Vergleichsweise vergnüglich

Die Timelines bestehen nahezu ausschließlich aus Demobildern, auch aus kleinen Städten, auch aus ganz kleinen Städten, auch von einer Insel (Grüße nach Sylt), und auch aus den ostdeutschen Bundesländern. Es ist ein vergleichsweise vergnügliches Scrollen durch diese Fotos, es wird überall von großen Zahlen berichtet. Manchmal sind sie absolut groß, manchmal in Relation zur Größe der Stadt, und es ist beides gleich erfreulich.

Nils Minkmar schreibt auch über die Demos.

Ich beschließe ansonsten, einen Tag Pause zu haben und mache so gut wie nichts, abgesehen von Mittagsschlaf und Pellkartoffeln mit Kräuterquark. Ein schneidend kalter Wind treibt mich zwischendurch zum Einkauf und zurück, später auch noch kurz zur Bücherei, mehr findet nicht statt. Im Gegenwind fühlt es sich an wie bei minus zehn Grad, aber der Schnee schwindet währenddessen schon. Auf den Dächern liegt bereits keiner mehr, und die weiße Fläche auf dem Spielplatz wird mit jedem Kinderschritt etwas dunkler durchsetzt, gestapfte Spurmuster in wirren Linien. Am Bahnhof sehe ich noch Schnee zwischen den Schienen, in der Ferne ausdünnend. Das Eis in der Regenrinne vor den Dachfenstern taut und die nächste Woche wird seltsam warm werden.

Aus dem Hauptbahnhof in Richtung Berliner Tor herausführende Schienen, Schnee dazwischen

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Weil ich das Buch in der Schule nicht als Pflichtlektüre hatte, wie ansonsten wohl das halbe Land, lese ich „Sansibar oder der letzte Grund“ von Alfred Andersch wie ein normales Buch, vollkommen unbelastet von quälenden Deutschunterrichterinnerungen. Ich habe das Buch gerade bei mir im Regal gefunden, ich habe gar nicht gewusst, dass ich es besitze. Vermutlich irgendwann aus dem öffentlichen Bücherschrank mitgenommen. Es gehörte einmal, so sehe ich, einer Laura aus einer 10b, sie hat es vorne mit Kuli reingeschrieben, in kulleriger Handschrift.

In den Zeiten, in denen wir leben, ist es schon wieder interessant, wie der Herr Andersch seine verfolgten oder gefährdeten Hauptfiguren mit denen umgehen lässt, die er nur „die Anderen“ nennt. Eine Bezeichnung übrigens, die durchaus etwas hat, es sind auch die Anderen, gegen die wir demonstrieren.

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Ansonsten drei Podcasts im Bildungsprogramm gehört. Zum einen anderthalb gründliche Stunden über den Untergang der Batavia im Jahr 1629, diese Geschichte war mir vollkommen unbekannt. Achtung, die Episode enthält drastische Gewaltszenen und ist eher schwer verdaulich. Meine Güte, Menschen.

Dann eine Reportage (25 Min) über die europäische Kulturhauptstadt Tartu in Estland, und es verhält sich so wie mit der Batavia – mir gleichfalls vollkommen unbekannt, nicht einmal den Namen der Stadt habe ich jemals vorher gehört, fürchte ich. Aber was die da mit dem Küssen vorhaben, das finde ich gut. Reportagen sind auch so ein hervorragend hörbares Format, wie ausgesprochen nett, dass andere Menschen für einen irgendwo herumreisen und davon dann kundig erzählen. Finde ich gut.

Schließlich noch eine Doku, 49 Minuten, über Tafeln, Foodbanks und Suppenküchen, eine Bestandsaufnahme der Almosenwirtschaft, auch mit ausführlicher Kritik am System. Für mich besonders interessant, da ich eine Suppenküche vor der Haustür habe und die Entwicklung sehe, jede Woche wieder. Ich habe den regen Betrieb dort und die Zunahme an Kundschaft in den letzten Jahren live mitbekommen.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Bis zum nächsten Mal

Noch einmal nasstriefender Neuschnee auf den Fenstern am Morgen, aber es wird jetzt doch etwas langweilig. Der Winter kann meinetwegen weg, der wirkt mittlerweile uninspiriert, womit er allerdings zu mir passt, zugegeben.

