Stollen und Spekulantien

Beim Bäcker gibt es jetzt auch wieder Stollen und Spekulantien, noch in kleiner Menge allerdings, das ist der letzte Rest an Zurückhaltung. Im Discounter stapelweise Dosen mit Weihnachtsbier und die kleinen Tetrapacks mit den Festtagssaucen, da kommt allmählich Stimmung auf, doch, doch.

8 Grad sind es am Morgen, das geht schon fast als kalt durch. Auf dem Spielplatz am Vormittag eine Mutter, die ihrem schneeanzugtragenden Kind im Strampelalter eine sicher genau für diesen Zweck hergestellte und gewiss auch aufwändig auf Instagram oder Tiktok beworbene Outdoor-Deckenunterlage ausbreitet, vermutlich batteriebeheizt und gepolstert, so dass das Kind dann zappelnd in der Sandkiste liegt, ohne den Sand zu berühren. Man wundert sich über nichts mehr, aber das ist am Ende nur wieder der mühsam verdrängte Neid, denn wir hatten ja nichts. Menschen meiner Generation haben damals auf dem Spielplatz, wenn wir überhaupt je auf einem waren, noch direkt im nassen, kalten Sand gelegen, wie die Kegelrobbenbabys auf der Helgoländer Düne. Primitiv und rustikal.

Apropos Werbung und Instagram. Mir wird in diesen Tagen wiederholt eine Anzeige für etwas gezeigt, das nicht ganz korrekt übersetzt als „gewichtetes Kuscheltier“ beschrieben wird. Gemeint ist damit ein Stofftier mit erheblichem Zusatzgewicht, welches als beruhigend empfunden werden mag, so die Annahme. Das kennt man von den Therapie- oder Gewichtsdecken, so eine haben wir hier sogar und sie hat auch durchaus etwas. Es gibt Tage, da finde ich die gut, da finden wir die vielleicht auch alle ganz gut, und dann streiten wir uns darum, was den intendierten Effekt allerdings etwas aufhebt. Aber ein Stofftier, ich weiß ja nicht.

Andererseits – nicht immer so negativ an alles rangehen. Ich stelle mir vor, ich habe ein riesiges Stofftier mit starkem Übergewicht. Ich stelle mir vor, ich liege unter, was weiß ich, 50 Kilo Plüsch und muss deswegen konsequent alles verneinen, ablehnen und ignorieren. Ich kann leider nichts machen, nicht teilnehmen, nichts übernehmen, Sie sehen ja, das Plüschproblem, so sorry, ich komme nicht weg. Ich kann hier im Moment einfach nur liegen, schade. Vielleicht sollte man das als möglichen Ausweg betrachten. Vielleicht sollte man viel mehr als möglichen Ausweg betrachten.

***

Wir fahren in den Garten und stellen das Wasser ab. Im Wetterbericht steht etwas von Temperaturen um zwei Grad in den nächsten Nächten, da kann es vielleicht Frost geben, dann würde die Leitung einfrieren. Denn im Schrebergarten gilt: Wasser nur am Haus, nicht im Haus, die Leitungen liegen also frei draußen herum und müssen jetzt leer sein, sonst platzen Rohre und Schläuche. Im März oder April stellen wir das Wasser wieder an, das sind die beiden großen Wendepunkte im Gartenjahr. Ab März gibt es Kaffee im Garten, nach dem Abstellen im Herbst gibt es keinen mehr. So spät wie in diesem Jahr haben wir sicher noch nie abgestellt.

Ich gehe zu Fuß ins kleine Bahnhofsviertel zurück, das ist ein Weg von einer Stunde. Die Sonne kommt gegen Mittag durch, es ist ein strahlender, mit Aufwand kolorierter Oktobertag. Manche Bäume stehen in sensationeller Schönheit, ein jähes Aufleuchten der Farben, das große Blätterbuntdrama vor Tiefblau, Deko-Orgien in unwirklicher Plastizität, Knallerkulissen, Postkartenherbst. Sogar neben den großen Straßen ist es schön, sogar im Straßenbegleitgrün, das jetzt Straßenbegleitgold ist, findet man hier und da hinreißende Arrangements. Alles ist sehr schön, aber Regen wäre mir doch lieber, denke ich. November wäre mir lieber. November steht doch im Kalender, und ich habe es so mit der Pünktlichkeit, mit der Ordnung auch. Mir wird warm beim Gehen, ich habe wieder zu viel an.

***

Gesehen, und zwar gerne gesehen: Diese Doku über die Sturmhöhe.


***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Die Früchte des Feuerdorns

Ich höre Adalbert Stifter, „Eisregen“, das sind ganze 24 Minuten über das Wetter. Nicht immer alles nur mit einem lapidaren Satz abtun, ruhig auch mal genauer werden, erschöpfend genau. Einen Text in Ruhe reifen lassen. Das kann man von Stifter lernen, also wenn man das denn möchte. Eisregen. Mehr passiert da nicht. Bäume fallen um, das immerhin. Gut, das ist ein Text aus einem Jahrhundert, in dem gab es noch wechselnde Jahreszeiten, die Älteren erinnern sich, aber das können wir uns heute kaum noch vorstellen, da gab es mehr zu beobachten. Wir haben keine vier Jahreszeiten mehr, wir haben 12 Grad, als etwa halbjährige Konstante, und der Rest ist dann heiß. 12 Grad oder 32 Grad, das ist jetzt so die Auswahl. Eine Verbesserung ist das sicher nicht.

