Gelesen – Wolfgang Büscher/Christine Kensche/Uwe Schmitt: Acht deutsche Sommer

Buch: Acht deutsche Sommer

 

Wolfgang Büscher beschreibt man wohl am besten immer als den, der nach Moskau gegangen ist, das dürfte nach wie vor sein bekanntestes Buch sein.

Und während ich normalerweise wegen der furchtbaren Suchtgefahr einen großen Bogen um Sachbücher mache, neige ich bei dem Herrn dann doch zum Kauf. In den acht deutschen Sommern von ihm und zwei Co-AutorInnen geht es wieder, es kann wohl auch gar nicht anders sein, um deutsche Geschichte, wie sie sich in Einzelschicksalen darstellt, in Szenen und Orten, das reicht in weitem Bogen vom Untergang Breslaus bis zum syrischen Neubürger.

Und das ist in jedem Kapitel erhellend. Ich bin zwar noch gar nicht durch, habe aber schon wieder was gelernt. Etwa in einem Text, den ich normalerweise gar nicht lesen würde, weil das Reizwort Fußball darin vorkommt und er damit weit außerhalb meiner Komfortzone liegt, wie man zur Zeit so merkwürdig oft sagt. Komfortzonen soll man verlassen, das wurde mir auch gerade wieder gesagt und zack, mache ich das glatt. Es geht also in dem einen Text um Damenfußball in den 70ern, den man heute bekanntlich eher Frauenfußball nennt, damit fängt es schon an. Da kann man noch einmal etwas nachlesen, was nach meiner Wahrnehmung gerade wirklich gerne vergessen wird, nämlich wie nötig die Frauenbewegung damals war. Wie dramatisch ungerecht und aus heutiger Sicht rückständig das Land und seine Gesetze, seine Institutionen, seine Männer. Wie nahe noch am neunzehnten Jahrhundert die Denkweisen. Man tut im Moment gerne so, als sei hier seit Hunderten von Jahren ein aufgeklärtes Bürgerparadies, wunderbarstes Abendland hellster Ausprägung, alles so schön hier. Man kann gar nicht oft genug betonen, wie abwegig das ist. Es ist alles noch neu, es ist alles immer noch fragil und keine Entwicklung ist vollendet. Das umfasst alles bisher nur ein bis zwei Generationen, das ist geschichtlich nichts, gar nichts.

Und was man gerade in Elternblogs wieder öfter liest, „Das Private ist politisch“, kann man hier noch einmal als Lehrsatz bestätigt finden. Es ist politisch, wenn ein Mädchen Fußball spielen möchte und nicht darf, natürlich ist es das. In der historischen Rückschau merkt man das immer ganz leicht, in der Gegenwart ist es wohl etwas komplizierter. Aber auch wieder keine unlösbare Aufgabe.

Was fliegt denn da, Ausgabe 2016

Ich bin morgens durch das Fluggeräusch von Drohnen geweckt worden, eine ziemlich irre Premiere im Leben. Das passierte im Heimatdorf der Herzdame, in dem eine Meisterschaft im Drohnenfliegen stattfand. Wo sonst Kühe grasen, waren Zelte und Wohnmobile und viele Menschen, die science-fiction-mäßige Riesenbrillen trugen. Auf denen konnten sie sehen, was die Kameras in den Drohnen während des Fluges aufnahmen. Die Menschen saßen still, nur die Finger an der Fernsteuerung zuckten, aber sie sahen die Flugmanöver, als würden sie selbst vogelgleich fliegen und herumsausen. Ein Sport also, bei dem man sich kaum bewegen muss, das kennt man ja sonst nur vom Bobfahren. Beim Drohnenfliegen kann man sich allerdings viel seriöser anziehen, begibt sich nicht in Lebensgefahr und ist unabhängig von Eis und Schnee, das ist also klar vorzuziehen. Die Kühe standen derweil am Rand der Weide und starrten komplett entgeistert die Veranstaltung an, die da auf ihrem Essen stattfand.

Weil die Drohnenpiloten ihren Sport lieben, fingen sie bereits am sehr frühen Morgen damit an. Deswegen also sausten die Dinger um das Haus, in dem ich noch schlief, deswegen wachte ich davon auf. Von einem hornissenhaften Sirren, denn es klingt ein wenig wütend, wenn eine Drohne schnell enge Kurven fliegt. Die Vögel in den Bäumen ringsum fanden das überhaupt nicht witzig, sie schimpften lauthals auf die kleinen Flugmaschinen in ihrem Garten. Und das Sirren und das Zwitschern hörten sich zusammen an, als würden sich Drohnen und Vögel da draußen lauthals anpöbeln, wem denn nun dieser Luftraum gehört.

