Beifang vom 06.05.2017

Bei der GLS Bank habe ich sechs Links zu Geschäftsmodellen zusammengestellt. Fast für jeden was dabei. Wobei – für mich irgendwie nicht. Weitersuchen.

«Wenn du das Dörte-Hansen-Wunder bist, warum habe ich dann immer noch kein Pferd?»

Hütt erinnert an Hüsch. Hübsch.

Die taz mit einer wichtigen und sehr naheliegenden Anmerkung zum neuen Gedenkort in Hamburg.

Romantik auf ganz neuer Ebene.

Patricia hat hier etwas über Sprachnachrichten geschrieben, das ist alles richtig und wichtig. Was Kinder als Anwender betrifft, ist damit auch schon alles gesagt und kann unterschrieben werden. Ich erlebe das Thema allerdings gerade eher, weil die Herzdame neuerdings eine Freundin hat, mit der sie nur noch per Sprachnachricht kommuniziert, statt normal zu chatten, wie es alle Leute seit gefühlten Jahrhunderten tun. Um diese neumodischen Sprachnachrichten austauschen zu können, zieht sich die Herzdame irgendwohin zurück, denn in unserer Wohnung kann man normalerweise exakt gar nichts in Ruhe machen, schon gar nicht konzentriert in ein Gerät sprechen oder es so abhören, dass man alles versteht, weswegen hier auch selten jemand telefoniert, das geht einfach nicht ungestört. Wenn man in dieser Familie telefoniert, kommen drei Leute und fragen, was man mit wem warum bespricht und warum der Lautsprecher denn nicht an ist. Telefonieren macht keinen Spaß.

Wenn die Herzdame sich für Sprachnachrichten zurückzieht, etwa ins äußerst raffiniert gewählte Versteck Schlafzimmer, kommt nach maximal zehn Sekunden von irgendwo ein Kind zu mir und fragt beunruhigt: “Wo ist Mama?” Denn es ist den Söhnen kategorisch unmöglich, unsere kleine Dreizimmerwohnung selbst abzusuchen, ohne mich vorher um Auskunft zu fragen, auch dann, wenn sie sich einfach nur umdrehen müssten, um die Herzdame einen Meter hinter sich zu finden. Mein Schreibtisch steht leider in der Mitte der Wohnung, er wirkt deswegen auf die Söhne immer schon wie der Auskunftsplatz in der Zentralbücherei. Wenn man mit irgendwas nicht weiter weiß, geht man da hin, denn dort sitzt ein allwissender Erwachsener. Da ich die Frage nach dem Verbleib der Mutter aber sehr oft höre, viel zu oft, antworte ich seit etwa sieben Jahren mit “Im Kühlschrank”. Das ist auch Bestandteil meiner Mission, den Söhnen etwas Humor nahezubringen. Und seit sieben Jahren antwortet das jeweils fragende Kind mit einem ratlosen “Hä?” Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, vielleicht verstehen sie den Witz doch noch, bevor sie irgendwann ausziehen.

Wegen des nicht kooperativen und überhaupt wieder seltsamen Vaters machen sich die Kinder dann murrend und knurrend selbst und alleine auf die mühsame Suche nach der jetzt schon immerhin minutenlang verschollenen Mutter. Dabei müssen sie durch drei Zimmer, Küche, Bad, Flur, Abstellkammer und kurz auch an den Kühlschrank, man weiß ja nie. Das ist ein weiter Weg, es ist hart und dauert lange, manchmal sogar mehr als zehn Sekunden. Wenn sie die schwer vermisste Mutter dann endlich, endlich gefunden haben, stürzen sie sich vor Erleichterung jubelnd auf sie und fragen, was sie da macht. Woraufhin diese ihre aktuelle Sprachnachricht entnervt abbricht und mit allem von vorne anfängt, nachdem sie dem Fragesteller erklärt hat, dass sie jetzt gerade nicht gestört werden möchte, was natürlich erst einmal diskutiert werden muss, da das Konzept von “Nicht stören” Kindern frühestens in der Pubertät einleuchtet, dann aber gründlich, jedenfalls erinnere ich das so aus meiner Kindheit. Eine Tür geht schließlich wieder zu, ein Kind zieht mehr oder weniger beleidigt ab, man hört die Herzdame noch leise “Also …” ins Gerät murmeln. Eine Minute vergeht. Das andere Kind kommt aus einem anderen Zimmer zu mir: “Wo ist Mama?”