Genauer hinsehen, denke ich, und gehe einkaufen. Aber wie ist es denn? Es ist hellgrau, es ist Stadttaubenuntergefiedergrau. Es ist bewölkt, es gibt keinen Regen, es gibt keine Sonne, es gibt gar nichts. Es ist nicht hell, es ist nicht dunkel. Es sind 12 Grad, es sind 13 Grad, das sind so die Schwankungen im Laufe des Tages, mehr passiert eigentlich nicht. Die Menschen tragen unentschlossene Garderobe. 12 Grad sind weder kalt noch warm, 12 Grad tun nicht weh und machen auch keinen Spaß, 12 Grad sind irgendwie geht so, sind ereignislos, langweilig, öde, sind November, Dezember, Januar, Februar, März. Am hausmeisterfreundlichen Feuerdorngestrüpp neben den Müllcontainerverschlägen vor den Wohnblöcken die orangefarbenen Früchte, die kein Vogel will, mit etwas Fantasie leuchten die Kügelchen sogar ein wenig im Grau des frühen Nachmittags, das ist der Herbst, der Herbst in der Großstadt. Das muss man dann schön finden, mangels Alternativen. In einem Innenhof eine einsame Eberesche, daran hängen die roten Früchte, und das also ist die Abwechslung. Natur, so vielseitig. Im Lidl liegen jetzt schon die ersten weihnachtlich anmutenden Gestecke, irgendwas mit rotgrüner Deko und Nadelgezweig. Vogelfutter daneben, in Spendern für den Balkon, Tannenzapfenformen aus Plastik, wie traurig ist das denn.

Im Blumenladen verkaufen sie ein dürres, knappkurzes Zweiglein Ilex für 4,90, was sind das für Preise. Ein Büschel Lavendel daneben ist noch teurer, 7 Euro wollen sie dafür haben, dafür riecht es aber auch nach Sommer.

In der Fußgängerzone hat ein Bettler eine weihnachtlich anmutende Lichterkette um sein Blechschüsselchen gewunden, darinnen ganze 60 Cent liegen. Demnächst dann auch wieder die Weihnachtsmärkte in der Innenstadt, dann hat der arme Mann da aber nicht mehr zu sitzen. Dann gibt es da Schmalzkuchen oder Wurst oder Glühwein, wo er jetzt noch sitzt und leise nach Kleingeld fragt. Wir schreiten voran.

Arbeiter montieren gerade auf einer Hebebühne an der Weihnachtsbeleuchtung oben über dem Boulevard. Ich mache ein Foto davon und schicke es einer Freundin, mit der ich das Ritual habe, dass wir uns lästernd über diese ausgesprochen unschöne Lichterdeko austauschen. Im November schreiben wir uns, dass sie schon wieder hängt, im März schreiben wir uns dann, dass sie immer noch hängt. Der Mensch braucht seine Traditionen, wie die Stadt im Winter die Weihnachtsbeleuchtung braucht. Die in diesem Jahr allerdings erstmals nachts abgeschaltet werden wird, das ist die Energiekrise. Um 22 Uhr ist Schluss mit dem ganzen Zauber.

Aber das ist mir egal, da schlafe ich meistens schon. Da träume ich schon, vielleicht von Jahreszeiten und von damals.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Schuschu

Ich sehe irgendwo ein Video, auf dem die unscharf-schwarzweißen Aufnahmen einer Nachtkamera zeigen, wie ein Kojote und ein Dachs gemeinsam durch eine Tunnelröhre spazierengehen. Auf Tiktok lerne ich außerdem bei der immer interessanten und außerdem ein so herrlich präzises Englisch sprechenden Astrid Lundberg, dass es in der Wildnis vereinzelt Freundschaften zwischen Gorillas und Schimpansen gibt, die es nach Lehrbuch gar nicht geben dürfte. Es wurde beobachtet, dass sich junge Schimpansen beim gemeinsamen Herumtollen im Wald manchmal auf die Brust trommeln, also Gorilla spielen. Das waren dann so die Nettigkeiten in dieser Woche. Okay. Der Rest – kann eher weg.

Irgendwer in meinen Timelines schreibt am frühen Morgen immerhin noch, dass er den Tag mit Schumann beginne, also am Klavier, eigenhändig. Tee dazu. Wie angenehm bildungsbürgerlich entspannt klingt das denn, denke ich. Ich mache mir eine Schumann-Playlist an. Wenn ich schon nicht Klavier spielen kann, zuhören kann ich doch. Mit Kaffee, aber egal. Auch mal den kleinen Inspirationen folgen, auch mal abbiegen ins Unterholz der zahllosen Hinweise um mich herum. Klaviermusik zur Arbeit. Warum auch nicht.

