Ein gutes Vorhaben

Ich sehe mir immer weiter all die alten (die ganz alten) Interviews von Günter Gaus auf Youtube an, ich stolpere (man muss es sich mit s-pitzem s-t vors-tellen, dann passt es zu ihm) auch dabei über wunderbare Stellen und Begriffe. So erwähnt er, also der Herr Gaus, da etwa das vermutlich mittlerweile ausgestorbene Wort S-paßvergnügen. Ich weiß nicht, wann ich das zuletzt gehört habe, es ist lange her, aber in meiner Kindheit lebte es noch, die Erwachsenen redeten damals so. Man macht etwas also nur so, zum Spaßvergnügen, was für eine amüsante Doppelung, ich hatte sie ganz vergessen. Es ist auf eine subtile Art etwas anderes als nur Spaß oder Vergnügen, das Spaßvergnügen, und es ist beträchtlich weit von Beruf und Sinn entfernt. In diesen Interviews mit ungeheuer ernsten und konzentrierten Politikern wie etwa Adenauer wirkt das Wort geradezu wie eine Zumutung, und man rechnet als Zuschauer mit einer böse gezischten Antwort, nein, so etwas mache ich nicht, warum sollte ich bitte etwas zum Spaßvergnügen tun, also wirklich, Herr Gaus! Worüber reden wir denn hier!

Egal, man muss natürlich im Anschluss überlegen, was man selbst eigentlich zum Spaßvergnügen tut und ob einem da überhaupt etwas einfallen muss oder nicht, so unter uns ernsthaften Menschen mit streng sittlicher Ausrichtung. Immer Bezüge zur Gegenwart herstellen, sonst lernt man nichts. Da also mal drüber nachdenken! Ich zum Beispiel, ich weiß das auf Anhieb gar nicht, ich komme auf nichts. Es ist aber vielleicht auch kein allzu gutes Jahr für solche Begriffsinhalte, nicht wahr.

Wir wollen das Jahr, gerade fällt es mir ein, am letzten Dezembertag einmal unter Verwendung dieses Begriffs zusammenfassen. Das können wir uns doch vielleicht schon einmal vornehmen, der Großteil des Jahres ist immerhin gelaufen, wir haben eine gewisse Sicherheit. Wir wollen uns also Silvester kurz vor Mitternacht kurz besinnen und dann bedächtig murmeln: „2020 war kein reines S-paßvergnügen.“ Und dazu blicken wir ernst und gefasst, als würde man uns in Schwarzweiß filmen, während wir feierlich die Lage der Nation erklären. Das ist eine schöne Vorstellung, finde ich.

Und wenn mich jetzt jemand nach Silvester fragt, dann kann ich also korrekt antworten: „Da habe ich schon was vor.“ Auch gut.

Nein, sehr gut sogar. Fast schon ein Spaßvergnügen.

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Unwillig bei sich selbst

Ich höre nach wie vor dauernd Hörbücher. Wenn ich das abendliche Lesen schon kaum noch schaffe, kann ich mir auf diese Art immerhin weiter täglich Literatur zuführen, ich hänge doch an der Gewohnheit. Ich höre in der Regel Klassiker, die ich hier deswegen nicht auch in der weiblichen Form aufführe, weil sie auf Spotify größtenteils fehlen. Frauen zählen ist da schnell erledigt, man kommt nicht weit, Literatur ist männlich. Also dort jedenfalls, in Wahrheit natürlich nicht.