Über Drohnen und ihre Anwendung wird zurzeit viel diskutiert, die Meinungsbildung ist gar nicht einfach. Ich fange ganz vorne an und stelle erst einmal nur fest: Aus der Perspektive von Kühen, Gartenvögeln und Menschen, die gerne noch etwas schlafen wollen, sind sie nicht unproblematisch.

Dieser Text erschien in etwas anderer Form als Kolumne in den Lübecker Nachrichten

Irgendwo ins grüne Meer

"Irgendwo ins grüne Meer"

 

Ein Inselbuch, hurra! In Kürze auch in Ihrer Buchhandlung, super Ferienlektüre mit prima Inseln von tollen AutorInnen. Etwa von Isabel Bogdan, Pia Ziefle, Anne von Canal, Katrin Seddig, Zoë Beck, Susann Pásztor, Clemens Setz und Thomas Pletzinger und anderen.

Und auch einer Geschichte von mir: “Im Jahr der Kolibris”, quasi ein typisch norddeutsches Thema.

Das Buch erscheint im Arche-Verlag, kostet 14,99 und passt in jeden Koffer, zumal es auch als E-Book verfügbar ist.

Und am 27.06. lesen Frau Bogdan, Frau Seddig, Frau von Canal, Frau Pásztor und ich auch daraus vor, abends um 20:15 in der Mathilde-Bar, Kleine Rainstraße 11.

Briefkastenonkel Buddenbohm

Einige Antworten auf Fragen, mit denen Leute per Suchmaschine in den letzten Wochen auf diesem Blog gelandet sind. Das machen ja viele, solche Fragen im Blog zu beanworten, Isa z.B. macht das auch, ich bin da also etwas late to the party, ich weiß. Aber ich habe gerade etwas mit Statistiktools herumgespielt, da fielen mir die Suchbegriffe wieder auf. Man kann so schön hemmungslos nostalgisch dabei werden, weil die Fragen sich oft auf ganz alte Texte beziehen, auch einmal schön.

“Schulanfänger Mütze 70 Jahre”

Ja, in der Tat, die hatte ich auch. Eine wirklich alberne Schirmmütze in Müllabfuhrorange, die keiner haben wollte, und die man doch ein paar peinvolle Wochen lang tragen musste, bevor so viele Kinder sie verloren hatten, dass man vom allgemeinen Tragezwang wieder absah. Die Mädchen bekamen damals übrigens gleichfarbige Kopftücher. Alle! Da war Kopftuchzwang! In Deutschland! Im Abendland! Hubschraubereinsatz! Man hyperventiliert geradezu noch bei der Erinnerung daran. Aber das habe ich vermutlich schon zehnmal erzählt, pardon. Man merkt erst mit den Jahren, wie sehr einen das mitgenommen hat, siehe dazu auch kratzige Kinderstrumpfhosen etc. Schlimm.

“W-Fragen Bäckerei”

Über solche und ähnliche Fragen kommen verblüffend viele Menschen zu diesem Blog, das dürfte über die letzten Jahre gesehen sogar die Hauptfrage gewesen sein, es scheint da erheblicher Aufklärungsbedarf zu bestehen. Vielleicht werden enorm viele junge Menschen gerade als BäckereifachverkäuferInnen ausgebildet und diese Fragen kommen in der Prüfung vor? Keine Ahnung. Üblicherweise denkt man bei W-Fragen ja eher an die Feuerwehr und an Notrufsituationen, bei denen es um Leib und Leben geht, nicht aber an Bäcker. Es wirft jedenfalls kein gutes Licht auf den Beruf oder auf die Ausbildung, wenn man schon googeln muss, was man seine Kunden zu fragen hat, zumal diese Kunden hungergetrieben sogar meist ganz von selbst reden, es geht ja nicht um Polizeiarbeit mit verschwiegenen Zeugen im Milieu. Es geht um “Eine Brezel bitte”. Wer braucht da denn Google? Echtjetzmal. Den Text, auf den sich all diese Suchanfragen bezogen, fand ich beim Wiederlesen übrigens ganz furchtbar, gleich gelöscht. Wie man überhaupt da weiter hinten öfter mal etwas löschen könnte, es hat ja nicht alles Bestand. An langen Winterabenden vielleicht? Kleiner Scherz.

