Es bleiben Rätsel übrig

Ich sitze am Schreibtisch meines in der letzten Woche verstorbenen Schwiegervaters und schreibe, mir geht die Tinte aus. Ich sehe in den Schubladen nach, weil ich aufgrund gewisser Ähnlichkeiten annehme, dass auch er irgendwo Patronen bereitliegen hatte. Und dem ist auch tatsächlich so. Südseeblau finde ich, etliche Schachteln, und es ist typisch, dass es Südseeblau ist, nicht etwa Königsblau. Immer knapp an der Normalität vorbei, so war er, denke ich und werde es gleich noch etwas weiter ausführen. Sechs, acht Schachteln Südseeblau. Ich mache eine auf, ich mache zwei auf, es ist in allen Schachteln das gleiche Bild, die Patronen sind sämtlich leer. Er wird sie alle nach dem Verbrauch zurückgesteckt haben, aber warum bloß? Das erfährt man dann nicht mehr. Wenn jemand stirbt, bleiben Rätsel übrig.

Willi Buddenbohm

Buddenbohms Willi. So sagt man hier, erst der Nachname, dann der Vorname. Buddenbohms Willi ist damals nach der Schulzeit und der Maurerlehre Bau-Ingenieur geworden, Architekt auch. Das war ein vorgezeichneter Weg, denn seine Eltern und Großeltern kamen aus der Baubranche, Hoch- und Tiefbau, er musste das Unternehmen weiterführen. Da war von Anfang an klar, was er zu werden hatte, zu sein hatte. Aber andere Wege wären doch besser für ihn gewesen, das meinten viele zu wissen, die ihn kannten. Etwas mit Musik wäre es vielleicht gewesen, mit seiner großen Leidenschaft.

Denn damit kannte er sich aus, mit Tonqualität, Sound, mit Rockgeschichte, mit Klassik auch, mit Hifi, mit nahezu allem, was mit Musik zu tun hatte, technisch und auch künstlerisch. Damit hat er unendliche Stunden seiner Freizeit zugebracht, dafür hat er ein Vermögen ausgegeben, für den besten Sound, für die ultimativen Aufnahmen und die bestmöglichen Verstärker, die feinsten Kopfhörer und immer so weiter, ein Enthusiast besonderer Ausprägung. Noch im Krankenhaus in der letzten Zeit hatte er sein Equipment dabei, und nicht zu knapp. Seine Kenntnisse der Musikgeschichte, ich erwähnte es neulich schon, waren umfassend, bis an die Gegenwart heranreichend, seine Musiksammlung war absurd vielfältig. Man kann mit etwas Mühe einen Schwerpunkt in den Sechzigern ausmachen, aber das war längst nicht alles, er ist da nicht stehengeblieben. Er war anderen, mir etwa, teils deutlich voraus. Neben ihm war ich stockkonservativ. „Er hat für die Musik gebrannt“, sagt die Herzdame, und das ist ein wenig witzig, weil er Unmengen CDs gebrannt hat, Tausende.

Keine leichte Kindheit gehabt, ich springe etwas hin und her, pardon. Ich glaube, dass man oft vergisst, wie schwer Kindheiten damals waren, bei vielen von denen, die mir nur wenige Jahrzehnte voraus waren, welche unfassbare Härte damals noch in der Welt und in den Eltern war. Er hat manchmal darüber geredet, es war nicht gut auszuhalten und man mochte es sich alles lieber nicht vorstellen. Kinder wurden auf Spur gebracht, so nannte man es, und was für Abgründe liegen in diesem Satz.

Dennoch blieb er, wie es bei Ringelnatz ähnlich hieß, etwas schräg ins Leben gebaut. Er war nie vollständig angepasst, im Benehmen nicht, in der Haltung nicht, in den Ansichten nicht. Immer ansatzweise Hippie gewesen, Rocker auch, Exot, Sonderling, Exzentriker, bunter Vogel. Immer soweit es ging, und manchmal ging es recht weit. Freiheit war sein Lebensthema, immer gesucht, nie wirklich gefunden.

Die Musik und das Dorfleben hat er zusammengebracht, hat im Posaunenchor in der Kirche gespielt, ist nebenbei Dorf-DJ gewesen. Einer, der jede Party retten konnte, ankurbeln konnte, laufen lassen konnte. Er hat Stimmungen gemacht und gedreht, er war für Feste mitverantwortlich, die in dieser Gegend heute noch Legende sind, in einer Weise vielleicht, wie man sie sonst nur aus der irischen Literatur kennt. Solche spektakulären Feste, von denen es kein vollständiges Bild gibt, weil sich alle Beteiligten dermaßen dem Alkohol und der guten Stimmung hingegeben haben, dass hinterher nur Erinnerungstrümmer mühsam zusammenzufegen sind, immer unzureichend, immer fern der Wahrheit, aber man weiß jedenfalls – das waren noch Nächte, meine Güte, was waren das für Nächte. Die Älteren im Dorf sortieren heute noch, wer wann wo dabei war und was gemacht hat. Weißt du noch, dieser Abend.

„Er hat Musik gemacht, und es hat gepasst. Und dann hat er es gedreht, die Stimmung und alles.“ So habe ich es hier gestern gehört, als sich jemand daran erinnerte, und auch das ist natürlich eine Kunst, immer die genau richtige Musik zu finden für den Moment und für die Stimmung der Feier, für die Gesellschaft, sei es nun Schlager, sei es Hendrix oder Blues oder Blaskapelle oder sonst etwas, er hat es einfach gewusst, was es jetzt sein musste, ganz genau hat er es gewusst, immer ein Treffer nach dem anderen.