Ich höre mir das Markus-Evangelium an, warum auch nicht. Ich habe die Bibel als Kind einmal so ziemlich komplett gelesen, das ist irritierend lange her und ich möchte größere Erinnerungslücken nicht mehr ganz ausschließen. Und ich bin dem Text zwar religiös so gar nicht verbunden, vonne Allgemeinbildung her darf er aber gerne stattfinden, da bin ich altmodisch. Es gibt die ganze Bibel auf Spotify, mit allem, sie wurde ja auch von Männern geschrieben. Die Aufnahme gefällt mir zwar nicht recht, der Herr Sprecher ist mir hier und da zu pathetisch, es suppt hier und da Weihrauch raus und alles ist mir ein wenig zu bebend vorgetragen. Aber egal! Ich höre es dennoch mit großem Interesse und erfreue mich an einigen Stellen, etwa „er fürchtete sich mit großer Furcht.“ Oder auch: „Er staunte mit großem Erstaunen.“ Man möchte gleich einen Stift nehmen und die Reihe fortsetzen, so dermaßen eingängig ist das. In den Deutscharbeiten der Söhne wären diese Ausdrücke sicher Fehler, nehme ich an, rot unterkringelt und ein A am Rand, der Lehrer zürnte mit großem Zorn, aber schön sind die Wendungen doch.

„Es waren aber etliche unwillig bei sich selbst“, das ist auch so eine hervorragend Stelle. Das kenne ich, das kenne ich, möchte man da doch rufen. Denn dauernd bin ich unwillig bei mir selbst, ich bin da geradezu Kenner und habe langjährige Erfahrungen vorzuweisen, ich wache morgens auf und bin da schon unwillig bei mir selbst, fast jeden Tag.

Ich höre diese Hörbücher meist auf dem Weg zur Arbeit oder zurück, und wenn ich dabei versehentlich eigene Gedanken habe, das kann ja manchmal vorkommen, zack, dann höre ich ein paar Sätze des jeweiligen Textes nicht, sie sind sauber aus dem Gesamtwerk herausgeschnitten und ich habe nicht die allerleiseste Ahnung, was da gesagt wurde. Ich höre nur das Ende irgendeines Satzes, bei dem ich dann endlich wieder einsteige, etwa „… und wälzte sich schäumend.“ Schön, denke ich, das ist wieder so eine Passage, die muss man unbedingt aus dem Text lösen und übernehmen, die braucht Alltag und Leben. Und bei allem, was die Menschen um mich herum an diesem Tag tun, hänge ich das einfach hinten an und siehe, ich habe stundenlang eine große Freude! Der Kollege schickt einen Report ab und wälzt sich schäumend, der Sohn übt Mathe und wälzt sich schäumend, fangen Sie das bitte nicht auch an, man kommt da ziemlich schnell nicht mehr raus und wälzt sich schäumend, und wenn man das dann versehentlich einmal laut sagt, dann staunen die anderen aber mit großem Erstaunen.

Es sind noch Evangelien übrig, die kommen auch noch dran. Ich freue mich darauf, und mit was wohl? Genau.

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Links am Morgen

Etwas Kulturgeschichte, eine Sendung über die Entwicklung des Wartesaals.

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In Kikis Text – natürlich auch lesens- und bedenkenswert! – ein wunderbarer Link zur Wikipedia, da hab ich wieder was gelernt.

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Pulpety gekocht, das fand ich gut. Und mehrere (!) Familienmitglieder auch. Bemerkenswert. 

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Etwas Blues am Montag, passt schon.

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Datum, Unterschrift

Wie neulich bereits angedeutet, die Lage ist größtenteils unblogbar und es dreht und wendet sich noch nicht so recht, was auch heißen kann, dass ich es noch nicht recht drehe und wende, immer Vorsicht mit den Formulierungen und immer auf der Brücke bleiben.

