Links am Morgen

Der Weihnachtsrückblick von Anke

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Wenn man das Skifahren nicht mag, aber aus der Gegend kommt

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Resilienzkritik

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Auf arte eine Doku über Sammy Davis Jr. Eine bittere Angelegenheit.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci! 

Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe noch zu danken für diverse Geschenksendungen, die uns rechtzeitig erreicht haben, Freuden für mich, die Söhne und die Herzdame, es war ganz großartig! Unterm Baum liegen bei uns immer auch Pakete mit der Aufschrift „Von LeserInnen“. Das ist für die Söhne schon eine Tradition über etliche Jahre, und zwar eine besonders schöne. Herzlichen Dank!

Vorderseite

Die Herzdame, die Söhne und ich stehen vor einem riesigen Klinikbau, wobei wir schnatternd vor Kälte etwas auf und ab hüpfen und ausgiebig fluchen, weil der Boden vor dem Gebäude aufgeweicht und glitschig ist vom Regen und wenn man jetzt ausrutscht und hier in eine Pfütze fällt – alleine der Gedanke, da wird einem gleich noch viel kälter. Es ist ruckartig eisig geworden, ein Sturm braust polar heran und es pfeift um uns herum. Wir sehen immer wieder an den vielen Fenstern hoch. Hinter uns nichts als Gegend, die Klinik liegt ganz am Rand der Stadt, dahinter kommt nichts mehr. Ein kleines Parkgewässer noch, auf dem schwimmen ein paar Stockenten. Ich kann da nicht hinsehen, schon die Vorstellung, jetzt im Wasser zu sein – ich friere wie schon lange nicht mehr. Weiter hinten im Bild noch etliche Zelte und Container. Corona-Teststationen sind das, ein Bild wie im Katastrophenfilm. Ein Bild wie in echt. Da stehen etliche Menschen in Schlangen an, da laufen einige Menschen in Vollschutzmontur herum. In der weiteren Ferne wird es bergig, da oben ist ein Ausflugslokal, da waren wir schon mal. Das war noch zu der Zeit, als man in Restaurants konnte und so. Weißt du noch. Die Söhne jagen immer wieder an der Front des Gebäudes auf und ab und gucken da hoch und hier hoch, wo da wohl gleich ein Fenster aufgeht. Da, wo das Fenster aufgeht, da guckt nämlich ihr überraschter Opa raus und winkt. Wir winken zurück, wir winken uns warm. Auf dem Krankenhausgelände trägt man Maske, was wir hin- und herrufen ist daher kaum zu verstehen aber hey, wir haben uns kurz gesehen.

Der Opa kann das Fenster nicht lange offenhalten, denn der Wind will zu ihm rein, will dringend zu Besuch und fährt ihm ins Nachthemd und lieber kein Risiko, er ist wirklich krank genug. Wir winken, er winkt. Wir können nicht rein, er kann nicht raus, wir winken. Weihnachten 2020, die Winkeweihnacht, so werden wir das erinnern.

Das ist ein Bild, wie es vermutlich viele gegeben hat in diesem Jahr. Es ist im Grunde also gar ein besonderes Bild. Und doch.

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Links am Morgen

Wir konnten mal Winterschlaf und sind dann in der Evolution falsch abgebogen. Schimm. 

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Über Lernen und Noten

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Auf arte eine Doku über Laurel & Hardy. Kann man etwas lernen. 

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Trinkgeldbericht November/Dezember

Let’s call it a year, also zumindest in diesem Zusammenhang hier. Ich werfe die beiden letzten Monate zusammen und berichte en bloc. Was besonders einladend und einfach ist, da es rein gar nichts zu berichten gibt. Nicht etwa, weil es keine Trinkgelder gegeben hätte, die kamen erstaunlicherweise dennoch, obwohl hier vergleichsweise wenig erschien, das war wiederum eine tröstliche Erfahrung. Also die Summen, nicht das Nichtschreiben. Sondern weil wir nichts ausgegeben haben. Ich habe die Beträge lediglich sorgsam registriert, Graf Zahl nichts dagegen, alles notiert und dann eichhörnchenhaft für später zurückgelegt.