Die Party bei dem Tierarzt damals, viele, viele Jahre ist es her, irgendwann spät nachts noch die Partykracher, und bei dem Lied „Da steht ein Pferd auf dem Flur“ stand da dann wirklich eines, es ist im Grunde ein Wunder, dass nicht alle Beteiligten vor Lachen gestorben sind. Solche Abende. Längst sind sie nicht mehr wahr, diese Geschichten, und doch war es so. Es gibt Fotos von diesen Feiern, es gibt auch einige Filme, die gewisse Anwesende schwer belasten, ich kenne sie. Und ich bin mir daher sicher, es wurde hier auf eine Art gefeiert, die in Großstädten eher unbekannt ist. Und er immer mittendrin, an den Schalthebeln des Ganzen. Er hatte einen Ruf, er hat ihn bis heute. Damals die Feiern mit Willi, anerkennendes Nicken, seliges Erinnern. Und meine Güte, was ging es den Leuten schlecht danach. So musste das.

Er hat sich etwas bunter als andere angezogen, er hat auch andere Bücher gelesen, er hat etwas anders gekocht. Er hat sich früh für ausländische Küchen interessiert, als das hier noch kein Trendthema war, noch lange nicht. Chinesische Küche, bevor es in jedem Dorf ein Restaurant dieser Art gab, er ist sogar nach China gereist. Indische Küche. Auch Ayurveda und so etwas, irre abgelegenes Zeug aus damaliger Sicht. Makrobiotik, sehr spezielle Fachgebiete, keines davon mehrheitsfähig. Er hat sich immer in diese Themen gekniet, er hat jedes Spezialgebiet voll mitgenommen, bis hin zum Expertentum, sich dann überall ausgekannt. In der Garage stehen noch unbenutzte Pinsel und Acrylfarben und Malereilehrbücher, das mit der Kunst hat er nicht mehr so geschafft, wie er wollte. Aber er hätte sicher, wenn es ihm noch möglich gewesen wäre.

In der Kleinkindzeit der Söhne war er ein grandioser Großvater. So einer, der den Kindern alles durchgehen ließ, der ihnen alles erlaubt hat, auch die Sachen, bei denen man als Eltern Augenzucken bekam, sich mühsam beherrschen musste und von Sicherheitsregeln sprach, als sei man selbst der Ältere, und ich nehme an, das war manchmal eine vollkommen adäquate Rollenverteilung. Mit ihm ging manches, was mit uns nicht ging. Auch die absurden, die zu großen Geschenke hat er gemacht, ganz selbstverständlich. Das erzählt die Herzdame ähnlich auch aus ihrer eigenen Kindheit, er war ziemlich anders als andere Väter, nicht nur, weil er mit ihr gemeinsam stundenlang Musik aus dem Radio aufgenommen hat. Und ich weiß auch, dass er mit schwierigen Jugendlichen aller Art, die ihm im Beruf und anderswo begegneten, gut umgehen konnte. Das passte so zusammen, er hat geholfen, wenn er konnte, und er hat sie alle mal machen lassen. Denn das war oft das, was andere nicht so gut konnten – die mit den Problemen einfach mal machen lassen.

Wir hatten in Hamburg einmal einen Hausmeister, der beim Blick auf unser Namenschild sagte: „Ich kannte mal einen Buddenbohm.“ Das hören wir nicht eben oft, das hören wir eigentlich nie. Wir kamen dann darauf, dass dieser Hausmeister bei Projekten dabei gewesen ist, die der Vater der Herzdame geleitet hatte, aufwändige Kaufhausumbauten waren das, aberwitzig komplizierte und eilige Großvorhaben. Wir fügten die Teile im Gespräch zusammen und irgendwann fragte er die Herzdame endlich: „Echt jetzt, der Verrückte ist also ihr Vater?!“

Es war keine Beleidigung, es lag viel begeisterte Anerkennung in dieser Frage. Denn der war mal ein Typ, dieser Bauleiter.

Er hat bei unserer Hochzeit eine Rede gehalten, von der heute noch, nach all den Jahren, Gäste von damals beeindruckt sind, obwohl sie vermutlich überhaupt kein Wort verstanden haben von dem Friedewalder Platt, in dem er gesprochen hat. Er hat sich den Leuten eingeprägt, er hat etwas ausgestrahlt, aber er hat sich kaum dafür interessiert, was andere von ihm gehalten haben.

Es war nicht einfach, die passende Musik für seine Beerdigung auszusuchen. Wir haben da länger dran gesessen, ich erwähnte es neulich schon. Wir dachten uns, zum Schluss muss etwas kommen, das passt, muss noch einmal, ein letztes Mal etwas kommen, das die Stimmung dreht. Und ich glaube, wir haben es gefunden. Der leere Schaukelstuhl im Video, der an Roy Orbison erinnert, macht es noch besser.

Aber natürlich, man weiß nicht, was er für sich ausgesucht hätte, man kann es nicht wissen. Es gab keinen hinterlassenen Plan für diese Gelegenheit. Er hätte es sicher viel besser als wir gewusst.

Aber wenn jemand stirbt, bleiben Rätsel übrig.