Ich stehe zwischendurch am Küchenfenster und sehe runter auf den Spielplatz. Dort sind Menschen, von denen sind einige deutlich entspannter als ich, die sitzen da herum und halten ihre Gesichter in die Septembersonne. Da werde ich gleich neidisch, das sind noch die Nachwirkungen des Urlaubs. Aber nur kurz werde ich neidisch, denn wie immer sind einige dort unten überhaupt nicht entspannt, etwa die Eltern des Mädchens, das gerade den vermutlich spektakulärsten Wutanfall seines Lebens hat, eine gewaltige Explosion des Zorns und ein wahnsinnig wildes Aufflammen der Affekte, rotglühendes Rasen. In diesem Ausmaß sieht man das auch nicht jeden Tag und die Eltern blicken sich staunend an, was ist das jetzt, während es das Mädchen von innen her schier zerlegt. Es wird Stunden brauchen, bis die sich wieder zusammengesetzt hat, und sie haut mit einer Plastikschaufel dergestalt speedmetalmäßig auf die metallene Rutsche, dass die Menschen in einem großen Umkreis an die Fenster treten und doch lieber mal nachsehen. Ein paar Meter weiter sitzt ein Junge in der Sandkiste, der weint in hohen und langgezogenen Tönen, so ein sirenenhaftes Weinen, das einfach nicht mehr aufhören will.

Ich stehe oben am Fenster und sehe mir das an, ich frage mich, wie wir so weit kommen konnten, wenn die Menschenkinder immer so waren. Wieso sind wir nicht alle gefressen worden, als da draußen noch Raubtiere herumliefen und wir aber schon praktisch und vermutlich äußerst appetitlich enthaart und aller Waffen ledig waren, komplett wehrlose Leckerbissen also, die durch den Nachwuchs jederzeit leicht zu orten waren, hör mal, dahinten sind Menschen, in dem Gebüsch da. Es muss geradezu unsportlich gewesen sein, uns zu jagen. Wie haben wir diese Zeit denn bloß überlebt? Es ist mir völlig unklar.

Währenddessen, das hat jetzt keinen Zusammenhang, pardon, kommt wieder eine Schulmail, es kommen überhaupt immer weiter Schulmails. Diese hier kommt mit einem Anhang, wir sollen das ausdrucken und ausfüllen, nach den Herbstferien aber erst, dass wir nämlich im Urlaub in keinem Risikogebiet waren, Datum, Unterschrift. Und wieder locht jemand zehntausend Zettel und heftet sie vermutlich ab, wieder sollen also Zettel irgendwie Richtigkeit herstellen, wieder möchte man sich entlasten, sie haben es doch alle unterschrieben. Und die Zettel kommen in Ordner, stelle ich mir vor, die werden dann vielleicht in die Schulbehörde gebracht und dort neben die anderen Ordner mit den Zetteln gestellt, die wir nach den Sommerferien ausfüllen mussten.

Jemand hat in Schönschrift die Jahreszahl, die Monate und die Schulnamen auf die Rücken geschrieben, Bürosport wie früher, und da stehen sie dann, die Ordner, bis sie jemand in fünfzig Jahren kopfschüttelnd ins Archiv schiebt, drei Etagen tiefer.

Na, wenn’s denn der Wahrheitsfindung dient.

Vor der Kirche hinter dem Spielplatz stellt sich jetzt der Chor auf, der übt nach wie vor im Freien. Die brauchen in diesem Jahr Frischluft und Platz für ihre Kunst und dadurch wissen auf einmal alle, dass es diesen Chor gibt, er ist einfach nicht mehr zu überhören. Sie singen sich gerade ein, die Stimmen turnen die Tonleitern rauf und runter. Die Kinder auf dem Spielplatz verlassen Sandkiste und Rutsche und gehen zugucken, was die Erwachsenen da machen und dann sitzen sie davor auf dem Boden und betrachten unsicher und kinderernst die Sängerinnen und Sänger, also wie jetzt, ist das hier ernst gemeint.

„Ein Leben lang“, murmele ich den Kindern unhörbar von meinem Fenster aus zu, „ihr werdet es euch ein Leben lang fragen, was ernst gemeint ist.“

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Links am Morgen

Vanessa spricht mit Daniel Dreyer, Notarzt und Anästhesist – das fand ich interessant. Ich kann nach wie vor etliche Podcasts nicht ertragen, weil sie mir zu viel verlabert sind und ich nicht verstehen möchte, warum ich mir beliebigen Smalltalk, um den ich schon da draußen eher einen Bogen mache, zuhause als Audiodatei aufrufen soll, also wirklich, es kommt mir einigermaßen verrückt vor, aber dieser hier – zack, auf den Punkt und los geht’s, das mag ich.