Denn unser mindestens mittelgroßes Projekt der Wohnungsumgestaltung, für das wir im Moment alles verwenden wollen, damit es gut, wenn nicht sogar sehr gut wird, es hängt gerade. Weil das Bett, unser neues Bett, nicht lieferbar ist. Dieses Bett ist nun aber tiefdunkelblau und wird den Raum daher ganz erheblich beeinflussen, weswegen wir mit allen weiteren Entscheidungen warten müssen, bis wir es an seinem Standort gesehen haben. Dann stellen wir uns nämlich Hand in Hand davor und lassen es auf uns wirken wie in einem Achtsamkeitsseminar – und dann geht es erst weiter. Wenn wir jetzt Sachen kaufen würden, die irgendeine Farbe haben, dann würden wir das eventuell falsch machen. Und Sachen kaufen, die keine Farbe haben, das ist auf Dauer auch schwierig. 

Wir warten also einfach. Das Warten ist ja bekanntlich kein großes Problem für mich, es zerlegt mich nur nervlich komplett, aber das fällt in diesem Jahr wirklich nicht mehr auf. 

Wie immer also, vielen Dank für jeden eingeworfenen Euro und jeden Cent, es schafft alles Möglichkeiten und es war mir und uns wieder ein Fest. Und zwar ein großes.

Auf Twitter wurde in letzter Zeit hier und da erörtert, was denn in diesem Jahr schön gewesen sei, also schön trotz allem, schön obwohl, schön trotz irgendwas, es war immer so ein Gegensatzpaar, das da erörtert wurde, die Zeitläufte und das jeweilige Erleben oder Handeln. Ich möchte hier unter eiliger Umkurvung allzu pathetischer Gefühlsbekundungen noch einmal nachdrücklich darauf hinweisen, dass es zweifellos bessere Jahre gab, dass es aber schön, wirklich schön war, dass Sie einen Teil unserer Lebensführung finanziert haben, damit also dieses Blog, diese Texte, uns. Man kann als Autor heute auch auf diese Art honoriert werden, das funktioniert, das ist erhebend und wahrhaft tragend, ich danke sehr dafür.

Ich möchte noch eine kleine Erläuterung dranhängen. Ähnliche Gedankengänge kamen hier schon vor, das gebe ich vorweg zu, ich denke aber tatsächlich öfter darüber nach, es beschäftigt mich nachhaltig. Daher noch eine Variation zum Thema. In den letzten Wochen gab es gleich mehrere Kommentare, hier oder an anderer Stelle, Facebook etc., die sich darauf bezogen, dass meine Texte entspannend und/oder erheiternd seien. Das hat mich natürlich gefreut, denn so sind sie ja auch gemeint, so ist die ganze Veranstaltung auf dieser Seite gemeint. Es ist aber auch in sich erheiternd, denn ich bin weder entspannt noch heiter. Ich bin eher etwas vergrincht, ich bin eher knurrig und ebenso chronifiziert wie allumfassend genervt, ich bin bestenfalls sehr, sehr skeptisch -und wenn ich manchmal wahrhaft begeisterungsfähige Menschen treffe, dann weiß ich gleich, die sind anders als ich. Nicht falsch verstehen, ich bin das alles durchaus lustvoll.

Aber wenn ich mich dann an die Tastatur setze, mit meinen ernsten und schweren Gedankengängen, mit meiner angebitterten Verfassung, meinem Pessimismus und meiner fatalistischen Grundhaltung, dann wird daraus routinemäßig das, was Sie hier lesen. Es dauert vielleicht nur ein, zwei Zeilen, dann dämmert schon eine Pointe oder eine Wende ins Lichtere. Meine Hände machen das, nicht mein Hirn. Es passiert erst beim Tippen, nicht beim Denken, es ist nachgelagert. Es passiert gewissermaßen in der Maschine, beim Produktionsvorgang. Und das, was dabei dann herauskommt, das erheitert Sie also ab und zu. Oder es entspannt sogar, was für mich noch amüsanter ist, denn ich weiß gar nicht, was Entspannung ist. Auf einer Ebene. 

