Anmerkungen zum Totensonntag

Es ist Totensonntag, ich erreichte in dieser Woche passend einen Peak, einen Höhepunkt im Erwachsensein, im Ernstsein und in der saisonalen Anpassung.

Ernst und erwachsen: Wir haben nach reichlich Vorlauf und Bedenkzeit unser Testament notariell und hoffentlich kunstvoll geregelt. Ebenso, wo wir schon dabei waren, unsere Patientenverfügungen und was man für Ernstfälle aller Art so braucht. Also vielleicht braucht, irgendwann braucht, wer weiß wann braucht – aber eben mit gewisser Wahrscheinlichkeit braucht. Wie der Notar angenehm norddeutsch und arm an Pathos sagte: „Wir regeln jetzt also tot und halbtot.“

Es ist ein gutes Gefühl, dergleichen in eine verlässlich wirkende Ordnung gebracht zu haben, so dass man sich nicht mehr darum kümmern muss. Das gefällt mir außerordentlich, ich räume ohnehin gerne auf, und die Freude über dieses Ergebnis, sie fühlt sich paradoxerweise recht lebendig an.

Den Termin für die Unterzeichnung des Testaments habe ich nicht mit Absicht in die Woche vor den Totensonntag gelegt, aber merkwürdig korrekt kam es mir vor, als ich den Zusammenhang erst bemerkte.

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Ferner war ich gestern im Deutsche Requiem von Brahms, das im Hamburger Michel aufgeführt wurde, mit Erika Baikoff, Sopran, und Rafael Fingerlos, Bariton, als Solisten. Ich berichtete hier über die Planung und wie es dazu kam. Auch beim Kauf dieser Konzertkarte habe ich aber nicht weiter auf den Termin geachtet, ich verstand das Timing erst hinterher.

Im Bild sehen Sie hier nicht den Michel, im Bild sehen Sie St. Jacobi, ein passendes Detail an der Fassade.

Die Inschrift Memento Mori über einer Kirchentür, darüber Schädel im Halbrelief

Nach der Aufführung des Requiems, es wurde vorher darum gebeten, gab es keine Beifallsbezeugungen, das wurde als unpassend empfunden. Stattdessen erhoben sich Publikum, Chor, Orchester und Solisten und standen sich eine Weile stumm gegenüber. Ich bin Neuling bei Konzerten mit klassischer Musik, ich fange damit erst an, arbeite mich ein und kenne die Gepflogenheiten in Konzertsälen und Kirchen daher kaum, ich fand es beeindruckend und angenehm würdevoll.

Wie auch die Musik. Schwere Kost, wie der bekannte ukrainische Feuilletonist Klitschko es vielleicht formuliert hätte, aber es gefiel mir. Auch so, dass ich den Besuch im nächsten Jahr nach Möglichkeit wiederholen werde. Es ist ein Hamburger Traditionskonzert, ich reihe mich da ein. Zumal ich noch den freundlichen Service bieten kann, auch dort den Altersschnitt durch meine Anwesenheit dezent zu senken.

Die große Orgel im Hamburger Michel

Die nächste Eskalationsstufe wird wohl das Weihnachtsoratorium von Bach sein. Es ist einigermaßen naheliegend und ich möchte in Übung bleiben.

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Was passt noch, an diesem speziellen Sonntag. Vielleicht der Herr Kreisler:

„Das Beste ist: Ich weiß nicht, ob ich tot bin.
Das Leben scheint mir jedenfalls sehr lange her.
Ich glaub, dass ich in irgendeinem Boot bin,
und wenn ich’s lenke, lachen alle sehr.“

Ich mag diesen Einstieg.


„Die Welt ist weit, viel weiter, als ich geh‘n kann,
der Himmel nah und außerdem besonders blau.
Ich glaube kaum, dass irgendwas gescheh’n kann.
Was schon geschah, war auch nicht sehr genau.“

Oder, es geht moderner und vielleicht massenkompatibler, mit Eilen Jewell und ihrem Song Rain, der ist auch in besonderer Weise dran:


“There’s only one constant in this whole world
And that’s nothin‘ ever stays the same
Someday my life will be over
And no one will remember my name

That’s all right, cause what’s in a name?
And who needs another one to memorize anyway?
Make no fuss over my grave
Just plant somethin‘ pretty and call it a day.”

Ja. Das kann man heute doch entspannt beim Kochen mitsingen. Wofür ich mir gerade eine bessere Box mit deutlich mehr Wumms organisiert habe, damit ich die Küche besser mit trauriger Musik beschallen kann, während meine Laune steigt, weil ich den Monat und die Jahreszeit nun einmal mag. So wie sie sind und mit allem.

Schließlich eine Instagram-Empfehlung, Cemetery Wildlife. Mit selten schönen Krähenbildern, man kann ein wenig neidisch werden. Aber der Neid, für kenntnisreiche Menschen aus dem katholischen Spektrum Invidia, er galt früher als Todsünde. Da lieber Abstand von nehmen.

Die sieben Todsünden kennzeichnen übrigens populistische Politikerinnen, Politiker und ihre zahllosen Skandale treffend, recht eindeutig sogar. Aber das nur am Rande.

Hier noch die alten Kreuze vor der Kirche im Heimatdorf der Herzdame.