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Berlin, so liest man, hört auch auf.

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Nach und nach die ganz und gar großartigen Videos der Sendung von Günter Gaus ansehen und dann auf, nun, kritische Fragen zur jüngeren Kulturgeschichte kommen. Hier etwa eine Sendung aus meinem Geburtsjahr. Sie unterscheidet sich in einem Ausmaß von allen modernen Varianten, ich muss etwa hundertfünfzig Jahre alt sein. Schlimm.

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Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe zu danken für die Zusendung von Mangas für die Söhne und von einem Krimi für die Herzdame, die Freude bei den Beschenkten war wieder beträchtlich. Meine aber auch, denn es gab dazu noch ein Farbband für meine alte Reiseschreibmaschine, also für meinen „Uralt-Drucker“, wie Sohn II immer sagt. Ich habe ihm gezeigt, wie man das Farbband einlegt, jetzt hat er das endlich auch einmal erlebt, es war aufregend wie das Einschirren frischer Pferde bei der Postkutsche. Sein großer Bruder kam etwas später nach Hause, sah und tippte souverän: „LOL“. Da stießen Welten aufeinander, denn der Sohn ist exakt so alt wie das Iphone, die Maschine aber ist aus den Fünfzigern.

Als ich abends ins Bett ging, tippte ein Sohn noch im Nebenraum, mit der Maschine auf dem Schoß im Bett liegend. Ich nehme an, das habe ich über 20 Jahre nicht gehört, dass jemand im Nebenraum auf einer Schreibmaschine tippt, ein ganz außerordentlich nostalgisch behaftetes Geräusch also, ungeheuer einschlafgeeignet für mich und der Sohn hatte einmal, wenigstens einmal im Leben das Vergnügen, eine Geschichte mechanisch zu tippen und es riss ihn fort, wie ich am nächsten Morgen an den Blättern sah.

Ich habe es vor Jahren schon einmal empfohlen und ich bleibe dabei, Schreibmaschinen sind super in Kinderzimmern und zu Weihnachten. Jetzt ans Schenken denken!

Vorderseite

Auf meinem Arbeitsweg komme ich an mehreren Schulen vorbei und bekomme, da es meist kurz vor acht Uhr ist, dauernd Tor- und Zaunszenen mit, die hier oder auf Twitter schon öfter vorkamen. Wenn ich zurückgehe, ist es im Moment gegen Mittag, da ist meistens nichts zu sehen, nur vereinzelte Personen auf den Schulhöfen. Neulich war ich aber zur Pausenzeit an der Grundschule, auf der die Söhne früher waren. Da war gerade großes Gewimmel auf dem Hof. Kindergeschrei, Ballspiele, herumstolzierende Aufsichtspersonen, alles wie immer, nur jetzt mit Maske, jedenfalls teilweise, die Logik habe ich nicht ganz verstanden. Aber egal, die Logik ist eh überall anders. Da stößt ein Nebengebäude fast an den Zaun der Schule, dahinter, also der Straße zugewandt, steht eine alte und vermutlich längst ausrangierte Bank. Auf der sitzen üblicherweise Kinder in kleinen Grüppchen und besprechen Geheimpläne oder die Charaktereigenschaften ihres Lehrpersonals, oft tuschelnd und aufgeregt, sich immer wieder umdrehend, ob sie da auch ja keiner entdeckt, sichtbar nervös. Manchmal sitzen da mehrere Kinder und besprechen leise furchtbar ernste Dinge, während eines weint und dringend Trost braucht – so eine Ecke ist das. Nicht unwichtig auf Schulhöfen, Sie kennen das vermutlich von damals.