Romantische Musik, Musik aus der Romantik. Vor dem Fenster dabei zum Arbeitsbeginn noch die Reste eines weiß verblassenden Vollmondes, ich sehe es, als ich prüfend hinausblicke, ob die Welt überhaupt noch da ist. Sollte man im Home-Office ab und zu machen. Zwei Tage ist der volle Mond nur überaltert, fast ist er noch gültig, gut sieht er aus. Wolkenfetzen wehen bilderbuchmäßig unter ihm her, graurosa eingefärbt. Schnell sind sie, sturmschnell fast, sie ziehen nach Osten, rüber ins Mecklenburgische und zum nächsten Meer, gute Reise. Schumann ist sehr schön und passt hervorragend zu diesem Mondbild. Was auch immer ich da genau höre, es würde mir ja eh nichts sagen, wenn ich den Titel nachsehen würde. Mache ich aber dennoch, eh klar. Es ist gar nicht Schumann, guck an, es ist Schubert, was macht Spotify da wieder, das Elend der Algorithmen. Schubert, Schumann, Hauptsache Gefühl, ne, Hauptsache Schu vorne im Namen.

SchuSchu, das macht man bei kleinen Kindern zum Einschlafen, oder wenn alles wieder gut sein soll. Nach einem kleinen Unfall etwa, das Knie etwas aufgeschürft, SchuSchu, ganz ruhig, mein Kind, komm mal auf den Arm. Wir spielen Schumann, wir spielen Schubert, dann geht es gleich wieder.

Ich lese Schumanns Lebenslauf nach, immer bildungsbeflissen bleiben. Machen Sie das nicht, wenn Sie eh schon unfroh sind, es ist wieder so eine verheerende Geschichte. Doch lieber nichts mehr nachlesen. Nur noch Hören. Schuschu.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 9.11.2022

Ich habe für das Goethe-Institut etwas über die Herbststimmung geschrieben und kann es daher schaffen, dass diese Linksammlung diesmal nicht monothematisch ist. Ha!

Und apropos Texte von mir, wenn Sie im Kulturbereich arbeiten, vielleicht sogar mit Museen zu tun haben – es gibt hier ein neues Buch über das Museum in Zeiten der Pandemie. Ich habe eine Art Nachwort dazu geschrieben, ein allerdings betont museumsunpädagogischer Text ist es geworden.

***

Frau Novemberregen träumt von einem Podcastzimmer, was ich deswegen interessant finde, weil ich fast noch nie von irgendeiner technischen Neuerung nach 2007 geträumt habe. Ich verbleibe nachts also stets in der Zeit vor den Smartphones, es gibt in meinen Nächten erstaunlich zuverlässig keine Handynutzung, keine sozialen Medien, keine Blogs, keine News-Feeds, nichts dergleichen. Ich erinnere mich an nur eine Ausnahme, da ging es um eine Foto-App, ich habe im Traum viele, viele Schwarzweißbilder bearbeitet. Warum auch immer es die digitale Moderne nicht oder kaum als Traumbild gibt, unmittelbar einleuchtend kommt es mir nicht vor, ich lebe doch recht intensiv und stundenfüllend mit all dem Zeug. Aber ich habe einmal irgendwo gelesen, dass Handys etc. bei vielen Menschen in den Träumen fast kategorisch nicht vorkommen. Vielleicht waren da nur Menschen ab einem gewissen Alter gemeint, in meinem Alter gemeint, das weiß ich nicht mehr.

Ich fahre dafür nachts so dermaßen oft U- oder S- Bahn, während ich schlafe – warum eigentlich. Da auch mal drüber nachdenken.

***

Dann aber doch wieder das Hauptthema, versteht sich, wir sind nicht durch damit, lange nicht, die Retrospektive etwa dauert sicher noch etwas, das will alles verwunden sein. Meike über Twitter und Mastodon. „Wenn jemand bei Twitter etwas Dummes, Geschmackloses oder Fieses sagte, war das nicht mehr eine private Person, die bei Twitter etwas sagt, sondern sie wurde behandelt wie ein Medium. Als ob ihre Äußerung in einer großen überregionalen Tageszeitung oder im Fernsehen erschienen wäre. Quelle: Twitter.

Ansonsten war gestern ein schlechter, ein sehr schlechter Tag, also schon im Satirebereich schlecht sogar, mit erheblichen Zweifeln am Drehbuch schon ab dem Vormittag, und ich habe wieder gemerkt, wie wohltuend es sein kann, wenn man seine ewige WG-Küche in der App dabeihat, kurz reinschalten und etwas Smalltalk mit denselben Leuten wie immer betreiben kann. Man spricht so gerne über die toxischen Effekte von Twitter etc., die es zweifellos auch gibt, aber wie hilfreich diese so lapidar daherkommende soziale Rückversicherung auf Klick manchmal sein kann, das muss man schon auch sehen.