Aber weil ich eben so schreibe, wie ich schreibe, ist es eben doch alles da, bin ich also doch irgendwie heiter und vielleicht sogar entspannt, und sei es nur beim Schreiben, da dann aber womöglich sogar sehr, wie mir schwant. Hätte ich kein Blog, ich wüsste das vielleicht gar nicht! Ich bedarf dieser Beweisführung, so sieht es nämlich aus. Und so haben also manchmal Sie etwas davon und ich aber auch oft – das sind doch viele Vorteile. Zumindest im besten Fall. 

Ich bleibe daher dabei, so ein Blog ist eine feine Sache. Und obwohl ich in diesem überaus seltsamen Jahr sogar daran manchmal gezweifelt habe, will ich daher dennoch gerne versuchen, diese Seite hier auch im nächsten Jahr mit was auch immer zu befüllen, meine Hände also einfach machen zu lassen. Das wird schon.

Haben Sie bitte schöne Weihnachten, machen Sie es sich fein und seien Sie nett zueinander.

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Links am Morgen

23 Minuten Audio über Andersen und die Schneekönigin

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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – als Podcast mit über 300 Folgen. Höchst irritierenderweise gelesen mit der deutschen Kinostimme vom Gandhi. Oder täusche ich mich da? Nein, ich täusche mich nicht. Peter Matic liest das.

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Wer fehlt – die Berliner Ausgabe

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Chilly Gonzales und Nilz Bokelberg (Podcast). Gerne gehört. 

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Hier spricht Heinz Rühmann den Dezember von Erich Kästner, und wenn Sie wollen und es aushalten, dann können Sie die letzten Zeilen gerne mit dem “Wer fehlt”-Link weiter oben in Verbindung bringen. 

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Eine wichtige Tradition fällt in diesem Jahr aus, wir gehen nicht zum kabarettistischen Jahresrückblick mit u.a. Bov Bjerg und Manfred Maurenbrecher. Das ist schlimm, denn ich hänge an meinen Traditionen, an den beiden Herren hänge ich auch und sonst neige ich eher nicht zu Jahresrückblicken, ich habe also keinen, wenn ich den nicht habe. Immerhin gibt es einen einzigen Auftritt des Ensembles mit dem aktuellen Programm, und weil es den auf Youtube gibt, kann ich ihn hier verlinken. Auch gut.

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In tiefer Ruh

In Deutsch machen sie Balladen, er müsse demnächst auch eine auswendig lernen, sagt der Sohn. Meinen empörten Einwurf “Eine nur!“ ignoriert er routiniert. Belsazar also. Heine.

Ich sage, dass Balladen super seien, ich sage, ich habe mal mehrere gekonnt, auch ganz lange, auch die Bürgschaft und die Glocke, auch den Prometheus, den auch heute noch und dann fange ich damit an und er rollt die Augen. Belsazar dagegen – das sei doch eher kurz, sage ich, das könne man doch nebenbei lernen. Ich sage, ich lerne den Belsazar sicher viel schneller als du, ich bin ein Motivationsgenie. Der Sohn aber will jetzt bitte endlich an seinen Computer und hat außerdem erst im Januar wieder Schule. Ich lese Belsazar nach, ich laufe mich warm.

„Die Mitternacht zog näher schon“, das ist nämlich ein wunderbarer Anfang und ein gelungenes Bild ist es auch, wie da also die Stunde auf uns zuzieht, nicht etwa wir auf die Stunde. Wir sind der Fixpunkt, die Stunden kommen vorbei, andersherum hätte man es sich auch vorstellen können. Die Stunden ziehen bei Heine näher, wie die Feinde zur Grenze ziehen, wofür nimmt man das Wort sonst, was zieht wohin? Einst fünf wilde Schwäne, aber das ist ein anderes Gedicht, Disziplin bitte.