Auf dieser Bank also saß ein einzelner Junge. Und zwar saß er in der Mitte der Bank in einer seltsam erwachsen wirkenden Haltung, die Arme links und rechts auf der Rückenlehne ausgestreckt, ein Bein souverän über das andere geschlagen, den Oberkörper zurückgelehnt, es war so eine Business-Mittagspausenhaltung, so sitzen die Menschen aus den umliegenden Büros auch an der Alster und sonnen sich kurz. Er war, das kann ich halbwegs sicher sagen, vermutlich Drittklässler und er saß da und sah vor sich hin und lächelte. Er sah weder gelangweilt aus noch irgendwie verstimmt, er war, das meine ich deuten zu können, von den anderen, die im Hintergrund spielten, nicht ausgeschlossen worden, der saß da aus eigenem Beschluss. Und er saß da einfach und lächelte und sah ganz so aus, als hätte er gerade einen wirklich guten Moment, alleine mit sich, auf dieser abgelegenen und etwas versteckten Bank, da war gerade alles richtig. Er sah aus wie eine Kinderbuchfigur in einer wichtigen Szene, er hatte alles bedacht und war sich jetzt sicher, er würde es also machen. Vielleicht schon ab morgen.

Dummerweise sehen wir jetzt nur diesen einen Absatz und diese eine Illustration aus dem ohnehin nur fiktiven Kinderbuch, das aber natürlich auch wiederum nur fiktiv wäre, wir kommen also wirklich nicht weit. Wir haben nur diesen Moment und er sitzt da total entspannt und ganz sicher und lächelt immer weiter und der Moment ist sehr, sehr gut, so viel steht fest, das sieht man dem Jungen sofort an. Ich gehe durch sein Blickfeld und er sieht mich nicht, er ist in Gedanken, und wie gut bitte ist es da, ich bin immer noch etwas neidisch, wenn ich daran denke.

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Links am Morgen

Nur eine Winzigkeit, aber bitte hier den letzten Satz beachten. Ich mag solche Kleinigkeiten, denn am Ende bestimmen sie die Erinnerung.

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Weiterbildung zum Wachstum

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Hier zwanzig Minuten über Nature Writing gehört, das mich gerade vehement interessiert, obwohl oder vielleicht sogar weil ich keine Zeit dafür habe. In der Sendung kommt Wilhelm Lehmann mit seinem bukolischen Tagebuch vor, das liegt hier als Büchereibuch neben mir und muss weg, fällt mir gerade ein. Da ruhig mal reinsehen, es ist ein überaus feines Buch. Auch gut geeignet, um nur mal eine Seite zu lesen, weil sie etwa gut zu einem idealtypischen Septembertag passt. Was nicht vorkommt, das ist Henry Beston mit seinem “Haus am Rand der Welt”, das ist aber auch ein schönes Beispiel des Genres, es hat mir gut gefallen. Man kann daraus auch abends vorlesen, es beruhigt ungemein, ich kann das bezeugen. Erwähnt wird eher am Rande noch ein Sachverhalt, der sicher mehr Platz verdient hätte, dass sich nämlich unsere Welt verkleinert und verengt, wenn wir nichts in der Natur mehr benennen können, wenn wir nichts mehr sprachlich assoziieren können mit den Arten, wenn wir nur noch “Baum” können, und das sind dann alle, egal welche. Unten Stamm, oben Grün, mehr wissen wir oft nicht mehr, um im Herbst dann erst die Erleuchtung, ach guck, das ist ja eine Kastanie. Daneben die Vermutung, dass die Welt sich also erst mit unserem Wissen aufblättert. Oder sagen wir mit unserem Interesse. Da könnte man hervorragend ansetzen und weiterdenken und -schreiben, Weltkenntnis und -sicht und – darstellung. Enorm interessant ist das, auch bei dem “Aufschreiben was ist” könnte man weitermachen, gerade als Bloggerin. Ich habe da auf Eiderstedt einen ganz brauchbaren Ansatz für mich gefunden, dachte ich zwischendurch, aber ich habe ja keine Zeit, keine Zeit, keine Zeit. Es ist ein Kreuz aus Holz von welchem Baum auch immer. 