Altes, etwas eingesunkenem, schräg stehende Grabmäler und Kreuze auf einem nebligen Kirchof

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Westwärts

Von Hamburg aus sind wir kurz nach Bremen gefahren, zu einem Termin, in dem es unter anderem auch um Lübeck ging. Westdeutsch-hanseatischer kann es also kaum zugehen, und die Züge hin und zurück, man schreibt es heute mit großer Erleichterung, sie waren pünktlich.

Was man allerdings so nicht mehr antizipiert, weswegen die Herzdame und ich deutlich zu früh losgefahren sind. Früher jedenfalls hätte man viel zu früh gesagt, heute muss man vielleicht etwas wie bahnfrüh sagen. Also so früh, dass ruhig einiges passieren kann. Dass etwas ausfallen kann, sich verzögern kann etc., ohne dass man nervlich und organisatorisch sofort ans Limit gerät. Es waren an diesem Tag auch zwei, drei Schneeflocken in der Luft, da ist man in Norddeutschland im Verkehr schnell komplett überfordert, weswegen mir die Autobahn auch nicht wie eine günstige Alternative vorkam.

Wir waren dann also in Bremen und standen etwas dumm herum. Aber es hätte ärgerliche Folgen gehabt, nicht pünktlich beim Termin zu sein, daher die seltsam anmutende Planung mit barocken Pufferzeiten, wie sie auch bei Geschäftsreisen jetzt üblich werden. Wir gingen in der Wartezeit in einen Coffeeshop, den es auch in Hamburg gibt. Wir guckten von da aus auf Geschäfte, die es auch in Hamburg gibt. Innerdeutsche Städtereisen sind auf diese Art auch nicht immer ein Erlebnis-Highlight der besonderen Art.

Bremen ist kalt und nass, weiß ich jetzt und werde es so in Erinnerung behalten, da hat die Stadt ein wenig Pech gehabt. Ich fühlte mich außerdem nicht wohl, ich war vermutlich schon wieder in einem Virenabwehrmodus, also mein Immunsystem. Dieses Gefühl kurz vor Fieber und Schüttelfrost, diese Ahnung, besser ins Bett zu gehören und die stündlich zunehmende Sicherheit, am nächsten Tag krank aufzuwachen. Das kann ich jetzt ebenfalls mit Bremen verbinden. Schlechtes Wetter, schlechter Zustand, schlechte Laune daher auch, also Bremen, nein, geh mir weg.

Wie es eben so ist, mit den zu kleinen Stichproben

Nur ein Foto habe ich dort gemacht, auf Reisen ist das eher ungewöhnlich bei mir. Aber ich hatte kalte Finger und ich sehe eh keine Motive, wenn ich den ganzen Tag und so ziemlich alles darin doof finde.

Blick auf eine alte Mühle in den Bremer Wallanlagen

Vielleicht werde ich in anderer Jahreszeit bei besserem Wetter noch einmal hinfahren und alle Eindrücke mit Annehmlichkeiten diverser Art überlagern. Eine kleine Fototour durch die Altstadt machen oder dergleichen, irgendwas besichtigen, in ein Museum gehen vielleicht. Da wird schon etwas gehen, ich bin fast sicher.

Also wenn es das Deutschlandticket dann noch gibt. Ach, immer die Skepsis bei allem, in diesen Zeiten.

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Zum Trost einfach mal Romy Schneider und Michel Piccoli italienisch singen lassen. Passend novembrig in der Stimmung.

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Ein Update der Gesprächseinstiegsmöglichkeiten

Vorweg ein herzlicher Dank für die Zusendung eines Schreibgeräts vom Wunschzettel, sehr fein! Es lag kein Zettel dabei, ich winke daher ebenso vage wie erfreut in die Runde.

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Eine neue Frage im Smalltalk fiel mir auf. Eine kleine Anpassung an neue Gegebenheiten, eine zeitgemäße Version des Gesprächseinstiegs: „Und, warst du schon krank?“

Ja, so kann man das fragen, während Virenwellen verschiedener Art durchs Land ziehen, durch Firmen, Schulen etc. Es geht nicht mehr um die Frage, ob man krank wird, so viel steht ohnehin fest, eine gewisse Spannung liegt nur im zeitlichen Faktor. Und wie gut es zu den Randbedingungen passen wird, wie schnell und folgenlos man bei dieser Runde damit durch sein wird, das natürlich auch.

Nächste Woche haben wir den Impftermin, fällt mir ein, Grippe und Corona. Für die Wahl dieses Termins habe ich vor Wochen verschiedene Artikel bemüht genau gelesen. Solche Artikel, die mir einigermaßen abgesichert und kompetent vorkamen. Ich dachte danach dennoch, dass die Empfehlungen nicht eindeutig seien und ich ebenso gut einen Dartpfeil auf den Wandkalender werfen könnte, um die richtige Woche für die Auffrischung des Impfschutzes zu erwischen.

Aber ich habe gar keinen Wandkalender, Signorina, fiel mir dann ein, und ich dachte es selbstredend mit starkem italienischem Akzent. Was Jüngere aber auch nicht mehr verstehen (1992 lief die Werbung zum Zitat im Fernsehen, falls Sie sich das gerade fragen).