Home-Office im Dämmerzustand jedenfalls, selbstverständlich nur auf die Tageslichtmenge im Raum bezogen. Zwischendurch ein Telefonat mit einem Menschen auf Helgoland. Ich war noch nie im Winter auf Helgoland, ich habe massive Neidprobleme. Außerdem arbeite ich den ganzen restlichen Vormittag an einigermaßen wirren Problemen und stelle mir vor, ich würde vom Helgoländer Oberland aus klarer sehen. So über die Nordsee weg und auf den Grund der Dinge. Dann mit Kolleginnen telefonieren und leichthin sagen: „Also von hier aus ist es einfach.“ Vielleicht doch mal Workation dort anpeilen.

Am Nachmittag die Demo. In den sozialen Medien sehe ich vorab mehrfach die Aufrufe, sich bloß lange Unterwäsche anzuziehen, die so fürsorglichen Timelines. Die Demo beginnt um 15.30, es ist schon ab 15:00 und schon ab kurz vor unserer Haustür voll auf dem Weg zum Jungfernstieg, die Leute strömen herbei. Eine stark überfüllte U-Bahn voller Menschen mit Pappschildern und Fahnen. Der Rückstau unten in der Station Jungfernstieg dann schon so, dass es für klaustrophobe Menschen sicher zur Umkehr gereicht hat. Oben dann die erstaunlichen Massen, die Sie mittlerweile vermutlich irgendwo auf Bildern gesehen haben.

In welcher Gesamtzahl auch immer die Menschen da erscheinen, es sind verdammt viele, wir sind alle da. Wir sind gefühlt vollzählig angetreten, von den längst ergrauten Demo-Veteraninnen bis zu den frisch aufgebrachten Schülerinnen.

Wir stehen vor dem Alsterhaus, und mehr können wir auch gar nicht machen. Man kommt nicht vor oder zurück, man kann keinen Schritt mehr gehen. Man versteht auch nichts, falls überhaupt irgendwo geredet wird, es wird uns gar nicht klar. Wir bekommen nichts mit, wir stehen da einfach nur gegen Rechts und es wird immer noch voller und voller. Nach einer Stunde wird es dann doch langsam arg kalt von unten und ich lobpreise mein früheres Ich, das in kompetenter Voraussicht zuhause in der Küche die Zutaten für die rettende Suppe schon bereitgelegt hat, das sinnigste Mise en place seit längerer Zeit.

„Einhörner gegen Rassismus“ steht auf einem Plakat nicht weit von uns, es ist eine betont inklusive Veranstaltung. Grüße auch an die geschätzten Strickerinnen gegen Rechts. Viele Gruppen sind qua Pappschild gegen Nazis, gegen Rassismus, gegen jene Partei, auch WeBü. Was aber ist WeBü? Weltbürger? Ich frage nach, es ist Wellingsbüttel. So kommt man auch einmal in Kontakt mit Menschen aus Vierteln, die man nur dem Hörensagen nach kennt.

Ich mache keine Fotos, ich bin zu klein, ich kann das Handy nicht über die Massen halten. Größere neben mir machen das aber und zeigen dann die Bilder herum – es sind immer noch mehr Menschen, als wir ohnehin schon denken, deutlich mehr.

Auf dem Rückweg merken wir es dann noch einmal, denn wir gehen über den Neuen Jungfernstieg und ganz um die Binnenalster herum zurück ins Bahnhofsviertel, und es ist dabei durchgehend und überall weiterhin voll, den ganzen Weg entlang. Menschen halten einfach weiter ihre Schilder hoch, die Demo ergießt sich bei der Auflösung in die Viertel.