Und sonst:

Ich: „Mastodon sagt dir vermutlich gar nichts, oder?“

Sohn II: „Was ist das denn, das klingt eklig, hast du damit etwas zu tun?“

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Urban Theatre

Sonntag/Montag. Bei der Wiederankunft aus dem ländlichen Heimatdorf der Herzdame sitzt eine ältere Frau vor unserer Haustür, die mehrere OP-Masken quer über dem Gesicht trägt, wie ungeschickt bandagiert, dazu hat sie eine spiegelnde, schief sitzende Sonnenbrille auf, einen nach hinten gerutschtem Hut und einen Alkoholrausch hat sie, von dem Sie und ich uns vermutlich wochenlang erholen müssten. Sie starrt uns leer an, auch im Sitzen leicht schwankend. Später sehe ich sie mühsam weitergehen, sie braucht für jeden Schritt minutenlang. Ich gehe noch einmal einkaufen, was dank unserer Wohnlage problemlos auch am Sonntag geht, was einfach immer geht. Im Hauptbahnhof kommt mir ein Mann entgegen, der einen weißen Bauarbeiterhelm trägt, auf den er bunte Blinklichter montiert hat. Er hat einen langen Stock in der Hand und deutet damit auf Dinge im U-Bahn-Tunnel, die nur er sieht, auf Wesen vielleicht, wer weiß. Weit aufgerissene Augen, irgendetwas murmelnd, Warnungen womöglich. Man schüttelt den Kopf über solche Leute und am Ende haben Sie doch wieder Recht gehabt, das ist bekannt aus Büchern und Filmen.

Es folgt aber alles einer seltsamen Regel: Wenn wir in die Großstadt zurückkommen, dann ist hier immer gleich Vorführung, Urban Theatre. Betont schräge Figuren treten auf, grässliche Kulissen werden gezeigt, die Ecken sind zuverlässig vollgekotzt, angepinkelt, vermüllt, und aus der Requisite werden schnell noch die leeren, verbeulten Bierdosen geholt, die dann im Wind vor unserem Haus in sinnlosen Halbkreisen herumrollen, die fast leeren Rumflaschen auch, und die zertretenen Billigflachmänner werden flächig ausgestreut, so dass es schön knirscht beim Gehen. Irgendwo weht eine leere Plastiktüte vorbei und im Script steht also vermutlich fettgedruckt: Großstadtambiente. Polizeisirenen von den Straßen unten an der Alster. Vom Bahnhof her ein wie zufällig eingestreutes Zugbremsgeräusch und wirre Fetzen einer unverständlichen Durchsage, Westwind also.

Unsere Wohnung ist kalt, eiskalt, als wir aufschließen und die Koffer abstellen. Das allerdings liegt nur daran, dass das Elternhaus im Dorf so überaus mollig kaminwarm war, da haben wir uns jetzt unsere Kältetoleranz dummerweise in nur zwei Tagen zerschossen und müssen etwas überlegen, ob wir noch einen Abend ohne Heizung schaffen, noch einen Morgen, wieviel überhaupt noch. 18 Grad im Zimmer sind doch zu wenig, wenn man nicht gerade im Bett liegt.

Ich sitze auf dem Sofa und überlege, wie kalt mir wirklich ist. Fragen, die man sich früher nicht gestellt hat.

Am Montag die Arbeit, was sonst. Ich mache Dinge, die ich jedes Jahr mache, die mit dem Jahresende zu tun haben. Es sind im Grunde festgefügte Rituale, the same procedures. Mit diesen Ritualen fängt das Ende an, neigt sich alles, kippt, gerät ins Rutschen und ehe man recht darüber nachdenken konnte, ist Weihnachten, ist Silvester, ist Jahresendurlaub, es ist immer so. Es sind also Handlungen, an die ich Erinnerungen aus etlichen Jahren habe, es sind Handlungen, bei denen ich das Setting im Kopf habe, die zugehörige Stimmung, die Gefühlslage, alles. Und ich kann mit großer Sicherheit sagen, dass ich mich dabei noch nie so wenig winterlich oder auch nur spätherbstlich gefühlt habe. Ich mache, was ich immer mache, es fühlt sich aber durchgehend falsch an. So falsch sogar, dass ich mit einem Kollegen darüber spreche. „Das kann doch alles nicht sein“, sagen wir übereinstimmend. Es ist aber so.

Im anderen Beruf lese ich eine Mail, in der es um einen Termin am 4.12. geht. Da ist dann auch gleich Nikolaus, denke ich. Es geht in einer anderen Mail auch noch um eine Lesung am 12.12., das ist schon Mitte Dezember, denke ich, na, fast. Da geht es um Weihnachtstexte, es fällt das Wort besinnlich, und zwar gänzlich unironisch.

Das Jahr ist gleich vorbei und letzten Sontag noch war es in der Nachmittagssonne heiß auf dem Balkon, es war T-Shirt-Wetter. Wir leben in merkwürdigen Zeiten, wir haben ein merkwürdiges Jahr, und das Wort merkwürdig ist dabei noch viel zu nett, ich weiß.