Sprachnachrichten sind eigentlich mehr was für kinderlose Singles, glaube ich. Wenn überhaupt.

Und was man sonst noch so findet: Die Bee Gees singen “Blowing in the wind”.

Beifang vom 02.05.2017

Für die GLS Bank habe ich hier sechs Links zum Wochenanfang zusammengestellt. Mit Frachtseglern, fliegenden Autos und dem fossilen Imperium, quasi für jeden etwas dabei.

Erhellendes zur Altersfrage bei Babysittern. Kurzfassung: Es ist fast alles verboten. War klar. Gefunden via Christine Finke auf Twitter.

In der Zeit gab es in einem Artikel zum Thema Zeitmanagement eine Unterscheidung von Menschentypen nach dominanten Hirnteilen. Noch nie davon gehört!  Ich kann mir das aber nicht näher ansehen, ich habe Zwischenhirndominanz und muss weiter.

Vom armen B.B.

Die ganze Welt auf einem Spielplatz.

Ein vergleichsweise entspanntes Interview zum heillosen  G8/G9-Thema.

Ich habe in der Regel keine Ahnung, wieso ein Buch irgendwann einmal auf meinem Wunschzettel gelandet ist, bei „Fünf Viertelstunden bis zum Meer“ von Ernest van der Kwast (übersetzt von Andreas Ecke) war es vermutlich ein Artikel von Isa, der mich darauf aufmerksam gemacht hat. Es gibt viel Sonne im Buch, das ist in diesen Zeiten beinharten Wetters ganz angenehm, es gibt auch viel Liebe, das ist immer angenehm und es ist ganz dünn, schlanke 95 Seiten. Wenn man von Hamburg-Mitte in einen Vorort und zurück fährt, dann hat man es auch schon durch, gestern gerade getestet. So ein Buch, das man lächelnd zuklappt, auch wenn das jetzt ein wenig kitschig klingt.

Was noch? Rufus Wainwright singt Don’t cry for me Argentina und hat den Schal schön.

Kurz und klein

Was schön war

Wir haben einen spontanen Ausflug an die Nordsee gemacht, aber das meine ich nicht. Wir haben dabei beschlossen, was wir bei jedem spontanen Ausflug beschließen, nämlich dass wir viel mehr spontane Ausflüge machen sollten, aber das meine ich auch nicht.

Wir haben in Brokdorf gehalten und die Kinder haben am Elbstrand gebuddelt, da ist nämlich sehr guter Strand und es gibt eine hübsche alte Kirche und ein nett aussehendes Freibad mit großer Rutsche und malerische Schafe auf dem Deich und alles ist ziemlich idyllisch, bis auf das Atomkraftwerk, versteht sich. Dieses Atomkraftwerk, das mich schon insofern stresste, als ich die ganze Zeit dachte, mir müsste da irgendwie spontan eine richtig gute Pointe mit Simpsonsbezug einfallen, aber mir fiel dann absolut nichts ein und das ist ja immer unangenehm, deswegen mussten wir doch schnell weiterfahren und es war eigentlich egal, weil wir ja frei hatten und keinen festen Plan, aber darum geht es auch gar nicht, das alles nur am Rande.

Wir waren wieder wie Anfänger überrascht, wie schnell wir an der Küste waren. Wir haben vergleichsweise gelassen zur Kenntnis genommen, dass da gar kein Meer war, nur eine unattraktive Ölbohrinsel ganz weit hinten im Watt. Wir haben am Deich ein improvisiertes Picknick gemacht und die Söhne haben sich kichernd von der Deichkrone hinunterollen lassen, über blühenden Löwenzahn, Gänseblümchen, Rasen und Schafmist hinweg, weil das nun einmal an der Nordsee so gehört, aber darum geht es auch nicht.