Well, it’s alright, ridin‘ around in the breezeWell, it’s alright, if you live the life you pleaseWell, it’s alright, doin‘ the best you canWell, it’s alright, as long as you lend a hand

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Einäugige Blumen

Nach der Ankunft in Minden am Sonnabend wollen wir noch eben Blumen zum Muttertag kaufen, auf der Weiterfahrt mit dem Auto ins Heimatdorf, wobei wir aber vorher nicht recht bedacht hatten, dass die Öffnungszeiten der Blumenläden in einer Gegend, die von Hamburg aus betrachtet sicher als Provinz zu bezeichnen ist, natürlich ohne es abwertend zu meinen, nicht zwingend mit denen im Hamburger Hauptbahnhof korrelieren. Wir sind nach all den Jahren in der Mitte der Großstadt dezent verwöhnt und die Läden hier, sie sind alle schon geschlossen.

An einer Ausfallstraße sehe ich schließlich doch noch Pflanzen, Preisschilder und blühende Blumen in Kübeln am Straßenrand, ich rufe „Links!“ und die Herzdame hält einigermaßen abrupt und biegt dort ein. Was ich nur deswegen erwähne, weil ich danach eine ganze Weile und mit zunehmender Erheiterung beobachten kann, wie es anderen auch so wie uns geht, bis hin zum Bremsen mit quietschenden Reifen vor dem Geschäft – man hält hier noch in letzter Minute und rettet sich und damit vermutlich auch den nächsten Tag. Erleichterung auf den Gesichtern der Einkaufenden. In meiner Familie hat der Muttertag keine Tradition, meine Mutter wäre eher pikiert, wenn ich mich ausgerechnet an diesem Tag bei ihr melden würde („Was soll das denn jetzt!“), aber andere Familien sind in dieser Beziehung anders, ich verstehe das. Und die Ironie aller bewussten Vermeidungen gilt auch hier, ich habe an diesem Tag also ebenfalls etwas sorgsam zu beachten, genau wie alle anderen. Tatsächlich fühlen sich aber Tag und dazugehörige Riten für mich eher fremd an und ich bin nicht eben gut darin, die Söhne an den Muttertag zu erinnern. Bei dem Wort passiert in mir einfach zu wenig, eine weitgehend assoziationsfreie Zone. Diese vielen Geschichten vom Vergessen, von Undank und Enttäuschung oder umgekehrt von großer Freude und Familienglück habe ich nie erlebt. Aber wir regeln alles noch, trotz besonderer Umstände und spezieller Stimmung, trotz Reisetag.

Dann nach dem Pflanzenkauf eine kurze Debatte im Auto, ob es nun „Einäugige Susanne“ oder „Schwarzäugige Susanne“ heißt. Die Herzdame hat die etwas piratenhaft anmutende Bezeichnung für die Pflanze im Sinn, ich dagegen die gärtnerisch korrekte Version. Und ich habe so selten Recht, es ist mir geradezu ein Anliegen, es dann auch zu erwähnen, wenn es doch einmal eintritt. Die Herzdame wird aber, ich kenne das schon, ihre falsche Bezeichnung so konsequent einfach weiterhin benutzen, dass sie im Rahmen der Familiengespräche schon bald vollkommen richtig, wie lange gewohnt klingen wird, und meine Wortwahl daher als seltsam abgehobene, sprachspießige und humorlose Besserwisserei daherkommen wird. Man muss erkennen, wo man nichts gewinnen kann.

Dann Abendessen im Garten. Das erste Mal sitzen wir bei einer Mahlzeit draußen, wie spät das in diesem Jahr stattfindet, vermutlich ein Negativrekord. Die Amsel tritt währenddessen auf der Schornsteinbühne auf und begleitet uns musikalisch, mit großer Ambition und grandiosem Auftritt. Nach dem Essen rücken die Herzdame und ich uns noch zwei Gartenstühle in die Sonne am Feldrand. Man kann gerade eben noch entspannt im letzten Licht sitzen, etwa ein Grad lang noch, länger sicher nicht mehr. Wir lassen uns, wie es bei Keyserling heißt, dort „wohlig von der Abendsonne vergolden.“

Blick über einen noch kahlen Acker, im Vordergrund einige Rapsblüten, im Hintergrund ziegelrote Bauernhäuser

Wir schaffen immerhin zwanzig Minuten auf diese Art und haben also auch das erreicht; wir haben da nur so gesessen und es war schön. Mitte Mai.

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Gleichförmiges fliegt vorbei

Gleich hinter dem Hamburger Hauptbahnhof steht „HIPPIE“ auf einem Zaun am Gleis, ansonsten sieht man abgestellte, aufgestapelte Container mit Reederei-Logos und dahinter aufragende Kräne. Flüssiggaswaggons, wartende Lastwagen, Baustellen, Baumaschinen aller Art und Lagerhallen, es sieht dauernd nach Arbeit und Bruttosozialprodukt und Industrieland aus vor dem Zugfenster. Bis Hannover immer wieder die Container auf Nebengleisen und neben den Gleisen, immer wieder Hamburg-Süd und Maersk und andere. All die Waren und das Zeug, das von Süden auf Hamburg zustrebt und dann in die Welt geht oder umgekehrt, was weiß ich, es ist ein unübersichtliches Hin und Her im globalen Handel. Ein Güterzug mit Hunderten von Neuwagen in den Trendfarben der Zeit darauf, dunkelgrau und anthrazit.

Um mich herum reden im Waggon alle Englisch, vor, hinter und neben mir, es geht international zu im Metronom von Hamburg nach Hannover, das passt zu den Waren, die im Güterverkehr an uns vorbeitransportiert werden. Die Welt und die Waren reisen durch Niedersachsen, das darauf stoisch mit immer mehr Raps reagiert. Es tut eben, was es kann, wie wir alle.