Ich sehe an Werktagen wenig Natur, viel zu wenig, ich muss mich da beschränken und gucke nur kurz hoch, da ist wieder der Balkon mit den Vögeln darauf. Die Spatzengang auf dem Balkon an den Meisenknödeln – im Grunde ist das eine einzige Dauerschlägerei um Futter, immer feste druff. Von wegen niedlich. Und wenn sie fressen, die lieben Vögelchen, dann picken sie in atemloser Gier und großer Hektik, während andere schon auf dem Balkongeländer lärmend und schimpfend hin- und hertrippeln und äugen, wann da endlich wieder was geht, was da wohl runterfällt und wie viel dann überhaupt noch übrig ist und meins, meins, meins, hau ab da! 

Unter den Knödeln sitzt die immer etwas tantenhaft wirkende Ringeltaube auf dem Balkonboden, linst etwas angestrengt nach oben und wartet, dass sie durch abstürzende Bröckchen bedient wird, was dann auch reichlich geschieht. Sie ist der einzige Vogel, der hier ab und zu etwas entspannt wirkt, vermutlich aber eher durch Übersättigung als durch charakterliche Qualität. Und entspannt wirkt sie auch nur, solange keine normale Stadttaube vorbeikommt. Da hat sie dann doch einige Vorurteile, da ist sie ein besorgter Wildvogel und da gibt es auch mal was auf den Schnabel, vermutlich weil ihr keiner lange genug zugehört hat oder was. Siehe dazu aber auch Blau- und Kohlmeisen, das ist auch so eine Kombination mit Eskalationsgarantie, im Grunde geht es da schon um Clankriminalität. “Ethnisch abgeschottete Subkulturen”, heißt es dazu in der Wikipedia, na – und ob.

Natur ey, hör mir auf. Im Grunde ist das oft gar nicht so schön.

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Links am Morgen

Klappe halten, weiter schuften.

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Ein Foto-Essay aus Äthiopien. Via kwerfeldein.

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Let me in – let me in!“ Wuthering Heights house for sale

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Das Gegenmodell

Als der Urlaub vorbei war, bin ich wieder ins Büro gegangen. Ich hätte auch weiter Home-Office machen können, aber ich hatte im ersten Halbjahr eher eine schädliche Überdosis von allem mit Home. Ich habe außerdem einen sehr kurzen Arbeitsweg, ich habe dort niemanden dicht neben mir sitzen und, vielleicht am wichtigsten, ich habe im Büro vernünftige Arbeitsmöbel und viel Platz, zuhause aber nicht. Ich ging also ins Büro. Das war aber trotz der aufgezählten Vorteile nicht ganz einfach, denn nach dem Urlaub bin ich üblicherweise nicht in der Spitzengruppe der Motivierten zu finden. Das Gefühl kennen Sie womöglich, es soll weit verbreitet sein. Ich hätte nach der Zeit auf Eiderstedt zu vielem Lust gehabt, ich fand den Urlaub diesmal ungemein inspirierend, aber er hat mich jetzt nicht direkt zur Fortsetzung der Büroarbeit angeregt.

Aber gut. Das kennt man. Ich arbeite seit 33 Jahren in einem Büro, ich habe durchaus ein wenig Routine mit diesem Gefühl und kann mittlerweile damit umgehen. Ich kann all die inneren Dämonen rechtzeitig bezwingen und zähmen, ich kann der Unlust Einhalt gebieten und hilfreiche Geister beschwören, die Disziplin und das Verantwortungsgefühl. Das Vorbildhafte spielt dabei natürlich auch eine Rolle, denn die Söhne wollten nicht zur Schule, eh klar.

