In fast gewohnter Weise

24.12. Die Hochwasserlage im südlichen Niedersachsen, von Nordostwestfalen aus also um die Ecke, spitzt sich weiter zu, lese ich am Morgen in den Nachrichten, in einigen Städten werden Sandsäcke ausgegeben. Wie außerordentlich grässlich, Weihnachten damit zuzubringen. Währenddessen regnet es immer weiter und wird nicht recht hell, es ist ein betont langsamer Tagesanfang.

Ich lese ein Buch, das merkwürdig gut hinter den Großen Gatsby passt, so gut sogar, als hätte ich es bewusst danach ausgesucht, was allerdings nicht der Fall ist: „Die Ziellosen“ von Anthony Powell, Deutsch von Heinz Feldmann. Ein Bericht aus einer sehr fernen, schon unwirklich wirkenden Zeit, ich habe Spaß. Es gibt von Powell auch noch den zwölfbändigen Romanzyklus über den Niedergang der britischen Oberschicht von 1920 bis 1960 (“Ein Tanz zur Musik der Zeit“), jedenfalls deckt er ungefähr diese Zeit ab, evtl. habe ich also noch mehr vor. Ich bin vor einiger Zeit dabei am Einstieg gescheitert, aber vielleicht mache ich noch einen zweiten Versuch.

Ich lese nicht ausreichend deutsche Gegenwartsliteratur, um zu wissen, ob schon fleißig und in epischer Breite der Niedergang der deutschen Wohlstandsgesellschaft beschrieben wird, ein Thema, das sich zweifellos gerade anbietet. Läuft in dieser Angelegenheit bereits ein Großprojekt? Wobei so etwas wie ein ausufernder, good old Romanzyklus dabei vielleicht längst nicht mehr das Mittel der Wahl ist, aber ich bin da gar nicht orientiert. Nun, vielleicht schreibt der Herr Gerhard Henschel seine Martin-Schlosser-Romane noch bis in die Gegenwart fort, dann wäre das umfassend erledigt und alle anderen können sich entspannt zurücklehnen. Das passt dann sicher so.

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Wir holen am Nachmittag ein weiteres Familienmitglied in Minden ab. Die Weser hat dort, so sehen wir, heute Amazonasambitionen. Sie ist weit, weit über die Ufer getreten, macht einen ausgedehnten Landausflug und ist gerade kurz davor, einen Zirkus zu verschlucken, der seine Zelte auf einer Wiese nicht weit vom Ufer aufgeschlagen hat. In den Nachrichten laufen die Berichte der Feuerwehren und Behörden aus den benachbarten Landkreisen, und es regnet immer weiter und fort.

Auf dem durchweichten Acker neben dem Haus der Eltern der Herzdame sehen wir dann gleich drei Störche, sie staksen langsam durch den Schlamm. Man hat es in manchen Zugvogelkreisen in den Zeiten des Klimawandels nicht mehr so mit der mühseligen Reise in den Süden. Es sind 12 Grad draußen, das passt schon, damit kann man im norddeutschen Dezember zurechtkommen.

Weihnachten findet dann ungeachtet des Wetters dennoch in gewohnter Weise statt, mit fast allem, was so dazugehört. Nur der Schwiegervater fehlt zum ersten Mal und ist nur noch auf Fotos anwesend. Wir stellen außerdem fest, dass alle Kinder der erweiterten Familie mittlerweile so groß geworden sind, dass die Sitzgelegenheiten im Haus nicht mehr für alle reichen. Früher saßen die zur Bescherung auf dem Boden, die Kinder, krabbelten wuselnd unter dem Baum herum oder kuschelten irgendwo auf einem Schoß, heute wundern sich die Teenager über den Mangel an Stühlen und Sesseln. Wir suchen Hocker und dergleichen zusammen.

Die Zeiten ändern sich und man improvisiert dann so herum, das gilt im Privaten wie auch im Rest der Welt.