“Ein doofes Wort zum Beschreiben”

Wenn es klein und unauffällig ist, vermutlich ein Nupsi. Oder aber ein Pinökel. Ansonsten eher ein Dingens.

“Onesie von Disneys für Erwachsene”

Nein! Siehe hier.

“Quartier 21 Barmbek Gentrifizierung”

Das Ding ist mir nicht bekannt, aber wenn etwas schon einen Namen wie “Quartier 21” hat, dann kann man die Frage nach der Gentrifizierung meist bejahen. Gilt in Hamburg auch für alle Wortbildungen mit Water- und Harbour- und Hanseatic-. Und ich lache übrigens heute noch darüber, dass ich einmal als Gentrifizierungsexperte in der Zeitung stand, weil ich im Blog irgendwann ein paar Zeilen zum Thema geschrieben habe. So schnell geht das nämlich.

“Geschäfte in Minden”

Gibt es, ja. Wenn es sich allerdings um die Geschäfte in der Fußgängerzone handelt, dann gibt es die identisch auch in absolut jeder anderen deutschen Gemeinde etwa ab Kreisstadtgröße. Dafür muss man nicht nach Minden. In Minden kann man aber nett an der Weser spazieren gehen, das wiederum geht nicht in jeder anderen Stadt.

“Merlix”

Die Älteren erinnern sich.

“Ich mag Luftballons”

Das ist in Ordnung, dazu kann man sich offen bekennen. Da fällt mir übrigens dieser Luftballontext wieder ein, lange ist es her.

“”Was für einen Humor hat Alex Capus in fast ein bisschen Frühling”

Im literarischen Kontext ist das gesuchte Wort vermutlich “fein”. Feiner Humor macht sich auf Buchcovern nämlich fast so gut wie die vermutlich bekannte “Feine Milde” auf Kaffeepackungen.

“Schnuller Mierau”

An dieser Stelle muss man Frau Mierau herzlich gratulieren, eine Elternbloggerin, nach der ein Schnuller benannt wird, Respekt! Pfirsich Melba nix dagegen.

 

Gehört: Mit Nachbarn teilen

Wieder SWR2, etwa 26 Minuten. Eine Sendung mit vielen Beispielen für alle, die sich für Gemeinwohlwirtschaft, Allmende-Projekte, Sharing-Economy, Repair-Cafés, Tauschringe und ähnliche Begriffe interessieren. Es geht dabei durchaus nicht nur um eine nachhaltigere Wirtschaft, es geht auch um eine nettere Gesellschaft.

Und eine nettere Gesellschaft, das klingt so trivial und harmlos, das ist aber doch ein großes, ein hehres und wichtiges  Ziel. Und da sich gerade viele Menschen in Europa für eine härtere und gemeinere Gesellschaft zu entscheiden scheinen, kann man das gar nicht oft genug betonen.

Plattfußpädagogik

Das postete ich gestern und es klingt natürlich wie ein Witz, aber nach etwas Nachdenken ist es doch so: Das ist gar keiner.

Mir ist in letzter Zeit nämlich immer stärker aufgefallen, dass ich mit den Söhnen zwar ab und zu pädagogisch ambitioniert in der Popmusikgeschichte herumzappe, was man durch Spotify und Youtube recht mühelos machen kann, dass ich auch in der Kinderbuchliteratur ganz selbstverständlich die Klassiker eingebaut habe, dass sie aber beim Thema Film komplett von der Gegenwart erschlagen werden. Es erscheint so viel, es ist so viel verfügbar, es ist so viel reizvoll und je nach Betrachtung auch vieles gut, wenn man das so hinnimmt, sind die Kinder mit der Filmproduktion der Gegenwart völlig ausgelastet, so viel Medienzeit haben sie ja auch gar nicht. Mit der Ausnahme der Disney-und Starwars-Kultfilme vielleicht, die vermutlich fast jeder mitnimmt, kommen ältere Produktionen nicht auf den Bildschirm, schon gar nicht in einem Haushalt wie bei uns, in dem fast nie jemand fernsieht und der Fernseher schon gar nicht nebenbei läuft.