Wir haben die Seehundstation Friedrichskoog besucht, uns die Fütterung der Seehunde und Robben angesehen und den Aussichtsturm dort bestiegen, auf dem die Herzdame zuletzt war, als sie mit Sohn I schwanger war, weswegen sich der Sohn an diese Station auch gar nicht richtig erinnern konnte. Aber egal.

Wir haben in Friedrichskoog-Spitze die Inline-Skates der Herzdame und der Söhne ausgepackt. Ich habe mir mangels eigener Skates einen der Tretroller der Söhne geliehen. Dann haben wir uns eine weite Strecke gegen den wie immer ungeahnt heftigen Wind am Deich entlanggekämpft, das war anstrengend und auch ziemlich kalt. Tretrollerfahren mit starkem Gegenwind ist noch anstrengender als Inlineskatesfahren mit Gegenwind, Spaß macht das wirklich nicht und die Leute, die einem entgegenkommen, sehen einen an, als wäre man nicht ganz dicht. Strampelt da mit rotem Kopf auf einem Kinderroller und kommt nicht einmal vorwärts? Nanu. Aber dann!

Dann haben wir gewendet, als wir nicht mehr konnten. Und ich habe mein olles und sehr geliebtes Tweedjackett, bei dem ich natürlich immer in Gefahr bin, versehentlich Tweetjackett zu schreiben, dabei kann es nicht einmal online, dieses Tweedjackett jedenfalls, das die Herzdame nicht ausstehen kann, weil sie findet, dass ich darin nach Oberstudienrat aussehe, was mir aber egal ist, da so ziemlich alle anderen Menschen finden, dass mir dieser Look gut steht und auch die Herzdame sich einmal irren kann, auch wenn ihr das nicht bewusst ist, dieses Tweedjackett also, das ich ganzjährig trage und in dessen Taschen sich deswegen mehr Zeug befindet als in den Taschen der Jacken der Söhne, was wirklich etwas heißen will, denn die heben nach wie vor jede Schraube auf, die sie am Wegesrand finden, dieses ausgebeulte Tweedjacket habe ich mit der linken Hand unten am Saum gefasst und weit aufgeklappt, während ich mit der rechten weiterhin den Tretroller steuerte, denn freihändig Tretroller fahren, das geht nicht.

Und der Wind fuhr von hinten in dieses Segel und trieb mich in erheiternder Geschwindigkeit über die Deichstraße zurück, während ich in meiner oberstudienrathaften Kostümierung sinnend über das weite Land blickte, über die Dauercamper, die zahlreichen Tretautofahrer, die Minigolfer, die Spaziergänger, die Schafe und Lämmer, die Familien und Kinder. Ich stand auf dem Roller und machte gar nichts, ich hielt nur mein Segel und mein Steuer und schaute nach vorn und in die Rund, wie es bei John Maynard heißt, die Älteren erinnern sich, und für fünf Minuten, länger war das nämlich gar nicht, für nur fünf Minuten also – aber immerhin doch für fünf Minuten – war alles großartig und flott und richtig und saucool und hui und was für ein Tag. Und die Söhne waren in ihren völlig segeluntauglichen Kapuzenpullis hinter mir ein wenig neidisch, nicht auch schon zu Tweedjackettträgern herangereift zu sein, aber was zu früh ist, nicht wahr, das ist eben zu früh, manches kommt erst mit den Jahren.

Doch, die waren schon schön, diese fünf Minuten da am Deich.

Beifang vom 30.04.2017

Der letzte Beifang im April, bevor wir morgen wieder alle sinnend in den dann schon wieder grauen Himmel sehen und die einzig vernünftige Bauernregel murmeln: “Regen im Mai, April vorbei.” Die mir übrigens tatsächlich ein nordostwestfälischer Bauer auf einem Feld erzählt hat. Natürlich todernst.

