnis für das Verhältnis von digitaler zu analoger Kommunikation: “Das Blog ist anwesend.”

(Hätte mir auch passieren können, eh klar. Nur ohne Flyer.)

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Was ganz anderes: Ein langes Stück über eine untergehende Insel. Und bei der GLS Bank habe ich drei Links zu den Themen Umweltschutz, Gemeinnutz und Ilse gepostet. Ja, Ilse.

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Es gibt viele erzählende Gartenbücher, die ungemein lustig sein sollen. Das erste, bei dem ich tatsächlich mehrmals gelacht habe: Max Scharnigg, “Feldversuch”. Kann man bedenkenlos jedem schenken, der einen Garten übernimmt oder neu anlegt, das passt schon. 

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Gestern sehr kurz im Garten gewesen, es war zu kalt und zu ungemütlich für alles, das Wetter im Grunde eine einzige Beleidigung. Im Garten hat sich aber ohnehin nichts verändert, der Bagger steht weiter sinnlos auf dem Rasen herum und rostet, in den beiden riesigen Containern daneben sammelt sich Schneeregen, durch die halb abgerissene Laube fegt der nasse Nordwest, das sieht insgesamt alles nicht schön aus. Auf Nachfrage sagte der freundliche Abrissunternehmer, er warte auf Frost. Ich gucke auf meine Wetter-App: minus ein Grad. Bei mir fällt das ja unter Frost, aber was weiß ich schon.

Immerhin: Ein paar Schneeglöckchen in der hintersten Ecke der Parzelle. Und neben dem Birnbaum, den ich im Herbst gepflanzt habe,  wächst auch noch irgendwas, das spannend werden könnte. Für einen weiteren Fotobeweis dazu hätte ich mich aber in den Schneematsch knien müssen, wir wollen hier nicht übertreiben.

 

Die Herzdame hat ein Problem

Ein Text von Maret Buddenbohm, auch bekannt als die Herzdame, die keine gescheite Klobrille findet.

Im Moment befinde ich mich in einer sehr unangenehmen Situation, ich kann nicht mehr auf die Toilette. Nicht etwa wegen Verdauungsschwierigkeiten, nein, ich kann mich nicht draufsetzen.

Das ganze Problem fing schon vor etlichen Jahren an, als die Kinder noch sehr klein waren. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, was mit unserer Klobrille seinerzeit war, warum wir sie getauscht haben, ich glaube sie war einfach nur unansehnlich geworden. Jedenfalls haben wir sie ersetzt durch eine neue. Da ich mich mit Sanitär nicht auskannte, war ich dankbar, dass es Ikea gab und kaufte dort. Und weil mir die Toilettensitze aus Kunststoff zu popelig wirkten, gab es die gute aus Holz.

Leider fing das Holz untendrunter ziemlich bald an, aufzuquellen und aufzuplatzen. Da ich den Kassenbon nicht mehr hatte, dachte ich mir „Montagsproduktion, Pech gehabt“ und kaufte eine neue. Gleiches Model. Dieser Toilettensitz zeigte dann aber auch bald schon wieder die gleichen Mängel. Ich schob das auf den günstigen Preis und die schlechte Qualität. Und da ich mit Kleinkindern für nichts anderes Zeit hatte, saßen wir dann die nächsten Jahre auf der immer weiter aufplatzenden Klobrille. Langsam lernten sie das Klo zu benutzen, aber nicht immer klappte es, wie es sollte. Der WC-Sitz wurde gerne auch von unten gewässert und man kann sich nun ausmalen, wie er sich stetig weiter vollsog. Ich vertiefe das hier jetzt nicht.

Dann waren die Söhne endlich alt genug fürs Småland und ich habe einen weiteren Versuch gestartet. Dieses Mal aber mit einem Kunststoffmodell. Dass ich WC-Sitze immer nur bei Ikea gekauft habe, lag daran, dass ich einfach nichts anderes kannte und mir Baumarkt und Sanitärfachhandel Angst machten.

Der Kunststoff-Toilettensitz hatte dann zwar keine Probleme mehr mit dem Holz, dafür konnte ich schrauben, wie ich wollte, er war einfach nicht dauerhaft festzubekommen. Und spätestens, wenn eines der Kinder auf die Toilette kletterte, um sich die Hände zu waschen oder Zähne zu putzen, war die Klobrille wieder locker und man rutschte beim Pinkeln hin und her.