Aber alte Spielfilme sind für einen Achtjährigen schon ein gutes Mittel, sich mit Film-, Kultur- und Weltgeschichte zu befassen, selbst dann, wenn es sich um vermeintlich schlechte, wenn nicht sogar grottenschlechte Filme wie die Plattfuß-Reihe handelt. Filme also, die ich auch als Kind oder Jugendlicher mit kaum noch nachvollziehbarer Begeisterung und Erheiterung gesehen habe, Filme aus einer komplett anderen Welt. Aus einer Welt, die aus heutiger Sicht manchmal sehr erklärungsbedürftig ist, die erstaunlich viele Fragen aufwirft. Oder noch ältere Filme, man kann doch ruhig wissen, wer Errol Flynn war, das ist doch auch Allgemeinbildung, ist es nicht? Oder Buster Keaton, um gleich vorne anzufangen? Heinz Erhardt? Heinz Rühmann? John Wayne?

Denn es ist doch wichtig, oder zumindest kann man es wichtig finden, dass ein Kind irgendwann eine Vorstellung des Kulturschaffens vergangener Perioden bekommt, und da muss man ja nicht gerade mit der Hochkultur beginnen.

In so einem Bud-Spencer-Film ist seltsame Musik, ist wirklich seltsame Mode. Da sind äußerst seltsame Verhaltensweisen, seltsame Rollenbilder, da sieht man auch einmal so etwas Exotisches wie Hausfrauen, die gibt es hier in freier Wildbahn gar nicht mehr, zumindest nicht in meinem Bekanntenkreis. Und wenn man etwas drüber nachdenkt, kommt man auch darauf, dass die Kinder vermutlich kein zutreffendes Bild von “Hausfrau” im Kopf haben. Das ist nun aber sozialgeschichtlich gar nicht unwichtig, finde ich.

Man kommt aus dem Reden und Erklären gar nicht mehr heraus, wenn da etwa im Film ein Kind vollkommen nebenbei eine Ohrfeige bekommt, weil es eben in den Siebzigern noch völlig normal war und ja, es hat uns geschadet, aber egal, da ist man dann schon wieder bei “Opa erzählt vom Krieg” und der Film ist schon längst drei Szenen weiter, in denen Männer in seltsamen Hemden unangeschnallt komische Autos fahren und dabei selbstverständlich rauchen und dann kurz darauf ein Bier in einer Währung bezahlen, die nicht Euro heißt und in der irre hohe Summen genannt werden, Italien damals eben.

Geschichte ist interessant, das finden wohl die meisten Kinder, und Geschichte kann man auf viele Arten erklären. Man kann sich also schön berechtigt komplett geistloses Zeug ansehen und sich dabei total geistreich fühlen. Pädagogik ist schon eine tolle Sache.

Louis de Funès! Ach, es wird mir ein Fest sein.

Gehört: Der teilende Mensch

Das ist eine Folge von SWR2 Wissen, sie dauert 26 Minuten. Da geht es u.a. auch um ein Thema, das mich immer mehr interessiert, nachdem ich einmal für die Nido darüber geschrieben habe, da geht es um Unterschiede im sozialen Verhalten von Kindern und Erwachsenen.

In meiner Kolumne damals (“Kekse für alle”) ging es um den Widerspruch zwischen den meist recht erfolgreich durchgesetzten Erziehungsidealen in Kitas, Vorschulen und Schulen einerseits, bei denen soziales Denken, Rücksicht, Gerechtigkeit etc. stark betont werden, und der bekanntlich dramatisch ungerechten Realität der Erwachsenen andererseits, die viele von uns überhaupt nicht mehr stört. Oder doch nicht so stört, dass wir energisch etwas daran ändern. Die Welt ist eben schlecht, fertig. Wir sind in unserem Alltag sehr, sehr weit weg von dem, was wir Kindern als common sense der Eltern beibringen, nicht nur bei diesem Thema übrigens, das gilt auch z.B. beim Umweltschutz.

Irgendwo in der Adoleszenz gibt es dann einen Punkt, bei dem alles kippt und zack, haben wir einen normal Erwachsenen mit erheblichen moralischen Defiziten, der in der Lage ist, sich in dem Irrsinn des Arbeitsmarktes, in der gentrifizierten Stadt, in der rabiaten und konkurrenzorientierten Gesellschaft durchzuschlagen.

Ich wäre da vermutlich nicht drüber gestolpert, wenn mich die Söhne nicht darauf gebracht hätten, sie liefern mir aber immer wieder Beispiele für dieses Phänomen. In der Grundschule von Sohn I werden z.B. soziale Konflikte ziemlich konstruktiv gemeinschaftlich im Gespräch gelöst. Sie lernen da verschiedene Kommunikationsstrategien, und sie lernen sie sogar recht erfolgreich. Das haben wir damals nicht so in der Schule gelernt, ich jedenfalls ganz gewiss nicht. Und es ist doch eine spannende Frage, ob diese Generation heute das jetzt alles lernt, um es später wieder zu vergessen und sich dann normal schlecht zu benehmen?