Man kann das nachfühlen, das mit den Stunden und der Bewegung. Wir können etwa jetzt schon fühlen, wie die Stunde des Jahreswechsels heranzieht. 2021 zieht näher schon, es kommt auf uns zu und es kommt, ich weiß nicht, ob Sie das auch fühlen, frontal, wir stehen gewissermaßen in der Brandung der Zeit. Wenn man es persönlich denkt, kommt es auf einen zu, wenn man es aber allgemein denkt, zieht es nur so unbestimmt durch die Gegend, das nächste Jahr. Aber es zieht jedenfalls, es ist ein sich bewegender Punkt in der Zeit.

Oder wenn man irgendwo sitzt und eine Uhr tickt an der Wand oder wo, das ist ja ganz egal, wo die ist, sie tickt aber in jedem Fall, denn dann fühlt man gleich intensiver, weil mehrere Sinne und so. Und die Zeiger kreisen langsam und baggern die Stunden also unerbittlich auf einen zu. Das Bild kommt schon auch hin, das ist auch bewegt. Das mit dem Ziehen ist aber deutlich lyrischer, keine Frage, mir ging es auch nur um die Bewegung, mir ging es darum, dass Zeit bei Heine Bewegung ist oder einer Bewegung folgt, dass sie nicht statisch aufgefasst wird wie in „Es ist zehn Minuten vor Mitternacht.“ Das sind so die Feinheiten. Wenn die Stunde zieht, wenn die Mitternacht zieht, dann erfolgt eine Bewegung durch die Luft, durch die Nacht, wie ein Vogel des Dunkels zieht die Stunde heran, schon das ist etwas unheimlich. Eine Stundeneule fliegt da, das klingt auch gut. Also bereits in dieser Zeile hat Heine lyrisch etliche Punkte abgeräumt, das muss man auch erst einmal hinbekommen.

Er macht dann allerdings mit einem nicht ganz astreinen Reim weiter, denn die Mitternacht zog näher schon – und in tiefer Ruh lag Babylon. Das reimt sich nur korrekt, wenn ich das „schon“ so ausspreche, wie es meine rheinische Verwandtschaft getan hat, also schonn. Schonn reimt sich auf Babylon, schon aber nicht. Babylon ist in meinem Sprachgebrauch nämlich Babylonn, also in der Aussprache. Oder sagen andere Menschen das anders? Andere Menschen machen ja überhaupt vieles anders, das ist immer wieder irritierend.

Ich habe schnell die Herzdame gefragt, es war gerade kein anderer Mensch greifbar. Die sagt auch Babylon, mit einem kurzen o.

Heine hätte, um einen korrekten Reim am Start zu haben, einfach eine andere Stadt nehmen müssen, etwa Iserlohn.

Die Mitternacht zog näher schon

In tiefer Ruh lag Iserlohn.

Hören Sie das? Das ist ein erstklassiger Reim. Allerdings, das sehe ich ein, fehlt dem Gedicht auf diese Art etwas Exotik. Außerdem läuft es zumindest bei mir assoziativ ins Leere, da ich über Iserlohn rein gar nichts weiß. Muss man über Iserlohn etwas wissen?

Die Mitternacht zog näher schon

In tiefer Ruh lag Iserlohn.

Und alle so: Na und? Who cares? Dagegen Babylon: Jetzt aber Obacht. Und dieses Gefühl, das braucht man in solchen Gedichten, und genau deswegen ist Heine also nach der ersten Zeile nach Süden abgebogen, das ist soweit nachvollziehbar. Was zwei Zeilen alles hergeben!

Was ich aber eigentlich nur andeuten wollte – Balladen sind wirklich super. Kann man immer wieder viel drüber nachdenken, es ist ein Fest.

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Ein Stimmungsbild

Wir wollten ans Meer fahren, weil wir schon lange nicht mehr irgendwo hingefahren sind. Dann lasen wir, dass Travemünde gerade für Tagestouristen gesperrt werden soll, also ist es da vermutlich sehr voll, also fuhren wir da nicht hin. Wir dachten über das andere Meer nach, aber da stimmte an dem Tag etwas mit der Autobahn nicht. Wir dachten über Seen nach, aber da hätten wir erst die richtigen Stellen suchen müssen und sowieso wollten die Söhne gar nicht mit dem Auto fahren, sondern, was weiß ich, lieber irgendwo hingebeamt werden. So klar artikuliert wurde das nicht, aber Sie kennen das, viel Anspruch und wenig Lösungsbereitschaft, Kinder sind auch nur Menschen.