Wir haben die Terminwahl für die Impfung weitgehend der ausführenden Praxis überlassen. Immer ist irgendwo etwas Glücksspiel im Leben, immer lässig dem Schicksal etwas Spielraum einräumen.

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Im Discounter fehlt die Hälfte des Personals, um noch kurz beim Thema zu bleiben. Die noch arbeitsfähigen Angestellten sagen es pausenlos auf, um der Kundschaft zu erklären, was alles nicht geht und warum es alles länger dauert. Also noch länger, denn es fehlt oft ein wenig Personal. Eine räumt gerade Obst und Gemüse ein, es kam eine Lieferung und sie steht allein vor einer Unmenge von Rollwagen mit frischer Ware und fängt also an, Palette um Palette. Sie hat etwas vor sich.

Eine Kundin tritt auf sie zu, tippt sie an und fragt, kein Scherz, ob sie das nicht alles etwas schneller machen könne. Sie würde noch einiges brauchen und überall diese Lücken in den Regalen, das ginge doch nicht, und sie zeigt mahnend auf die so ärgerlichen Leerstellen, also wirklich. Die Angestellte des Discounters wiederum zeigt wortlos auf die Menge der unausgepackten Ware, hebt die Schultern und fragt die Kundin bewundernswerterweise nicht, ob sie noch bei Verstand sei.

Was ist mit den Leuten.

An den Kassen die langen Schlangen, die Kunden pöbeln, fluchen, meckern, knurren, einige bemerkenswert enthemmt. Auch nach mehreren Jahren mit auffälligem Personalmangel noch, als sei das alles neu und gänzlich unerwartet. Und alles bekommen unweigerlich die ab, die noch arbeiten.

Ich stelle mir vor, dass die Pöbelnden nach dem Einkauf zu ihrem eigenen Arbeitsplatz gehen und dort ebenfalls angepflaumt werden, weil auch dort fast unweigerlich Kolleginnen und Kollegen fehlen und alles nicht so schnell geht … es ist ein Karussell der schlechten Laune und der Befindlichkeiten. Ein gut laufender Prozess zur weiteren Absenkung der kollektiven Stimmung.

Ich gehe zum Arzt, ein Vorsorgetermin. Nicht das übliche Männerding, an das man bei der Gelegenheit routinemäßig auch kurz erinnern kann. Schicken Sie ihren Partner da ruhig hin, falls Sie gerade einen zur Hand haben, der geht nicht freiwillig, wie es Statistiken nach wie vor belegen. Man hat aber auch noch andere Körperteile und also Lästigkeiten, die der regelmäßigen Wartung und Pflege bedürfen.

In der Praxis fehlt, man ahnt es bereits, etwa die Hälfte des Personals. Alles dauert heute etwas länger. Es wird einem auch gleich beim Hereinkommen aufgesagt und es überrascht nicht, man kennt diese Texte mittlerweile.

Neue Patienten werden in dieser Praxis nicht mehr aufgenommen, schon lange nicht mehr. Alles ist längst ausgelastet, wie bei so vielen fachärztlichen Praxen in dieser Stadt. Jemand kommt herein und bittet in deutlich fordernder Formulierung um Aufnahme und baldigen Termin. Er bellt eine Terminanforderung, so kann es man auch nennen. Es wird ihm erklärt, wie die Lage ist.

Der Mensch gibt sich damit nicht zufrieden. Auch er pöbelt herum, gut vergleichbar mit den Kunden in den Kassenschlangen der Geschäfte. Er beleidigt die Frau am Empfang der Praxis. Immer ausfälliger, immer gehässiger und persönlicher, es entgleist und reicht dann im weiteren Verlauf bis knapp vor den Anruf bei der Polizei.

Was ist mit den Leuten.

Und wieso sind diejenigen, die sich gar nicht mehr benehmen können, die sich besonders deutlich im Ton vergreifen und ein allzu offensichtliches Affektkontrollproblem haben, so oft Menschen, die etwa in meinem Alter sind, ein wenig älter vielleicht. Was stimmt ausgerechnet mit meiner Generation nicht, was lief oder läuft da falsch.

Das auf Tiktok, Instagram etc. bekannte Phänomen der durchknallenden Karen, das längst von dem anfangs zentralen Rassismus-Aspekt zu anderen Themen verallgemeinert worden ist und aus den USA in etliche andere Länder wanderte, es bezieht sich ebenfalls auf ungefähr meine Altersgruppe und etwas aufwärts, auf Boomer also in Deutschland.

Deutlich ältere Menschen schütteln stumm und indigniert die Köpfe, deutlich jüngere Menschen sehen und gehen gechillt weg. Die in meinem Alter werden beleidigend, laut und übergriffig. Sie werden etwas später gewiss angenehme Patientinnen in der Pflege etc., man kann es sich lebhaft vorstellen.

Aber es wird dann ohnehin nur die Hälfte des Personals für sie da sein, vielleicht auch ein Drittel nur, ein Viertel.

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Im Bild ohne jeden Zusammenhang ein Blick von der Fleetinsel in Richtung Hafen.

