Umfassende Ordnungsbestrebungen

Die Herzdame erweitert ihre mittlerweile umfassenden Ordnungsbestrebungen von der Ablage und den unseligen Papierstapeln auf die Medikamente und dann auch noch auf weiteres Zeug, vermutlich auch auf die vollgekramten Schränke allgemein, und ich werde, um da überhaupt noch mithalten zu können, mich demnächst dem Kühlschrank zuwenden. Der verdient ohnehin wieder eine genauere Betrachtung, gar keine Frage, es ist Zeit. Entschlossen die Kühlschranktür öffnen mit dem Marienhoflied auf den Lippen: Es wird viel passieren. Und dann kann sich die abgelaufene Fischsauce ganz hinten aber, haha, warm anziehen.

Dann noch die Küchenschränke, so geht es mit dem Aufräumtrieb durch die ersten Monate, so ziehen wir sortierend durch das Haushaltsrevier. Ab März gibt es sicher im Garten etwas zu tun, dann haben wir für so etwas ohnehin keine Zeit mehr, und März ist gleich. Bis dahin muss das Nest in Ordnung sein und bis zum Herbst auch so bleiben. Ja, mach nur einen Plan.

Im Bildungsteil des Tages höre ich äußerst passend zu unseren Bemühungen eine Sendung über den Natursortierer Carl von Linné: Ordnung in die Natur! (25 Minuten) Er hat, und es ist so eine niedliche Form, überbordende Aggressionen auszuleben, besonders unscheinbare Pflanzen nach seinen Kritikern benannt.

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Gelesen: Drei Erzählungen von Alfred Andersch, erschienen unter dem Titel „Ein Liebhaber des Halbschattens“, was auch ein schöner Titel ist. Und worinnen besonders die erste und titelgebende Geschichte eine sehr gute und empfehlenswerte ist. Ein hervorragendes Zugfahrbuch für die Mittelstrecke wäre es wohl, besonders durch Mecklenburg und Brandenburg. Allerdings reicht es, wenn ich es recht bedenke, vermutlich nicht einmal für Hamburg-Berlin, es ist doch schmal.

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Noch einmal ein kurzes Zwischen-Update zu den sozialen Medien, ich mache das alle paar Wochen oder Monate. Die Lage ist seit dem letzten Text dazu praktisch unverändert für mich. Mastodon als Stammkneipe und Wohnzimmerverlängerung. Bluesky als Etablissement nebenan, auch ganz okay, aber eben neuer und dadurch nicht ganz so heimelig. Threads dagegen als deutlich abgelegene Filiale einer bekannten Gastro-Kette. Da kann man zur Not auch einmal hingehen, macht es aber eher nicht. Facebook als Laden, in dem man Jahre nicht wahr und im Vorbeigehen immer denkt: „Ach was, die gibt es noch!?“ LinkedIn als unterkühlte Bar im Business-Class-Dienstreisehotel, mit den üblichen schwadronierenden Vertretern am Nebentisch, und wenn man da landet, dann ist eh schon alles falsch gelaufen.

Mehr Accounts für Kurztexte habe ich gerade nicht, glaube ich, aber es kann auch gut sein, dass ich etwas übersehe. Wir leben in verwirrenden Zeiten.

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Im Tagesbild noch ein entsprechender Hinweis.

Ein Schriftzug (Edding) auf einem Stromkasten an der S-Bahnstation Holstenstraße: "Die Welt ist ein Irrenhaus!"

 

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Nach einem Spaten greifen und dann

Sowohl bei der Kaschnitz als auch bei Andersch wird der Schock noch Choc geschrieben, damals in den letzten Sechzigern, während wir heute bei dieser Silbe nur noch an Schokoladenzusätze in irgendwas denken. Faszinierend.

In den Tagebüchern der Kaschnitz ansonsten eine unfassbare kulturelle Dichte mit schneller Folge von Theater, Oper, Konzert, Vernissage, Lesung, Museum, Kirchenbesichtigung etc. in einer Frequenz, die einen in unseren terminreduzierten postpandemischen Zeiten doch etwas atemlos zurücklässt. Meine Güte, war das anders.

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Die Kaltmamsell im unteren Teil des Textes mit Mutmaßungen über Autobesitz, auch interessante Kommentare dazu.