Wir fuhren an den Eichbaumsee, zu dem Parkplatz, der zwischen dem See und der Dove-Elbe liegt, wobei es schon anstrengend ist, den Namen Dove-Elbe auch nur zu denken, ohne den ersten Teil Englisch zu lautieren, aber dafür kann das Gewässer jetzt nichts. Wir gingen da längs, rechts die Dove-Elbe, links der Eichbaumsee. Die Sonne schien, strahlendes Wetter, ich fand alles doof. Der See war langweilig, das Elbstück auch. Hätte es genebelt, hätte es Raureif gegeben, Schnee und Eis oder Gewitterwolken, hätten wir einen Sonnenauf- oder untergang gesehen, irgendwas mit Kawumm und Pomp, hätte, hätte, Fahrradkette, ich fand alles doof. Links ein Wasser, rechts ein Wasser, in der Mitte geht der Hasser. Wie vermutlich viele Menschen habe ich im Moment ungewohnt große Lust, irgendwo zu sein, wo ich nicht schon alles in Grund und Boden gewohnt habe, aber das hier, das war gerade nicht richtig, das merkte ich gleich.

Menschen gingen um den See und gingen also im Kreis, warum geht man in der Freizeit im Kreis, was soll das eigentlich. Man kommt nirgendwo hin, man hat sich nur bewegt, wie schwach und flach ist das. Wir machten eine Pause und tranken mitgebrachten Kinderpunsch, der hatte natürlich keinen Alkohol. Ich stellte mir lebhaft Alkohol vor, ich trank mir im Geiste die Gegend schön. Ich war mir im Grunde sicher, die Gegend ist da schön, es lag einigermaßen nahe, dass alles nur an mir lag. Das Wasser links war okay, das Wasser rechts war okay, ich hätte auch zum Augenblicke sagen können, verweile doch, du bist okay, so sagt man das nämlich heute. Ich sagte es aber nicht. Ich wäre gerne woanders gewesen, ich wusste nicht wo. Um mich herum redeten die Spaziergänger ihre nervtötenden Alltagsgespräche, ich hätte gerne Ruhe gehabt und sie dann nicht ausgehalten.

Ein Sohn erzählte mir die Handlung einer siebenbändigen Mangareihe, ich hätte mich interessieren sollen. Er hätte auch in einer obskuren Fremdsprache reden können, ich verstand eh kein Wort. Was für eine Handlung war das, sind denn wirklich alle irre oder was, warum lesen die Kinder so einen Schrott.

Der andere Sohn wollte über Superhelden reden, ich dachte Hulk und spannte die kaum vorhandenen Brustmuskeln an.

„Ist das ein Badesee?“, fragte ein Sohn. „Das ist ein Blaualgensee“, sagte ich. „Und Zerkarien gibt es auch.“ Das stand auf einem Schild, gewusst hätte ich das nicht, wer weiß so etwas schon. Zerkarien, nie gehört. Saugwürmer unter der Haut, man hat ja sonst keine Probleme.

Wir trafen die Menschen wieder, die wir schon einmal gesehen hatten. Ich fand es abstoßend dumm, dass alle im Kreis gingen, ich ging aber selber auch im Kreis, wie geht man sonst um einen See. Überhaupt kreist alles, die Literatur ist voll davon, die Philosophie und die Religionen auch, da kannste nix machen. Man kommt überall wieder vorbei, an allen Stationen, immer wieder, und nur dann, wenn man ganz viel Glück hat, nur dann ist es eine Spirale und man ist ein Stückchen höher als beim letzten Mal. Aber wenn man nur um einen See geht, dann müsste man sich schon während der Runde seelisch bedeutend weiterentwickeln, um irgendwie verändert wieder am Parkplatz anzukommen, dann müsste man schon zwischen zwei öffentlichen Mülleimern ein wenig erleuchtet werden, das ist eine knappe Sache. Viel wahrscheinlicher ist es, dass man einfach so wieder am Parkplatz ankommt und nur in der Zeit etwas fortgeschritten ist.