Das deutsche Pen-Zentrum hat eine neue Präsidentin. Und wer hat sie gerade interviewt? Genau.

In der Zeit lobt man die Konzentration. Meine Rede, bzw. mein gebetsmühlenhaft häufig wiederholtes Genörgel: “Ich will meine Ruhe.” In Ruhe denken zu können, das ist schon ganz nett, man muss es auch nicht unbedingt “deep work” nennen. Man möchte vielleicht einfach nur nicht belästigt werden, ich finde das in Ordnung und statthaft. Was machst Du da? Ich worke deep. Herrje. Passend dazu schreibt Peter Glaser über das Abschalten im wörtlichen Sinne.

Ich kann übrigens, das ergibt sich aus der Familiensituation, für eine kurze Zeit recht gut arbeiten, wenn um mich herum Chaos herrscht, ich aber dabei über Kopfhörer Musik hören kann. Sie darf nur keinen Text haben. Oder sie muss unverständlich sein. Und da habe ich gerade eine feine Entdeckung gemacht, auf Spotify gibt es von Fabrizio de André das Album “In Direzione Ostinate et Contrario”. Der Herr war italienischer Liedermacher, seine Texte klingen so, als seien sie ungeheuer intelligent, obwohl ich natürlich überhaupt kein Wort verstehe. Doch, gelegentlich verstehe ich immerhin “amore”. Dann ziehe ich an meiner nur imaginären Pfeife, lehne mich zurück und denke kraft meiner Lebenserfahrung: “Ja, ja, amore.” De André erzählt mit sonorer Stimme, langsam und in melancholischem Tonfall, und man kann gedanklich nirgendwo einhaken. Dennoch hat man dabei das Gefühl, gehoben unterhalten zu werden. Perfekt, so muss das sein. Zum Reinhören etwa “La Ballata dell’eroe nehmen”. Oder “Via del campo”.

Apropos Familienchaos. In Richtung Nieselpriem ein herzliches “I feel you.”

Zwischendurch mal schnell Schmetterlinge legen. Hilft nicht gegen Familienchaos, aber sonst gegen alles.

Hier wird ein Trennungssong interpretiert, das kommt jetzt aber nur zufällig direkt hinter dem Familienchaos.

Und hier wird ein Buch über den Querido-Verlag vorgestellt. Querido, das war so ein Name, bei dem wir damals im Antiquariat immer etwas wacher wurden, wenn ihn ein Mensch mit Verkaufsabsichten am Telefon erwähnte. Wacher nicht nur wegen der Preise, sondern auch aus Interesse. Feine Bücher.

Gefunden via Nassrasur: Ein Wiedersehen mit The Commitments. Mustang Sally! Der Film ist auch schon etwa hundert Jahre her.

Zausel 2017

Ich bin etwas aufgeregt, ich habe tatsächlich einen Friseurtermin. Der ist zwar erst in zwei Wochen, aber Vorfreude ist angebracht. Das ist immerhin der erste Friseurtermin etwa seit dem Jahr 2002, das ist eine Weile her. Da waren einige mir näher bekannte Menschen noch gar nicht auf der Welt! So lange habe ich mir die Haare von der Herzdame mit einem Maschinchen jeweils raspelkurz oder ganz abschneiden lassen, die Älteren erinnern sich in diesem Zusammenhang vielleicht noch an die Szene mit dem Heiratsantrag, die vorübergehend zu vollständiger Glatze führte.

Und nun, im Jubiläumsjahr des Summer of love, ist es an der Zeit, wieder einmal den Look zu ändern, finde und beschließe ich. Also lasse ich wachsen und werde das von einem Profi in irgendeine Form bringen lassen. Der Weg zum Hippie führt über den Seitenscheitel. Das kann ich natürlich nicht erwähnen, ohne schnell an Maike Rosa Vogel zu erinnern, übrigens immer noch ein gutes Lied:

Wie bereits irgendwann erwähnt, muss man sich in meinem Alter ohnehin dauernd fragen, ob man noch einen persönlichen Stil pflegt oder längst altersstarrsinnig geworden ist. Daher ist es ganz gesund, hier und da etwas an den Grundeinstellungen herumzuspielen.