Die nächste Klobrille kam dann unvorhergesehen zu uns, via „jede Woche eine neue Welt“. Als gerade Badezimmer-Welt bei Tchibo war, habe ich die alte Klobrille gar nicht erst wieder festgeschraubt, sondern kurzer Hand ersetzt. Das war schön! Ein paar Wochen mal nicht zu wackeln und nicht zu schrauben. Und das Beste – der neue Toilettensitz war sogar mit Absenkautomatik. Also kein Runterdengeln mehr, wenn die Söhne auf dem Klo waren.

Aber dann ging es wieder los. Die Klobrille wackelte und ich musste schrauben. Täglich, jahrelang. Die Schrauben rosteten und ließen sich immer schlechter festschrauben. Komischerweise hinderte der Rost sie aber nicht daran, sich immer wieder zu lösen.

Vor einigen Monaten hatte Sohn 2 dann ein Einsehen mit uns und hat mal eben während eines Wutanfalls den Klodeckel geschrottet. Das heißt, der Deckel hatte erst nur eine kleine Stelle, aber als ich mich dann draufsetze, brach er komplett zusammen und ich rutschte weiter ins Klo. Jetzt versuchte ich noch mal mein Glück und fuhr dieses Mal in den Baumarkt.

Der Baumarkt hatte eine ziemlich große Sanitärabteilung, auch eine enorme Auswahl an Toilettensitzen. Ich war wirklich willig, dieses Mal Geld in eine anständige Klobrille zu investieren. Leider war weit über die Hälfte der Klobrillen indiskutabel – durchsichtig und mit Fischen im Deckel, mit Stacheldrahtmotiv, mit NY-Skyline oder Blümchen. Dann gab es eine Auswahl an billigen Brillen und eine kleine Auswahl viel zu teure. Am Ende blieben eigentlich nur zwei Klobrillen übrig: aus Holz, einmal Beige, einmal Weiß. Beide von der Marke POseidon (Ich könnte mich jetzt noch bepinkeln bei dem Namen.) Was die im Detail konnten, das war für mich nebensächlich, Hauptsache ohne Blumen.

Ich habe mich dann für die beigefarbene Version entschieden. Fragt mich nicht, was mich da geritten hat. Zu Hause habe ich sie dann nur angehalten und direkt festgestellt, dass sie „scheiße“ aussieht. Da ich es dann aber erstmal wochenlang nicht in den Baumarkt zum Umtauschen geschafft habe, saßen wir dann erstmal weiterhin auf unserem halben Wackelklo. Auf den letzten Drücker habe ich es dann endlich doch noch mal geschafft sie gegen die Weiße umzutauschen, was nicht ganz einfach war, obwohl sie noch original verpackt war.

Die neue Klobrille war weiß, aus Holz, mit Absenkautomatik, hieß POseidon und war für unsere bisherigen Verhältnisse auch ziemlich teuer. Aber man saß nicht gut drauf (sagten alle) und vor allem – nach einer (!) Woche quoll und platze sie von unten auf. Es wurde dann auch schnell immer schlimmer und da habe ich die alte Klobrille aus dem Müll geholt und die neue wieder in den Baumarkt gebracht.

Die Verkäuferin hielt mich für völlig bescheuert und wollte die Reklamation auch erst nicht annehmen, weil man „eine Holzklobrille doch nicht mit Wasser reinigen kann“. Ja, Gott, wie denn sonst? „Nur mit Desinfektionsmittel!“ Ich durfte dann aber doch eins zu eins tauschen, was ich gar nicht wollte, weil ich meine Klobrillen ja auch weiterhin mit Wasser reinigen möchte. Nach weiteren Diskussionen wurde das dann gegen beliebige Ware getauscht, worüber sich der Gatte freute, weil er die Klobrille dann in Samen und Erde anlegen konnte. In ziemlich viel Erde.

Seitdem sitze ich wieder auf meinem halben Wackelklo, welches jetzt noch mehr wackelt, weil die rostigen Schrauben nun auch noch verbogen sind und recherchiere im Internet, welches denn der beste Toilettensitz ist. Am Ende lande ich immer bei Amazon, weil der Sanitärfachhandel um die Ecke keine brauchbaren Webseiten hat, wo ich mich vorab informieren kann. Und mit den ganzen Onlineshops bin ich auch nicht zufrieden. Bei Amazon habe ich auch schon gar nicht mehr auf Preise oder Ausstattung geachtet, sondern nur noch darauf, dass bei mehr als 100 Bewertungen der Durchschnitt bei 4,5 – 5 Sternen liegt. Leider sind diese Toilettensitze dann doch alle in D-Form. Ich brauche aber O-Form. Was mir erst jetzt klar wurde, dass es da auch noch Unterschiede gibt.