Eine bunte Eule als Christbaumanhänger

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Über die neue Seenplatte

Am 23. noch mit dem Auto raus aus Hamburg und durchs überraschend staufreie, aber unfassbar nasse Niedersachsen. Hinter Bremen beginnt die niedersächsische Seenplatte. Die ist neu, die findet man bisher noch auf keiner Karte, dafür ist sie aber schon beachtlich groß und reicht bis runter nach Nordostwestfalen, wo wir hinwollen. Katwarn meldet zwischendurch ein Entwässerungsproblem für das ganze Bundesland, wir fahren mitten durch diese Meldung, durch eine nahezu komplett abgesoffene Gegend. Ab und zu sieht die Landstraße wie ein Damm aus, über den man es eben noch schafft, jedenfalls mit etwas Fantasie sieht sie so aus. Oben ein Himmel wie ausgekipptes Tuschwasser nach dem Kunstunterricht in einer Grundschulklasse, es wirkt alles enorm freudlos und problematisch. Auf den Bäumen die lauernden großen Greifvögel, die sich über den neuen Gewässern wohl fragen, ob sie jetzt noch auf Seeadler umschulen sollen oder was.

An Ackerrändern sehe ich zweimal schnellgezimmerte Galgen, an denen Ampeln aus Karton baumeln. Auch jeder Protest muss jetzt maßlos sein in diesem Land, voller Hass und übergriffig, und alle weisen vermutlich jeden Gedanken an Gewaltbereitschaft in abstoßender Scheinheiligkeit weit von sich und singen dann am 24. wieder irgendwas von Gnade und Liebe in der festlich geschmückten Kirche.

Eine kleine Landwirtschaftsdemo irgendwo an einem Dorfrand, einige wenige Trecker im Regen mit durchgeweichten, kaum zu entziffernden Plakaten daran. Sie haben es satt, mehr kann ich nicht lesen. Nun, wir haben alle irgendwas satt, das ist so weit durchaus mehrheitsfähig.

An den Landstraßen die überall schon geschlossenen Läden. Es ist Sonnabendnachmittag, das Land fährt allmählich herunter fürs Fest. Erstaunlich wenig Weihnachtsdeko sehen wir in den Dörfern, vielleicht fehlt auch dazu allgemein etwas die Lust in diesem Jahr, vielleicht wird auch daran gespart. Irgendwo dann doch ein aufgeblasener Weihnachtsmann an einem Zaun, sicher zwei Metter hoch, rotfröhlich im Wind schwankend, plastikgrinsend. Er fällt auf, so vereinzelt. Und da, ein vermutlich schon altgedienter Leuchtstern an einer Volksbankfiliale, das immerhin. Der könnte auch zu den Requisiten aus einem älteren Film gehören, so historisch sieht er aus.

Im Heimatdorf der Herzdame wurden neulich erst die Gräben neben den Äckern ausgebaggert, und da haben sie aber noch Glück gehabt, die Anwohnerinnen, höre ich gleich nach der Ankunft. Denn auch hier steigt das Wasser, wie schnell es steigt. Und es regnet, regnet und regnet immer weiter.

Ein Sohn geht dennoch am Abend etwas spazieren, er kommt nass wie ein Teichfrosch wieder zurück und tropft in der Wohnung alles voll. Seine Schuhe stehen dann vor dem brennenden Kamin, dunkle Pfützen entstehen darunter.

Die Katze geht durch ihre Klappe raus und kommt nach Sekunden wieder rein, jähe Empörung im Gesicht. So ein Wetter ist es.

Aber Schwiegermutter macht schließlich Grünkohl und da bewahrheitet es sich wieder: Rettung lauert überall.

Ein teils überfluteter Acker in Nordostwestfalen

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Sieh mal, das war an diesem Tag

Ich schwächele weiter, die Herzdame geht sogar ohne mich zum bei uns traditionellen Erdmöbel-Konzert, es fällt alles etwas seltsam aus in diesem Jahr. Klingelingeling, ding ding dong, Jesus weint schon – eine der schönsten deutschsprachigen Weihnachtsliedzeilen der letzten Jahrzehnte.