Alte Ziegelfassaden an Fleetufern, Blick von der Fleetinsel Richtung Hafen

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Vorfälle und Sicherheitshinweise

Nachdem ich gestern gerade beschrieben habe, wie ein Mann direkt vor mir nur knapp von einem Bus verfehlt wurde, ist ein anderer Mann, zeitlich und räumlich nur ein wenig weiter, tatsächlich vor einen Bus gelaufen. Lebensgefährlich verletzt. An einer Stelle, an der ich mit dem Auto nicht gerne vorbeifahre. Sie ist direkt vor dem Hauptbahnhof, wo viele Menschen in teils maximaler Verwirrung herumlaufen.

Diese Verwirrung ist teils reisebedingt, wie wir es vielleicht alle kennen, wenn man in fremden Städten gerade jede Peilung verliert und sich orientierungslos umsieht. Sie ist teils verursacht durch Drogen aller Art, manchmal sicher auch durch bloße Müdigkeit und auch, das darf man nicht unterschätzen, durch Dramen aller Art. Denn an Bahnhöfen finden auch Abschiede statt, um nur ein Beispiel zu nennen.

Wenn man oft in Bahnhöfen ist, so wie ich, sieht man im Laufe der Jahre enorm viele tränenreiche Szenen dort. Auch Abschiedsstreiteskalationen sowie Unglück aller Art, und ebenso das Gegenteil, Wiedersehensfreude etc. In und um einen großen Bahnhof herum gibt es ziemlich viel von allem, und eben auch Menschen, die für einen Moment vergessen, wie man eine Straße korrekt überquert.

Schrieb ich so.

Dann kam ich auf andere Themen, dann begegnete mir online wieder gute Musik und ich blieb einen Moment bei Jan Johannson hängen. Bei dem schwedischen Jazzpianisten, der ein paar Stücke hatte, die ich gerne immer wieder höre. Ich las dann noch etwas über ihn nach, er starb leider zu früh, und zwar, nun ja, durch einen Bus. Es ist manchmal doch etwas unheimlich hier, vor diesem Bildschirm.

Aber wie auch immer. Einige schöne, beruhigende Aufnahmen gibt es von ihm. Die aber vielleicht lieber nicht hören, wenn man gerade über die Straße geht, auch mal Sicherheitshinweise einbauen.


Und wo ich schon dabei bin. Wenn man mit guten Noise-Cancelling-Kopfhörern in großen Gebäuden, Bahnhöfen, Einkaufspassagen etc. herumläuft und konzentriert Musik hört, wundert man sich vielleicht, wenn es um einen herum bei dem einen Song noch rappelvoll ist, das übliche Rush-Hour-Gedränge der Großstadt, und beim nächsten Lied auf der Playlist dann aber auf einmal merkwürdig leer. Fast sonntäglich öde, und das mitten in der Woche.

Dann kann es sein, ich habe das für Sie vor einigen Tagen getestet, dass dieses Gebäude, das man da versonnen und in aller Dezenz schöne Melodien summend durchquert, gerade evakuiert wird. Was man aber nur versteht, wenn man mal kurz die Kopfhörer abnimmt.

Es wird nichts passiert sein, bei diesem wie auch immer gearteten Vorfall, es gab keine Meldung dazu in den Lokalnachrichten. Aber ich war doch etwas beeindruckt.

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Wie auch immer. Im Bild noch einmal die Rathausarkaden an einem Sonntagmorgen.

Die Rathausarkaden im Morgenlicht, auf der Brücke im Hintergrund die Weihnachtspavillons am Jungfernstieg

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Herbstlich stabil

Am Morgen sehe ich beim ersten Gang vor die Tür schon zerschlagene Glastüren bei einem Geschäft um die Ecke, ein offensichtlicher Tatort. Splitter auf dem Gehweg, umgestürztes Mobiliar im Laden. Polizisten, die Spuren sichern und telefonieren. Gleichzeitig von irgendwo Hilferufe und auch lauter werdende Halt!-Rufe, es ist immer irritierend, wenn das genau wie in einer Serie klingt. Das gibt es also alles wirklich.

Dann ein fliehender Mann, oder verfolgt er jemanden, in Krimis erkennt man das besser.

Jedenfalls rennt er derart blind über die Kreuzung, dass ihn der Bus nur um Millimeter verfehlt und bei Kontakt wohl zuverlässig umgebracht hätte. Das vorweggenommene Bild des Aufpralls entsteht in den Köpfen der Betrachtenden gruselig deutlich, sicher nicht nur bei mir. Aber der Mann rennt panisch weiter, auf die nächste Kreuzung zu, mit noch mehr Verkehr, das kann nicht gutgehen.

Ein paar Meter weiter bringt ein Polizist der besonders sportlichen und sprintstarken Art den Mann dann robust zu Boden. Viel Geschrei, von überall Sirenen, dazu Blaulichtgeflacker. Obdachlose wühlen sich in Hauseingängen aus Schlafsäcken und gucken irritiert in die Szene. Müde Menschen auf dem Weg zur Arbeit, To-Go-Becher in der Hand, stehen mit offenem Mund, nehmen doch einmal die Kopfhörer ab und sehen sich um, wo hier überall Action ist.

Ob die Fluchtszene inhaltlich mit der eingeschlagenen Tür in Verbindung zu bringen ist, das erfährt man allerdings nicht. Die Wirklichkeit lässt gerne Enden offen, das ist oft unbefriedigend.