Ab und zu ragen alte Backsteineinfamilienhausgiebel in Vorortsiedlungen über die bunt besprühten Lärmschutzwände an den Schienen. Aus den Kinder- oder Schlafzimmern in diesen Häusern kann man auf fahrende Züge blicken, man kann tagsüber reisenden Menschen winken und nachts auf vorbeirasende Lichter sehen, so entstehen hier vermutlich die Träume.

Ein Sohn kündigt an, uns künftig kategorisch nicht mehr im Auto begleiten zu wollen, er findet jetzt Züge cooler. Besser als überhaupt kein Erfolg in der Erziehung, denke ich mir.

Auf einem Zaun am Gleis steht „LOVE“ in sehr großen Buchstaben, sogar mehrfach steht es da. It must be love, love, love. Ich sitze etwas ungünstig, ich kann nicht durchgehend hinaussehen und habe kein vollständiges Bild, aber ab und zu sehe ich doch den Landschaftspostkartenhimmel über Norddeutschland im Mai.

Kaufland, Takko, McDonald’s, Kreissparkassen, Tankstellen. Gleichförmiges fliegt vorbei, alle Ortschaften ähnlich zusammengebastelt. Der Zug hält, ein ICE muss vorgelassen werden, darin sitzen die mit den anderen Fahrkarten, die haben es eiliger als wir, die haben mehr Geld oder die sind nur auf Dienstreise.

Vor dem Bahnhof in Lüneburg hält ein Bus, der fährt zu einem Fähranleger, so steht es dran. Da würde ich jetzt auch gerne hin, zu irgendeiner Fähre. Am Anleger mit baumelnden Beinen sitzen und gucken, wie Menschen aussteigen und einsteigen, mehr nicht. Und dann vielleicht noch ein, zwei Stunden lang nur zusehen, wie der Fluss so vorüberzieht. Egal, unser Zug fährt schon weiter. Aber in der Theorie, so denke ich mir, würde das jetzt tatsächlich gehen. Ich könnte aus dem Zug springen und dann rein in den Bus dort drüben, ich könnte zu diesem Fähranleger fahren und mir das da ansehen, es wäre alles im Ticket mit drin und ich finde es nach wie vor großartig. Wenn die Söhne ab jetzt dieses Gefühl haben werden, jederzeit fast überall einsteigen zu können, werden sie die Welt in Bezug auf die Mobilität grundsätzlich anders wahrnehmen als meine Generation. Und das ist doch was.

Dann üppiger Flieder, der über die Gleise ragt, wippende Dolden vor alten Dienstgebäuden der Bahn. Darüber und dahinter sich drehende Windradflügel, die rotweißen Spitzen kreisen durch blauen Himmel.

In Keyserlings „Abendliche Häuser“, ich lese es während der Fahrt, ein passender Satz dazu: „Die Glastüren zur Veranda standen offen und der Duft des Flieders drang herein, der wie eine Mauer aus weißem und hellblauem Gewölk den Garten einhegte.“

In Eschede ein blauer Wegweiser zur Gedenkstätte, den habe ich auf der letzten Fahrt nicht gesehen.

Auf einem Sicherungskasten neben der Strecke steht „ARMUT“, lilafarbene Schrift auf dunklem Grund. Fast sieht es schön aus.

In Hannover steigen wir um in die S-Bahn nach Minden. Die ist brechend voll, es gibt nur noch Stehplätze. Menschen mit Rädern benutzen diese rabiat als Rammbock, um doch noch hineinzukommen, es ist immer wieder verblüffend, wie allgemein und selbstverständlich Rücksichtslosigkeit geworden ist. Ich stehe anderthalb Stunden zwischen jungen Männern, die irgendwohin fahren, um sich dort planmäßig zu betrinken, es ist wirklich ein Trend an diesem Wochenende. Sie lachen jetzt schon bei dem Gedanken, dass es heute vielleicht nicht alle wieder nach Hause schaffen werden, höhö. Diese Phase ist bei mir schon entschieden zu lange her, ich bin nicht mehr der Richtige, um dafür noch Verständnis zu zeigen, bekenne aber immerhin, sie irgendwann damals gehabt zu haben. Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche, man kennt das dank Herrn Bernstein.

Wie auch immer, ich stehe anderthalb Stunden in dieser Bahn und hasse alles, dann erreichen wir endlich Minden. Da steht die Herzdame am Gleis, und wie toll ist das denn.

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Aufbruch

Wir reisen Samstagmittag ab, was ein ungünstiger Zeitpunkt ist, jedenfalls wenn es vorher noch zwei, drei Stunden gibt, die nicht mit Terminen und To-Dos gefüllt sind. Denn dann fällt, wir haben das das getestet, den Mitreisenden quasi im Minutentakt etwas ein, was besser auch noch mitgenommen werden soll. Habe ich eigentlich? Brauche ich nicht vielleicht? Würde man das hochrechnen, es ergäbe einen Umzug des Hausstandes. Man verlagert sich im Laufe der Stunden gedanklich allmählich komplett und braucht schließlich im Zweifelsfalle alles, auch für ein paar Tage.

Dann noch einmal und noch einmal überlegen, ob man dies oder jenes wirklich eingepackt hat, in was auch immer. Besser erneut nachsehen, aber worin war es denn bloß? Es ist eine Art Slapstick-Inszenierung mit Koffern und Rucksäcken.

