Schnittlauch und der Rest vom Tag

Am frühen Morgen kurz auf Saatgutversandseiten herumgeklickt, dabei wieder ein wundervolles Wort entdeckt. Ganz sicher noch nie vorher gesehen oder gehört, ich hätte nicht einmal vermutet, dass es überhaupt Begriffe gibt, mit denen man das hohle Innenleben des Schnittlauchs klassifiziert, wer kommt denn auch auf so etwas. Aber da stand bei der einen Sorte als Beschreibung doch tatsächlich “mittelgrobröhrig”. Ist das nicht schön? Mittelgrobröhrig, man muss es mehrfach sagen, gerne auch im Tonfall des Meisters von Werner aus den Filmen damals, die Älteren erinnern sich, es wird dann immer besser. Mittelgrobröhrig.

In sehr feinen Hotels kann man es morgens im Frühstückssaal bei der Bestellung verwenden: “Ich hätte gerne ein Frischkäsebrötchen mit Schnittlauch, den Käse aus Heumilch und den Lauch bitte mittelgrobröhrig.” Und dann mal sehen!

Ansonsten ist das Wort im Alltag fern des Gartens natürlich schwer zu verwenden, was sollten einem für Anwendungsbeispiele einfallen? Also wenn man nicht gerade Urologe ist. Pardon.

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Home-Office mit dem kranken Kind gemacht. Ich mag Home-Office nicht, ich gehe morgens gerne raus und durch frische Luft irgendwo hin, der Tag fühlt sich sonst immer irgendwie an, als sei ich nicht richtig wach geworden und es würde noch etwas fehlen, ein eher unangenehmer Zustand. Außerdem ist mir die Arbeit auf diese Art räumlich zu nah, als würde man nach dem Schlafen direkt hineintreten, das möchte man doch auch nicht. “Als Maximilian Buddenbohm eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Konzernangestellten verwandelt.” Morgen wieder ins Büro!

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Danach mit dem kranken Kind stundenlang Deutsch für die Schule geübt und mit ihm Arbeitshefte ausgefüllt. Fühle mich jetzt höchst unwohl damit, in diesem Text hier die Verben nicht grün und die Adjektive nicht blau markiert zu haben. Hoffentlich stimmt wenigstens die Groß- und Kleinschreibung.

One of those days

Morgens mit dem Blinddarmkind zum Kinderarzt, warten, warten, warten. Wir lesen immerhin Bücher im Wartezimmer und spielen nicht auf mitgebrachten Elektrogeräten herum, so weit, so bildungsbürgerlich, man muss auch die kleinen Erfolge sehen. Und veröffentlichen. Im Wartezimmer ein Holzboot zum Spielen, daran hängt ein Rettungsring. Ein kleiner Junge fragt, was das denn sei? Die entgeisterte Mutter sagt „Das ist ein Rettungsring, aber das musst du doch wissen.“ Und dann sagt sie es immer wieder: „Du musst doch wissen, was ein Rettungsring ist!“ Das Kind ist etwa drei jahre alt. Andere Eltern, ein ewiges Rätsel. Im Gespräch mit dem Arzt kommen wir dann auch nicht recht weiter. 

Ich: “Wenn das jetzt doch noch einmal schlimmer, wird, wo gehen wir dann hin, wieder zu Ihnen oder gleich ins Krankenhaus?”

Kinderarzt: “Da haben Sie freie Auswahl.”

Ich: “Endlich mal, davon träumt man doch immer. Toll!”

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Danach fliegender Wechsel mit der Herzdame, Stunden zu spät ins Büro gerannt. Zwischendurch hektische Abstimmung, wer im Laufe der Woche wann und wie lange beim Kind auf dem Sofa bleiben kann, Home-Office, verschobene Arbeitszeiten und sonstige Optionen, Sie kennen das. Also wenn Sie Kinder haben zumindest.

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In der S-Bahn zum Büro liest der Mann mir gegenüber eine beachtlich dicke “Histoire de l’Allemagne” in einer Taschenbuchausgabe. Er ist noch ganz vorne, auf den ersten drei Seiten, und guckt dann aber gar nicht weiter ins Buch, sondern aus dem Fenster, wobei er das Stück Allemagne, das da vorbeigleitet, mit einem Gesichtsausdruck betrachtet, der mir kurz vor Ekel zu sein scheint. Aber gut, wir fuhren durch Hammerbrook, da gucken alle so, die versehentlich den Blick heben.