Am Parkplatz kamen wir also an, wo wir uns vor dem Einsteigen den Schlamm von den Stiefeln klopften und dann nach Hause fuhren. Die Herzdame sagte, wir könnten da doch wieder hinfahren, so irgendwann mal. Es sei ja ganz schön da. Ich dachte, sie wird schon Recht haben, sie hat ja auch sonst ungewöhnlich oft Recht und ich gab ein Knurren von mir, das vielleicht nach einem Ja klang.

Man soll seine Stimmungen auch nicht überbewerten.

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Links am Morgen

Ein neuer Film mit einer Handlung, die man ganz gut kennt. Klingt dennoch interessant.

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Wir sind alle müde

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Zehn Tipps, mit denen Sie den Fortschritt garantiert an die Wand fahren

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Verwaltungsweihnachtslieder. Apropos Weihnachtslieder, wir brauchen auch dringend eine klimawandelbedingte Neubetextung der deutschen Klassiker, in der wir das weiße Zeug loswerden, das zumindest in Norddeutschland einfach nicht mehr fallen wird. Schneeflöckchen, Weißröckchen, von wegen, tempi passati. Regentröpfchen, Grauröckchen, da ist noch viel lyrische Arbeit zu leisten. 

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15 Minuten über die göttliche Sarah Vaughan (Audio)

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15 Minuten über Phil Ochs (Audio). Phil Ochs, den hatte ich hier schon, Sie erinnern sich vielleicht auch daran, mit When I’m gone, einem wahren Killersong. Heute aber der hier, auch grandios: Changes. 

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Und hier noch ein neuer, geradezu weihnachtsmilder Erfahrungsbericht zum Thema Homeschooling in Hamburg.

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Die Gewürzgurkenaussicht

Man kann wenig machen, also haben wir die Söhne zu täglichen Spaziergängen oder zu kleinen Radtouren verdonnert, Jugend braucht Bewegung. Also im Grunde brauche ich die, aber man muss pädagogisch gute Absichten vortäuschen, wo immer man nur kann. 

Wir fuhren heute in die Hafencity, wo Sohn II mit seinem Mountainbike Sachen machte, bei denen die Herzdame lieber nicht hinsah und der Sohn in Erinnerung an unsere früheren Touren zu zweit endlich einmal den schönen Satz sagte: “Mit Papa ist das kein Problem.” Habe ich dieses Erfolgserlebnis auch einmal eingesammelt. Aber darum geht es nicht.

Es geht um dieses Foto, gucken Sie mal. 

 

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Ein Beitrag geteilt von maximilian buddenbohm (@buddenbohm)

Das Bild habe ich auf dem Weg von einer Brücke aus gemacht, die Baakenhafenbrücke war es, wenn ich das richtig im Kopf habe. Kurz hingeguckt, spontan gebremst und abgedrückt, die Aussicht sah irgendwie so nach Instagram aus. Auch Sohn II hielt, guckte hin und fand dann eine Definition für diesen Bildausschnitt, die ich sowohl mit Ihnen als auch mit seinem Einverständnis teilen möchte, sie ist nämlich ebenso schön wie sinnig: “Das ist eine Gewürzgurkenaussicht”, so sagte er. “Das ist schön und hässlich zugleich. Und so ähnlich ist es ja bei Gewürzgurken auch, die sind lecker und grässlich zugleich. Man kriegt es nicht genau heraus und isst mehr oder guckt mehr hin.”

So ist es wohl. In diesem Sinne werden ich die Hafencity vielleicht nur noch als Gewürzgurkensiedlung bezeichnen. Das macht sie auch gleich etwas bodenständiger, was ihr gewiss nicht schaden kann.  

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Ein Dankesfilmchen

Ich habe zu danken – für ein Notizbuch der Marke Leuchtturm in XXL. Und ich freue mich sehr, denn die Größe hatte ich noch nicht und ich habe gerne, Freak der ich bin, alle nur denkbaren Größen und Formen von Notizbüchern vorrätig. Was weiß ich denn, wonach mir morgen der Sinn steht. Wenn ich morgen Größe möchte, Größe ist jetzt verfügbar, das ist schön und gut zu wissen, das beruhigt ungemein.