Ich denke, es hat uns alles sehr gutgetan, und vielleicht ja auch der Sache. Aber die Verabschiedung „Bis zum nächsten Mal“ höre ich auch nicht nur einmal und sehe dann später am Computer, dass die Grundgesetz-Ultras aus anderen Städten den Nachmittag in Hamburg mit sportlichem Interesse zur Kenntnis nehmen, wir winken in Richtung München.

Im Bild noch eben das, was ich aus der Hüfte und mit sehr kalten Fingern auf dem Heimweg geschossen habe. Die immer noch auf dem Jungfernstieg stehende Menschenmenge muss man sich einfach dazudenken. Es war ein schöner Demoabend, wie man sieht, auch recht ansprechend beleuchtet.

Abendblick von der Kennedy-Brücke in Richtung Jungfernstieg

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Das Jahr kommt voran

Mir fehlt Schlaf, also friere ich, das gehört so zusammen. Ich klappere durch den Tag, ich zittere ins Büro und zurück und bin auf dem Heimweg in der S-Bahn schwer in Versuchung, kurz einzuschlafen, was aber strategisch unklug erscheint, wenn man nur eine Station zu fahren hat. Sich wachhalten und durchhalten, versteht sich, aber unterm Strich ist Schlafmangel doch kategorisch abzulehnen, wie man mit jedem Lebensjahr deutlicher merkt. Vermüdung und Zerschöpfung, aber das gibt sich wieder.

Der Wetterbericht verheißt uns für die nächste Woche zweistellige Temperaturen, woanders blühen die Mimosen, das Jahr kommt voran. Schade allerdings, dass es schon so viele braune Stellen hat, wir haben es doch gerade erst angebrochen.

Nachher in Hamburg dann die Demo am Jungfernstieg, man sieht sich am Nachmittag (etwa 15:30), nicht wahr, und kann dann nach erfüllter Bürgerinnenpflicht als Grundgesetz-Ultra, wie es der Herr Krumbiegel einmal so treffend genannt hat, ins Wochenende fallen.

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In meiner kleinen Podcastbelehrungsreihe hörte ich „Intuition – Gefühltes Wissen aus dem Unterbewusstsein.“ Da geht es um Gigerenzer und Kahnemann, das kannte ich im Prinzip alles schon, da ich die Herren vor Jahren gelesen habe, wie sie alle damals gelesen haben, aber eine Wiederholung schadet auch nicht, eh klar. Und der Herr Gigerenzer hat eine überaus angenehme Stimme, das wiederum wusste ich nicht. Der könnte mir gerne noch mehr erklären, in dieser Tonlage.

Außerdem hörte ich beim morgendlichen Aufräumen der Küche diese Folge über Arbeitszeitmodelle, Von der Stechuhr zum Coworking-Space. Beim Hören habe ich immerhin ein schönes Erfolgserlebnis, denn im Podcast kommt das Stinnes-Legien-Abkommen vor, und das ist ein Stück Allgemeinbildung, das ich zufällig parat habe. Ha! Ein Fall von quiztauglichem Wissen, mit dem man bei einer Frage in der Endrunde richtig zuschlagen könnte.

Ich bin nicht in Versuchung, jemals an einem Quiz teilzunehmen, aber ich habe doch diese Gewissheit, und das ist nicht nichts.

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Im Tagesbild wieder ein Fleet in Hammerbrook. Wie man sieht, gab es einen Moment Sonne.

Blick über ein Fleet in Hammerbrook, Bürohäuser an den Ufern

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Der Stand der Weisheit

„Wir machen alles Stück für Stück“, sage ich am Morgen zur Herzdame, weil es schon wieder hundert Dinge zu regeln gibt, und ich spreche das Wort Stück dabei aus wie Helmut Schmidt, um trotz der wachsenden Ratlosigkeit ob der Fülle der Aufgaben etwas staatsmännischer und getragener rüberzukommen „es sind eben nur sehr viele Stücke.“

Das ist hier so der Stand der Weisheit, mehr ist da im Moment auch nicht erreichbar. Und im Gegensatz zu meinem sprachlichen Vorbild bin ich nicht in der Lage, kurzerhand Hubschrauber der Bundeswehr zur Unterstützung in der Krise anzufordern. Sie wären mir im Moment allerdings auch nicht einmal besonders nützlich, fürchte ich, und merke zudem gerade, Angehörige meiner Generation könnten nach diesem Absatz dummerweise einen schweren Foyer-Des-Arts-Ohrwurm davontragen. Es tut mir ausgesprochen leid.