Die krankheitsbedingt ohnehin angeschlagene Stimmung trübt sich davon abgesehen allerdings deutlich weiter ein, weil hier am Freitagabend noch Hardware zu Bruch geht. Ausgerechnet das teuerste Stück, das wir überhaupt im Haushalt haben. Alles mühsam veratmen, was soll man auch machen. Es kostet uns Geld und Nachtschlaf und Freizeit, das Problem vor oder wenigstens über Weihnachten zu lösen, und ich würde nach dieser Erfahrung generell davon abraten, wichtige Hardware kurz vor großen Festen zu zerschmeißen. Hören Sie auf ein grauhaariges Elternpaar, das sich jetzt auskennt.

Mit der Frage ins Bett gegangen, wie unendlich genervt man von allem sein kann, keine Antwort gefunden. Vermutlich liegt sie in Dimensionen, in die nie zuvor ein Mensch …

Aber doch immer wieder der seltsame Eindruck dabei, dass es nicht nur uns oder mir so geht, dass es vielmehr ein sozial vorherrschendes Gefühl ist. Ich sehe es in den Nachrichten, ich lese es in den Timelines, es ist ein lähmender Loop. Ein unendlich genervtes Land, eine wahnsinnig ermüdete Gesellschaft, wir stehen da alle in einer unheilvollen Wechselbeziehung und finden nicht mehr heraus. Und, versteht sich, wir haben auch Grund genug. Pardon, das ist wiederum wenig weihnachtlich gedacht, ich weiß.

Die Verlegerin Frau Frohmann fragte neulich auf Bluesky nach Tipps, wie man besser durch belastete Zeiten komme.

In den zahlreichen Antworten las man auffällig viel Offline-Zeug, viele reale, handfeste Sachen wurden da genannt, Spaziergänge, Gespräche, Naturerfahrungen aller Art, Singen, Stricken, Bücher, Doppelkopf, Kochen, Backen, Schnitzen, Schmieden (!), Yoga, Badewanne. Ich habe dann noch das gute, alte Bloggen ergänzt, aber das wird nicht allgemeingültig sein. Wobei ich tatsächlich immer einen entschieden kunsthandwerklichen Aspekt beim Bloggen wahrnehme.

Ich meine, man hat da so einen Tag, 24 lange Stunden, die, machen wir uns nichts vor, zu einem erheblichen Teil aus vollkommen unsagbaren Inhalten bestehen, die aus verschiedenen Gründen keineswegs in die Öffentlichkeit gehören, die zu einem anderen und manchmal nicht eben kleinen Teil aus erzlangweiligen, steingrauen Wiederholungen bestehen, für die man schon weit fortgeschritten im Zen-Geist sein müsste, um sie wirklich genießen zu können. Und dann nimmt man als Autorin oder Autor irgendeinen winzigen Aspekt aus dieser fast durchgehend eher kaum verwertbaren Menge der 24 Stunden, einen Minutengedanken vielleicht nur, eine Situationssekunde, und man bearbeitet das dann schreibend und grübelnd, bis man auf einmal denkt: „Ach guck, ein Text“ – und hängt das dann an seine Chronik und zeigt darauf und sagt zu aller Welt: „Sieh mal, das war diesem Tag.“ Und wenn man ganz viel Glück und auch etwas Geschick hat, wie es im Kunstgewerbe so ist, steht am Ende jemand davor und sagt: „Hey, voll schön.“

Am Alltagseisen herumschmieden oder schnitzen, bis irgendwas daran halbwegs dekorativ aussieht, einen Schnörkel hat oder wenigstens eine Form. Also ich zumindest mache das so.

Und es ist dann stets beides richtig, die kaum vorzeigbaren Stunden, die eher trübe Stimmung vielleicht und auch der deutlich farbigere, gestaltete, vielleicht sogar gut gelaunte Text. Sie liegen nebeneinander, sie sind sogar ineinander verwoben und dass das so ist, das eben ist der tröstliche Teil und die seelische Erste-Hilfe-Maßnahme – wenn man nur aus der korrekten Richtung auf das Ganze sieht.

In diesem Sinne, ich wünsche Ihnen in einer verblüffend allgemein empfundenen Clusterfuck-Lage vor allem die jederzeit richtige Betrachtungsweise. Ich denke, es kommt immer mehr darauf an.