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Ich fahre, nachdem der vorerst letzte Sturm der Januar-Reihe eilig weitergezogen ist, kurz in den Garten. Hohe Bäume in der Kolonie und starker Wind in der letzten Woche, es ist eine riskante Kombination, da kann da immerhin dies und das passieren, man muss doch einmal nachsehen. Die Luft ist weiterhin frühlingshaft in der Stadt und nach den durchjagenden Tiefdruckgebieten wirkt alles gut durchgelüftet und angenehm aufgefrischt. Zum ersten Mal in diesem Jahr kommen mir Menschen entgegen, die nur Pullover tragen, keine dicken Outdoorjacken mehr. Und es sitzen auch wieder Menschen in den offiziell noch abgebauten Außengastrobereichen, nur improvisiert bestuhlt und vor fest umklammerten Heißgetränken, aber immerhin. Es geht los, es werden Gesichter und dunkle Brillen in die Sonne gehalten.

Es sind auch wieder ansatzweise Gerüche in der Luft und überhaupt hat alles auf einmal eine seltsam andere Anmutung. Die Gärten auf der Insel sehen fast so aus, als könnte man schon wieder etwas tun, etwas arbeiten, etwas richten, als könnte man nach einem Spaten greifen und dann …. oder doch bald.

Ich sammele Unmengen von Reisig vom Rasen, die dünnen und dürren Zweige der Birke, auch die verschnörkelten Zweige der korkenzieherartigen Weide, die der Wind in tagelanger Arbeit aussortiert und so überaus großzügig verteilt hat. Immer denke ich dabei an Märchen, wenn ich Reisig sammele, denn so etwas kommt da oft vor. Menschen geraten beim Reisigsammeln gerne immer tiefer in den Wald oder anderweitig fatal vom Weg ab, werden dann von zauberischen Wesen angesprochen und finden sich nur zwei Sätze später schon in die absonderlichsten Geschichten verstrickt. Auf unserer Parzelle allerdings kann ich kaum vom Weg abkommen und ob die mich beobachtende Kohlmeise in der Felsenbirne neben mir ein zauberisches Wesen ist, na, ich weiß nicht recht. Die Blaumeise sieht mich an, während ich das denke, lacht laut auf und fliegt weg.

Vorne im Gemüsebeet noch die beiden Kohlrabiknollen, die im Herbst stehengeblieben sind. Etwas unheimlich sehen sie nun aus, nachdem sie den Winter im Freien verbracht haben. Schrundige Schädelgeschwulste, bleich mit dunkelschorfigen Stellen. Wie etwas aus dem Anatomieatlas, das man sich nicht allzu gerne länger ansehen will. Diesen zwei Köpfen möchte man auch lieber nicht bei Vollmond begegnen, schon gar nicht beim Reisigsammeln, deswegen mache ich das tagsüber.

Vor der Laube aber sehe ich die ersten maigrünen Frühblüherspitzen, immerhin schon zwei, drei Zentimeter aus der Erde guckend. Aus dem Raum Köln werden währenddessen bereits blühende Krokusse gemeldet, sehe ich bei Wibke Ladwig. So weit sind wir hier noch lange nicht, unser Garten ist stets windkalt und etwas hinterher. Aber die Knospen der Kornelkirsche, sie sehen programmgemäß und wie immer im Januar schon nach viel weiter fortgeschrittenem Jahr aus, die Magnolie wird das sicher in Kürze nachmachen. Ich sehe eben nach: Check, alles in Vorbereitung, der Februar wird der März sein, alles ändert sich.

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Auch in der Bücherei gewesen, noch mehr Kaschnitz und auch Andersch geholt.

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Im Bild frischgrünes Moos auf einem Brückengeländer in Hamburg-Hamm.

Frischgrünes Moos auf einem Brückengeländer in Hamburg-Hamm

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Am Ende gibt es Rührei

In der aktuellen Ausgabe der Lage der Nation empfehle ich besonders den hervorragend informativen Teil über Parteiverbote. Auf diese Art aufgebarbeitet wünsche ich mir das, und fand es in Zeitungen und anderen Medien eher nicht. Vor allem fand ich dort das doch einigermaßen naheliegende Argument nicht, dass eine Repräsentationslücke für Extremisten gewollt sei. Man möchte ein Ausrufezeichen an den Rand malen, aber wie geht das bei einem Podcast. Die in anderen Medien oft gesehene Schlichtlogik, dass man eine Partei doch nicht verbieten könne, wenn sie Wählerinnen habe, sie ist eben aus demokratischer Perspektive entschieden zu simpel gedacht.