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Abends Teamevent im Brotberuf, ein Kochkurs in einem Restaurant. Ich werde bei dieser Gelegenheit wieder in meiner Wahrnehmung gestärkt, dass thermomixbesitzende Menschen noch mehr Sendungsbewusstsein als vegan lebende Menschen haben. So ein Gerät macht etwas mit den Leuten. Und mit den Lebensmitteln, wie diese jetzt prompt und unweigerlich hinzufügen würden.

Das Teamevent ist nett, bezogen auf die Tageszeit bzw. Abendzeit aber weit außerhalb meiner Komfortzone. Auf dem Rückweg lese ich zufällig das Wort Refugialraum, es kann das eigene Bett recht vornehm umschreiben.

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Gehört: Diese Podcastfolge über Marie Luise Kaschnitz. Ihre Werke also auch mal aus der Bücherei holen, da mal hineinsehen. Ich glaube, ich kenne so gut wie nichts von ihr, abgesehen von den bekanntesten Gedichten, alle Prosa der Kaschnitz ist mir dagegen unbekannt. Es sind Originaltöne enthalten, und ich fand den Tonfall dieser paar Sätze interessant. Diese Ernsthaftigkeit, dieser durchdachte Satzbau, diese Reflexion, die sich auch in der sprachlichen Sorgfalt ausdrückt. Hannah Arendt sprach ähnlich, wie auch weitere Intellektuelle in jener Zeit, es wird ein ausgestorbener Tonfall sein, der noch an die früheren Tonaufnahmen der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts erinnert. Niemand spricht noch so.

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Nur segelnd ist die Möwe schön

Dienstags-Home-Office in der schier endlosen Dunkelheit der verschneiten Dachfenster. Schneegepolsterte Verkehrsgeräusche von der Straße, allgemeine Januarstimmung und die immer noch schwächelnde Heizung; ich fühle mich auch seelisch etwas unterkühlt. Wie genervt von allem kann man sein und was kommt danach. Aber gut, das fragen sich nicht eben wenig Menschen zurzeit und die Antwort kennen wir auch, denn danach kommt der Februar, noch so ein Problemmonat.

Auf dem Balkon versucht am Vormittag eine riesige Möwe an die Meisenbälle zu kommen, unter völligem Verlust von Eleganz und Würde und in wilder Gier enthemmt in Kauf nehmend, auf das Niveau geradezu taubenartiger Tölpelhaftigkeit herabzusinken. Nur segelnd ist die Möwe schön, was auch wieder ein prima Titel für eine Kurzgeschichte wäre, in welcher der Autor herausarbeitet, wie kulturmindernd es sich auswirkt, Affekten und kleinkindhaften Gelüsten unkontrolliert nachzugeben. Die Bezüge zur Gegenwart füllen dabei wie von selbst den Platz zwischen den Zeilen.

Davon abgesehen zieht es sich hier aber auch terminlich zu, die Schreibzeit wird arg knapp und es gibt Grund zur Annahme, dass es morgen keinen Text geben wird. Ich werde wohl erst wieder aufholen müssen.

Aber dem Zeitdruck immer auch entschlossen entgegenwirken, deswegen treffe ich am Nachmittag eine hochgeschätzte Freundin und wir besprechen in einem Coffeeshop ausführlich die Weltlage, was diese, also die Lage, auch nicht besser macht, uns aber zu Topcheckerinnen. Immer die Vorteile sehen, überall.

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Noch ein Terminhinweis: Am Freitag um 15:30 auf dem Hamburger Rathausmarkt, eine vermutlich größer ausfallende Demo gegen die Nazis und ihre Machenschaften. Man sieht sich, ne, und dann kommt man ja auch mal raus. Wichtig.