Die besten Wünsche zum Fest, haben Sie es bitte schön.

Ein aufziehbarer Plastikweihnachtsengel auf einem Tisch, im Hintergrund, unscharf, ein Adventsgesteck

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Ich mache ansonsten gar nichts

Vor lauter Halsschmerzen kaum geschlafen, das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Na, man steht es so durch. Der Sturm macht zwischendurch in der Nacht ein Fenster auf und möchte zu uns rein, das lehne ich allerdings bestimmt ab und schließe das Fenster wieder. Die haben doch oft schwere Benimmfehler und in Gebäuden geradezu rockbandähnliche Verhaltensweisen, diese Stürme, da muss man auch einmal klare Grenzen ziehen.

Meine Lieblingsschlagzeile zum mittlerweile schon wieder abgerauschten Tief Zoltan war, wie noch abschließend festzustellen ist: „Weihnachtsmärkte beobachten die Lage.“ Sie können die Grenzen Ihrer Vorstellungskraft testen, wenn Sie darauf etwas länger herumdenken.

Minutenlang Sirenen dann am frühen Freitagmorgen in den elbnahen Gebieten, immerhin so laut, dass man tatsächlich davon wach wird. Alle denken, es wird schon die Sturmflut sein und drehen sich in den Betten noch einmal um, jedenfalls wenn sie hoch genug wohnen und schon Urlaub haben, und das wird wohl die Mehrheit sein. Eine Info zum Alarm findet sich zunächst nirgendwo, nicht in den lokalen Medien, nicht auf den Seiten der Stadt. Auf den Radiosendern läuft irgendwas Beliebiges oder Musik, aber es gibt keine Hintergründe zur Warnlage, in Katwarn etc. wird ebenfalls kein Bezug zu den eben gehörten Sirenen genannt. Wir können es nicht, es zeigt sich doch immer wieder, lost in jedem Ernstfall.

Apropos Dokumentation des infrastrukturellen und organisatorischen Niedergangs, siehe hierzu auch Vanessas Schilderung der Verkehrslage in NRW unter der Überschrift „Stillstand 2024“. Das Thema wird uns unweigerlich weiterhin beschäftigen, soweit man es heute absehen kann, das Thema ist als Rubrik für das nächste Jahr bereits überall gesetzt, selbstverständlich auch in den Blogs.

Die Hölle friert sodann bedingt durch meinen Ausfall zu und die Herzdame geht einkaufen, das kommt hier sonst nie vor. Ich berate zugeschaltet per Textnachrichttausch und erläutere, was wo im Discunter steht und was richtig ist. Diese ganzen mauen Sketche und Witze über Männer, die nicht einkaufen können und dennoch vor dem Fest losgeschickt werden, wir könnten sie hier umgekehrt aufführen. Ein Sohn holt uns dann noch Tiefkühlpizza zur Rettung des Abendessens, und er geht dafür sogar durch Regen, hier wächst jeder ein wenig über sich hinaus. Ich kann mich beruhigt wieder hinlegen.

Ich mache ansonsten gar nichts, ich liege hier nur herum und höre den Großen Gatsby, gelesen von Gert Heidenreich.

Es fallen daher auch keine neuen Bilder an. Die drei Grazien hier sind schon ein paar Tage alt und wirken leider wenig weihnachtlich. Aber immerhin illustrieren sie angemessen den lokalen Bezug.

Drei Schiffe der weißen Flotte am Anleger Jungfernstieg

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Ein grollendes Knurren im Wind

Kiki über die sozialen Medien.

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Ich habe für das Goethe-Institut doch noch einmal einen Text geschrieben, für eine Kafka-Sonderausgabe, es geht um Bürokratie.

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Man möchte ansonsten keinen Hund vor die Tür jagen, so sehr kübelt es am Donnerstagmorgen, nur die Söhne schicken wir selbstverständlich wie immer los. Die haben noch einen halben und wie immer eher sinnlosen Schultag zu absolvieren, das war bei uns damals auch schon so, vorlesendes Lehrpersonal in den letzten Stunden. Manchmal wollten sie damals auch gemeinsam singen, sogar noch in den höheren Klassen. Wir hatten es auch nicht immer leicht.