Ich ziehe mich auf rationale Verteidigungspositionen zurück und mache einfach nicht mit. Wir fahren nach NRW, da kann man, glaube ich, zur Not alles kaufen, Zahnbürsten, Unterhosen, Ladekabel, Medikamente, beerdigungstaugliche Oberbekleidung, Tischtennisschläger, das ist dort immerhin ein zivilisiertes Bundesland. Also in weiten Teilen.

Im Hamburger Hauptbahnhof laufen beeindruckend viele Betrunkene in fröhlichen Grüppchen herum, das überaus innige Verhältnis dieser Gesellschaft zum Alkohol ist gut zu erkennen. Es ist zwar kurz vor Muttertag, sieht aber sehr nach Vatertag aus, es ist etwas verwirrend. Lauter kostümierte und unterschiedlich stark angeschickerte Wanderparty-Inszenierungen, die nach Junggesellenabschied, rundem Geburtstag, Firmenausflugs-Event und was auch immer aussehen, Menschen mit Plastikkrönchen, Party-Accessoires und Sekt- oder Bierflaschen in den Händen. Dazwischen enorm viele Reisende in teils großen Familiengruppen, die zielstrebig durch die Wandelhalle hasten und Koffer und Kinder hinter sich herzerren, es ist hier gerade der vermutlich unentspannteste Ort der Stadt. Eine Frau hält ein Pappschild hoch, auf dem „4-Tage-Woche“ steht. Ich kann um sie herum keinen Demo-Kontext erkennen, aber gut, hat sie das Thema eben geschickt platziert, wie wir sehen. Auch eine Strategie.

Ein Mann diskutiert laut mit der Frau, die ihn an der Hand hinter sich herzieht, er sagt, als er an mir vorbeigeht, laut zu ihr: „Ich mag einfach keine Menschen!“ und weist mit der Hand auf die etwas irre wirkende Menge um ihn herum. Ich hebe den Daumen, um meine spontane Zustimmung zu signalisieren, er sieht mich an und sagt: „Nur Sie! Sie mag ich!“ Wir highfiven uns gestisch, wir finden uns sympathisch.

Die Söhne holen sich noch eben Essen bei einem Imbiss, weil sie schon seit zehn Minuten aus dem Haus sind und seitdem auf den ganzen 500 Metern zum Bahnhof nichts konsumiert haben. Weil das vermutlich alle Teenager im Bahnhof denken und empfinden, ist der Imbiss etwas voll und es dauert und dauert. Wir erreichen unser Gleis erst drei Minuten vor der Abfahrt des Zuges. Eine Minute vor der Abfahrt des Zuges wird das Gleis noch einmal spontan geändert und es folgt meine sportliche Höchstleistung des Jahres bisher, treppauf, treppab, die ich immerhin souverän absolviere. Nur Sekunden später sind wir alle im richtigen Zug, der sensationell pünktlich abfährt, und kurz vor Hannover habe ich auch schon wieder halbwegs normalen Puls.

Geht doch.

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Kishon und Kafka

Am Freitag gebe ich auf, diese Woche ist an Absurdität kaum noch zu überbieten, was für ein lächerlich überzogenes Drehbuch. Ich habe nicht Psychologie studiert, aber manchmal glaube ich doch, typische Versuchsanordnungen im Umfeld zu erkennen. Ich bin nur eine Woche alleine mit den Söhnen, und es findet alles, was auch nur ansatzweise kompliziert werden oder entgleisen und eskalieren kann, an diesen paar Tagen statt. Wenigstens habe ich in der Wartezone des Polizeireviers ausreichend Gelegenheit, mir darüber Gedanken zu machen. Meine Güte.

Keine Details, und es ist auch nichts passiert, es kostete am Ende nur wieder Zeit, so viel Zeit, bitte weitergehen. Zusammenfassend jedenfalls eine Mischung aus Kishon und Kafka, es klingt lustiger, als es war. Wie hieß es damals in der Muppet-Show: I am the bear currently known as not amused.

Lange Telefonate mit der Herzdame. Wir organisieren dieses und jenes, und dann auch noch den Rest und Weiteres. Wenn Sie sterben, hinterlegen Sie doch bitte vorher Ihre Zugangsdaten, besonders zu allem, was Geld kostet, wir haben da gerade ein Learning, wie man heute sagt. Wir überlegen anschließend auch noch für uns, ob wir eigentlich gegenseitig … man will gar nicht darüber nachdenken, aber die Wirklichkeit stößt einen darauf, wieder und wieder. Und so schlecht sind wir da gar nicht. Aber natürlich, man kann immer noch etwas verbessern, man kann an der Strategie feilen, denn wirklich top sind wir auch nicht. So schwer ein Todesfall in der engeren Familie jedenfalls ist, etwas optimieren kann man auch dabei.

Ich fahre ansonsten am Freitag mit mehr Tomatenpflanzen am frühen Morgen U-Bahn, als ein Mensch überhaupt alleine tragen kann. Aber wenn ich erst einmal seelisch komplett durch bin, wird mir auch so etwas egal. Alles einfach dennoch machen, dann wachsen einem manchmal auch spontan Orang-Utan-Arme, mit denen man erstaunliche Mengen Zeug umklammern und kilometerweite tragen kann. Die Tomaten sind jetzt in der Erde, vermutlich in letzter Minute. Wäre ich gärtnerischer Krankenpfleger, ich hätte einige der floralen Patienten gerne noch etwas länger beim Erwachen aus dem Koma beobachtet, aber keine Zeit, keine Zeit.