Ich stand also stoisch auf und warf mich in meinen Anzug wie ein Kriegsheld in seine Uniform. Ich schritt zackig durch die übliche Morgenroutine und niemand hätte mir auch nur das geringste Zögern oder Zagen angemerkt, vermute ich jedenfalls. Nur ich ging an diesem Morgen los, die anderen Familienmitglieder hatten noch verschiedene Formen von frei. Nur ich stand zur Unzeit früh auf und spielte mit einer Intensität Alltag, als sei das die Rolle meines Lebens. Nur ich ging auf die Minute pünktlich aus der Tür und stellte mir dabei lebhaft die Bewunderung der anderen drei Buddenbohms vor, von denen aber, wie ich erst später am Tage erfuhr, keiner auch nur aufgewacht war, um meinen mustergültigen Abgang zu erleben.

Ich ging entschlossen los. Ich gehe meistens zu Fuß zur Arbeit und der Arbeitsweg ist nicht gerade schön, aber auch das konnte ich zur Einstimmung nutzen. Immer mehr Beton, Glas und Asphalt um mich herum, alles war quadratisch, praktisch, schlecht. Da musste ich durch, es führte kein anderer Weg nach Hammerbrooklyn, wie die Marketing-Junkies den Stadtteil gerne nennen, in dem das Büro liegt.

Ich ging schnell, denn ich gehe immer schnell. Das wirkt, Sie kennen das aus der Psychologie, auf den Geist zurück, denn wenn man sich zielstrebig und zupackend gibt, dann wird man auch so. Also zumindest der Theorie nach und wenn man sehr, sehr fest daran glaubt.

An der letzten Ampel stand einer, den hatte mir das Schicksal extra dahingestellt, um mich noch einmal zu versuchen, ich kann es mir zumindest nicht anders erklären. Der lehnte da breit grinsend am Ampelmast, und es war nicht zu erkennen, warum der da jetzt grinste, es war weder die Gegend, noch der Tag oder die Uhrzeit für ein Grinsen, es war geradezu ungehörig, dort zu dieser Zeit gut gelaunt zu sein. Aber egal, er stand da und grinste, breit und unrasiert. Auf seinem Sweatshirt stand, quer über die breite Brust: „Just do nothing.“ So wie der aussah – zur Arbeit ging der gewiss nicht.

An diesem Kerl und Gegenmodell musste ich also noch vorbei und ich schritt – ohne weiter hinzusehen! – noch einmal zügig aus. Da war ich auch schon im Büro, im Werktag, in der nächsten Phase, im Tunnel.

Was soll ich sagen. Es ist jetzt sechs Wochen her, ich lebe mich noch ein.

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Links am Morgen

Berit Glanz über Bilder von der Apokalypse

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Wenn die männlichen Nachtigallen in freundlichen Frühlingsnächten singen, dann trällern sie sich damit ein Weibchen vom Himmel. Oder andersherum, die weiblichen Nachtigallen, die etwas später als die männlichen nach Norden ziehen, überfliegen im Schutz der Dunkelheit mehrere vorausgereiste Sänger und erwählen lauschend den richtigen, den allerbesten, den bemühtesten Musiker. Die letzten Nachtigallen, die man dann Ende Mai noch mit wachsender Intensität singen hört, die sind leider Single geblieben, die letzte Nachtigall singt vom größten Drama. Wer jetzt kein Nest hat, baut sich keines mehr …  Davon habe ich in einem Feature gehört, Stadt der Nachtigallen – Berlins Perfekter Sound. Da geht es um das gleichnamige Buch von David Rothenberg, es ist auch für Nichtberliner wie mich allemal interessant. Der Herr Rothenberg ist Philosoph und Musikwissenschaftler und studiert die Musik, die andere Arten auf diesem Planeten machen, abseits der Charts der Menschen. Es ist alles ganz wunderbar verschroben und ich wurde beim Hören etwas neidisch auf seine Profession, das war aber nicht unangenehm. So ein schönes und irgendwie genau richtiges Ausmaß an Verschrobenheit – das kann man ja auch inspirierend finden.

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