Am Vormittag höre ich irgendwo aus dem Haus das Bach-Gounodsche Ave Maria, ganz leise nur, es kommt vermutlich durch die Lüftung im Bad und unter den Türen durch, an den Staubmäusen vorbei oder mit denen in harmonischer, tänzelnder Bewegung, stelle ich mir vor. Gerade eben so viel höre ich davon, dass ich der Melodie halbwegs folgen kann, ganz schwach, ganz dezent. Und das wird dann abgelöst durch die Kirchenglocken, die sich um zehn Uhr massiv darüberlegen, die schließlich wieder verklingen und an die klatschenden Regengüsse auf den Fenstern abgeben, die wie immer eher nach Jazz und schneller Percussion klingen, und dann, kaum wahrzunehmen, doch noch einige restliche Töne Gounod in den Pausen. Endlich unten die Müllabfuhr, wummernde Mechanik und brummende Motoren, der profane Alltag. So geht es hier klanglich zu vor dem Fest.

Den folgenden Clip dazu kennen zwar sicher alle, aber was soll’s, den kann man sich alle paar Monate wieder ansehen (oder eine der anderen Versionen dieses Auftritts) und einen kleinen Moment lang wieder an die Menschheit glauben, die immerhin auch so etwas zustande bringt. Das auch ab und zu bedenken.


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Im Laufe des Tages dann noch draußen immer öfter ein grollendes Knurren im Wind, ein seltsam tiefes, mächtiges Geräusch, und dann weiß man hier, es ist Orkan.

Ansonsten Spaß mit Viren. Ich pflege die deutsche Leidkultur, aber das tun wir ja alle. Wie unoriginell kann man sein? Dank tiefergelegter Stimme kann ich die Ivan-Rebroff-Klassiker aus meiner Kindheit schön nachsingen, das ist auch nicht ohne Reiz. Immer die Vorteile bei allem bedenken, eine Krankheit ist am Ende auch nur eine dornige Chance, wie Sohn II sicher erneut sagen würde, der es wiederum von diesem Politiker hat, Sie wissen schon.

Eigentlich sollte ich das Kind mit solchen Sätzen in den Wahnsinn treiben, nicht umgekehrt, hier ist doch mittlerweile einiges entglitten. Nächstes Jahr mal mehr dagegenhalten.

Im Bild noch eben der Weihnachtsmarkt bei der Rathausschleuse. Wobei man heute vielleicht nachsehen müsste, ob das alles noch steht, nachdem Zoltan da durchgewirbelt ist.

Die abendlichen Lichter an der Rathausschleuse, man sieht die Weihnachtsbaumskulptur vor dem Rathaus

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Was in diese Zeit passt

Vorweg ein herzlicher Dank für die Zusendung des Großen Sommers und der Sagen des klassischen Altertums in der Köhlmeier-Version – der Stapel auf dem Nachttisch erreicht wieder eine angenehme, also markant kippgefährdete Höhe. So muss es da aussehen, eh klar.

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Ich höre mir auf meinen Wegen an, was in diese Zeit passt, auch wenn uns die Zeit unmöglich passen kann – die Lieder ohne Worte von Felix Mendelssohn Bartholdy, in der neuen Aufnahme von Igor Levit. Hier erklärt er etwas dazu:

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Am Morgen wird der Strom bei uns abgestellt, größere Bauarbeiten vor dem Haus. Für ein paar Stunden ist alles aus, die armen Nachbarn, die schon irgendwas für Weihnachten im Tiefkühlfach haben, das könnte schwierig werden. Wir haben da nichts liegen, ich habe das natürlich alles eingeplant, Haushaltsführungsstreber, der ich nun einmal bin. Die letzten Kartoffelpuffer aus dem Vorrat habe ich rechtzeitig verbraten, den letzten Fisch gab es gestern, just in time.