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Außerdem zum Holocaust-Gedenktag gehört: Diese Folge von „Alles Geschichte“ über und mit Anita Lasker-Wallfisch.

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Und wo ich schon beim Thema bin, es gab wieder eine Demo in Hamburg. Und wie immer bedenkend, dass ich nur von einer winzigen Stichprobe der Wirklichkeit ausgehe, möchte ich doch aus einigen Gesprächen der letzten Tage beim Friseur, im Supermarkt und anderswo ableiten, dass die Bewegung dahinter tatsächlich so umfassend und bunt ist, wie sie auf den Bildern im Fernsehen etc. aussieht. Man trifft hier Demoverabredungen mit einer Beiläufigkeit, als ginge man gemeinsam auf Weihnachtsmärkte, teils mit einem lapidaren und in Anbetracht der Fülle eher illusorischen „Man sieht sich.“

Schon schön, finde ich jedenfalls, und es wurden dann auf diese Art auch zwischen 60.000 und 100.000 Leuten, die da noch einmal zusammenkamen.

Die Demo war im Vergleich zur letzten besser oder sogar hervorragend organisiert, man merkte FFF die Routine an und es war der Sache dienlich, wie man kaum übersehen konnte. Es lief alles ganz hervorragend, eine Musterdemo geradezu, soweit ich es mitbekam. Aber man bleibt natürlich auch da auf einen kleinen Ausschnitt angewiesen.

Nachdem die Reden durch waren, wurde auf eine Playlist geschaltet, es lief dort die Bohemian Rhapsody von Queen, die schneller werdende Stelle mit „Oh mamma mia, mamma mia“, Darauf reagierten nicht wenige einigermaßen ekstatisch und in recht ähnlicher und ausdrucksstarker Weise, Sie kennen diese Muster vermutlich. Aber einige kleine Kinder kannten sie noch nicht und starrten etwas entgeistert auf die plötzlich so verhaltensauffälligen Erwachsenen um sie herum. Man muss eben auch solche Riten erst mühsam weitergeben. Galileo!

Ich stand ansonsten fast eine Stunde lang neben einem Menschen, der auf einen Pizzkarton geschrieben hatte: „Ich glaube fest daran, dass uns Pizza retten kann!“ Diese Botschaft ist politisch vielleicht noch ausbaufähig, aber ich bekam dermaßen Hunger dabei, dass es doch etwas anstrengend war. Allerdings hatte ich in weiser Voraussicht diesmal schon vor der Demo gekocht, eine Maßnahme, die ich für Winterdemos mit einiger Dringlichkeit empfehlen kann. Es ist doch erstaunlich, wie dankbar man sich selbst für so etwas sein kann, wenn man dezent angefrostet nach Hause geht.

Und eine Kleinigkeit noch, zur Illustration des Umstandes, dass es eine norddeutsche Demo war. Eine junge Frau, die von anderen in der Menge gefunden werden wollte und diese Suchenden per Handy dirigierte, rief immer wieder – man musste alles wiederholen, es gab kaum Empfang – „Backbord! Ich stehe mehr backbord!“

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Bei Alfred Andersch, ich bleibe gewissermaßen noch im Kontext, biege aber gleich unerwartet ab, sehe ich die Formulierung „Sie stocherte in der Omelette herum“ (Sansibar oder der letzte Grund). Da habe ich dann kurz im Lesefluss angehalten, denn ich wusste nicht, dass manche dieses Gericht in der weiblichen Form benennen, ich kannte nur das Neutrum, das Omelette. Ich lese das also selbstverständlich nach. In Teilen von Österreich und in der Schweiz macht man das so. Der Herr Andersch kam aus Bayern, vielleicht mischt es sich da. Wobei das Wort Omelette in Österreich hinten, in der Schweiz aber vorne betont wird und im Singular in Österreich auch noch ein zusätzliches -n am Ende mit sich tragen kann, da gibt es dann also eine Omeletten. Meiner Rechtschreibkorrektur in Word passt das ünerhaupt nicht und wenn man es alles en detail nachliest, ist es etwas verwirrend. Am Ende macht man sich doch lieber Rührei, das ist sprachlich simpler und schmeckt auch.

Plötzlich schon wieder Hunger.