Ich beginne also das Projekt Frisur, ich kann sowieso nicht leben ohne irgendwelche Projekte. Und dieses hat einen wirklich charmanten Vorteil, man muss nämlich überhaupt nichts dabei machen. Man sitzt einfach so herum und verändert sich, wie deep ist das denn.

Und der Content wächst einem nebenbei auch noch zu, man kann über die Kleinigkeiten zwischendurch schreiben. So lachen sich die Söhne neuerdings jeden Morgen kaputt , nur weil ihr Vater sich die Haare bürstet. Ein Anblick, der ihnen bis vor einigen Wochen natürlich völlig unbekannt war. Es erschließt sich mir zwar nicht, was daran so witzig ist, aber bitte – Hauptsache Heiterkeit im Haus. Laut Sohn II sehe ich mit den schon etwas längeren Haaren im Moment aus wie eine haarige Melone. Ich bin gespannt, welch charmanter Vergleich ihm dann in einem halben Jahr einfallen wird. Sollte mir vor ihm eine weitere seltsame Ähnlichkeit mit Gemüse, Obst oder Viehzeug einfallen, breche ich das Projekt womöglich ab. 

Ich selbst lache eher darüber, dass ich mir mit Sohn I jetzt das Shampoo teile. Es handelt sich um ???-Shampoo, also Merchandisingzeug mit Bezug zur Hörspielserie. Nach dem Gebrauch, so steht es vielversprechend auf der Plastikflasche, löst man “aktiviert, erfrischt und mit wachen Sinnen” den nächsten Fall. Ich gehe daher jetzt morgens mit einem ganz neuen Lebensgefühl zum Schrottplatz, wollte sagen zur Arbeit. Aber im Grunde interessieren mich die drei Fragezeichen natürlich überhaupt nicht. Ich wäre eher ein dankbarer Abnehmer für literarisch gebrandetes Shampoo. Marcel Proust Hair & Body, natürlich mit leichter Feingebäcknote, und danach schreibt man dann entspannt den nächsten Band, so etwas in der Art. Doch, das würde ich kaufen. Thomas-Mann-Lotion für schönes Haar und Schachtelsätze. Oder Kafka-Conditioner für gar keinen Halt mehr, das wäre doch interessant? Aber ich repräsentiere bestimmt wieder keinen vielversprechenden Markt, schon klar. Will ich auch gar nicht, Märkte sind eh nichts für Hippies.

Egal. Peace. 

Beifang vom 25.04.2017

Gut erzählte Geschichten findet man auch an ungewöhnlichen Orten, etwa in einer Analyse der von Melania T. geposteten Fotos.

Ein Text über das Eistauchen in Finnland. Schön lang.

Da hier neulich der Polizeibericht Nordfriesland vorkam und manche vielleicht noch zweifeln, warum der Unterhaltungswert haben soll – bitte.

Frau Schmitt fährt Zug und sitzt ganz vorne. Ein Protokoll von Nora Gomringer.

Ein Interview mit Reinhard Mey.

Generell muss man auch die Wochenberichte bei Vierpluseins empfehlen. Diesmal mit einem Absatz über offensive Väter, wozu ich anmerken möchte, dass ich gerade mit einem kranken Kind eine Woche zu Hause war und damit jetzt die Mutter aller offensiven Väter bin. Nämlich.

Passend zum Wetter lese ich kühle Literatur: Agnes von Peter Stamm. Ein Buch bei dem man ausgezeichnet frieren kann, wirklich passend. Es ist ein seltsames Kompliment, aber doch, es kommt hin, denn manchmal ist ein kaltes, präzise konstruiertes Buch genau richtig, besonders wenn Kälte darin eine Rolle spielt. Dabei habe ich übrigens eine Bildungslücke geschlossen, es war mir gar nicht klar, dass es bei der Wikipedia so dermaßen detaillierte Buchbeschreibungen gibt. Abgefahren.