Um acht Uhr morgens wird es also bei uns also schlagartig wieder dunkel, so dunkel wie draußen. Spitze Schreie hören wir aus dem Treppenhaus, da wird es jemanden zwischen zwei Etagen erwischt haben. Kein Licht mehr, kein WLAN, kein gar nichts. Die Herzdame macht einige Kerzen an, eine batteriebetriebene Lichterkette glimmt noch an der Adventsdekoration, wir legen uns wieder hin.

Was soll man auch machen. Es ist ein Fall von Notwehr, da auch die Heizung zwischendurch ausgeht und die Temperatur in der Wohnung schnell fällt. Man kann sich in solchen Situationen nur unter eine Decke zurückziehen und dort dann sicherheitshalber gleich bis zum Mittag bleiben, auch wenn die Lampen schon längst wieder angegangen sind. Bloß keine unnötigen Risiken eingehen, wer weiß denn schon, ob der Strom dauerhaft bleibt. Erst einmal lange die Lage prüfen, erst einmal sichernd abwarten.

Die Wagen der Elektrikfirmen stehen immerhin noch vor dem Haus, es wird auch noch Werkzeug durch die Gegend getragen, es wird noch in der Erde gewühlt, es sieht weiterhin nach Gefahr im Verzug aus.

Regen rauscht währenddessen unentwegt auf das Dach, unter dem wir liegen, große Mengen von Regen. Der Wind pfeift dazu an den Fenstern, draußen an der Nordsee kommt wieder Sturm auf und macht sich landeinwärts auf den Weg. Er sieht hier später kurz vorbei, um dann schnell nach Schweden abzubiegen, guten Tag und guten Weg.

Die Unwetterwarnungen werden auf meinem Handy heute wie immer in der Reihenfolge Helgoland, Eiderstedt, Hamburg eintreffen. Das mal gelassen abwarten und nebenbei ausführlich genießen, dass wir endlich kein großes Trampolin im Garten mehr haben, welches wir bei herananrauschendem Orkan neu vertäuen und mit ekelhaft nasskalten Kompost- oder Erdsäcken beschweren müssten.

Nein, wir können hier liegenbleiben. Und wir machen das auch. Es kann nicht einmal jemand klingeln bei uns, denn auch das geht nicht ohne Strom. Wie aber kommen wir in nächster Zeit zu mehr langen Stromausfällen? Dieser hier kam mir jedenfalls außerordentlich nützlich, angenehm und erholsam vor.

Am Nachmittag dann doch kurz zum Einkaufen, und wenn der Eindruck nicht sehr täuscht, liegt die Krankheitsquote im Stadtteil nun bei etwa 75%. Kollektive Hinfälligkeit, jeder Gang im Supermarkt ein Krankenhausflur. Ich denke nicht, dass ich das schon jemals in dieser Ausprägung erlebt habe.

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Im Bild die Kunsthalle um die Ecke, jetzt mit der großen Ausstellung zu Caspar David Friedrich. Das auch mal einplanen. Auf das stählerne Kunstding im Vordergrund mussten die Söhne früher bei den Spaziergängen dort vorbei unbedingt klettern, bei jedem Wetter. Heute sagt immer jemand von uns, wenn wir es passieren: „Weißt du noch …“ und erinnert dann an diese langwierige Kletterei. Es ist eines unserer Familienmerkzeichen im Stadtteil.

Blick auf die Kunsthalle (alter Teil)

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Tuesday afternoon

Die Herzdame hatte Geburtstag, ich überreichte am Morgen etliche Rosen. Die Rosensorte hieß Moody Blues, ich wies beiläufig auf die Band hin, drei zu junge Familienmitglieder sahen mich leer an – und dann darf man ja keine spontanen Vorträge halten, weil man nicht noch sonderlicher als ohnehin schon wirken möchte. Es ist manchmal nicht einfach.

Es gibt da sogar ein Lied zur Tageszeit, fällt mir ein, es passt gerade:


Tuesday afternoonI’m just beginning to seeNow I’m on my wayIt doesn’t matter to meChasing the clouds away.

Na ja. Das entspricht textlich nicht exakt der Situation hier, aber egal.