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Outdoormäuse und Ahorn-Exoten

Ich habe mehrere Podcasts über Naturthemen und Tiere gehört, über Mikroplastik an den Polen und derlei Unschönes und auch über Mäuse und Eichhörnchen etwa. Dieses Hören von Sendungen über Tiere würde deutlich mehr Spaß machen, wenn es nicht dauernd ums Verdrängen oder gar ums Aussterben gehen würde. Sogar der Hausmaus lassen wir in unseren Städten kaum noch Lebensraum, abgesehen von den U-Bahnschächten. In der Sendung ging es u.a. um die U-Bahn in München, hier in Hamburg sieht man die Mäuse auch. Aber welche Art das genau ist, da wäre ich mir selbstverständlich nicht sicher. Man sieht sie meist nur kurz aus dem Augenwinkel, die Untergrundmäuse, ein schnelles, schattiges Huschen im Bildhintergrund, im Tunnel verschwindend. Und wenn man sich oft in U-Bahn-Stationen herumtreibt, dann weiß man auch, dass es oft Kinder sind, welche die Mäuse zuerst sehen, kleine Kinder mit sehr weit gestellter Aufmerksamkeit, mit ungeheuer offener Weltbetrachtung. „Papa, guck mal, guck mal!“ Ein wildes Reißen am Ärmel. Und dann guckt der, und da ist längst nichts mehr.

Die Eichhörnchen werden von den Grauhörnchen verdrängt, demnächst, man kann es schon absehen, siehe England, wo es bereits so weit ist. Es ist alles eher frustrierend und läuft tatsächlich auf eine Frage hinaus, die vielleicht zu verneinen ist. Die Frage nämlich, ob man Natur überhaupt noch wahrnehmen und gründlich beachten kann, ohne ernsthaft frustriert zu werden. Und ob damit nicht alle Empfehlungen zur Erholung in der Natur längst überholt sind, jedenfalls wenn man die Erholung nicht zureichend mit der Verdrängung störender Gedanken kombinieren kann, was auch wieder nicht allen gegeben ist, oder doch zumindest nicht dauerhaft.

Es ist kompliziert, nicht wahr, es ist sehr kompliziert.

Zufällig kommt gerade noch ein Text über rote Listen rein, sehen Sie mal hier, über diese Art mit den nur fünf Bäumen in Deutschland, aber eben nicht noch, sondern bisher, auch ein interessanter Aspekt.

Und beim weiteren assoziativen Herumklicken sehe ich dann noch eher zufällig, dass die Hausmaus eine Unterart für den Freundeskreis Nordsee hat, Mus domesticus helgolandicus, die es nur auf der Insel gibt und die, trotz des „domesticus“ im Namen, eine kernige Outdoormaus im herausfordernden Nordseeklima ist. Das wusste ich nicht, dass es die da gibt.

Beim nächsten Besuch dort besser auch auf die ganz Kleinen achten.

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Alles geben die Götter

In diesem WDR-Zeitzeichen zu Somerset-Maugham (15 Minuten) kommt seine Stimme vor, das finde ich immer interessant, er zitiert Goethes „Alles geben die Götter.“ Wobei auch der Lebenslauf dieses Autors abgefahren genug ist, um ihn sich noch einmal erzählen zu lassen, gar keine Frage.

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Bei der Kaltmamsell ein wunderbarer Lifehack, den ich durch und durch nachvollziehbar finde: „Hin und wieder gestehe ich ja mein schlechtes Gewissen, dass ich von Finanzplanung und Investitionen so gar keine Ahnung habe, nicht mal Interesse dafür aufbringe. Doch derzeit denke ich dann an all die Finanz-Superchecker*innen, die meisten sogar von Berufs wegen, die das mit Signa/Benko verkackt haben. Und dann geht’s wieder.

Von einem der Konferenzräume im Bürohaus in Hammerbrook aus können wir den unfertigen Elbtower sehen, eine prächtige Benkoruine, von der Presse hier manchmal „der kurze Olaf“ genannt, nach dem vormaligen Bürgermeister, der da mitzuständig fürs Anschieben war. Wobei die Presse diese Bezeichnung „den Hamburgern“ zuschiebt, das aber halte ich für Unsinn. Es fehlt jedenfalls allgemein an Glauben, dass es mit diesem Gebäude demnächst weitergehen wird, niemand würde gerade auf die fehlenden Etagen wetten, und es fehlen noch ziemlich viele Etagen.