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Gehört: Diesen Podcast über Lenins Tod und diesen über Proudhon. Geschichtsthemen gehen immer, Literatur auch, aktuelle Politik halte ich dagegen nur noch begrenzt aus, schon beim zweiten Beitrag über Trump werde ich seltsam lustlos.

Aus naheliegendem Interesse hörte ich dann noch den Podcast „Mit Sicherheit – Interessenskonflikte am Bahnhof.“ Die meisten der dort genannten Aspekte kamen in verschiedenen Erzählsituationen hier im Blog in den letzten Jahren mehrfach vor.

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Die Kaltmamsell zitiert Torberg. Ausführlich.

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Im Leerlauf vor dem To-Do

Vorweg ein paar Bloglinks:

Frische Waldbilder für diejenigen, welche lieber auf dem Sofa bleiben oder in der Mitte einer Millionenstadt leben. Ein herausragender Service.

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Eine sehr gegenwärtige und besonders interessante Rezension zu Moby Dick.

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Nils Minkmar erklärt wieder die Lage in Frankreich. Einer der Top-Newsletter, aber das werden Sie ja auch schon bemerkt haben.

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Frau Kaltmamsell schreibt an ihren Bundestagsabgeordneten.

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Ich höre übrigens seit einer Weile auch jeden Morgen die Presseschau, fällt mir gerade ein, aber davon muss ich eigentlich abraten. Das macht einen eher unglücklich, denn die Qualität mancher Kommentare in den großen deutschen Medien ist doch … befremdlich. Wenn man sie so en bloc hört, fällt es doch massiv auf.

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Wie hier bereits angerissen, ich bin immer noch beim Thema Zeiteinteilung. Ab und zu überfällt einen das, Sie kennen es vielleicht, dieses penetrante Fragen, ob man seine Zeit eigentlich sinnig, passend, zielführend, befriedigend usw. nutzt. Was da wie bedeutend ist, was wie zu gewichten ist, ob man etwas ändern sollte, ob es überhaupt Regeln gibt, also persönliche, von grundsätzlichen Vorgaben ganz zu schweigen. Man kann auch nicht über alles nachdenken.

Und ich denke, es ist richtig, dass diese Fragen ab und zu über einen kommen, es ist wohl gut und sinnvoll, sich in so etwas zu vertiefen. Die Zeiten ändern sich, man selbst ändert sich. Ja, es ist gut, aber es ist auch verwirrend. Ähnlich wie beim Treppensteigen, über das man lieber nicht nachdenken darf, während man es gerade macht, weil man sich sonst schnell etwas bricht, stehe ich jetzt ab und zu wie eine Figur in einem Game in seltsamem Leerlauf vor einem Hindernis, also vor irgendeinem To-Do, und überlege erst einmal. Manchmal auch länger.

„Ein guter Rapper überlegt erst mal“, das gibt es auch als T-Shirt von Katzundgoldt, fällt mir gerade ein und nein, das ist keine bezahlte Werbung.

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Auf den Dachfenstern findet währenddessen das nasse Unterhaltungsprogramm statt, es regnet, es schüttet, es nieselt, es graupelt, es schneit, es hagelt, es gießt und friert gleich wieder über, es wird heute wirklich etwas geboten. Das auch mal anerkennen.

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Im Tagesbild good old Hammerbrook. Rechts ein Verwaltungsgebäude der Bahn, davor neumodische Hausboote, sogar bewohnt. In der Verlängerung des Fleets durch den Bildhintergrund die Hafencity, man erkennt die Kräne, welche sie erweitern, immer noch erweitern.

Blick über ein Fleet in Hammerbrook

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That’s the spirit

Im phänologisch-urbanen Kalender wird vorgerückt, in einem der Karstadt-Schaufenster sehe ich beim Sonntagsspaziergang einen Hinweis auf den „großen Karnevalsmarkt“, dazu Kinderschaufensterpuppen in Kostümen. Eines dieser Kostüme hat ein Sohn sogar einmal getragen, damals. Da habe ich meinen Nostalgiemoment des Tages auch gleich im Vorbeigehen abgedient.