Ich war am Wochenende mit Sohn I in der Kunsthalle, es folgt etwas anekdotische Evidenz. Da gibt es einen Saal für Kinder, in dem eine Art Steckspiel ausliegt, man kann aus bunten Plastikstäben und Verbindungskugeln wilde Konstruktionen bauen, auch sehr große, auch sehr kunstvolle, auch solche, die schon nach Ingenieurskunst aussehen. Und natürlich auch kleine bunte Sternchen, die jeder hinbekommt, jedes Kind.

Die Plastikstäbe liegen dort einfach herum, werden verbaut, werden wieder demontiert und immer so weiter. Zwischendurch werden sie auch mal knapp, wenn zu viele Nachwuchsingenieure gleichzeitig bauen. Und es war deutlich zu erkennen, dass die Kinder, viele so um acht Jahre herum, erstaunlich höflich und freundlich mit dem Problem umgingen. Man tauschte Stäbe aus, man gab frei, man gab weiter, das lief gut. Was ganz und gar nicht gut lief, das waren mehrere durchdrehende Eltenteile, die es nicht ertragen konnten, dass ihr Nachwuchs bei dem Spiel vermeintlich zu kurz kommen konnte, und die deswegen meinten, sich gegen andere Kinder durchsetzen zu müsen, die also schlicht Stäbe weggriffen. Ohne zu fragen, ohne jede Höflichkeit und Rücksicht. Und nachdem ich da etwa eine Stunde saß, kam mir das nicht mehr zufällig vor.

Ich will nicht sagen, dass Kinder gut sind, nein. Aber sie sind jedenfalls fähig, etwas Gutes zu lernen, das wir als Gesellschaft dann doch lieber nicht bewahren.

Die oben verlinkte Radiosendung hat übrigens ein feines Ende mit einem klaren Auftrag für Erwachsene, es lohnt sich also, sie bis zum Schluss zu hören.

Kurz und klein

12 von 12 im Mai

(The same procedure: 12 von 12 hier generell erklärt, die anderen Mai-Ausgaben von vielen, vielen Bloggerinnen findet man hier. Ich neige dabei zum Schummeln und trickse oft mit eingebauten Videos statt Bildern. Schlimm.)

Ich beginne den Tag mit dem Sisyphos-Syndrom der modernen Eltern, denn Steine herumzurollen ist irgendwie total vorchristlich, das macht man so nicht mehr, man sammelt jetzt im Kinderzimmer Bügelperlen auf. Der Effekt ist exakt gleich.
 

Danach Frühstück beim Portugiesen, also im zweiten Wohnzimmer, wo man jeden kennt, aber morgens nur reden kann, nicht reden muss. Das ist also sogar besser als im ersten Wohnzimmer, fällt mir gerade auf.

Danach schlendere ich mit der Herzdame über den Wochenmarkt und wir tun zehn Minuten lang so, als hätten wir Zeit, wie so ein entspanntes Pärchen aus einer Lifestyle-Zeitschrift. Das fühlt sich schon nett an, leider muss ich aber marktbedingt die ganze Zeit an den fürchterlichen Begriff Wechseljuicer denken, das stört doch sehr (wer das Wort nicht kennt, bitte auf eigene Gefahr googeln).

Dann geht es ins, nun ja, architektonisch reizvolle Hammerbrook. Und zwar mit der Bahn, weil ich auf dem Markt zu viel Zeit vertändelt habe, um noch zu Fuß gehen zu können. Schlimm.

Es folgen sechs Stunden im Büro. Ich denke nebenbei unentwegt darüber nach, mit welchem Symbolbild ich diese Zeit hier illustrieren kann. Mit fällt aber nichts ein.

Auf dem Rückweg gehe ich an dem vorbei, was Hammerbrook dann doch tatsächlich zu bieten hat: Wasser.

Da ich bei diesen Temperaturen meine Ernährung auf Wassermelone umstelle, gehe ich bei Sönmez vorbei. Wie das Schattenselfie beweist: “Ich habe eine Wassermelone getragen”. Quasi Baby Buddenbohm, und wer das jetzt nicht verstanden hat, der muss wirklich erstaunlich jung sein. Ob ich aber am Abend noch mit der Herzdame Hebefiguren übe – ich weiß ja nicht, wir haben beide Rücken.

Dann folgt der Bügelmarathon der Woche.