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Nach der Arbeit noch schnell zur Bücherei, das kranke Kind braucht Bücher. Danach Termin mit dem anderen Kind am anderen Ende des Stadtteils, danach noch ein Termin nicht mit ihm, aber doch seinetwegen. Danach ist der Tag schon vorbei,  ganz komisch.

Sitze auf dem Sofa und hänge wüsten Vereinbarkeitsphantasien nach.

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Ansonsten trägt hier ein Kind ein weißes Hemd von mir und ist damit ein Pirat. Komisch, wenn ich das trage, bin ich damit Controller. Nächstes Mal genauer hinfühlen.

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Weiter in Remo H. Largos “Das passende Leben” gelesen, diesmal nirgendwo hängengeblieben. Es ging aber auch hauptsächlich um Kompetenzen, damit habe ich es ja nicht so. Nachdenken über passende Bücher.

Beifang vom 09.01.2018

Die Herzdame hat unter ihrem Werbetext von gestern den vermutlich längsten Kommentar gepostet, den sie je geschrieben hat, es ging wieder um die Sinnhaftigkeit dieser kommerziell ausgerichteten Artikel.

Ein Pfeifhase. Niedlich!

Eine einzige reife Frucht wurde mit den Kosten für eine Kutsche gleichgesetzt.Etwas Weiterbildung zur Ananas.

Ein höchst spezieller Nachruf auf France Gall.

Hier kann man ganz gut verstehen, warum man als Elternteil manchmal etwas länger auf eine Matheaufgabe guckt. Bevor es einem dämmert

Klebsormidium! Auch nur ein Mensch.

Macht nix, dachte ich, Hauptsache ich muss hier nicht allen die Zähne putzen!” Wer kennt es nicht.

Und nun ein junger Nat King Cole. Das Störgeräusch am Anfang ist nach ein paar Sekunden weg. 

Nord-Nordwest, Neuronen

Percanta hat unter diesem Beitrag, es ging um Ahnenforschung, ihre Sehnsucht nach dem Süden erwähnt, da lege ich noch etwas an, denn ich bin mehr so Nord-Nordwest. Ich könnte nicht erklären, warum das so ist, aber ich finde die Richtungen Süden und Osten tendenziell verkehrt. Nicht im absoluten Sinne, nur für mich. Ich kann da dennoch hinreisen, kein Problem, aber im Grunde mache ich das nicht gerne. Nordwestlich von hier liegt Nordfriesland, Nordfriesland fühlt sich sehr gut an. Oder Schottland, noch weiter in der Richtung, alles super. Dagegen Baltikum: Bestimmt interessant, aber liegt falsch. Man hat seltsame Seiten an sich, hat man nicht? Als hätte ich einen Drall.

Währenddessen hat die Ahnenforschung in unserer Familie ergeben, wo ich meine Ohren herhabe, man beachte den Herrn in der Mitte, das ist mein Urgroßvater.

Familienbild ca. 1916

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Den Tag ohne Kreislauf begonnen. Ohne Kreislauf taugen Tage aber nicht so viel, habe ich gemerkt. Insofern etwas reduziertes Erleben heute. Dennoch bei Remo H. Largo weitergelesen, Lesen geht fast immer. Da ging es um das menschliche Hirn und die Anzahl der Neuronen und neuronale Netze und Synapsen und all das, um das komplett unfassbare Leistungsvermögen unseres Hirns also. So etwas lässt mich immer mit etwas schlechtem Gewissen zurück, Sie kennen das vielleicht: Das Hirn ist auf diese geradezu aberwitzig erscheinende Leistung ausgelegt – und was mache ich damit? Genau. Schlimm. Largo schreibt da in einem Kapitel über die Entwicklung der Intelligenz: “So wurden die großen mathematischen Entdeckungen fast ausnahmslos im Alter von 15 bis 25 Jahren, oft vor dem 20. Lebensjahr gemacht. Sie sind also nicht das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen, sondern beruhen vielmehr auf einer angeborenen intellektuellen Leistungsfähigkeit, die der Psychologe Raymond Cattell als fluide Intelligenz bezeichnet hat.” Im Alter zwischen 15 und 25 Jahren habe ich nur entdeckt, wie wahnsinnig heftig man verliebt sein kann, ich hatte da eher ein fluides Herz, will mir scheinen. Und hat es jemand gewürdigt? Kein Schwein. Schon gar kein weibliches.