Peter Glaser teilte auf jener obskuren Social-Media-Plattform, auf der wir gerade neulich noch alle waren, dieses Video von Leonard Cohen. Es ist ein fortgeschritten liebenswerter, überaus sympathischer Live-Auftritt, in dem er zum Schluss eine Antwort auf große, auf ganz große Fragen gibt. Es ist eine Antwort, die wir jetzt brauchen.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 7.11.2022

Pardon, noch einmal monothematisch. Mela über das Wanken von Twitter und was es für Schreibende, Kreative etc. bedeuten kann. Sehr interessante Überlegungen. Man wird zwischendurch aber auch schwer nostalgisch, also wenn man damals dabei war jedenfalls, da muss man eben durch. Oma und Opa erzählen vom Krieg, die Onlineversion.

Und Nicole Diekmann, die mit Mastodon nicht unerheblich fremdelt, zu allem. Ich habe dieses Fremdeln nicht, was ich nicht als Wertung meine, es fällt ja höchst verschieden aus. Meine Online-WG ist mit mir umgezogen und in der neuen Bude seltsam besser gelaunt als in der alten, eine Zynismus-Schicht weniger, das ist auch mal nett. Solange es eben hält, ich mache mir da keine Illusionen. Es gibt da zumindest jetzt gerade erheblich mehr und freundlichere Interaktionen, eine etwas niedliche Aufregung über Dazukommende auch, der Zauber der Anfangsphase. Ich mag das. Zumindest wenn ich mir, siehe Mela oben, alle beruflichen Aspekte der Betrachtung verkneife. Und wenn ich nicht an die Listen denke, dich mir bei Twitter eingerichtet habe, meine Nachrichtenzentralen. Die werden doch erst einmal fehlen.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

So viel Gegend, so viel Stille

Nordostwestfalen am Sonntagmorgen. Ich bin seit zwei Stunden wach im Heimatdorf der Herzdame und sitze mehr oder weniger erfolgreich sinnend und schreibend am Computer, während es draußen langsam hell wird. Es kam bisher kein einziges Auto am Haus vorbei. So viel Gegend, so viel Stille, so wenig Mensch. Auch mal schön, sehr schön sogar. Für mich müsste das im Moment öfter so sein. Öfter und wesentlich länger. Ich muss nachher aber schon wieder zurück nach Hamburg, ins Gedränge und Geschiebe, in den Lärm und in die Unruhe, zwischen die Termine. Schier unerreichbar ist die Stille für mich, leider.

Ich habe, apropos Stille, eine Marktlücke entdeckt, allerdings ist so verschroben, ich denke nicht, dass sie jemals geschlossen werden wird. Und zwar habe ich mir, dank der stets kategorisch unverstandenen, immer aber heiß geliebten VG Wort und ihrer segensreichen Oktoberauszahlung, endlich Noise-Cancelling-Kopfhörer gekauft, was seit Jahren überfällig war, denn ich werde immer geräuschempfindlicher. Und obwohl es nur solche aus der unteren Preiskategorie waren, weil die Sparsamkeit angesichts der Weltkrisenlage doch stark in mir ist, funktionieren sie verblüffend gut. Vielleicht gefallen sie mir auch nur, weil ich so geringe Ansprüche habe, das mag sein, ich bin kein Sound-Fetischist. Also für mich funktionieren sie jedenfalls, andere würden gewiss an den Bässen herummäkeln, weil man das bei neuen Kopfhörern immer macht, zumindest den elaborierten Online-Rezensionen nach zu urteilen, an irgendwelchen obskuren Restgeräuschen auch, an der Bedienbarkeit der zugehörigen App etc. – ich aber muss gar nicht meckern. Ich setze die auf und freue mich, weil ich sie habe, weil sie neu sind und besonders auch, weil ich sie mir erschrieben habe.

Aber, und hier kommt ein drolliges Problem, ich höre mich damit nicht mehr tippen. Das ist sehr schräg, denn da fehlt mir etwas Elementares beim Schreiben, was für das Handwerk doch selbstverständlich ist. Immer klingt es irgendwie, wenn Text entsteht. Selbst wenn ich mit der Hand schreibe, kratzt da etwas hörbar über das Papier. Aber mit diesen Kopfhörern erscheint einfach geisterhafter Text auf dem Bildschirm, es wirkt ein wenig so, und ich gebe zu, es muss seltsam klingen, als sei ich auf einmal noch weniger als ohnehin schon daran beteiligt.

Ich müsste Kopfhörer haben, jetzt zur erwähnten Marktlücke, die zwar noise-cancelling sind, aber doch und am besten ausschließlich mein Tippgeräusch durchlassen. Das ist schwierig, nehme ich an. Sie dürften das Tippgeräusch meinetwegen auch gerne noch umwandeln, Technik kann doch so etwas mittlerweile, in das Klackern einer mechanischen Schreibmaschine etwa, das ich auch nach Jahrzehnten der Nichtbenutzung immer noch nostalgisch verklärend attraktiv finde. Dieses unvergleichliche *smack*, mit dem man damals einen Buchstaben auf das Papier gesetzt hat – es war doch einfach gut und es wurde danach nicht besser, als sich die Technik weiterentwickelte, schon beim Typenrad wurde damals alles schlechter, also zumindest bezogen auf den Sound der Schreibarbeit.