Es íst auch mir jedenfalls manchmal ein wenig zu großstädtisch in unserem kleinen Bahnhofsviertel. Solche Szenen vor dem Frühstück sind doch eher unbekömmlich.

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Im Laufe des Tages gibt es in Hamburg einige wenig überzeugende nasse Flocken im Regen, zermatschtes Grau im freien Flug, eher unschön, von wegen Winterzauber. Während ein Sohn gerade für eine Deutscharbeit lernt, was eine Alliteration ist, schmilzt der Schnee schnell auf den Scheiben der Dachfenster über ihm, ein glasiges Geschmier.

Ich gehe meine Einkaufsrunde durch Varianten von Regen, von Niesel bis Platz und Sturz. Es ist alles im Programm, eine ansprechende Auswahl. Als ich bereits unangenehm durchnässt bin und der Regen doch noch einmal weiter aufgedreht wird, eine letzte Zugabe für heute, sorgt immerhin der Streamingdienst im Shuffle-Modus für eine geradezu humoristische Intervention und spielt mir Randy Newman vor: „I think it‘s going to rain today.“

Ja, ach was.

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Im musikalischen Bereich vermerken wir außerdem überrascht neue Musik von Franz Ferdinand, die Älteren erinnern sich. Das Stück klingt vertraut und entschieden damalig, aber warum nicht. Mit etwas Schwung in den Dienstag.

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Im Bild eine Bank in Planten un Blomen, ebenso herbstlich wie stabil.

Eine Bank in Planten un Blomen, es liegt Herbstlaub darauf und auf der Rückenlehmme steht groß: Antifa.

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Regen, Schauer, Niederschläge

Im Guardian gibt es einen Artikel mit Verhaltensempfehlungen in der „Broligarchie“. Es sind einige dabei, die man auch von hier aus schon mitdenken kann. Oder muss. “Act as if you are now living in East Germany and Meta/Facebook/Instagram/WhatsApp is the Stasi. It is.

Denn dass wir weit davon entfernt sind, das Zielpublikum solcher Ratschläge zu werden, das glaube ich nicht mehr. Und wenn Sie bloggen, womöglich mit nachweisbarer Meinung zu diesem und jenem, beachten Sie bitte Punkt 2 in der Liste.

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„Heute nach Regen Übergang zu Schauerwetter“, so formulierten sie es gestern im Wetterbericht beim NDR, und es kam dann auch entsprechend. Ich denke, das ist in etwa das Niveau, auf dem wir positive Entwicklungen auch in anderen Nachrichten noch erwarten können, mehr muss man sich da nicht mehr vorstellen. Es ist eine recht treffende Beschreibung der Lage, wie auch damals, es wird schon Jahre her sein, die Formulierung „Zwischen den Niederschlägen einzelne Schauer.“ Doch nicht grundlos gemerkt, den Satz.

Im weiteren Verlauf der Vorhersage wurden dann noch Graupel angekündigt, es ging passend weiter und man muss sich insgesamt also, haha, warm anziehen.

Wettermetaphern immer ein Knaller, ich weiß.

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Einerseits wird auch diese Woche sicher ein wilder Ritt, andererseits wäre mehr Ruhe jahreszeitlich deutlich angemessener. Etwas Dunkeltuten würde schon passen, aber das ist schwer zu mischen.

Musik ist auch dabei hilfreich. Kultur bekomme ich gerade „nur“ über die Musik hin, denn die Konzentrationsfähigkeit für Bücher, auch für Hörbücher, ist mir im Oktober komplett abhandengekommen. Aber das macht nichts.

Es ist alles nur eine Phase, und ich kenne den Verlauf bereits. Wenn die Phase irgendwann endet, lese ich wieder umso mehr, und es wird mir dann auch recht sein. Bis dahin gibt es eben Musik, und zwar viel davon und mit konzentriertem Zuhören. Ich glaube, ich höre Musik gerade so, wie ich früher gelesen habe, mit einem etwas anderen Verständnis und auch mit Lernwillen. Auf langen, auch stundenlangen Spazierwegen. Man braucht einen Anker, um im Strudel der Nachrichtenlage nicht unterzugehen, und dieses Herumgehen und das Zuhören, das ist es gerade für mich.

Neuerdings auch mit klassischer Musik, für die ich lange keinen Sinn und nicht genug Geduld hatte. Ich fand nie einen offenen Zugang, jetzt geht endlich mehr.

Aber es kommen auch andere Richtungen weiterhin vor, ich bin ein Vielfraß. Etwa der Jazz und seine zahllosen Erweiterungen und Abstufungen. Wenn es um die Ruhe dieser Jahreszeit geht, um den November, um die dunklere Periode, dann erinnere ich gerne auch in diesem Jahr an Daniel Herskedal, er kam hier schon öfter vor.

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Die Kaltmamsell trat den Grünen bei. Mit nachvollziehbarer Begründung, und ich sah in den Timelines noch weitere Meldungen dieser Art. Aus dem, was im weitesten Sinne meine Bubble ist, haben sie wohl deutlich Zulauf.