Aber egal, wir haben hier gerne Geduld mit riesigen Vorzeigegebäuden, die etwas länger brauchen, wir haben da auch einige Erfahrungen. Wobei mir einfällt, dass die Herzdame und ich vermutlich mittlerweile die letzten Einwohnerinnen dieser Stadt sind, die noch nicht in der Elbphilharmonie waren, denn wir kommen wirklich zu nichts, q.e.d.

Zur privaten Finanzplanung kann ich by the way die Verbraucherzentralen empfehlen, die das zwar nicht kostenlos, aber entgegenkommend und eben nicht provisionsorientiert machen, sehr bodenständig. Ich fand das gut und anwendbar, wir waren in dieser Woche zufällig gerade dort.

Und während andere noch über Planungen nachdenken und vielleicht immer noch Papiere sortieren, hat Frau Novemberregen schon alles gemacht, alles.

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Ansonsten besinnliches Home-Office. Pardon, wollte sagen: Harte, lange Arbeit.

Nach dem Tagwerk raus. Es ist seltsam warm, der Sturm ist durchgezogen und randaliert nun anderswo weiter, der nächste macht sich aber über der Nordsee schon bereit, er ist gerade bei ersten Dehnübungen.

Es ist zwischen den Stürmen ein lichter Fake-Frühling in der Luft, die Stadt weitet sich heute etwas, die Vögel zwitschern in anderer Tonlage und man möchte stehenbleiben und etwas mehr atmen als sonst, aber wenn man das im Smalltalk erwähnt, dann sagen alle mahnend: „Das bleibt aber nicht so!“

Und sie sagen es so, als es eine heilige Pflicht, das zu sagen, schnell und eifrig sagen sie es.

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Oh, I wish that I could find a good book to live in
Oh, I wish that I could find a good book
Well, if I could find a real good book
I’d never have to come out and look at
What they’ve done to my song.“

Es starb Melanie Safka, ich denke wieder an das Plattenregal meiner Mutter. Melanie wurde häufig aufgelegt, die eine Platte, die es von ihr gab.

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Fahrplanmäßig durch die Viertel

Der Sturm heult und grollt am Mittwochnachmittag ums Haus, man müsste eigentlich frei haben und alte Schauerromane lesen, bei diesem Wetter. Regen prasselt an die Balkontür und irgendetwas zerklirrt unten auf der Straße, ein Blumentopf oder so etwas. Jedenfalls aber flog es nicht von unserem Balkon, da ist selbstverständlich alles gut gesichert, so viel Spießigkeit muss schon sein. Es wirbelt auch Zeug vor dem Fenster vorbei, sehe ich, sogar hier oben unterm Dach, Plastikfetzen, Papier und Pappe, was die unaufgeräumte Stadt alles so hergibt. Gestern erst haben sie mit Laubpüstern die Blätterberge unten auf dem Spielplatz verschoben, warum auch immer sie das im Januar machen, da werden die heute schon wieder vom Wind neu durchsortiert, diese Laubhaufen, und wie gründlich. Tand, Tand ist das Laubblasen von Menschenhand.

Ich schlage die Kaschnitz auf, ich lese: „Der Sturm schüttelt die Bäume, reißt ihnen Äste ab und schleudert die Äste auf den Gehsteig, kommt vom Atlantik, ist aber noch unverbraucht rüstig, durchaus imstande, Mauern einzustürzen, Kraftwagen von der Straße zu fegen.“ (Aus Tage, Tage, Jahre – Aufzeichnungen)

Die U-Bahnen fahren heute sicherheitshalber deutlich langsamer als sonst, die Autos stauen sich wie immer, die S-Bahnen fahren gar nicht mehr oder nur selten. Die Stadt wird ausgebremst und im Speckgürtel fallen die Zäune und Bäume um. Das macht mir alles nichts aus, ich gehe zu Fuß, ich gehe kühn gegen den Wind, ich werde nass. Na und! Trutz!

Wie ein stoischer Landmensch mit Hund auf den pflichtgemäßen Gassirunden um die immer gleichen Äcker, so schnüre ich hier fahrplanmäßig durch die Viertel und erledige Dinge.