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Das Blinddarmkind pendelt derweil zwischen Kinderkrankenhaus und Kinderarzt hin und her, man ist sich nämlich nicht einig, man weiß nicht recht, die einen sagen so, die anderen sagen so, alle drücken am Kind herum, das Kind sagt aua. Man wird nicht schlau aus der Sache, sammelt aber sehr viel Papier, weil immer überall ein Formular ausgefüllt werden muss. Quasi an jeder Tür. Morgen früh noch einmal Kinderarzt, wenn der uns wieder ins Krankenhaus schickt, verliere ich allmählich die Lust an dem Spiel.

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Everything must change, wir denken immer noch kollektiv über das Jahr nach, nicht wahr?

Lompönen, Nachtigall, Madden-Fluch

In der taz gab es einen Artikel über Familiengeschichte und Migrationserfahrungen. Mein Bruder beschäftigt sich gerade mit Ahnenforschung, das passt ganz gut, denn natürlich sind auch unsere Vorfahren weit verstreut gewesen. Er stößt auf interessante Ortsnamen, Lompönen etwa klingt doch hinreißend, das ist im Memelgebiet, bzw. war, heute heißt es natürlich anders, Lumpénai, was fast noch besser klingt. Cammin in Pommern, dann Gerresheim tief im Westen, Polen war eh dabei, Mecklenburg, Vorpommern, mit Komma, nicht mit Bindestrich. Interessant ist dabei, wie wenig in der Familie überliefert wurde, es gibt fast gar keine alten Geschichten über früher und noch früher, keine wie auch immer gearteten Heimatsehnsüchte, die sich auf die Gegenden beziehen, die doch vor zwei, drei Generationen erst verlassen wurden. Vom Memelgebiet wusste ich gar nichts. Und das ist ja faszinierend, wie schnell so ein Wissen um Herkunft ausgelöscht werden kann. Wie oft mag das in jedem Stammbaum passiert sein, wie vollkommen unklar ist, wo man herkommt? Übrigens schon zwei Nachtwächter unter den Vorfahren gefunden, ich weiß schon, warum ich immer so früh ins Bett gehe. Alles Wiedergutmachung.

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In den Büschen auf dem Spielplatz vorm Balkon singt am späten Samstagabend eine Nachtigall, und zwar dergestalt, dass die ganze Familie ergriffen in der Balkontür steht und lauscht, abzüglich des Kindes im Krankenhaus, versteht sich. Aber wieso jetzt eine Nachtigall im Januar? Zugvogel? Hallo? Was ist das wieder für ein allgemeines Durcheinander in der Welt. Schlimm. Am Morgen haben wir dann an der Stunde der Wintervögel teilgenommen, da ließ sich aber nur eine lumpige Kohlmeise auf dem sonst so reich besuchten Balkon blicken. Sich wochenlang füttern lassen und dann nicht zum Zählappell antreten! Hm. Das Krankenhauskind kam, dieses Update fehlt noch, heute am Nachmittag wieder nach Hause, mit dem Blinddarm noch an Bord. Man staunt und weiß nicht recht. 

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Weiter in Remo H. Largos “Das passende Leben” gelesen, das liest sich für ein Sachbuch recht fluffig. Dabei gelernt, was die “Regression zur Mitte” ist, auch spannend. Effekte wie beim Madden-Fluch (im Wikipedia-Artikel erklärt) sind doch zu und zu schön.

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“Na, Papa, träumste von Trillionen Likes?”

“Diese Wohnung hat ein Kinderzimmer! Da kann man auch reingehen!”

Penstemon, Friedewalde, Appendizitis

Das erste Wort in der Überschrift kommt Ihnen vielleicht rätselhaft vor, das ist verständlich, ich kannte es bis vor ein paar Stunden auch nicht. Es dient mir auch nur als Beispiel für das, was ich gerade durch den verschärften Konsum englischsprachiger Gartenblogs lerne. Denn man hat zwar die gängigen Gemüsesorten, Kräuter und Blumen vielleicht noch als Vokabel parat, wenn es aber etwas spezieller wird, ist es schnell zappenduster, zumindest bei mir. Gärten erreichen Stellen im Hirn, da kam die Schulbildung nie hin. Und oft begegnen mir bei dieser Lektüre sogar Vokabeln, deren Bedeutung ich schnell google – und dann die deutsche Übersetzung auch nur mit “Hä?” ansehe. Weil nie gehört. Penstemon, das jedenfalls ist der Bartfaden, können Sie sich gleich merken, super Vokabel um dezent anzugeben, etwa wenn man bei englischen Gastgebern einen Blick in deren Garten wirft und beiläufig die Schönheit der Penstemons lobt. Da darf man sich dann gleich ein paar andere Fehler im Englischen erlauben, denke ich. Die Penstemons oder Bartfäden kann man sich natürlich auch in der Google-Bildersuche ansehen, die sind gar nicht mal so hässlich! Gleich vorgemerkt (und zwar den Bronze-Bartfaden von hier, das soll ein sehr guter Versand sein, sagen andere Gartenfreunde, aber noch nicht getestet).