Hätte ich es nicht vor Jahren schon getan, ich käme jetzt auch in Versuchung. Ich bin zwar längst wieder ausgetreten, aber das war am Ende eine betont Hamburger Geschichte, eher spezieller Natur, und ich finde es grundsätzlich richtig, wenn sich Menschen nun für diese Partei entscheiden. Bei allem, was gegen sie spricht, ja, ja, geschenkt.

Als ob wir viel Auswahl hätten.

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In den Bildern der Weihnachtsmarkt am Jungfernstieg von hinten und die noch geschlossenen Hütten aus dem Roncalli-Nostalgie-Imperium auf dem Rathausmarkt. In Bezug auf die Gemütlichkeit ist das alles noch ausbaufähig. Aber es wird weiter daran gearbeitet, sah ich im Vorbeigehen.

Die weißen Pavillonzelte des Weihnachtsmarktes auf dem Jungfernstieg von der Rückseite, mit großen, unbeleuchteten Sternen auf den Dächern, davor rotweiße Absperrgitter, kein sehr heimeliger Gesamteindruck

Der Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz, die noch geschlossenen Buden

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Eier, Schinken, Kartoffeln

Vorweg vielen Dank für ein Buch, nämlich das „Jahr voller Wunder“ von Clemency Burton-Hill, Deutsch von Barbara Neeb, Ulrike Schimming (ach guck, die kenne ich, wie nett, ich habe neulich gerade ihre Hamburger Stadtteilreihe auf Instagram empfohlen) und Katharina Schmidt.

Ein klassisches Musikstück für jeden Tag wird in dem Buch empfohlen, mit Text und Erläuterungen dazu. Für gestern stand dort Perotins Beata Viscera auf dem Programm, ein Stück aus dem Jahr 1220, aus sagenhafter Zeit. Das passt hervorragend hinter die neulich von mir in der Kirche gehörten gregorianischen Gesänge.

In den Kommentaren bei Youtube hat jemand ein Bild der Original-Noten verlinkt, gucken Sie mal hier. Man kann kurz beeindruckt sein, nicht wahr. Aber ich mochte auch diesen Kommentar: „Pretty good for an eight-hundred-year-old recording.

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Der Eskapismus, den ich vorgestern in der Überschrift hatte, kommt von dem französischen Wort échapper“, habe ich dann später noch nachgelesen. Was wörtlich „die Ordensmütze wegwerfen“ heißt, und wie schön ist das denn. Aber das nur am Rande.

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Ich hatte gerade den Moustaki gleich zweimal hier im Blog, und beim weiteren Herumstöbern und Suchen kam ich auf die katalanische Sängerin Marina Rossell. In Spanien ist sie eine Berühmtheit, mir war sie nicht bekannt. Von ihr gibt es Album „Rossell canta Moustaki“, und ich nehme an, es sind wiederum zwei, drei Lesende dabei, denen das auch gefallen wird. Wie mir.

Ich bin aber auch ein schlichtes Gemüt, ich kann mich schon ein Album lang über die bekannten Melodien und die vielen gerollten Rs freuen. Frrreuen, sozusagen.

Und vielleicht wissen nicht alle, dass es diesen Meteque, eines der berühmtesten Lieder von Moustaki, ebenfalls in einer deutschen Version gibt, von ihm selbst gesungen. Ich teile es daher sicherheitshalber noch einmal.

„Ich bin ein Fremder, den man hasst,

Und dessen Schnauze dem nicht passt,

Der darin sieht, was er nicht fand.“

Wenn man zu Textanalysen und Versionsvergleichen neigt, fällt sicher kurz auf, dass das Wort juif aus dem Original hier nicht vorkommt:

„Avec ma gueule de métèque, de juif errant, de pâtre grec et mes cheveux aux quatre vents…“

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Ansonsten wiederum viel gearbeitet. Ungewöhnlich viel, unsinnig viel, aber teils immerhin aus bloßer Neigung und Interesse am Thema, insofern ist es kein Grund zur Beschwerde.

Aber es ist doch ein seltsames Jahresende, in jeder Beziehung. Nicht nur beim Thema Brotberuf und bei der Weltlage, es zieht sich so durch. Eskalationen, wohin ich sehe, es muss wohl gerade so sein. Ich merke mir jedenfalls bezogen auf die Arbeit eine Vokabel der Kaltmamsell zum in späteren Zeiten sicher wieder notwendigen Herunterfahren vor: „mittelemsig.“ Das dann rechtzeitig wieder werden.

Das Wort verleitet mich allerdings auch dazu, andere Menschen, die mir womöglich nicht flott genug agieren, künftig als Mittelemsen zu bezeichnen. Schlimm.

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Zwischendurch meine Mutter angerufen und gefragt, was ich für sie einkaufen kann. Sie hat bei kaltnassem Novemberwetter mittlerweile doch einige Schwierigkeiten mit der Beweglichkeit. Sie sagte, sie brauche Eier, Schinken und Kartoffeln. Dann amüsierten wir uns etwas, weil es wie ein besonders deutscher Einkaufszettel klingt, den man sich auch im historischen Wochenschautonfall vortragen kann, in dem es um Lebensmittelkarten geht. Als ich jung war, liebe Kinder, da gab es – ganz im Ernst! – noch eine Wochenschau im Kino. Auch das habe ich gerade nachgesehen und täusche mich nicht, bis 1977 gab es die.