Ich gehe zum Discounter. Es gibt nicht, was ich kochen will. Klaffende Lücken im Regal. Wo das Suppengrün lag, da blieb nur noch ein Möhrchen übrig, und das sieht nicht mehr gut aus. Ich koche etwas anderes, denke ich mir, ich kann mehr als ein Rezept, ich bin ein gestandener Hausmann. Aber das, was ich dafür brauche, das gibt es dann auch nicht, und so auch bei meiner dritten Idee. Liegt es am Bahnstreik, streikt noch irgendeine andere Branche, liegt es am Wetter oder an sonst etwas, ich weiß es nicht. Dieser Laden hat jedenfalls nichts, hilft nicht und löst heute keines meiner Probleme.

Ich aber habe ein volles Tiefkühlfach zuhause. Ich lebe im Widerstand gegen die Gemeinheiten des Alltags und komme irgendwie durch. Ich gehe nach Hause und mache alles dennoch, die Frisur sitzt. Ich lebe mit Gegenwind, das gehört hier so.

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In exponierter Lage

Die ganze Woche ist schon wieder zu voll, zu terminreich, zu überladen und ich gucke mir jeden Punkt, der zu erledigen ist, noch einmal an, ob er nicht doch vermeidbar gewesen wäre, aber das ist nicht der Fall. Es gibt Wochen, die sind einfach so, und ich hätte dann gerne einmal wieder eine von den anderen, die es angeblich auch geben soll.

Und auch wieder die amtlichen Sturmwarnungen am Morgen, alles findet hier in endlosen Schleifen statt. In exponierten Lagen soll es heute bis Beaufort 10 geben. Wenn ich vom Sofa aufstehe und ein paar Schritte weiter auf den Balkon gehe, bin ich schon in exponierter Lage, ich muss nur eine Tür aufmachen. Ich habe gestern in einem Podcast gehört, dass wir erst seit sechzig Generationen in Gebäuden leben, davor waren wir alle noch dauernd in exponierter Lage. Man müsste aber ziemlich oft Ururur … vor Oma oder Opa wiederholen, um jener Menschen zu gedenken, die diesen Zustand beendet haben. Dennoch ein Dank in die diffuse Vergangenheit, das habt ihr gut gemacht, das mit den Gebäuden, ich bin ganz gerne drinnen.

Ich lese die Nachrichten nach, jemand redet wieder von irgendwas, das sich irgendwer, die Mittelschicht vermutlich, mit harter Arbeit verdient habe, immer wird das betont, diese harte Arbeit. Wenn ich eine Kolumne schreibe, was ich gleich zu tun haben werde, wie mache ich das denn hart? Ich will doch hinterher auch etwas verdient haben. Harte Arbeit ist nicht seelisch gemeint, nehme ich stark an, harte Arbeit klingt für mich eindeutig körperlich. Seelisch kann man kinderleicht jedes alberne To-Do, jede Tätigkeit hart finden, das wäre wohl zu einfach. Nein, das ist sicher nicht hart genug. Harte Arbeit muss wehtun, muss Gelenke und Muskeln und Schwielen und Blasen betreffen, Blohm & Voss, Bergbau, irgendwas mit Beton, dergleichen. Nach harter Arbeit darf man gar nichts anderes mehr machen können.

Das härteste Schreiben habe ich Anfang der Neunziger erlebt, als ein Kollege ein irrwitzig schweres Trumm vom Kugelkopfschreibmaschine hatte, auf der er einen unglaublich lauten Maschinengewehrsound hämmern konnte, den man im ganzen Bürohaus gehört hat, da gingen überall sofort die Türen zu, wenn der mit einem Brief anfing. Damals noch Einzelbüros, liebe Kinder, alle saßen wir in Einzelbüros und rauchten darin wie die Schlote, das war auch hart. Das kann ich aber nicht reproduzieren, diese bedrohliche Geräuschkulisse, ich würde hier ja alle wecken, bei meinen frühen Schreibzeiten.

Ich setze mich erst einmal unbequemer hin, auf einen harten Küchenstuhl. Ich will mitreden können bei diesem Arbeitsthema. Hinterher aufstehen und stöhnen, sich den schmerzenden Rücken halten, ach, die Arbeit, diese harte Arbeit, gottverdammt.

Man macht was mit.

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Lichtblicke und Abwechslung

Der Umgang mit der rechten Bedrohung ist auf Dauer auch nervtötend, versteht sich, man braucht hier und da einmal ein anderes Thema, einen Lichtblick vielleicht auch, wenn es sich denn überhaupt noch einrichten lässt, eine kleine Abwechslung. Die Herzdame und ich sortieren am Sonntag mehr oder weniger entspannt Papierkram, weil uns nichts Besseres einfällt und weil es auch sein muss, und wir stellen nebenbei noch einmal unsere regulären Renteneintrittsjahre fest: 33 bei mir, 45 bei ihr.