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Ansonsten habe ich den Tag größtenteils im Kinderkrankenhaus verbracht, Verdacht auf Blinddarmentzündung, aber eben nur Verdacht, vielleicht auch nicht, die einen sagen so, die anderen sagen so, alle warten auf den Chef, der dann aber gar nichts sagt, und zwischen denen, die da etwas oder nichts sagen, liegen jeweils ein paar Stunden. Das Kind liegt da jetzt noch etwas zur Beobachtung und spielt Nintendo bis zur völligen Umnachtung, so hat die Sache wenigstens einen Vorteil. Also für den Sohn. Ich habe im Krankenhausbistro etwas gegessen, was mich vermutlich noch lange in meinen Träumen verfolgen wird, der Sohn dagegen darf gar nichts essen, weiß aber nicht, wie gut das im Krankenhaus ist. Schwierig.

Gottseidank hatte ich ein Buch dabei: Remo Largo, “Das passende Leben”, das ist ja schon mal ein anziehender Titel, wer hätte das nicht gerne, ein passendes Leben. Remo Largo kennt man vielleicht als Autor von Büchern zur Kindermedizin und kindlichen Entwicklung, in diesem Buch hier geht es um den auch erwachsenen Menschen, um dessen Vielfalt und Möglichkeiten, und nach den ersten hundert Seiten zu urteilen, lohnt die Lektüre. Sie führt natürlich zu den Fragen, die sich auch im Wirtschaftsteil für die GLS Bank (hier die letzte Ausgabe, gute Texte zum Thema Stau!) dauernd stellen: Was machen wir hier eigentlich und warum? Wie gestern bereits festgestellt, sind das gar keine unpassenden Fragen am Jahresanfang, ich lese also mal weiter. Aus gärtnerischen Gründen freut mich zwischendurch schon mal die Erwähnung der genetischen Verwandtschaft des Menschen mit dem Kohlgemüse, da sät man doch gleich mit noch innigeren Gefühlen. Das Buch ist übrigens frei von jedem Esoterikverdacht, der Titel klingt vielleicht danach? Nein, das ist ganz down to earth, es mündet eher in gesellschaftlichen Überlegungen und naheliegenden Fragen nach den Möglichkeiten des menschlichen Glücks, es sind ähnliche Fragen, die neulich bei der Kaltmamsell diskutiert wurden, als es dort um die Entwicklung seit unserer Großelterngeneration ging, Stichwort hedonistische Adaption. Sehr faszinierendes Thema!

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“Na, schreibste da Lügengeschichten, Papa?”

“Mir widerstrebt dieser zunehmend laxe Umgangston hier, in dem sich familieninterne Imageprobleme unschön spiegeln, junger Mann.”

“Äh, was?”

“Schon gut. Ich blogge.”

Jahresanfang (enthält Beifang)

Der Weihnachtsbaum ist mittlerweile von unserem Balkon geflogen, das ist natürlich immer eines der wenigen Highlights im Januar, der Monat hat ja sonst meist nicht viel zu bieten. Wir haben den Rest von Weihnachten in den Keller geräumt. Ich verschreibe mich, nanu, schon nach drei Werktagen nicht mehr beim Datum und die erste Arbeitswoche wurde allgemein mit großer Tapferkeit ertragen, zumindest sahen die Leute in der morgendlichen S-Bahn danach aus, so bleich und doch gefasst.

Aus unklaren Gründen habe ich das Jahr übrigens im Anzug begonnen, das fühlt sich ganz seltsam an, wenn man lange keinen Anzug getragen hat, ganz fremd – aber auch nicht schlecht. Oder, wie die Söhne sagen würden: “So viele Taschen sind doch toll.” Daraufhin prompt am ersten Werktag mit dem Anzug ins Büro gegangen, wo mich dann alle irritiert fragten, was ich denn jetzt wieder vorhätte, mit diesem seltsamen Unterton, der mir die wildesten Eskapaden zutraut, warum auch immer. Dabei kennen mich diese Kollegen erst ein paar Jahrzehnte! Schlimm. Wobei mir einfällt, dass einige wenige mich sogar noch in der Mode der Achtziger Jahre erlebt haben, da darf man gar nicht länger drüber nachdenken, man möchte sonst sofort Zeugen beseitigen. Die einzige Kollegin, die noch Fotos aus der Zeit hat und diese gelegentlich sogar herumgezeigt hat, ist allerdings gerade in Rente gegangen. Manches erledigt sich quasi von selbst, man muss nur etwas warten.