Und nach nächtelanger Suche habe ich endlich die perfekte Klobrille gefunden: super Bewertungen, O-Form, Absenkautomatik, Kunststoff, wackelt nicht und gar nicht mal teuer… aber sie ist nur in der Farbe „Ägäis“ verfügbar.

Nun ja, man kann nicht alles haben. Nun muss ich nur noch dem Gatten erklären, dass wir jetzt das Bad komplett neu streichen und dekorieren müssen.

Kul

In der Grundschule unterhalten sich mehrere Schüler verschiedener Klassenstufen in einem Aufenthaltsraum über die Schreibweise des Wortes “cool”, wobei der Grund des Gesprächs das von einem Erstklässler gerade geschrieben “kul” ist, dem, so ein vorsichtiger Erstverdacht, vielleicht ein h fehlt, und zwar vermutlich nach dem u. Weil nämlich, das ist ja ein ziemlich langes u, da in cool. Einer weiß aber, dass es auch eine Schreibweise mit oo und c vorne gibt, was andere wiederum höflich zur Kenntnis nehmen, aber doch sichtlich absurd finden. Obwohl, das ist ja ein englisches Wort, fällt einem noch ein, da weiß man nie, die schreiben ja alles so seltsam. Die schreiben quasi total uncool.

Ich weiß noch, wie mir in der ersten Klasse einmal ein größeres Kind erzählte, dass man in England “thank you very much” für Danke sagt, also mir Matsch am Ende, haha, das habe ich damals natürlich auch nicht geglaubt. Was für ein Unfug, man kann Erstklässlern auch nicht alles erzählen.

Die Sache mit dem Wort kul findet jedenfalls ein glückliches Ende, als die Schüler das Wort auf dem Sweatshirt des einen Kindes entdecken, guck an, da steht es ja, mit oo in der Mitte und c vorne, in echt! Total praktisch, diese bedruckten Sweatshirts. Und der Junge, der kul geschrieben hat, streicht also durch und korrigiert und nickt zufrieden, hat er wieder was gelernt heute! Geht auch ganz ohne Lehrpersonal. Sehr cool.

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Ich bin heute irgendwo auf diesen Clip gestoßen, habe aber leider sofort wieder vergessen, wo das war und kann mich daher nicht ordnungsgemäß bedanken, pardon: “Music for one apartment and six drummers.”

Nicht den Kindern zeigen! Oder sie hinterher zumindest sehr genau beobachten, besonders im Bad.

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LEG

Wir waren wegen eines Lernentwicklungsgsprächs in der Grundschule, wenn Sie das nicht kennen, erkläre ich es ganz kurz: LehrerInnen und Eltern reden mit dem Kind über seine Leistungen und /oder sein Verhalten und treffen in der Regel – oder zumindest an vielen Schulen – eine Vereinbarung, die mutmaßlich passende Ziele für das Kind beinhaltet und von diesem nach ausführlicher Kenntnisnahme und Diskussion unterschrieben wird. Und, so muss man als erfahrener Vater ergänzen, eventuell binnen 24 Stunden vergessen wird, aber egal, darum geht es gar nicht.

Das Verfahren ist nicht unumstritten, siehe dazu etwa hier in der taz, einige Punkte aus dem Artikel kommen hier unten auch gleich vor. Die Kritik kann man meiner Meinung nach nicht ganz von der Hand weisen – die guten Absichten hinter den Gesprächsansätzen allerdings auch nicht. Ich habe bei den Söhnen kein einziges Gespräch erlebt, in dem sich die Lehrkräfte nicht toll verhalten hätten, die waren bei uns alle immer sehr gut vorbereitet, haben sich viel Zeit genommen und durchdacht und freundlich argumentiert. Ich kenne auch kein Kind, das irgendwie Horror vor diesen Gesprächen hätte, auch bis dahin ist immer noch alles richtig und fein, ich bin kein vehementer Gegner dieser Gespräche.

Aber ich bin, was Entwicklungsgespräche betrifft, konzernerprobt. Ich habe viele Entwicklungsgespräche als Vorgesetzter geführt, nicht ganz so viele selbst mit meinen Chefs. Ich habe Weiterbildungen dazu erlebt, die teilweise überraschend gut waren. Ich hatte einige sehr gute Gespräche und auch etliche, die man sich hätte sparen können. Wobei mir die ganze Zeit die unübersehbaren Parallelen zwischen Konzern und Schule nicht behagen. Ich finde generell nicht, dass der Angestellte ein Leitbild für die Gesellschaft sein sollte, aber dieser Gedanke ist hier auch nicht zielführend, ich will auf etwas anderes hinaus.