Nun ja. Man entkommt dem Thema Rechts manchmal, aber man schafft es doch nicht weit.

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Bei der fortgesetzten Kaschnitz-Lektüre habe ich einen dieser fantastischen Momente, in denen ein Stück früher Erinnerung plötzlich, ein Bild aus dem Nichts, freigelegt wird. Es ist nach wie vor das Beste am Altern, ich genieße das sehr. Im Text kommt eine Bücherei vor und ich sehe – und wie unfassbar deutlich! – das Kinderregal der Stadtteilbibliothek meiner Grundschulzeit. Für Sekunden nur, dann ist es schon wieder weg, aber wie präsent das in diesem Moment war. Es hat manchmal etwas von Trip, wenn es einen so zurückwirft, denn es ist eine umfassende Erinnerung, oder kann es zumindest sein, komplett mit Geruch, Haptik und geradezu körperlichem Stimmungsempfinden, in diesem Fall mit der Freude auf noch mehr Bücher. Es gab damals kaum eine andere Form der Unterhaltung, wir hatten ja nichts.

Solche Momente können selbstverständlich auch furchtbar sein, wie ich etwa von den belastenden oder verstörenden Kriegserinnerungen meiner Eltern weiß (Geburtsjahre 33 und 38, da haben wir es schon wieder), aber ich hatte bisher Glück und mindestens akzeptable oder sogar gute Backflashs.

Eine Art internes Entertainmentprogramm, und man braucht gar nichts dafür, überhaupt kein Equipment, nur ein paar zurückliegende Jahrzehnte, die von selbst anfallen. Stark.

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Am Nachmittag der Einkauf noch in der gewohnten Winterbekleidung. Es ist allerdings nennenswert zu warm dafür, wie mir zu spät auffällt, es ist Pulloverwetter, ich hätte mir vorm Discounter alles vom Leib reißen mögen. Aber Contenance, versteht sich.

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Abends noch weiter in der Kaschnitz, sie schreibt über Wählerstimmen für die radikalen Rechten. Es ist ein Text aus den Sechzigern des letzten Jahrhunderts, vermutlich aus meinem Geburtsjahr.

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Achten Sie auf herabfallende Gegenstände

Sieben Grad, Regen und aufbrausender Wind, das Wetter hält sich an den Plan und kippt erwartungsgemäß über Nacht aus dem winterlichen Szenario. In der Regenrinne vor den Dachfenstern kein Eis mehr, sondern Wellengang. Achten Sie auf herabfallende Gegenstände, heißt es in der frischen Sturmwarnung am Morgen, und ich sitze am Schreibtisch und verhalte mich anweisungsgemäß. Ich behalte das ganze Zeug hier um mich herum permanent im Auge.

Gestern am Abend noch weiter und gerne in der Kaschnitz gelesen. Ich finde da auch schöne Begriffe, die längst aus unserem Sprachraum verschwunden sind. So bezeichnet sie etwa Menschen, die während des Krieges in Frankfurt arbeiten, aber viel weiter draußen wohnen, als Fernschläfer, wie schön ist das denn. Pendler (männliche Form hier korrekt und historisch angebracht) ist im Prinzip auch nett und bildhaft, aber Fernschläfer – wunderbar. „Wohnen Sie hier in der Nähe? „Nein, ich bin Fernschläferin.“

Wäre ich etwas Anständiges, also z.B. irgendetwas mit Germanistik geworden, ich würde den sprachlichen Wandel in den Sechzigern/Siebzigern des letzten Jahrhunderts vermutlich überaus interessant finden, da die arrivierten Autorinnen in jener Zeit noch eindeutig und von Herzen einem Sprachgebrauch, Vokabular und Satzbau aus alter Zeit verbunden waren, die Moderne aber doch eindeutig vorkam, dafür also Wege gefunden werden mussten. Bei der Kaschnitz etwa auch eine Passage, aus der das Wort „Supermarkt“ merkwürdig herausragt, es gehört nicht recht in dieses Umfeld. Noch nicht.

Und, sehen Sie, jetzt brauche ich eigentlich wieder eine Woche Sonderurlaub, um diverse Themen in Ruhe nachlesen zu können. Schlimm.