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Am Nachmittag fahre ich mit der U-Bahn in den Garten, um die reichlich angesammelten Küchenabfälle auf den Kompost zu werfen. Es regnet, der Weg ist unerfreulich, dunkelgrau. Auf der Bille sehe ich in der Mitte noch einen schmalen Streifen Eis. Er bewegt sich langsam, man bemerkt es nur, wenn man etwas stehenbleibt. Für eine kleine Pause fließt der Winter heute ab, aber es kommt fraglos noch etwas nach, vielleicht morgen schon.

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Gestern habe ich gelernt, dass das Wort Streik eine Ableitung aus dem Englischen ist und, was aber wohl nicht ganz sicher ist, vermutlich von „to strike the sails“ kommt, die Segel streichen. Ich habe das in einem auch sonst interessanten Podcast über die Geschichte der Streiks gehört. In der Wikipedia steht es ebenfalls, hier im Abschnitt unter Etymologie. Lokführer, die die Segel streichen, ich habe da jetzt ein neues Bild im Kopf. Auch schön!

Diese Podcastreihe, Radiowissen, macht mir gerade Spaß, ich höre mich da quer durch die Serie. Jeweils um 25 Minuten reines Bildungsprogramm ohne Smalltalk und ohne zehn Minuten Begrüßungsbohei, ohne Werbung auch. Nur Fakten und Belehrung, das habe ich jetzt eine Weile gesucht. Und mir gleich so dermaßen viele Folgen abgespeichert, es wird eine Weile reichen und ist mir beim Kochen, Bügeln etc. wirklich willkommen.

Und ich bin nach wie vor verflucht, denn wenn ich einen Radiosender anmache, irgendeinen, laufen dort immer entweder Sport, das Kinderprogramm oder das Wort zum Sonntag. Mit schon gruseliger Sicherheit ist das so, so wie auch auf der Autobahn im Radio immer Phil Collins läuft, unweigerlich. Nichts gegen Phil Collins, aber es reicht auch irgendwann.

Deswegen muss ich alles Interessante ausschließlich in den Podcastversionen hören. Na, macht ja auch nichts, es gibt schlimmere Schicksale.

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Ich war am Wochenende im Theater, beim kabarettistischen Jahresrückblick auf 2023, den Sie jetzt allerdings nicht mehr live sehen können, die Spielzeit ist durch. Wir gehen da jedes Jahr hin und sehen diesen Herren zu. Es ist ein überaus empfehlenswertes Vorhaben, notieren Sie das ruhig für den nächsten Dezember oder Januar, wenn Sie da wohnen, wo sie auftreten.

Beachtlich fand ich aber auch, dass in dieser rascheligen halben Stunde vor dem Beginn der Vorstellung, in der noch alles auf- und abgeht, sich durch die Reihen zwängt und drängt und Plätze sucht, sich die Jacken und Mäntel auszieht, in der sich alle Welt begrüßt und umarmt und nach Kräften smalltalkt, in der es also eher unruhig und trubelig ist, dass da zwei vor mir saßen, die in diesem Wirbel konzentriert lasen. In diesem nur dämmerigen Licht da. Die eine las ein Buch, der andere eine gedruckte Zeitung, breit auseinandergefaltet.

Konzentrationsvorbilder im Alltag mit kulturellem Doppelschlag. Ins Theater gehen und dort lesen. That‘s the spirit, möchte ich meinen.

Und hier noch einmal die Binnenalster, vom Jungfernstieg aus.

Ein Schifff der weißen Flotte am Anleger am Jungfernstieg

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Die Einstellungen durchprobieren

Man wird für Hamburg dringend neuen Schnee und auch Eis nachbestellen müssen, hier ist so gut wie alles verbraucht. Es liegen nur noch wenige Reste herum, und die sehen nicht mehr gut aus.