Ich sitze vor dem Computer, meine Finger machen irgendwelche huschenden Bewegungen, es erscheint lautlos Text auf dem Bildschirm. Gespenstisch sieht das aus.

***

In der Stille sein, und die dann selbstbestimmt klackernd volltippen – das wäre es wohl gerade für mich. Na, man träumt so vor sich hin.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Ach, diese Lücke

Donnerstag. Am späten Nachmittag wird mir bewusst, dass da eine Lücke im Alltag ist, eine ungewöhnlich große Lücke sogar, in der überhaupt nichts Dringendes ist. Das ist verblüffend. Ich gehe dem Umstand in Gedanken sicherheitshalber erst einmal noch eine Weile gründlich nach, denn der Mensch vergisst so vieles und so schnell, am Ende ärgert man sich wieder, wenn man nicht lange und konzentriert genug überlegt hat. Aber da scheint tatsächlich nichts zu sein, abgesehen von zwei, drei Aufgaben, die von geringer Dringlichkeit und außerordentlich abstoßender Schauderhaftigkeit sind, quasi Niveau Grundsteuererklärung, die möchte ich heute gewiss nicht machen, die sind für, nun ja, später. Ich möchte lieber nicht. Buddenbohm, der Schreiber, Sie verstehen schon.

Ich setze mich in einen Sessel und gucke vor mich hin, was sich sofort sensationell bescheuert anfühlt. Und dazu gleich auch die obligatorischen Loriot-Soundfiles im Kopf, „Lies doch was!“ und dergleichen, man kann das ja in meiner Generation alles zuverlässig aufsagen und ehrlich gesagt, so großartig Loriot war, es kann auch die wahre Gedankenpest sein, was er alles für die Ewigkeit geschrieben hat. Für unsere bescheidene Ewigkeit natürlich nur, denn auch Loriot etwa kommt bei den Söhnen nicht mehr an, aber das nur am Rande. Vielleicht kann mich jemand bei Gelegenheit daran erinnern, dass in diesem lapidaren „kommt nicht an“ noch ein großes, ernsthaft zu bearbeitendes Thema liegt, das wäre nett, ich kann mir auch nicht alles merken.

Vor mir das Bücherregal. Menschen, die auf Bücher starren. Lies doch was. Ich will gar nicht lesen, gestehe ich mir zögerlich ein, denn ein wunderlicher Umstand ist es schon. Was macht man denn, wenn man nicht liest? Man schreibt, nur so als Beispiel. Ich will aber auch nicht schreiben. Ich schreibe im Moment eher morgens und veröde danach geistig mit jeder Stunde des Tages etwas mehr. Bis ich geistig vollkommen abgestumpft ins Bett gehe und mich nachts wieder irgendwie auflade, zumindest darin dem Smartphone nicht unähnlich. Lesen und Schreiben, denke ich, manchmal auch blöd, wenn man sonst nichts kann.

Das gilt auch beruflich. Ich kann lesen und schreiben und ein bisschen was mit Zahlen, ich kann auch Ordnung. Ich staune immer, wenn ich mitbekomme, wie flott und selbstbewusst in meinem Umfeld Jobs gewechselt werden, was die alles können, die Leute. Oder meinen zu können, was weiß ich. Ich lese Stellenanzeigen, ich denke, ich sollte womöglich auch mal den Job wechseln, nach 35 Jahren in der gleichen Firma, am Ende ist es Zeit? Ich lese Stellenanzeigen, ich denke, das kann ich ja alles gar nicht. Wie machen die das bloß, und meinen die das wirklich alle ernst, was in diesen Anzeigen und Profilen steht, allein dieses Wording da. Ich müsste ja schon bei der Teamfähigkeit lügen. Ich kann lesen und schreiben, beides sogar ganz gut, meinen zumindest manche, also in aller Bescheidenheit jetzt, aber worauf bewirbt man sich da? Ich traue mir, um einen gerade online kursierenden Witz leicht abzuwandeln, ja nicht einmal ein Impostor-Syndrom zu.

Ich sollte vielleicht nur noch schreiben, immerhin werde ich dafür ab und zu gelobt, sogar von wildfremden Menschen. Gutes Kriterium! Ich sollte also nur noch das als Job verstehen, als Beruf und Aufgabe, aber davon kann man dummerweise eher nicht leben, will mir scheinen. Lesen dito, eh klar.