Ich habe außerdem, apropos Dank, den Trinkgeldbericht November noch nicht geschrieben, ich weiß. Den werde ich mit dem Dezember zusammenfassen und in, nun ja, Kürze posten. Es ist alles ein wenig schwierig gerade, wie Sie vielleicht bemerkt haben, auch das Timing. Vor allem das Timing. Aber nichts wird vergessen. 

Normalerweise, also gemäß eher jüngerer Tradition, poste ich hier bei Geschenksendungen Dankespostkarten, allerdings ist das gerade am heftigsten nachglühende Bild von gestern zweifellos als Standbild schwer darstellbar. Daher gibt es hier jetzt ausnahmsweise eine Filmsequenz, sagen wir etwa vier Sekunden lang. Vier Sekunden Film passen auf keine Karte, auch nicht auf diese seltsame doppeltbelichtete Variante, die ein Bewegtbild darstellt, wenn man sie etwas hin und her wackelt. Sie erinnern sich vielleicht? Ich weiß noch, als diese Karten neu waren, da haben wir die alle gekauft und immer hin und her bewegt, das ist aus heutiger Sicht schon fast rührend, nicht wahr. Wir hatten ja nichts.

Es war später Abend, für meine Verhältnisse war es sogar ungewöhnlich später Abend, es war bereits nach elf Uhr. Da schlafe ich normalerweise schon stundenlang, aber gestern ging ich da noch einmal vor die Tür. Erstens gab es stimmungsmäßig Anlass dazu, besser mal eine Stunde durch die Gegend zu laufen, zweitens aber hatte ich auch im Laufe des Tages zu wenig gesehen, also nur die Wohnung, und das reicht mir manchmal nicht. Ich ging ziellos durch die dunklen und downgelockten Straßen. Ich ging durch die eigentliche Szenestraße des kleinen Bahnhofsviertels. Diese Straße war vollkommen menschenleer, es waren nur meine Schritte zu hören. Ich sah in die eine und dann in die andere Richtung, da war außer mir niemand. Ich blieb stehen und lauschte, da war nichts. Das muss man auf dieser Straße erst einmal hinbekommen, dachte ich, das gibt es wirklich verdammt selten. In normalen Zeiten gibt es das auch nachts um drei nicht. Dann hielt ein Taxi und ein Mensch stieg aus, dann kamen zwei aus einem Hauseingang und unterhielten sich dabei leise, dann war es kurz wieder so, dass zumindest alle zwanzig oder dreißig Meter etwas zu sehen oder zu hören war, auch wenn das immer noch wenig war für die Mitte der Millionenstadt. 

In einem Döner-Imbiss standen zwei hinter der Theke und sahen so unmenschlich gründlich gelangweilt aus, diese entgleisten Gesichter kennt man sonst nur von Bademeistern, die mit vollkommen leerem Blick am Beckenrand stehen. Die beiden Männer stützten sich auf die Glasplatte über dem zerschnippelten Gemüse und sahen in die Dunkelheit, aus der einfach keine Kunden kamen. Sie bewegten sich nicht und sie sprachen nicht. Sie standen da nur und guckten, wer weiß, wie lange schon und wie lange noch. Dieser Tag geht auch vorbei, sie hätten mein immer wieder beruhigendes Mantra murmeln können, aber sie murmelten gar nichts. Sie guckten nur ins Nichts der leeren Straße.

Ich las die Zettel an den Fenstern der Restaurants. Die Togo-Zettel, die Erklärungen, die Telefonnummern. Die Hinweise auf eilig eingerichtete Webseiten und Mailadressen und Lieferservicevarianten. Erreichbarkeitsdaten. “Im Falle eines Lockdowns” stand auf einem Zettel. “Wir sehen uns 2021” lapidar auf einem anderen. “Wir liefern!” Das riefen etliche Zettel. Aber zu dieser Tageszeit wartete längst niemand mehr auf Kundschaft, nur die beiden in der Dönerbude hielten noch aus. 