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Davon abgesehen müsste ich bezogen auf meine zwei, drei Berufe und auch auf die Weltgeschichte und die Entwicklung der Gesamtlage gerade mehr denken, als ich noch schaffen kann. Und ich meine nicht im Sinne von kreisendem Overthinking, ich meine eher, ich brauche tatsächlich mehr Zeit, als ich überhaupt realistisch haben kann, um angemessen hinterher zu kommen, weil so vieles so schnell dreht. Ich wäre bei diversen Themen gerne informierter, ich hätte hier und da gerne fundiertere Meinungen. Ich würde gerne mehr Hintergründe kennen, um besser schlussfolgern zu können, ich würde auch bei einigen Themen gerne mehr, wie sagt man das, im Geiste herumspielen, um alle Möglichkeiten des Denkens und Umgehens versucht zu haben. Die Einstellungen in Ruhe durchprobieren, so würde man es bezogen auf Software wohl nennen.

Aber man muss sich in Zwischenzeitphasen (wieder nach Maja Göpel, kam hier schon einmal vor) hier und da auch mit neuen und vielleicht zunächst erschreckenden Ahnungslosigkeiten abfinden und manchmal über weite Strecken einfach deutlich mehr staunen als checken. Es ist gelegentlich etwas herausfordernd, finde ich.

Die Versuchung, nur noch rückwärtsgewandt und in altem Mustern zu denken, erscheint mir einigermaßen naheliegend und auch verständlich. Ich sehe aber nicht recht ein, warum man ihr nachgeben sollte. Vielleicht ist das wieder so ein protestantisches Arbeitsethikding. Man hat sich meiner Meinung nach gefälligst auch geistig jederzeit Mühe zu geben. Wie erfolgreich auch immer, das ist eine ganz andere Frage. Und Rückwärtsgewandheit ist nichts anderes als intellektuelle Bequemlichkeit, ist von daher auf Dauer also nicht statthaft. Nur als guilty pleasure in nostalgischen Momenten darf man sich das zubilligen, ohne die man wohl nicht in Frieden älter werden kann.

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Gehört: Diese 22 Minuten über Isaac Newton, in denen es auch um seinen Charakter geht. Abgründig. Noch bemerkenswerter vielleicht, dass er sich aus wissenschaftlichem Interesse einmal eine Nadel ins Auge gestochen hat, um die Effekte auf das Sehvermögen mitzuschreiben … man macht unwillkürlich Grimassen beim Hören, die Leute an der Ampel neben mir guckten ganz komisch.

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Und gibt nicht auf, und gibt nicht auf

Nachdem mir das administrative Gesamtkunstwerk zum Jahreswechsel endlich erfolgreich abgeschlossen schien, spawnte noch eben ein Formular für das Finanzamt mit, Moment, 192 Fragepositionen. Lachen und weitermachen. Ausdrucken, ausfüllen, eintüten.

Ich sehe nach, was eine Briefmarke gerade kostet, was schön illustriert, wie oft ich so etwas noch brauche und erwerbe. Beim Falten des zu versendenden Briefs fällt mir wieder ein, wie unfassbar oft ich das in meiner Anfangszeit im Büro gemacht habe, vor ein paar Jahrzehnten. Serienbriefe zurechtknicken und eintüten. Alles in Handarbeit, stundenlang, mit etlichen Kolleginnen und Aushilfen, und hinterher alles noch durch die Frankiermaschine jagen, dann zur Post fahren, teils in letzter Minute. Der Triumph, wenn man es pünktlich geschafft hat.

Was für eine Erleichterung es dann war, als endlich diese Maschine angeschafft wurde, die Briefe korrekt falten konnte, in einer irrsinnigen Geschwindigkeit, tausend Seiten in wenigen Minuten. Staunend davor gestanden! Automatisierungswunder! Und das war eine Maschine, die nur genau einen Handgriff konnte, es war ein überschaubar schlichter Mechanismus.