In der Firma habe ich für mich irgendwann erkannt, dass ich die Ritualisierung von Gesprächssituationen eher sinnlos finde. Wenn man im Personalentwicklungsgespräch auch nur ansatzweise auf einen überraschenden Inhalt stößt, hat man im Jahr vor dem Termin wohl nicht genug miteinander geredet, das ist eigentlich einfach. Ich halte eine Kommunikationskultur in einem Unternehmen erst dann für wirklich gelungen, wenn diese Gespräche fast nichts mehr ergeben können und man sich albern vorkommt, weil man da so feierlich zu zweit im Konferenzraum sitzt. Das müsste auch in der Schule möglich sein, glaube ich. Aber auch darum geht es gar nicht.

Ernsthaft stören mich drei Aspekte. Alle sind nicht dramatisch schlimm, der letzte ist sogar eher amüsant, aber ich denke doch bei jedem dieser Gespräche wieder drüber nach.

Zum einen beinhaltet die Gesprächssituation tatsächlich ein Machtgefälle, drei Erwachsene oder mehr und nur ein Kind, das ist in der Nähe einer Tribunalsituation oder kann zumindest so erlebt werden. So etwas kann schiefgehen. Das habe ich zwar nicht erlebt, aber ich bin ziemlich sicher: Das geht in der Wahrnehmung einiger Kinder hin und wieder schief. Einfach weil die Ausgangssituation es hergibt.

Dann ist es zweitens so, dass das Kind (oder die Erwachsenen, das wird wechseln) auf ein Ziel kommen muss, was meist beinhaltet, dass irgendeine Schwäche benannt wird, an der dann angesetzt werden soll. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Selbstoptimierung in so frühen Jahren schon verinnerlicht werden sollte. Im Gespräch wird das “Du bist okay” zwar sehr betont, das ist ganz wunderbar, in der Vereinbarung geht es aber um eine Form von “Du bist nicht okay”, die dann auch noch feierlich abgezeichnet werden soll, was in dem Alter sonst völlig unüblich ist. Das kann man hinterfragen, glaube ich.

Drittens habe ich mehrfach gehört, wie sich Schüler darüber ausgetauscht haben, was sie denn wohl am besten mal als Entwicklungsziel angeben könnten, denn man muss ja auch in jedem Halbjahr etwas anderes benennen, das ist sehr lästig. Also suchen sie sich irgendwas, das nicht wirklich wehtut, aber für Erwachsene doch toll und bemüht klingt, und was nimmt man denn da bloß? Sie haben also untereinander herumgefragt, was andere gesagt haben und wie das ankam, sie haben das ausgetauscht wie die katholischen Kinder früher die kleinen Sünden auf dem Weg zur Kirche. Und wenn man so etwas mitbekommt, dann ist das Ding doch eigentlich durch.

Denn die Kinder sind einfach zu schlau für so etwas, sie begegnen dem gar nicht programmgemäß als gläubige Adepten und strebend bemüht, sie begegnen dem mit ironischer Distanz, ganz so wie die abgeklärten Angestellten im Großraumbüro mit zwanzig Berufsjahren und mehr. Aber ob man nun als Zweit- oder Drittklässler wirklich schon parat haben muss, wie man möglichst lässig durchs lästige System kommt – da habe ich doch erhebliche Zweifel.

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Specksteinvariationen

Es gibt hier im Haushalt ein überraschend großes und auch ziemlich plötzliches Interesse an Speckstein, genauer an der Specksteinbearbeitung. Die hat ein Sohn nämlich neulich in einem Kunstraum gesehen und war sofort fasziniert, um nicht zu sagen hingerissen. Wir haben dann dort etwas Speckstein geschenkt bekommen und das Stückchen wurde mit Hingabe rundgeschmirgelt, wonach es sich übrigens tatsächlich großartig anfühlte. Man möchte es gar nicht mehr weglegen, das kunstvoll geglättete Specksteinding, eine tolle Sache.