Und das kann sich auch schon kein Mensch mehr vorstellen. Immer wieder die irritierende Frage: Wie alt müssen wir sein. War der oben erwähnte Perotin noch in den Charts, als ich Teenager war?

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Hier noch ein zusammenhangsloses Hafenbild, die Elbe am Fischmarkt bei Sonnenaufgang.

Das Bild zeigt den Hamburger Hafen bei Sonnenaufgang. Im Vordergrund ist ein Geländer mit einem Aufkleber, auf dem 'ANTIFA AREA' steht. Im Hintergrund sind zahlreiche Kräne und industrielle Strukturen zu sehen, die sich entlang des Wassers erstrecken. Der Himmel ist teils bewölkt, und die Sonne erzeugt ein warmes Licht, das sich im Wasser spiegelt.

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Kultureller Eskapismus

In meiner flott in den Alltag integrierten Rettungsreihe „Kultureller Eskapismus“, die ich bisher weiterempfehlen kann, sie wirkt immerhin etwas gegen die übermäßig schlechte Stimmung, habe ich mich währenddessen noch mehrfach beorgeln lassen. Wieder in St. Petri und St. Jacobi.

Außenmauer St. Petri, bröckelnde Ziegel an einem alten Fenster

Es gab Werke von Buxtehude, Brahms und Bach. Was ein wenig so klingt, als müssten sie unbedingt mit B anfangen, diese Herren, in deren Kreis mir eine Frau bisher nicht begegnet ist. Frauen und alte Kirchenmusik … aber wen sollte das überraschen.

Dann gab es ein wenig Mendelssohn Bartholdy, immerhin ist bei ihm ein Name mit M vorangestellt. Eine Weile habe ich etwas trottelhaft überlegt, wieso auf dem Programmzettel die seltsame Kurzform „Felix Mende“ stand. Dann spät erst verstanden, dass der Organist an diesem Tag tatsächlich so hieß und etwas von Felix Mendelssohn Bartholdy spielte.

Sicher auch ein Spezialschicksal, mit diesem Namen.

Dann zwei abweichende Namen, Charles Tournemire und Jean Langlais, französiche Komponisten und Organisten, beide mir bisher unbekannt, auch interessant.

Außerdem habe ich zum ersten Mal gregorianische Gesänge da gehört, wo sie herkommen und hingehören, also in einem kirchlichen Raum, das war ebenfalls großartig (Ensemble Benedicte). Und natürlich war es besser, viel besser als über Kopfhörer auf dem Sofa.

Ich habe die singenden Damen und Herren nicht gesehen, während sie sangen, und dann nach dem Konzert gestaunt, wie wenig es waren. Ein Grüppchen nur – und für mich klangen sie überzeugend so, als sei ein ganzes Kloster angetreten. Faszinierend.

Eine Kirchenbank in St. Jacobi

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Zwischendurch bin ich wieder an Podcasts gescheitert, weil ich die Sprache nicht mehr ertrage. Oder nein, die Sprache vielleicht noch, die Betonungen nicht. Ich habe einen wahren Hass darauf, dass alles und zu jedem Thema mittlerweile so vorgelesen wird, als sei es einem Bilderbuch für die ganz Kleinen entnommen.

Wenn man bei einem „großen Problem“ etwa das o in der ersten Silbe besonders groß macht. Wenn man es dramatisch in die Länge zieht, ordentlich überbetont. Ich habe sofort die Vorstellung eines Kindergärtners in einem Kreis von ganz Kleinen dabei, der beim Vorlesen mit beiden Händen die Größe des Problems auch anzeigt. Die Arme zur Decke erhoben, damit es wirklich von allen verstanden wird, dass dieses Problem bestimmt durch keine Tür passt. Die Augen dabei weit aufgerissen, Laientheaterblicke.

Meine Güte.

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Vorindustriell und der Zukunft zugewandt

Die Innenstadt wird währenddessen weiter forciert vergemütlicht, hier im Beispiel der Markt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz, kurz vor der Eröffnung.

Der noch geschlossene Weihnachtsmarkt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz

Die großmütterliche Uhr im Bild mit doppeltem Festverdeutlichungssternchen als Möglichkeit der Traulichkeitskonzentration im Dingsymbol. An allen Bretterbuden klemmt derartiges. Eiche rustikal mit Märchenelementen, dunkles Holz, Vergangenheit, Wald, Bäuerliches, Vorindustrielles, Handwerkliches. Zeug aus einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat.

Zwischen zwei großen Tannen in Kübeln das Wort „Winterwald“ geklemmt, ach schön, Illusion fast perfekt, nach dem dritten Glühwein spätestens.

Wenn man die Symbole von den Buden herunternimmt und nebeneinander aufreiht, ergeben sie abgelesen gewiss ein Volkslied. Im Grunde klemmt da das komplette Lyrikvokabular der damals so reich und schön vertonten Epoche, und von der Straße her ein Posthorn klingt.

Na, wenn es denn hilft. Man muss doch in Stimmung kommen. Sagt man.