Die Söhne gingen dann zur Schule, die Herzdame und ich waren mittags in einem Restaurant. Die Bedienung dort sprach kein perfektes Deutsch, sie fragte nach dem Essen in liebenswertester Weise bemüht: „Haben Sie gut geschmeckt?“ Diese Frage haben wir sehr gemocht, mehr noch als das Essen.

Am Montagnachmittag habe ich dann drei Stunden still auf dem Sofa gelegen und Bach gehört. Die letzten Wochen waren mir nennendwert zu anstrengend, in meinem Hirn fand die dringend notwendige Resteverwertung von angerissenen Gedankenschnipseln, halbgaren Ideen, allerlei unausgegorenen Einfällen und halbdeutlichen To-Dos der Zukunft statt. Ich ließ das alles brodeln und abspulen und gab mich möglichst unbeteiligt, wie so ein ausgebuffter Meditationsprofi.

Das hat zwar etwas geholfen, gegen alles sozusagen, aber es kommt mir doch deutlich so vor, als müsste ich das etwa ein Quartal lang täglich wiederholen, wenn es sich nachhaltig positiv auswirken sollte. Und wer hätte die Zeit dazu.

Weitersuchen also, nach Möglichkeiten und Auswegen, immer weitersuchen.

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Den letzten Kolumnen-Text des Jahres abgeschickt. Und in dem Moment, in dem ich am frühen Dienstagmorgen auf „Send“ klickte, gingen auf der Straße vor dem Haus die ersten Silvesterdinger hoch, die zu dieser Jahreszeit immer irgendwer verfrüht aus dem Keller kramt oder schon neu Gott weiß woher neu bekommen hat. Pyrotechnologia praecox.

Der nächste Text für die Zeitung erscheint dann schon in diesem, Moment … 2024, ja, so wird es heißen. Na, auf die geraden und attraktiven Zahlen ist auch kein rechter Verlass mehr, wie wir alle spätestens seit 2020 wissen. Davon lassen wir uns nicht mehr blenden.

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Im Bild die Skulpturen „Mann und Frau“ von Stephan Balkenhol. Sie stehen vor der Zentralbücherei und blicken am Hauptbahnhof vorbei unentwegt auf die Innenstadt, und vorbildlich stoisch ertragen sie ihre Rolle als Selfie-Hintergrund für Büchereibenutzerinnen und Touristenschwärme.

Die großen Skulpturen "Mann und Frau" vor der Zentralbücherei

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Währenddessen in den Blogs

Bei Frau Novemberregen gibt es eine originelle Sichtweise zu Back-Ups.

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Die logische Verbindung zwischen der Schlagersängerin Nicole und Homer Simpson.

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Die Glasmetalltanne von Bordeaux

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Jochen schreibt eine Reihe über die WG, die es noch gar nicht gibt. Es erinnert ein wenig an die Zeiten, als es noch serielle Formate in Blogs gab, die Älteren erinnern sich vielleicht. Meine Güte, sind wir gut abgehangen, denke ich in solchen Momenten wieder, und ich denke es recht vergnügt und gleich unten noch weiter.

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Noch eine Anmerkung zur neu sortierten Lage in den sozialen Medien.

Wenn man Threads, Bluesky und Mastodon jetzt in drei Browserfenstern öffnet, wenn sich die Timelines also auf dem Bildschirm aufblättern und entwickeln, sitzt man vor einem Triptychon der sensationell schlechten Laune. Zynismus, boshafter Spott, bierernste Belehrungen und wüste Weltuntergangsvorhersagen aller Art und Dringlichkeit. Ich bin sicher nicht anders oder gar besser, ich werde da selbstverständlich auch gespiegelt und mache immer noch mit, und ich teile auch etliche der eher finsteren Annahmen über die nähere Zukunft. Ich sehe aber auch, dass es uns nicht weiterhilft, dass es uns eher weiter runterzieht.

Es dient weder der Laune noch irgendeiner guten Sache dort, es fehlt in aller Regel der Bogen zum Konstruktiven, er ist meist nicht einmal zu erahnen.