Der Musikclip fällt heute etwas länger aus. Erst singen Al Jarreau und Nancy Wilson, auch schon keine schlechte Besetzung, dann kommt Ella Fitzgerald auf die Bühne und singt nach ein paar Sätzen ebenfalls. Man sieht einigen prominenten Menschen im Publikum die fortschreitende Verzückung deutlich an – und man kann es auch nachvollziehen.

Hier eine schöne, interessante und treffende Überschrift

Ich mache mit Sohn I Deutsch, da er in dieser Woche nicht in die Schule gehen konnte, es muss aber dennoch etwas gelernt werden. Er sitzt neben mir und schreibt mit Bleistift in sein Heft. Ich sehe, dass sie in der dritten Klasse schon am Schreibstil arbeiten. Sie sollen passende Überschriften finden. Sie sollen nicht jeden Satz gleich anfangen, sie sollen zumindest ab und zu Satzzeichen verwenden, sie sollen Adjektive einbauen und unbekannte Wörter nachschlagen. Der Pirat vergräbt einen Schatz, der Pirat vergräbt einen wertvollen Schatz. Einen kostbaren, goldenen, großen, riesigen, tollen Schatz, was auch immer. “Ich habe ein Theaterstück gesehen.” “Ich habe ein interessantes Theaterstück gesehen.”

Das Wort interessant hätte mir ein gewisser Lehrer auf dem Gymnasium damals als Ausdrucksfehler angemerkt, sinnloses Fremdwort. “Was war denn interessant an dem Theaterstück? Haben Sie dabei vielleicht etwas gelernt, was Ihnen übrigens kaum schaden könnte? Dann war es lehrreich! Nicht interessant! Sprachfaulheit ist das! Denken Sie nach, denken Sie länger nach! Dann erst schreiben!“ Das klingt heute wie etwas aus der Feuerzangenbowle, das war aber so. Derselbe Lehrer im Geschichtsunterricht: “Sie wissen nichts von Demokratie, junger Mann, Sie faseln doch nur davon!” Aus heutiger Sicht wird dieser Satz mit jedem Jahr immer, äh, interessanter.

Die Aufforderung, Adjektive irgendwo einzubauen, ist natürlich seltsam, wenn man schon einmal ein Manuskript irgendwo eingereicht hat, aus dem dann etliche Adjektiv rausgeflogen sind. Zu blumig! Schlichter! “Es war eine dunkle und stürmische Nacht.”

Und ich sagte, er sagte, sie sagte, wir sagten. Im Deutschunterricht muss das gewandelt werden, das ist so zu langweilig, ich flüsterte, er murmelte, sie flehte, wir stellten fest und so weiter, mit beiden Händen in den Wortschatz und dann ordentlich herumwühlen. Alle modernen Romanautoren murmeln währenddessen im warnenden Chor: “Sagte, sagte, sagte.”

Aber schon richtig, erst einbauen, dann ausbauen, man bastelt so am Text herum. Mal klingt es so, mal klingt es so. Welcher Text klingt besser und warum? Lies nochmal vor. Was will man überhaupt sagen? Wie war es denn nun wirklich im Theater, worauf kam es an? Für wen schreiben wir überhaupt? Ich bin sicher, das haben wir in der dritten Klasse noch nicht so gemacht. Und ich finde es hervorragend, wie sie das heute angehen, es ist anders als bei uns, die Kinder werden mehr zum Denken verleitet. Wir haben damals in Deutsch Nacherzählungen geübt, man bekam eine 1, wenn der eigene Text genau der vorgelesen Geschichte entsprach. Einmal sollten wir uns dann doch eine Geschichte ausdenken, irgendwas, ganz ohne Vorlage. Da stand bei mir in roter Schrift drunter: “Zu viel Phantasie”. Kein Scherz. Im Grunde bin ich heute noch deswegen beleidigt.