Einige der Läden, die jetzt wochenlang geschlossen sein werden, haben ihre Fenster nicht mehr beleuchtet, man spart, wo man kann. Im Licht der Straße gibt es neuerdings schwarze Löcher, Dunkelzonen. Man könnte sich hier und da in einen Hauseingang drücken und vollkommen unsichtbar werden. Wie in einem alten Film, wie in einem Krimi. So dachte ich und bekam zum ersten Mal seit vielen Jahren Lust auf eine Zigarette. Man müsste sich in einen Hauseingang drücken, dachte ich, man müsste sich dort anlehnen und eine Zigarette anzünden und auf etwas warten, auf jemanden warten. Und das Feuerzeug würde kurz Licht geben, und sonst wäre alles ringsum tiefschwarz. Ein paar Meter weiter die Lichter der Ampel, über die niemand geht, dann ein vorbeifahrender Bus, in dem sitzt nur noch der Fahrer. Dann kommt jemand, bleibt stehen und sagt einen Satz, und der ist dann eine richtig gute Dialogzeile, dass die in den Kinosesseln anerkennend nicken.

Und jetzt kommt der unglaubwürdige Teil. Aber was soll ich machen, so ist es manchmal. Während ich gedanklich also noch bei Raymond Chandler war, hielt ein Auto auf der anderen Straßenseite. Ein unspektakuläres Auto war das, ein mausgrauer Kleinwagen. Die Reifen quietschten, die Türen flogen auf. Der Wagen stand in einem ganz unorthodoxen Winkel zur Straße und ich dachte, weil ich sehr geistreich bin: “Da stimmt jetzt aber etwas nicht.” Dann liefen etwa acht Mann direkt auf mich zu. Das waren mehr, als in dem Auto gesessen haben konnten, und sie liefen schnell. So läuft man nur, wenn es wirklich um etwas geht, jedenfalls als erwachsener Mann in Zivilkleidung. Mein Hirn flackerte kurz Möglichkeiten durch und verwarf, dass es hier um mich gehen konnte. Ich habe nicht genug ausgefressen und besitze nicht genug, und während ich das noch dachte oder zumindest erhoffte, rannten die Männer schon links und rechts an mir vorbei, ohne mich weiter zu beachten. Ich stand mitten in der stürmenden Rotte, es war ein wenig so, als würde eine Horde Wildtiere um mich herum sprengen und ich bewegte mich lieber gar nicht mehr, ich stand da einfach nur. Und guckte, das schon.

Einer rief, es war wirklich lächerlich tatortmäßig, “Halt, Polizei!” und einer brüllte, dass die Ficker wegbleiben sollten und einer schrie Scheiße und einer sprang einem in den Rücken, dass der mit Schmerzensrufen zu Boden ging. Zwei kamen dazu und einer lief mit ordentlich Vorsprung weiter wie ein Hase, der war wirklich beeindruckend schnell und den kriegte keiner mehr. Der war schon ganz oben, wo die Straße in einen Platz übergeht und mehrere Straßen abzweigen. Der war weg, der war so etwas von weg. 

Der Mann auf dem Boden und der auf seinem Rücken brüllten sich an und tauschten Beleidigungen der eher wüsten Art, die anderen standen dabei und auf einmal waren etwa vier Mann in der Nacht verschwunden. Wo waren die jetzt wieder hin, das habe ich nicht gesehen. Aber ich ging dann auch lieber weiter, denn ich bin, wenn ich schon in einem Krimi lande, lieber etwas am Rand des Geschehens. Sagen wir, in einem Hauseingang.

Ich guckte noch einmal zurück. Die beiden Männer im Dönerimbiss hatten ihre Köpfe nach links gedreht, wo die Action war. Sonst haben sie sich nicht bewegt. Ich ging nach Hause, ich kaufte keine Zigaretten. Man hat sich ja soweit im Griff. 

Es ist Lockdown, es ist nicht allzu viel los draußen. Auf den ersten Blick nicht. 

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