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Über den großen Widerwillen nachgedacht, mit dem nicht nur ich jetzt auf die Nachrichten aus Deutschland und der Welt sehe. Alles ekelhaft finden, tatsächlich ekelhaft, mit körperlich spürbarer Abwehr, ekelhaft, dumm und empörend. Aber überhaupt keine Nachrichten mehr zu lesen, das wird auch keine dauerhaft vernünftige Option zu sein. Am Ende muss man aus gewissen Entwicklungen Maßnahmen welcher Art auch immer ableiten. Das ist immerhin möglich, was weiß ich.

Ich habe noch keine Lösung für dieses Dilemma gefunden, abgesehen von der Simpelstrategie, kategorisch nur noch die Schlagzeilen zu lesen. Es ist alles enorm unbefriedigend, und man wird sich doch über Jahre mit diesem Zustand arrangieren müssen. Und darf dabei nicht einmal vergessen, dass es schon ein Privileg ist, ein großes sogar, wenn man sich mit etwas nur arrangieren muss. Quasi Kleinigkeit.

Aber es ist wie immer, das Relativieren bringt keine seelische Erleichterung und ist eine nur höchst theoretisch wirksame Kur.

Währenddessen poppen auf den Fußwegen bereits die Wahlplakate auf, in merkwürdiger Konkurrenz zur Weihnachtsdeko. Mit immerhin sinniger Verknüpfung der beiden Themen, wenn es um den Wahrheitsgehalt geht. Es ist alles sehr besinnlich, entschieden sozial auch, klimafreundlich und doch wachstumsorientiert, wunderbar heimelig und sicherheitshalber auch tief empfunden christlich, dabei aber doch irgendwie für alle und selbstverständlich für die Zukunft, sicher doch, bei Bedarf aber tief in der Vergangenheit verwurzelt.

Und Putten und Politiker, sie lächeln so lieb.

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Egal. Wieder positiv enden, einfach wie gestern noch einen Moustaki anhängen. In der Dichtung und den anderen Künsten werden ebenfalls Versprechungen und Slogans geliefert, so ist es ja nicht, sie klingen nur besser:

„Je déclare l’état de bonheur permanent
et le droit de chacun à tous les privilèges.”

Das ist mal eine Ansage.

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Brahms, Dunkelheit, Moustaki

Ob es am Montag oder Dienstag zwischendurch hell draußen war, ich könnte es nicht ernsthaft bezeugen und habe auch berechtigte Zweifel daran. Ich weiß nur halbwegs sicher, es hat zwischendurch geregnet, auch mehrmals und lange. Ich hörte die Tropfen auf den Scheiben und fand es im Home-Office halbwegs gemütlich. Immerhin war ich drinnen, der Regen war draußen, das war so weit in Ordnung. Es war, mit anderen Worten, ausgeprägt November. Und wann immer ich vor der Tür war, so oft war es leider nicht, war es dunkel dort.

Ansonsten habe ich viel gearbeitet und mich zwischendurch sogar als seltsam motiviert empfunden. An dem einen Morgen stand ein Sohn allerdings um 5 auf, um vor der Schule noch ins Fitness-Studio zu gehen. Es gibt immer irgendwelche anderen, die es noch sportlicher angehen. Kein Tag ohne Demütigung, ich sage es ja.

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Beim eher ziellosen Herumgehen in der Stadt, kurz springe ich zeitlich zum Sonntag zurück, bin ich am Brahms-Museum vorbeigekommen. Ich hätte es nicht einmal parat gehabt, dass wir so ein Museum in der Stadt haben, dabei ist das doch einigermaßen naheliegend. Ich war auch noch nie diesem Hinterhof-Fachwerk-Ensemble dort um die Ecke, in der Peterstraße, und das kann man ruhig einmal gesehen haben.

Ein Fachwerkensemble in der Peterstraße, Komponistenviertel

Da also auch einmal hingehen, in dieses Museum, es war noch geschlossen, als ich davorstand. Womöglich sogar noch in diesem Jahr hingehen. Alles gleich umsetzen, oder doch wenigstens bald.

Auf dem weiteren Weg durch die graue Novemberstadt habe ich dann das Deutsche Requiem von Brahms gehört, wo der Herr mir schon so unvermittelt in den Weg sprang, das schien mir in der Folge passend zu sein. Und tatsächlich war es als Hintergrundmusik zu allem sehr schön, sogar als Soundtrack zur menschenleeren Eisbahn am Morgen und zum spätherbstlichen Park drumherum: „Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen.

Planten un Blomen in herbstlicher Verfärbung, Blick auf den Fernsehturm, ein umgestürzter Baum in einem Gewässer

Demnächst gibt es eine Aufführung des Requiems im Michel, sehe ich gerade, und zack, habe ich prompt eine Karte gekauft, als entschlossener Machertyp, der ich bekanntlich bin. Also manchmal. Eher selten. Egal.

Die noch menschenleere Eisbahn in Planten un Blomen am Morgen

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Es gab ansonsten Maultaschensuppe ohne Rezept. Suppengrün, Maultaschen aus dem Kühlregal und was so herumlag. Mit frischer Petersilie darüber ist auch das schon von mindestens kantinentauglicher Qualität, wenn nicht besser.

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Auf Youtube, immer auch das Positive wahrnehmen, zeigen und hervorkehren, habe ich einen Clip von Moustaki und Barbara gefunden, und guck an, diese Aufnahme des Liedes kannte ich noch nicht. Schön, schön.

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