Heute war ich folgerichtig in einem Bastelgeschäft, man gerät mit Kindern ja in die absurdesten Läden. Im Bastelgeschäft haben wir Speckstein gesucht, wobei das mich begleitende Kind das Wort vor- und zurückbuchstabierte und zerlegte und mit Reimen versah, denn wenn man schon in einem Bastelgeschäft ist, dann kann man auch mit der Sprache basteln. Kostet nix, da freut sich der Vater! Wobei mir jedenfalls auffiel, das Speckstein ein hervorragendes Helmut-Schmidt-Wort ist, ich habe gleich wieder diese Stimme im Ohr gehabt und die spitzen S-Laute, gleich wieder den Tagesschaugong gehört, “Bonn”, und dann die Kamerasicht in den alten Bundestag, Helmut Schmidt tritt ans Rednerpult und hält eine Rede über die Specksteinversorgung in der Bundesrepublik, wobei er natürlich erwähnt, dass es sich um eine Frage der S-taatsdisziplin handelt. Er sagt S-peck-s-tein und es klingt ganz normal, das gehört so, S-peck-s-tein, als hätten Hamburger Kaufleute damit schon immer gehandelt, ein seit ewigen Zeiten wichtiges Wirtschaftsgut in den Hansestädten an der Küste, irgendwie banal und doch wichtig, wie Salz oder Hafer, so ein Wort ist das doch, eine gute und vernünftige Sache, verlässlich und bodenständig, wie gute Butter oder große Kartoffeln. Jedenfalls bis der Oppositionsführer das Wort ergreift und im Pfälzer Dialekt etwas zur Specksteinfrage erwidert, wobei der Speckstein aber nicht mehr wie ein klares und irgendwie auch würdevolles Wort klingt, der Schpeckschtein klingt jetzt eher feucht und rundgelutscht, sabberwarm und tendenziell scheußlich.

So denke ich da im Laden vor mich hin, fragen Sie nicht, ich weiß ja auch nicht, was in meinem Kopf immer so vorgeht und wie es dazu kommen kann, das hat man gar nicht immer im Griff und wer geht schon geistig unbeschädigt durch seinen Lebenslauf. Ich denke also immer weiter Speckstein, ich habe einen Sprung in der Platte, die Älteren erinnern sich, während ich schon an der Kasse stehe und den Sohn bitte, mir mal den Speckstein zu reichen, den ich dabei versehentlich formvollendet hamburgisch ausspreche, woraufhin mich die Kassiererin kurz irritiert ansieht, so ein fragender Blick unter ihrem Pony hervor, hat der Typ da einen an der Waffel oder ist er es wirklich, der allerletzte Hamburger, der so s-pricht? Im Ernst?

Wie auch immer. Jetzt wird hier weiter Speckstein rundgeschmirgelt. Macht Spaß. S-paß. Egal.

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Und ich habe drüben bei der GLS Bank drei Links gepostet, bitte hier entlang. Speckstein kommt da zwar nicht vor, aber das Grundeinkommen, die Ernährungslüge und der Feins-taub.

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Kurz und klein

Goldene Schrift auf rotem Leinen

Heute nur schnell zwei Links, die Zeit reicht hinten und vorne nicht, links und rechts schon gar nicht, rien ne va plus, es gibt solche Tage, Ihr kennt das. Wobei mir auffällt, dass ich Sie hier mal sieze und mal duze und nicht recht weiß, womit das korreliert. Darauf mal achten!

Kein weiterer Inhalt diesmal also, obwohl auch heute auf dem Weg zur Arbeit Bücher am Straßenrand lagen, aber ich bin tatsächlich im Geschwindschritt daran vorbei geeilt, ich habe nur aus dem Augenwinkel gesehen: goldene Schrift auf rotem Leinen. Was immer das auch gewesen sei mag, das können wir uns jetzt denken. Sagen wir einfach, es war eine Bibel, ich habe nämlich eine Bibel mit goldener Schrift auf rotem Leinen im Regal, von der ich übrigens nicht mehr weiß, wie sie jemals in diesen Haushalt kam, vielleicht ist sie noch aus meiner Antiquariatszeit,das kann sein, aber egal.

Ich stelle mir jetzt jedenfalls vor, der Mensch, der da schon seinen Dürrenmatt und auch den Ho-Chi-Minh aussortiert hat, der hat jetzt also auch die Bibel endgültig raus und in den Regen gelegt, das muss nämlich alles weg, das war alles falsch, fort mit den Idealen und Wegweisern, das war alles nichts, der räumt gründlich auf mit dem alten Krempel und steht in seiner Wohnung vor leeren Regalen und denkt neu nach. Daneben lag noch ein potthässlicher Aschenbecher, er ist jetzt vielleicht auch noch Nichtraucher, er stellt also sein ganzes Leben auf den Kopf. Aus irgendeinem Grund stelle ich ihn mir männlich vor, merke ich gerade. Was wohl morgen da liegt?

Und dann noch Jo Lendle über eine Herausforderung der Gegenwart.

Kiki übers Tagebuchbloggen. Es passiert einfach nichts, wer kennt es nicht.

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