Im Garten wäre es ansonsten recht schön, habe ich immerhin gedacht, während ich dort hektisch einen Pflegefall nach dem anderen verbuddelte. Es sieht nett aus dort, es klingt auch gut, es riecht sogar gut, so angenehm fliederig-fröhlich. Vielleicht in der übernächsten Woche noch einmal nachsehen. Aber im Moment sieht es ein wenig so aus, als sei 2023 das Jahr der komplett verpassten Saison.

Nun, etwas Chance besteht noch, es werden wohl weitere Monate nachgeliefert.

Kurz vor dem Verlassen des Gartens noch zwei Radieschen direkt aus dem Beet gegessen. Etwas klein, etwas sandig, aber gut, aber meine.

Dann schon wieder Packen für die nächste Reise nach Nordostwestfalen. Mit allen Familienmitglieder Abfahrt- und Ankunftszeiten diskutieren, vier Personen, vier Meinungen, ich veratme alles. Alle möglichen Geräte und Kabel aus den Zimmern zusammensuchen, alles laden und sortieren. Gefühlt verbringt man in jedem Jahr mehr Zeit damit, es gibt überhaupt viel zu wenig, das einfacher wird. Das denke ich auch beruflich oft, und nicht nur bezogen auf meinen Job, der Trend geht gesellschaftlich in die falsche Richtung, zumindest meinem Eindruck nach. Wir nutzen auch die Digitalisierung gerne, um Dinge noch schwerer zu machen und sie gleichzeitig offline zu verunmöglichen, was man am Beispiel des Online-Bankings gut und gründlich ausführen könnte, und so war es doch eigentlich nicht gemeint, Sie erinnern sich vielleicht. Es sollte alles leichter werden, einfacher, schneller auch.

Vielleicht sollte man tatsächlich einmal aus Protest gegen das fortwährende Anwachsen der Komplikationen im Leben komplett offline verreisen, nur mit Notizbuch. Eine Postkarte pro Woche schreiben. Erinnern Sie sich noch an den Geschmack von Briefmarken? Meine Güte, was einem so einfällt.

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Ich bin so dumm, du bist so dumm

Auf dem Weg zur Arbeit warte ich am Donnerstag im Hauptbahnhof auf eine S-Bahn, während neben mir eine Frau in einem klassischen Business-Outfit mit einer Banane telefoniert, also angeregt in die Frucht hineinspricht, aus der wohl auch zumindest für sie hörbare Antworten kommen, wie es aussieht. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen geht es um ernste Themen. Das ist einerseits normal verrückt, wie es in einer Millionenstadt eben zugeht, hier laufen sie ja alle frei herum und machen seltsame Dinge, aber andererseits ist es nicht mehr so interessant wie früher, weil es am Ende wieder nur irgendein blöder Prank einer schwachsinnigen Show ist. Man kann also gar nicht in Frieden hinsehen und sich heimlich amüsieren, man muss immer die Befürchtung haben, damit irgendwie reinzufallen oder später mit einem dämlich gaffenden Gesichtsausdruck auf Tiktok zu landen. Ich ignoriere die Dame also standhaft, die fortwährend neben mir mit der Banane telefoniert. Das sind so die Aufgaben, die einem die Außenwelt schon vor 8 Uhr zumutet. Es ist nicht immer leicht, aber dies war immerhin noch zu bewältigen.

Dann Arbeit, Arbeit, Arbeit. Und so verging meine Zeit, die auf Erden mir gegeben war. Ab und zu denke ich das, und schön ist das ja nicht.

Ich habe im weiteren Verlauf des Tages ausreichend Grund, mir über die Dummheit anderer Menschen Gedanken zu machen, was ich immer interessant finde, da ich mich auch nicht für besonders schlau halte, ich sympathisiere da sozusagen zunächst reflexmäßig. Aber ich habe doch manchmal Anlass zu denken, und das darf ich vielleicht insgeheim erfreulich finden, dass ich auch erwiesenermaßen nicht der allerdümmste Mensch auf Erden bin, es gibt schon noch Steigerungen. Das ist auf der einen Seite etwas erleichternd, es ist andererseits aber leider meist betrüblich, da ich das in der Regel nur anhand von Sätzen oder Handlungen anderer feststelle, die mich irgendwie beeinträchtigen. Und das wiederum ist ein wenig schade, denn ein anlasslos gutes Gefühl für das eigene Denkvermögen ohne vorhergehende Vergleiche wäre vielleicht doch erstrebenswerter.

Aber am Ende ist auch das, ich kenne das schon, nichts als ein dummer Gedanke.

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Was so bleiben soll

Der Mittwoch war dann ein einziges Desaster, da gibt es nichts zu beschönigen. Und zwar war es aus Gründen, die darzulegen rauchende Wut mir nicht nahezulegen scheint, ein Desaster durchgehend vom Morgen bis Mitternacht und womöglich auch danach noch, aber da habe ich dann geschlafen. Dafür immerhin dankbar sein, ich kann schlafen. Fast nie habe ich damit irgendwelche Probleme, wie sie so viele andere Menschen dauernd haben, ich sehe das dermaßen oft in den Timelines, all die Schlaflosigkeiten in the wee small hours, in denen ich meist schon wieder aufstehe. Aber gut, man kann auch nicht jedes Problem mitnehmen in nur einem Leben.