“Papa, jetzt tippe ich meinen Text eben in Word ab, okay?”

“Nanu, warum das denn noch?”

“Hallo? Da hab ich dann doch die Rechtschreibkorrektur?”

Doch, sie lernen heute wirklich ziemlich anders. Ich finde das ja spannend.

Lamm und Skorpion

Tiere spielen in diesem Blog eher keine Rolle. Weder haben wir Tiere, noch ist in dieser Familie jemand in übertriebener Weise Fan irgendeiner Art.

Aber auch in tierfreien Wohnungen kommen Nachrichtenlagen vor, die Tiere thematisieren, in den letzten Tagen sogar gleich doppelt, siehe Überschrift. Der Skorpion befand sich hier um die Ecke in einem Hotelzimmer, genauer in einem dort abgestellten Damenschuh. Als die Besitzerin ihn morgens anziehen wollte, stach das Tier zu. Es war übrigens ein hochgiftiges Exemplar, die Dame kam in ein Krankenhaus, hat aber überlebt. Warum Skorpione Damenschuhe als Ersatzhöhle in unserem kleinen Bahnhofsviertel besiedeln, blieb dabei völlig unklar. Die Polizei fand dazu nichts heraus, den Klimawandel hat man diesmal bisher nicht im Verdacht. Interessant aber, dass der Skorpion in allen Hamburger Medien ausdrücklich in Schutz genommen wurde. In jedem Bericht wurde erläutert, dass er sich in einer eindeutigen Notwehrsituation befunden hat. Wenn jemand plötzlich mit vollem Gewicht auf einen draufsteigt, dann wehrt man sich eben. Da ist so ein Skorpion auch nur ein Mensch, Astrologen verstehen das sofort. Volles Verständnis allenthalben für das Tier also, es wurde auch nachträglich noch mit großer Zufriedenheit gemeldet, dass er glücklich und in Rekordzeit an einen neuen Besitzer vermittelt werden konnte. Es ist eben wirklich ein toleranter Stadtteil, unser kleines Bahnhofsviertel. Skorpione sind hier fremd, aber wenn sie schon einmal da sind, dann werden sie auch anständig behandelt.

Das Lamm dagegen kam im Polizeibericht Nordfriesland vor, wobei man zunächst fragen könnte, warum ich den Polizeibericht Nordfriesland überhaupt lese? Nun, zur Beruhigung natürlich. Da oben blockieren ab und zu Schafherden Züge der Regionalbahn, so etwas wird dann lang und breit gemeldet. Ich lese das ausgesprochen gerne, das hat auf mich so einen wohlig-entspannenden Landlust-Effekt, das mag ich. Oder jemand gerät am Stadtrand von Husum in eine Polizeikontrolle und hat dabei ein lebendes Lamm im Kofferraum. Das kostet 50 Euro und einen Punkt in Flensburg, um das als Warnung gleich noch erwähnt zu haben. Der Herr war, man sollte auch bei dieser Meldung um Gerechtigkeit bemüht sein, Bauer, und er fuhr das Lamm zum Tierarzt. In seinem Golf. Ich nehme an, der Kofferraum war da aus Gründen der Schafanatomie schlicht praktischer als der Beifahrersitz. Und ich nehme weiter an, dass der Fall eilig war und besser geeignete Transportmittel gerade nicht verfügbar waren, vermutlich war die Frau des Bauern mit dem Trecker zum Güllen auf dem Acker. So etwas in der Art, man muss ja nicht einmal besonders phantasiebegabt sein, um hier auf naheliegende Erklärungen zu kommen. Und dafür wird der Mann nun bestraft, ist das gerecht? Das ist Husum, das ist die klare nordfriesische Kante. Das Leben ist hart an der Küste. So spiegeln sich auch in Meldungen über Tiere die Charakteristika der verschiedenen Regionen, ist das nicht schön? Es ist.

Wie auch immer. Morgen wieder was mit Menschen.