Aber wie gesagt, Fernschläferinnen und Fernschläfer. Das vielleicht doch hier und da einmal anwenden. Diskussionen über die Fernschläferinnenpauschale führen. Toll, nicht wahr.

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Im Allgemeinbildungsspurt 24 gab es einen Vortrag über die Gründung des modernen Griechenlands – Die erträumte Nation. 22 Minuten, ich wäre bei dem Thema nicht durchgehend sattelfest gewesen, denn als die Griechen unter den Türken die Römer waren – Geschichte wird schnell kompliziert. Jetzt etwas gebessert.

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The ingredients in the Laugenstange

Ich lese, wie unlängst eingeplant, die Prosa der Kaschnitz, etwa die hervorragende Geschichte „Das dicke Kind“ oder ihre höchst seltsamen und empfehlenswerten Aufzeichnungen „Tage, Tage, Jahre“, in denen alle Texte eine typische Blogartikellänge haben. Eine gemächlich mäandernde Angelegenheit aus Rückblicken, Kriegserinnerungen, Assoziationen und etwas entrückten Gedankengespinsten ist das, gut geeignet für einen Sonntag mit nur mittelinteressantem Wetter und eher geringer To-Do-Dichte. Das Buch wird immer besser, je weiter man kommt, und nach einem Drittel bin ich geradezu begeistert. So ein schöner Fund,und ich glaube sogar, ich möchte es besitzen, nicht nur als Büchereiexemplar lesen. Bei mir quasi höchste Auszeichnung.

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Am Sonnabend beim Edeka sprachen um mich herum alle Englisch, heute beim Bäcker sprechen auch alle Englisch and they discuss the ingredients in the Laugenstange. Es geht verwirrend schnell, dass die Sprache um mich herum durchgetauscht wird. Ich dachte bisher, das sei nur in Berlin so umfassend, aber jetzt wird hier mit Dringlichkeit aufgeholt. Well.

„Anything else?“

„Yes, einen Cappuccino“, und da höre ich also drei Sprachen in einem Satz, wie weltoffen ist das denn. Na, wenigstens verstehen sich alle, zumindest ungefähr. Ich erlebe hier die meisten Menschen als recht bemüht, wenn es um derartige Dialoge geht, betont entgegenkommend und manchmal für Hamburger Verhältnisse geradezu gut gelaunt, wenn eine etwas schwierige Verständigung am Ende doch noch klappt.

Über die Jahre, die ich hier wohne, allerdings eine stark abnehmende Frequenz von Situationen, in denen ich von Menschen aus aller Welt radebrechend nach dem Weg gefragt werde. Von dauernd (vor zwanzig Jahren) bis zu etwa nur noch einmal im Jahr (heute), weil nun alle für die Navigation durch die Stadt auf ihr Handy sehen. Das vielleicht auch nennenswert verlässlicher ist als die windigen Einheimischen, mag sein.

Neulich eine Frau vor der Kirche, weit im Rentenalter, die auf ihrem xfach gefalteten Stadtplan mit Kugelschreiber emsig Markierungen machte und auch bereits Erläuterungen dazugeschrieben hatte, das sichtbare Stück der Karte war schon ausführlich annotiert, ein Netz von filigranen Anmerkungen über dem Netz der Straßen. So etwas stirbt aus.

Als ich damals nach Hamburg kam, da hing in meinem Zimmer auch ein Stadtplan an der Wand, und ich nahm als selbstverständlich an, das weiß ich noch, dass ich das ganze Wirrwarr der Viertel und Wege einmal, bald wohl, gut kennenlernen würde. Das ist nicht einmal annähernd eingetreten.

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Jochen schreibt über das Tänzchen von Distanz und Nähe. Wo wir schon dabei sind, Frau Novemberregen schreibt über Heiratsanträge.

Und hier noch ein Text über Selbstbedienungskassen und die dazugehörenden Kontrollprozesse, man beachte die Stelle mit den Croissants, da wird es interessant und auch schon wieder abgründig.

Im Bildungsfunk gab es schließlich eine Folge für den Freundeskreis Insel, Nordsee und Marschland, es ging um den Forschungsstand zu Rungholt: „Auf den Spuren histoorischer Schätzte im Watt.“ 27 Minuten, eine bündige Zusammenfassung ist das, ich fand sie gut und erhellend.

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