Meine Wetter-App hat ein neues Design, wie ich am Donnerstagmorgen äußerst unwillig feststelle, denn ich gehöre mittlerweile zu den Personen, die auf Updates in der Regel gut verzichten können, wenn sie keine signifikanten Funktionsverbesserungen mit sich bringen. Designänderungen finde ich stark überschätzt, das liegt natürlich an meinem Jahrgang und ist der Lauf der Welt, man wird immer konservativer in Kleinigkeiten, langsamer in der Anpassung auch, und viele Dinge und Prozesse sollen allmählich bitte so bleiben, wie sie sind, denn ich sah, es war gut. Aber auch hier gilt, das kann man selbstverständlich anders sehen, etwa wenn man Mediendesignerin ist und beruflich irgendwie tätig sein möchte. Ich verstehe das.

Wo war ich. In dieser App sehe ich jedenfalls auf einmal Werbung, im Moment für eine neue Seite des Landes Schleswig-Holstein, sie heißt „Wasserstark“, und es geht dabei wieder um die Selbstverständlichkeit des Klimawandels. Da finden sich nämlich Informationen zu Binnenhochwasser (auf Eiderstedt z.B. ein Problem), Starkregen und Sturmflut, das Land hält sich und die Einwohnerinnen für „wasserstark“, wenn sie damit souverän umgehen können. Der Klimawandel greift jetzt also auch die Sprache an, man muss wirklich mit allem rechnen. Meldung aus den potenziellen Sturmflutgebieten künftig stets „mit wasserstarken Grüßen!“ beenden.

Zur nächsten Hitzewelle und Dürreperiode sehen wir dann vermutlich etwas mit „sonnensuper“ oder „trockentoll“, vielleicht ist es bereits in Vorbereitung.

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Bei der Kaltmamsell lese ich am Donnerstagmorgen, dass Heather Armstrong gestorben ist, Dooce, und wenn Sie schon ziemlich lange Blogs lesen oder schreiben oder auch nur ab und zu die Szene verfolgen, dann wissen Sie vermutlich, wer das war. Es trifft mich etwas mehr, als es mir an einem turbulenten Werktagsmorgen recht sein kann, aber es ist, wie es ist. Hier die CNN-Meldung dazu, ich habe im Moment keine Zeit, den besten Artikel zu suchen. Ich sehe auf den ersten Blick keine längere Meldung in einem deutschen Medium zu diesem Tod, jedenfalls in keinem seriös sein wollenden, und das spricht auch wieder Bände.

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Unlösbarkeiten und Möglichkeiten

Am Montagabend koche ich für die Jungs. Ich koche etwas, das ich schon tausendmal gekocht habe, es ist flotte Familienroutineküche, es ist alles wie immer. Der eine Sohn sagt, das sei besser als je, der andere Sohn fragt, wieso es denn heute nach gar nichts schmecke. Was lernt man als Koch daraus? Einfach weitermachen. Wie immer.

Der Dienstag wird von der ersten bis zur letzten Stunde zerrissen und zerfetzt zwischen übermäßig viel Arbeit, die auch noch ungewöhnlich viel Konzentration und stundenlanges Telefonieren verlangt, Haushalt, Trauerfallfragen, Schulproblemen bei einem Sohn, Versorgung meiner Mutter und administrativem Geraffel. Ich glaube, es war schönes Wetter währenddessen, aber ich habe nicht richtig aufgepasst. Unklar erinnere ich mich an gut besuchte Außengastro, doch, da war was, ich sah es im Vorübergehen.

Späteres Beruhigungsbügeln. Jedem seine Strategie, ne. Man muss Polohemden nicht bügeln, wirklich nicht, aber man kann eben. Kurze Arbeit, klare Ergebnisse, schöne Sache. Ich verstehe nicht, wie Menschen das nicht mögen können, aber diejenigen, die das nicht mögen, verstehen mich ja auch nicht, es ist im Grunde ein ausgeglichenes Verhältnis.

Einen Sonntagszeitungstext habe ich am frühen Morgen immerhin pünktlich abgeschickt und mir hinterher selber dazu gratuliert. Auch mal nett zu sich sein! Damit habe ich es sonst nicht so, aber man will ja lernfähig bleiben, man muss es wohl auch.

Abends habe ich lange mit der Herzdame im Heimatdorf telefoniert. Wir haben die Probleme dort und hier addiert und geteilt, Unlösbarkeiten, Möglichkeiten und, wie sagt man so unschön, Timeslots erwogen.

Und immerhin im Bett dann noch einige Seiten im Keyserling gelesen, „Abendliche Häuser“. Wieviel Zeit die Figuren damals nicht gefüllt haben, es fällt mir jetzt besonders auf. Die saßen einfach in Räumen und waren, während es draußen in den weiten Wäldern vor den Gutshäusern langsam dunkel oder Winter wurde, nur da. Unsere Tiktokstakkatogedankenwelt ist weit, weit davon entfernt. Ich selbst bin ebenfalls gerade weit entfernt davon, wie Sie vermutlich gemerkt haben, und ich freue mich, wenn es wieder anders wird. Gerne auch schon vor dem Winter.

Aber man nimmt, was man kriegen kann.

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Im Bild Hammerbrook, wieder die S-Bahnstation am Morgen. Da ist man doch gleich beim Anblick schon auf 180, es passt alles.