Welche unglaubliche Entwicklung es da in der Zeit meines Berufslebens gab – einen Brief an 1500 Leute schicken, in zeitraubender Handarbeit versus E-Mail an großen Verteiler in Sekunden heute. Es ist doch krass, was man an Wandel mitgemacht hat. Und viele von uns – ich auch – haben diesen Wandel nicht nur mitgemacht, sondern ihn tatsächlich gemacht. Ich meine das nicht als Eigenlob, nur als Tatsache der Berufsgeschichten meiner Generation. Ich finde den Rückblick erstaunlich, denke aber auch, dass es vielen, wenn nicht sogar allen Generationen vor mir auch so ging.

Gut, ob man das alles nun insgesamt als Erfolgsgeschichte bezeichnen möchte oder nicht, das ist selbstverständlich wieder eine abgründige Frage. Es ist am Ende ein zu weites Feld.

Nebenbei jedenfalls die Sisyphus-Hymne der Knef noch einmal laufen lassen, etwas lauter laufen lassen vielleicht, und dann los, ran an den Stein.

Wer rollt den Stein den Berg hinauf

Und gibt nicht auf, und gibt nicht auf

Der Mensch nur, ja, wer sonst wohl als der Mensch.


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Routinierte Beschwerden

Ich führe am frühen Morgen und noch vor der Arbeit mit der Herzdame Diskussionen über Formatierungen in Excel und frage mich dabei zum wiederholten Male, wo genau ich im Leben eigentlich falsch abgebogen bin. Dann aber fällt mir rettend ein, dass wir hier immerhin nicht über Powerpoint reden, und schon ist wieder alles gut. Ich sollte wirklich Motivationskurse geben, ich kann das doch.

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Gehört: Ein Zeitzeichen über den von mir sehr geschätzten Fabrizio de André, auch wieder ein Stück Geschichtsunterricht. Das berühmte Lied von der Via del campo kommt im Podcast vor, mit der Schlusszeile „Aus Diamanten entsteht nichts, aus Mist wachsen Blumen.“ Dai diamanti non nasce niente dal letame nascono i fior. Ich kann allerdings kein Wort Italienisch, ich kann nur Übersetzungsprogramme und bin immer öfter dankbar für diese Möglichkeit. Auch einmal italienische oder französische oder spanische Zeitungen online lesen, wie toll ist das denn.

Und kein Wort Italienisch stimmt auch gar nicht, da ich erstaunlich viele der modernen Sprache nahestehenden Lateinvokabeln immer noch weiß. Ich muss die damals in der Schule gelernt haben wie irre. Oder gemocht haben, das kann auch sein, ich weiß es nicht mehr. Ich fand es jedenfalls bedauerlich, dass beide Söhne kein Latein als zweite Fremdsprache gewählt haben, ich hätte mit meinen Vokabelkenntnissen so schön vor ihnen angeben können.


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Sicherheitsanruf bei meiner Mutter, wie sie mit den vereisten Wegen in der Stadt zurechtkommt. Stellt sich raus, sie geht einfach nicht mehr vor die Tür. Okay, nicht okay. Das ist dann eben das Ergebnis, wenn das Allgemeinwohl nicht mehr von Interesse ist. Gewisse Gruppen müssen dann in der Folge zurückstecken, sich zurückziehen. In diesem Fall eine Gruppe, zu der die meisten von uns einmal gehören möchten, die Alten und die Ältesten. Wenn man für Menschen aus diesen Gruppen in irgendeiner Form zuständig ist, kann und muss man alles auch als Vorschau verstehen und schon einmal mitschreiben, was einem nicht richtig vorkommt. Dann beschwert man sich später viel routinierter.

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Anke über die Nazis: „Gegen ein Verbot dieser Partei gibt es ja gerne das Nicht-Argument „Wir lassen die mal regieren, dann entzaubern sie sich schon selbst.“ Jedem, der diesen Quatsch von sich gibt, möchte ich 33 bis 45 Kilo Geschichtsbücher an den Kopf werfen.“

Auch Frau Herzbruch denkt über Nazis nach.

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Und hier noch ein Fleet in Hamburg-Hamm, winterlich angerichtet.

Blick über ein Fleet in Hamburg-Hamm, das Wasser friert, das Licht ist sonnig-winterlich

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