Es ist gar nicht so erfreulich, über Berufliches nachzudenken, wenn man doch gerade einen seltenen freien Moment gefunden hat, fällt mir ein, das verdirbt ja alles. Wie dumm von mir. Ich nehme mir doch lieber ein Buch, ich lese. Das Buch gefällt mir nicht, da komme ich nicht rein. Ich nehme ein anderes Buch, ich lese. Das Buch gefällt mir auch nicht. Ich finde Lesen doch gar nicht interessant, also zumindest jetzt gerade nicht. Ich lege die Bücher wieder weg, das hat keinen Zweck.

Ich mache das aktuelle Hörbuch an, Effi Briest. Ich finde aber die Stelle nicht, an der ich war, da fehlt bei Spotify nämlich eine elementar wichtige Funktion. Ist man einmal raus, ist man raus. Ich höre mir also zum fünften Mal an, dass der Apotheker Gardenien im Treibhaus hat, ich kann die Stelle bald auswendig und bin einigermaßen genervt. Wie sehen Gardenien eigentlich aus, ich habe keine Ahnung. Ich sehe das nach. Gardenien können „fakultativ laubabwerfend“ sein, so steht es in der Wikipedia, und ich beschließe, mir das zu merken, weil es irgendwie gut klingt, und es später irgendwo zu verwenden. Hiermit erledigt, alles immer gleich abhaken.

Das Hörbuch interessiert mich heute allerdings auch nicht. Tage, an denen nicht einmal Fontane hilft. Schlimm. Ich könnte einfach staubsaugen, fällt mir ein, denn man kann ja immer staubsaugen, wenn man zu viert jeden Tag eine Wohnung vollkrümelt, es wäre auch stündlich sinnvoll. Aber die anderen drei möchten gerade nicht gestört werden, die machen alle irgendwas Wichtiges an Bildschirmen und wirken enorm beschäftigt. Nein, ich werde nicht staubsaugen und mit drei genervten Leuten diskutieren, warum ich wann was mache.

Ich lese einfach Twitter und Mastodon nach. Mastodon ist sehr nett, aber auch sehr schnell gelesen. Twitter ist eine brennende Bude, in der Menschen schreiend im Kreis laufen und Schüsse fallen, zuckendes Blaulicht und Sirenengeheule, es ist wie Unfallgucken und definitiv nicht schön. Es schmerzt auch ein wenig, denn es war ja einmal ein wichtiges Stück Alltag und auch Online-Heimat, aber gut, es wird gerade abgefackelt und wir starren entgeistert auf die Rauchsäule, kopfschüttelnd.

Ich lege das Handy wieder weg. Ich weiß nicht, wie ich sitzen soll, ohne etwas zu tun, auf einmal ist das ganze Konzept Sitzen komisch, ich fühle mich wie ein Schauspieler, der „Sitzen“ im Drehbuch stehen hat. Ja, aber wie? Ich spiele Sitzen, aber nicht gut. Ich lege mich lieber hin, merke aber, dass ich dann sofort einschlafe, und dafür ist es noch zu früh, eine äußerst ungünstige Uhrzeit dafür.

Ich mache mir einen Tee. Will ich denn wirklich Tee? Und an welchen banalen Fragen kann man eigentlich noch scheitern?

Die Lücke schließt sich dann am Ende von selbst, so ist es ja immer. Es gibt wieder etwas zu tun. Mir fällt etwas ein, der Familie fällt etwas ein, das Leben sagt, mach dies, mach das, und das mache ich dann auch pflichtgemäß, was soll man auch machen, man kommt ja zu nix. Lies nicht, schreib nicht, sitz nicht.

Das war im Rückblick eine höchst seltsame Stunde und ich habe nicht zum ersten Mal den starken Verdacht, dass es genau diese Stunden sind, in denen andere Menschen regelmäßig einfach so das machen, was sie Entspannung nennen.

Irgendwann lerne ich es auch noch. Später mal.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Die Bäume und die Räume werden lichter

Graue Werktage bei grauem Wetter, aber zumindest über das Wetter möchte ich mich nicht beschweren, ganz und gar nicht. Ein bisher sehr guter November. Man muss auch mal loben können, das sage ich im Büro auch immer, und dann fällt mir wieder nichts ein. Egal. Ein fast vorbildlicher Anfang des Spätherbstes mit Regen, Kälte und Wind, so gehört das. Endlich wieder ein Monat, der weiß, was sich gehört. So wird er in den Bilderbüchern gelehrt, das ist vorbildliche Traditionswahrung für das konservative Publikum, also für mich. Der November nimmt das Laub und die Außengastro mit sich, die Bäume, die Büsche und die öffentlichen Räume werden jetzt wieder lichter, mehr Durchblick gibt es überall, also zumindest dann, wenn es zwischendurch mal kurz hell wird und man entschlossen zum Lebkuchenkauf durch die Straßen eilt, während sich über den Häusern oben schon wieder alles dunkelgrau auftürmt und gleich die ersten Tropfen fallen.

Ich gehe ins Büro. Es wird nicht hell draußen und alle sagen das auch, guck mal, es wird gar nicht hell draußen. Ja, sage ich, schön ist das, und dann gucken sie wieder so.