Egal, bei näherem Hinsehen brauche ich eh einen neuen Anzug oder zwei, die Modeentscheidung 2018 wird also erst einmal einfach verschoben. Ich sage dann schon noch Bescheid, was jetzt Trend ist, das bleibt hier selbstverständlich serviceorientiert.

Wie das Jahr 2018 überhaupt zu nehmen ist, das ist auch anderweitig vollkommen unklar, es scheinen gerade recht viele etwas irritiert innezuhalten, zumindest in meiner kleinen Filterbubble. Es ist eine seltsame Welle, da denken so viele gerade z.B. über das Bloggen an sich nach, etwa hier, es wird einem ganz retro zumute. Und an anderer Stelle dann diese kleine Randbemerkung: Vermutlich müsste ich eigentlich in einer Punkband spielen. Oder Bloggen. Ja, Bloggen, das wärs.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein Journal, also ein eher klassisches Tagebuch, mit einer App führen wollen würde, aber vielleicht ist das in Bezug auf den Garten gar keine schlechte Idee? Da mal drüber nachdenken! So ein Journal in Papierform neigt nämlich dazu, nicht da zu sein, wo ich gerade bin, habe ich in den letzten Wochen gemerkt. Das ist für beliebige Notizen natürlich egal, weil ich mittlerweile in jeder Tasche ein Notizbuch habe, nahezu wahnhaft, aber bei einem Journal zu einem bestimmten Thema ist das doch eher blöd. Außerdem probiere ich neue Apps gerne aus, quasi Spieltrieb. Bei diesem Herumspielen schon gesehen: wenn man bei der im Artikel erwähnten Momento-App die Streams von Instagram und Twitter reinliest und nur ein, zwei Stichwörter pro Tag ergänzt, dann ist das als gut sortierte Erinnerungsliste nur für den Privatgebrauch schon mal ganz fein. Wenn man so etwas denn braucht.

Aber braucht man das? Also abgesehen von Spezialthemen, bei denen das ziemlich klar der Fall sein kann? Ändert das denn was, wenn man alles so nachlesen kann? Ich könnte eigentlich ganz gut im Blog nachsehen, was ich wann gemacht habe, das habe ich den letzten dreizehn Jahren genau nullmal gemacht. Hm.

Dieser Text hat gar keinen vernünftigen Bogen und kein ordentliches Ende, merke ich, aber ich lasse das jetzt so, warum auch nicht, ich kann hier ja so unausgegoren sein, wie ich möchte, nicht wahr. Das Jahr ist es immerhin auch noch, das passt schon.

Zum Schluß nur noch – und auch das ohne jeden Zusammenhang – die Haifischbarpolka, mir ist gerade so. Leichtes Schunkeln nicht unangemessen!

Beifang vom 04.01.2018

Der steigende Meeresspiegel vor St. Peter-Ording. Also quasi um die Ecke.

Neues zum Bahnhof Altona. Es bleibt spannend. Die Argumente der Umbaugegner klingen nicht direkt völlig unlogisch, to say the least.

Ich folge beim Thema Garten mittlerweile ziemlich vielen englischen Quellen, faszinierend sind etwa die Gartenseiten des Guardians. “If you believe trend forecasters, ultra violet is the colour of 2018. Now it’s probably complete coincidence, but three of the most exciting fruit and veg varieties in the seed catalogues right now also happen to come in this dazzling shade.” Dass es überhaupt “most exciting veg” gibt! So schön. Hätte mir vor einem Jahr auch keiner erzählen können.

Und apropos Garten: Am Wochenende ist die “Stunde der Wintervögel”, da machen wir diesmal natürlich mit.

Auch interessant für mich: Kiki denkt übers Bloggen nach.

Danach etwas Blues Blues. Und wie.