Schwierig, schwierig. Vielleicht ist es nur noch ein eher schrulliges Hobby für ergraute Twitter-Nostalgiker und Online-Veteranenvereine, die Timelines lesen sich zumindest im Moment sehr so.

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Seitlich aus dem Jahr kippen

Es ist vielleicht nur ein Zufall, aber ich habe am Freitag, nach einem zu langen Arbeitstag, einen seltsam überzeugenden Dreiklang in meinen immer mehr zerfransenden Timelines. Da schreibt eine, sie sei urlaubsreif wie nie, eine andere postet kurz darauf, sie sei müde wie nie und dann kommt noch, etwas weiter unten, jemand mit der Formulierung „durch wie nie“, alles innerhalb von etwa zehn Minuten. Am Ende ist es auch wieder ein mehrheitsfähiger Zustand, man möchte nun allgemein am liebsten seitlich aus dem Jahr kippen. Und erst einmal eine Weile ruhig liegenbleiben.

In meinem Umfeld viel Krankheit, sehr viele Infektionen, viel Stress und arg wenig Weihnachtsstimmung, und es fällt doch auf, wie wenig irgendeine Vorfreude erwähnt wird. Nicht auf das Fest, nicht auf irgendeine Art von Besinnlichkeit und bisher in keinem einzigen Fall auf das nächste Jahr. Das spiegelt sich auch in Umfragedaten, sehe ich, die Gesellschaften, nicht nur die in diesem Land, sind eher skeptisch, vorsichtig, misstrauisch, eine hoffnungsvolle Haltung geht anders. Und ich sehe nicht, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird, man wird zu einem fundamentalen seelischen „Dennoch“ finden müssen.

Eine kleine Szene aus den Tagen davor noch. Da saß ich zwischendurch am Schreibtisch und zweifelte wieder einmal erheblich sowohl an meinem eigenen als auch am Verstand aller anderen, so viel misslingende Kommunikation fiel da gerade an, so viele logische Brüche fielen mir auf. Ich stand irgendwann mit dem Standardgedanken „Alle bekloppt“ auf und ging kurz zum Fenster, denn manchmal hilft es noch, hinauszusehen und zu atmen. Unten ging gerade jemand die Straße entlang, der kräftig gegen jede Autotür trat, an der er vorbeikam. Gründlich machte er das, mit Schwung. Er brüllte dabei nicht herum, er gestikulierte nicht, er war nur ernsthaft mit zügigem Gehen und Treten beschäftigt. Passanten riefen schon die Polizei, sah und hörte ich, was ihn allerdings nicht störte, er war viel zu beschäftigt.

Mit anderen Worten, es hilft nicht immer, einen Moment aus dem Fenster zu sehen und bloß durchzuatmen. Man muss sich manchmal etwas anderes suchen, das noch hilft, aber einfach ist das nicht immer. Denn am Ende werden wir gerade tatsächlich alle bekloppt und man steht allzu lange und auch zu tief grübelnd vor der Frage: Würde man es eigentlich merken wollen?

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Im Tagesbild immerhin noch einmal ein Beleg für die Nützlichkeit des Hafens in dieser Stadt – die Farben der Schiffe leuchten auch an den durchgehend grauen Tagen noch. „Sei wie ein Schiffslack“, das mal irgendwo ins Poesiealbum schreiben. Vielleicht vorher noch irgendwas drumherum reimen.

Blick auf de Rickmer Rickmer und die Cap San Diego, die Schutzlacke leuchten rot und grün an einem sehr grauen Tag

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Währenddessen in den Blogs

Zur Inflation, ein Erfahrungsbericht, bei dem wir sicher alle etwas Text anlegen könnten.

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Nils Minkmar: „Es liegt im Interesse der Feinde der offenen Gesellschaft, ihr Ende vorherzusagen. Aber nicht in unserem.“

Das könnte man doch einmal für einen wichtigen Satz halten.

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Christian zum Thema der Saison, mit Verweis auf den Artikel im Manager-Magazin, den schon alle überall verlinkt haben, der aber auch tatsächlich lesenswert ist.

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Die Kaltmamsell bespricht ausführlich Grete Weils „Weg zur Grenze“

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