Ich kaufe, weil es so gehört, seit immer schon, Mandarinen, die dann ein Sohn aber zuhause nach dieser neuen Methode von Tiktok zerschneidet, aufteilt und serviert. Man entkommt der Moderne nicht. Nirgends. Ich sage, während ich meine Mandarine weiter stoisch wie damals pelle, also wie ein wüst behaarter Steinzeitmensch: „Gegessen haben wir sie früher aber auch!“ Der Sohn sagt: „Ja, aber wie!“ Generationskonflikte, wohin man sieht.

Ich sitze noch einmal im Büro. Ich schreibe eine Mail, in der mischen sich, wie es in vielen Jobs heute üblich ist, die englische und die deutsche Sprache, Jobkauderwelsch. Die Rechtschreibprüfung verwirrt das nachhaltig und sie macht nach langer Zeit mal wieder einen Vorschlag, über den ich mich freuen kann. Ich beende die Mail mit „Danke & Grüße“, das wird rot unterkringelt, der Vorschlag dazu lautet: „Dance & Grace“. Ist das nicht hübsch? Dance and grace am Ende eines Schreibens, einer Mitteilung, mit Tanz und Anmut ab, man möchte fast ein entsprechendes Gif von sich haben und es noch darunter pappen. Diese Formulierung mal behalten, alles damit beenden.

Im englischen Guardian erscheint ein Artikel über Mastodon und Twitter, der Autor beschwert sich da, dass einige Vokabeln auf der neuen Plattform albern seien, so würde man etwa Toot statt Tweet sagen. „Silly-sounding“, so steht es da wörtlich. Ich kann nicht erkennen, meint er das ironisch oder merkt er es wirklich nicht, ich weiß aber, dass es viele in meinen Timelines tatsächlich und ernsthaft nicht bemerkt haben, dass es kein Albernheitsgefälle zwischen Tweet und Toot gibt, aber es ist auch egal. Dance and grace and tweet and toot, das klingt wie ein Hit aus einem Disney-Musical, fast möchte man beschwingt in den Tag starten.

Aber hey. Es ist November. Nur leise Küchenmusik, bitte.


Es ist Freitag, es ist gleich Wochenende. Immerhin. Ich verbleibe für heute mit

Dance & Grace

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 3.11.2022

Heute monothematisch, falls Sie mit Twitter und Mastodon nichts am Hut haben – gucken Sie gerne morgen wieder rein, heute ist dann leider nichts dabei.

Hier eine Erläuterung zu einem Detail der mutmaßlichen Pläne von Musk (mutmaßlich, weil er morgen schon wieder einen anderen Plan haben wird). Ich habe bisher von keinem einzigen ernstzunehmenden Menschen gelesen, dass Musk das schon alles gelingen wird, ein super Geschäft, Spitzenplan, tolle Sache. Niemand glaubt das, quer durch alle Kompetenz- und Kenntnislevel nicht, was auch faszinierend ist.

In diesem Zusammenhang noch: Wie Twitter sterben wird.

Und abgesehen von den großen Deutungen geht es natürlich auch um die Geschichten, wie man was viele Jahre benutzt hat und warum. Einige, so mein Gefühl, und bitte, es ist nicht böse gemeint, haben gar nicht gemerkt, wie wir in den letzten beiden Jahrzehnten älter geworden sind. Aber es ist so, dass unsere Kinder in der Pubertät sind oder schon aus dem Haus. Es ist so, dass unsere Eltern krank sind, pflegebedürftig, dass sie abbauen oder schon gegangen sind. Man konnte diese Thememverschiebung auf Twitter deutlch beobachten. Es ist so, dass wir selbst krank sind oder werden, dass wir auch viel darüber schreiben, dass einige von uns sogar gehen oder schon gegangen sind und spätestens in diesem Jahr fiel es allen auf, dass man auch damit irgendwie umgehen muss und dass, wenn man weit genug voraussieht, der oder die Letzte irgendwann das Licht ausmachen wird, auch in unserem Online-Blasen, wo immer die dann sein werden, in Blogs oder auf Social-Media-Plattformen, an deren Zukunft im Moment allerdings niemand recht zu glauben scheint, und es ist auch egal.

Wo immer wir uns also jetzt einrichten werden, vielleicht auf Mastodon, vielleicht woanders, es wird dort jedenfalls auch bald um das seniorengerechte Onlinewohnen gehen. Was wir machen, das ist nicht zukunftsweisend, sollte es jedenfalls nicht sein. Deal with it. Meine Söhne kennen das Wort Mastodon nicht, das geht an denen vorbei, das ist nicht deren Wirklichkeit. Und wenn Menschen wie ich beim Bloggen bleiben, dann wird das ganz von selbst zur Oldtimer- Schrulle werden. Es wird hervorragend zu mir passsen, glaube ich, hoffe ich, zu meiner Generation, zu meiner Bubble.

Pardon, ich schweife es sollte hier um Erfahrungsberichte gehen. Etwa hier.

Oder ganz einfach und heruntergebrochen für den Moment und eher aus beruflicher Perspektive – Mastodon ist Elmex.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!