Wobei mich die Leserin Frau Z. aus H. nach meinem Podcastgejammere neulich darauf hingewiesen hat – ich habe nämlich durchaus fürsorgliche Leserinnen, das ist sehr erfreulich – dass man beim Bügeln auch gut Podcasts hören kann. Recht hat sie! Ich werde mehr und besser bügeln müssen. Frau Z. aus H. ist übrigens auch beruflich fürsorglich, denn sie ist Inhaberin der unlängst hier bereits bejubelten Villa Dorothea. Nein, keine bezahlte Werbung, reine Überzeugung. Gutes Haus, das.

Ich habe aber dann doch keine Podcasts gehört, ich habe einen Film gesehen. Das sollten Sie auch, und zwar den hier:

Das ist nicht gerade leichte Unterhaltung, da muss man aber durch, das ist nämlich das berühmte Mindeste, was man tun kann. Und hinterher reicht es dann wieder für etwas mehr, so ist zumindest der Plan.

Ich wechsele danach aber erst einmal ohne jeden sinnvollen Zusammenhang zu einem Lied, das mir gestern beim Tanzen im Lindy-Hop-Kurs wieder eingefallen ist. Lange nicht mehr gehört, das Stück, da sehe ich dann gerne bei Youtube nach, ob es einen Film dazu gibt. Gibt es tatsächlich:

Ein wunderbares Lied, wobei die Version, in der es jener Mann singt, der es geschrieben hat, noch besser ist. Das war Hoagy Carmichael, der in seiner Variante noch etwas besser rüberbringt, dass es halbgesprochen beginnt. Es ist ein Liedchen, aber ein recht kunstvoll gestaltetes. Man hört die Stimmung ganz genau, dieses wunderbare Gefühl, reichlich oder auch zu viel getanzt zu haben, sehr müde zu sein, vielleicht doch noch zwei, drei Schrittchen swingen zu können – oder doch lieber in einem Arm einzuschlafen – das ist ganz bezaubernd eingefangen. Es swingt so halb, es swingt also perfekt, es ist ein Tanzsehnsuchtslied. Man könnte einen sehr, sehr langsamen Lindy-Hop dazu tanzen, einen geradezu albern langsamen, und es würde genau passen.

Auf Spotify gibt es endlos viele Versionen des Liedes, auch die von Hoagy Charmichal, auch die von Fats Waller, auch die von Sammy Davis Jr., ich habe hier eine Playlist angelegt, fast zwei Stunden nur dieser Song. Ja, ich bin seltsam, ich weiß. Und übrigens! Eine fast spekatkuläre Erkenntnis nebenbei, es ist ein Lied, bei dem Dean Martin seine Version völlig vergeigt hat, wirklich schlimm. Dass der überhaupt irgendwas einmal nicht großartig singen konnte!

Wo war ich? Auf Youtube, genau. Zufällig sah ich nach dem Film zum Lied noch eine Tanznummer mit James Cagney und Bob Hope, die darf hier jetzt auch nicht fehlen:

Und, ich springe hier seltsam hin und her, aber egal: In meiner Playlist zu “Two sleepy people” gibt es auch eine Version von Carsie Blanton, die überhaupt wunderbar ist. Und die wiederum hat einen Song, der ganz ausgezeichnet zu einem heißen Tag in einer heißen Dachgeschoßwohung passt, also zu meinem Nachmittag heute zum Beispiel: Sweet Lorraine. Sehr, sehr entspannt, man möchte sofort auch in so eine Hängematte.

Entspannt geht es auch weiter, das Feierabendbier findet im Park statt. Daher kein Craftbeer, sondern eine konventionelle Marke.

Im Park dreht sich alles um die Panini-Karten, Kinder und Erwachsene tauschen hin und her, zahlen, klauen, es blickt ohnehin keiner mehr durch. Sohn II ist darauf gekommen, dass man mit gesammelten Pfandflaschen Geld vedienen kann, er braucht im Park nur zehn Minuten Suche für einen Euro in Pfand, ein Euro reicht für die nächsten Karten. Sein Geschäft läuft.

Da die Kinder bis zur letzten Minute tauschen, entfällt das gesunde Abendbrot, es wird Ersatz beschafft.

Und auf dem Heimweg darf ich wieder aktuelle Straßenkunst erklären. Es ist kompliziert.

Damit genug für heute, ich gehe gleich noch zu einer Lindy-Hop-Party, so viel Spaß muss sein. Danach werde ich aber sicher zu kaputt sein, um noch etwas zu bloggen.