Die rote Metalleinfassung der Station Hammerbrook, in gelb groß aufgesprüht: 180

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Zwischen allem

Sonntag. In Hamburg sitzt bei unserer Ankunft die Krähe schon auf dem Balkongeländer. Schwarze Bitternis um den Schnabel, sie hat seit drei Tagen keine Erdnüsse mehr von uns bekommen. Zustände! Die Wohnung ist so kalt, dass man noch heizen könnte, oder zumindest fast, es ist knapp und man könnte sich vielleicht auch einmal zusammenreißen, und dann steht man mitten im Raum und fühlt so herum, denkt über Zweitpullover nach und weiß nicht recht und merkt, man steht genau zwischen allem, sogar zwischen den Jahreszeiten. Draußen noch ein Sonnenstrahl, in dem ist es sicher warm. Auf der Straße Menschen in T-Shirts, andere aber noch in Winterjacken, es fällt alles gemischt aus. Im Wetterbericht sehe ich immerhin durchgehend mehr als 12 Grad, sogar zu den Eisheiligen. Nie kann ich mir alle Namen merken: Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius, und dann kommt die kalte Sophie und macht alles hie, so war das. Aber in diesem Jahr macht sie es bei halbwegs freundlichen 15 Grad, wenn die Vorhersage denn stimmt. Auf dem Balkon stehen noch die Tomaten und auch die Hokkaiden, die müssten allmählich in den Garten. Aber wann.

Montag. Am frühen Morgen schon einmal überlegen, wie ich heute den ÖPNV in den Tag einbauen kann, so ist das mit der Sucht. Aber ich habe es im Griff, ich brauche nur wenige Stationen am Tag. Alles unter Kontrolle. Ein Sohn hat einen Termin in einem anderen Stadtteil, ich setze ihn sicherheitshalber noch in die richtige U-Bahn. Früher hätte ich, das ist eine drollige Hamburger Besonderheit, wenn ich alles korrekt hätte machen wollen, dafür eine Bahnsteigkarte kaufen müssen. Wir werden das irgendwann rückblickend dermaßen absurd finden.

Ich sortiere Termine und Zeiten, mir scheint, es will heute nicht alles in einen Tag passen und gegen sechzehn Uhr muss ich zwingend an zwei Orten gleichzeitig sein, während am dritten Ort ein wichtiges Paket ankommen wird. Das wird doch wieder mit der Physik schwierig, ich kenne das schon. Ich verfluche den Onlinehandel, ich starre den Kalender an, ich möchte das alles lieber nicht.

Aber die Frisur sitzt, immer auch das Positive wahrnehmen. Und damit dann in den Tag, in die Woche, in den Alltag, mit allem und scharf.

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Update am Montagabend: Es war dann vehement Alltag, oder eher schon ein Alltagskonzentrat, enorm viel in wenigen Stunden. Ein Montag wie eine Fahrt durch einen Tunnel mit schlechter Beleuchtung und Staugefahr, nach einiger Zeit merkt man, dass die angespannte Konzentration einen fertig macht. Direkt danach fuhr ich vom Schreibtisch in den Garten. Ich hatte zwar keine Zeit und keine Transportmöglichkeit für die Tomaten, habe dort aber immerhin den Rasen gemäht. Es passte nur in genau diese eine Stunde und ja, ich war der Irre, der womöglich etwas overdressed gemäht hat. Danach saßen Anzug und Frisur dann nicht mehr so gut, aber der Rasen hat jetzt die Halme schön und der Punkt ist für die nächste Zeit geregelt.

Nun. Diese Woche geht auch vorbei.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 9.5.2023

Ich habe für das Goethe-Institut wieder etwas über alles geschrieben. Topaktuelle Themen, Tiere, Sensationen.

Die Lieblingsgedichte der Deutschen. Kann man ja mal gucken, was man kennt. Aber nur eines von der Kaléko – ich weiß ja nicht.

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Über Technologie-Realismus

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Über Mastodon und Bluesky

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Über Artifact, auch interessant. Man kann sich (als angemeldeter User) Artikel in drei Punkte zusammenfassen lassen, oder auch kindgerecht, auch als Gedicht, auch in Emojis, bitte was. Es ist beides, es ist gut gemacht und es ist gruselig, denn wenn man sich jeden Text gut zusammenfassen lassen kann, wer braucht dann noch eine Langfassung, wozu schreibt man dann noch eine Langfassung – man verliert alle textliche Tiefe auf diese Art. Manchmal war sie in der Vergangenheit sicher unnütz, manchmal war sie jede Zeile wert. Schwierig.

Aber man kann die App jedenfalls ohne Anmeldung nutzen, das ist mal lobenswert. Tiktok für Texte, so wurde es in einer anderen Quelle beschrieben. Allerdings nur für englischsprachige Texte. Aber was heißt da „nur“.

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Hier wieder seltsame Bräuche auf dem Land im Süden, die mir völlig unbekannt sind, etwa das Umräumen fremder Besitztümer zum 1. Mai. Was es alles gibt!

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Fundstücke aus den Literaturblogs

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Ich lese mit Staunen über den Aufwand bei einer Konfirmation. Ein Thema, von dem ich keine Ahnung habe, ich war nie auf einer und habe keine je erlebt. Das soll keine Abwertung der Angelegenheit sein, ich stelle nur fest, für mich fällt das auch unter unbekannte Bräuche. Es hat sich so ergeben. Hier noch die Fortsetzung.

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Frau Büüsker über die Kohle im Osten.

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Das leidige FDP-Thema, man wird es einfach nicht los.

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Heiko war im Krematorium. Als Gast bei einer Führung.

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Nils Minkmar über das Konservative, ich mag die Formulierung „Theater der Abgrenzung“, das ist sehr treffend.

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Und der Überblick zu den Ukraine-Nachrichten.

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