Ein Hörbuch, ein Buch

Ich habe “Wiener Straße” gehört, Sven Regener liest seinen Roman und natürlich macht er das großartig, wie nicht anders zu erwarten. Äußerst unterhaltsam ist das, ich warne allerdings vor einer Nebenwirkung: Man bekommt beim Hören auch zu völlig unpassenden Tageszeiten Lust auf Bier und Kneipe. Man bekommt ferner Lust, fremde Menschen im Berliner Dialekt grundlos anzupampen und das Wort Grabgabel ohne jeden Sinnzusammenhang mehrfach zu wiederholen. Ich habe es ja nicht so mit Hörbüchern, die funktionieren bei mir so wenig wie Podcasts, aber das hier war großartig.

Ich habe außerdem in “nachts” gelesen, Erzählungen von Mercedes Lauenstein, hier eine Rezension in der Zeit. Das sind Konzepterzählungen, in allen Texten geht es darum, dass eine Frau nachts durch Straßen zieht und dort klingelt, wo zur Unzeit noch Licht brennt. Und dann erfragt, wer da warum noch wach ist, wie und in welchem Zustand, das sind also kleine Schicksalsskizzen, was eben in einen kurzen nächtlichen Besuch passt. Ein hervorragendes Nachttischbuch, besonders für Menschen, die beim Lesen im Bett schnell unmenschlich müde werden, das soll ja ein verbreitetes Leiden sein. Denn die Texte umfassen durchweg jeweils nur ein paar Seiten, da kann man also bequem ein, zwei Szenen schaffen und sich ein wenig Gedanken machen, warum andere nachts wach sind. Vielleicht sieht man aus dem eigene Schlafzimmerfenster auch noch irgendwo Licht brennen da draußen, das ist ein ideales Arrangement zum Einschlafen. Für Sie getestet! Am nächsten Abend muss man sich nicht fragen, wo man beim Wegdämmern den Faden verloren hat, es gibt einfach keinen längeren Faden, das ist auch mal schön. Außerdem sind die Wohnungsbeschreibungen gut, das hat man gar nicht mal so häufig, wenn man mal drauf achtet. Wohnungen sind schwierig, Zeichner kennen das von Händen, die sind auch schwierig. Bestimmt gibt es auch eine Entsprechung in der Musik, aber da kenne ich mich nicht aus.

#reading

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Egal. Jetzt wieder ein Buch über Gemüse lesen (Cora Leroy: “Gemüsesamen selbst gezogen”. Auch interessant!)

Gehört

Die Fundstücke kommen diesmal fast alle aus der S-Bahn, nur den letzten Kurzdialog habe ich in einer Buchhandlung gehört. Zuerst ein Winterklassiker, auch wenn in Hamburg von winterlichen Temperaturen überhaupt keine Rede sein kann.

“Du hast drei Paar Socken an?”

“Ich kann ja wohl so viele Socken tragen, wie ich will.”

Und immer wieder diese Dialogtrümmer, in denen Familiendramen durchscheinen, wie Gespräche aus einem Roman, so zielgenau auf den Punkt:

“Pass bloß auf. In New York ist so ein Koffer ja sofort weg, wenn Du Dich nur umdrehst. Sofort!”

“New York. Das ist hier nicht New York, Mama.”

Wer hätte danach nicht einen spontanen Tocotronic-Uhrwurm?

Man muss aber nicht nur an Romane denken. Ich drehe mich in der S-Bahn nicht einmal nach den Leuten um, ich konzentriere mich nur aufs Hören und habe also ähnlich wenig Hintergrundinformationen wie Sie als Blogleserin, Blogleser sind mitgemeint. Und wenn man nicht hinsieht, dann kann man die Zeilen später auch wie in einem Drehbuch lesen, sich die Schauspielerinnen dazu vorstellen und wechselnde Besetzungen, Kostüme und Alterskonstellationen durchgehen:

“Ich meine das alles gar nicht so. Na ja. Eigentlich doch.”

“Du redest genau wie dein Vater.”

“Bitte!?”

Zwischendurch auch mal etwas Positives, ein Gesprächsfetzen voller Liebe und Zuwendung:

“Guck mal, die da hat voll schöne Haare.”

“Du hast viel schönere Haare, Baby. Und die Alte ist auch noch zu dünn.”

Und schließlich noch der Dialog aus der Buchhandlung, gehört kurz vor dem Jahreswechsel, ungeheuer passend zum Abschluss der letzten zwölf Monate:

“Würden Sie denn dem Autor zustimmen, dass ein Leben nicht für alles reicht?”

“Ach ja, man vermasselt doch so einiges, junge Frau.”