Ein Satz durch die Jahrhunderte

In der S-Bahn sitzt mir ein Rudel Teenager gegenüber, dreizehnjährig, vierzehnjährig vielleicht. Nein, sie stehen, hocken, liegen, knien auf und neben den Sitzen, es geht da etwas knäuelig und geradezu verboten undistanziert durcheinander, denn sie müssen sich alle unbedingt gegenseitig auf die Smartphones gucken, weil sie Avatare und Spielstände vergleichen. Ich verstehe nicht, um welches Spiel es geht, ich kann das immer nur korrekt deuten, wenn die Söhne das auch gerade spielen. Die Vokabeln, die ich mitbekomme, sagen mir aber in diesem Fall nichts. Egal, es geht um ein Spiel, um Gewinne, Level und Figuren, um so etwas. Und ein Junge sagt einen Satz zu einem Mädchen, den sehen wir uns genauer an, ob seiner zeitlosen Schönheit. 

Denn der Satz ist ganz 2020, er bezieht sich völlig eindeutig auf so eine Multiplayer-Geschichte, es geht um ein Game, ganz sicher um nichts anderes, aber dennoch, was für ein Satz. Man könnte ihn aus der Zeit lösen und quer durch die Jahrhunderte verschiedenen Figuren in den Mund legen, ganz wunderbar würde das gehen. Einem jungen Adeligen bei Shakespeare etwa hätte er sehr gut gestanden, der Satz passt in die Dramen dieser Zeit geradezu perfekt. Oder in den Zeiten des Minnesangs, das ist es fast zu schön, um wahr zu sein, wie gut diese Wendung da zu einem in Liebe entbrannten Ritter passt, als hätte man sie direkt aus dieser Epoche in die Gegenwart rüberkopiert, Strg-C, Strg-V quer durch die Zeiten und der Satz ist immer noch gut. Er meint zwar jetzt etwas vollkommen anderes, aber wenn man nur diesen Satz sieht, nur den Jungen und das Mädchen und er kniet sogar so halb … okay, er hockt eher. 

Es gibt eine Mozartoper, da kommt der Satz auch drin vor. Also die gibt es in Wahrheit nicht, aber es würde uns überhaupt nicht wundern, es ist doch der entscheidende Vers einer Arie, eine herzbewegend vorgetragene Bitte, man schmilzt beim Zuhören nur so dahin, der Jüngling auf der Bühne sowieso, wenn er diesen Satz singt, der sich heute nur auf ein banales Spiel bezieht, aber was kann man nicht alles ausblenden, wenn es doch um die ewige Liebe geht:

“Sag mir deinen Namen, dann kann ich dir folgen.”

Hat er gesagt. Hach. 

Na, egal. Auch bei der Romantik gilt jedenfalls: Immer alles mitnehmen, was man finden kann. 

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Links am Morgen

Picturing lockdown. Sehr gute Bilder.

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Jochen, für den das Bloggen noch neu ist, der bisher Journalismus im klassischen Sinne gewohnt war, über sein Blog: “Seit ich hier fast täglich irgendwas aufschreibe, kommt mir mein Beruf merkwürdig vor. Bei manchen meiner Geschichten vergeht ein halbes Jahr oder sogar mehr, bis sie endlich irgendwo am Kiosk liegen. Hier im Blog dagegen dauert das keine Sekunde. Man drückt auf den Knopf. Zack! Schon ist es draußen. Unglaublich.” 

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Das Anstrengende an einer Pandemie ist, also neben den ganzen „Sachen“, die irgendwie zu machen sind, eher so ein Anstrengungsgrundrauschen

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Digitaler Unterricht bleibt eine Herausforderung

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Das Leben ist dann doch irgendwie gemischt – aber da wir in jeden Teilaspekt zu einer polaren Meinung tendieren, jeder ganz verschieden, hassen wir bald alle anderen irgendwie.

Gunter Dueck über die Sucht nach dem Fokus und auch über alles. 

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Manfred Maurenbrecher, auch über alles. Ja, das dauert zehn Minuten, ja, es gibt noch lange Lieder. Und es gibt da Bezüge zwischen dem Text von Herrn Dueck und dem Lied hier, ganz seltsame Bezüge. Es isso. 

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Easy

Sohn I kann neuerdings einhändig Rad schlagen, das konnte ich nie, auch in seinem Alter nicht. Und weil ich es nie konnte, kann ich mir die Bewegung auch nicht richtig vorstellen, mir fehlt da etwas. Radschlagen weiß ich noch, Handstand und Kopfstand und so etwas alles auch, meinetwegen sogar Salto vor und rück, man war ja einmal jung, aber Rad einhändig – nein. 

Kennen Sie diese leichte Irritation, wenn man Bewegungen sieht, die man sich nicht richtig vorstellen kann, von denen man also nicht körperlich weiß, dass sie wirklich gehen? Der eine oder die andere kennt das auch aus dem Tanzunterricht, wenn man da neue Schritte und wilde Kombinationen sieht und erst einmal denkt: “Das ist doch so gar nicht möglich.”Manchmal spürt man beim Zusehen dann auf einmal unwillkürlich Muskeln an gewissen Stellen, weil etwas im Körper es sich dringend vorstellen will, was die Augen da wahrnehmen, denn es muss ja irgendwie gehen, das siehste doch. 

Ich sehe den Sohn, der einhändig Rad schlägt, wofür es sicher einen tollen Namen in der Turnszene gibt, den ich aber nicht kenne. Ich sehe ihn und eine innere Stimme raunt mir zu: “Alter, dabei würdest du so dermaßen auf die Fresse fallen.” Meine inneren Stimmen sind nämlich manchmal unerfreulich direkt und sie drücken sich auch nicht immer gewählt aus, die Bagaluten.

Der Sohn aber grinst, schlägt ein Rad nach dem anderen über den Rasen und sagt: “Ist doch easy.” Was will man von jemandem erwarten, der auch souverän Kopfstand auf einem SUP-Board macht, während es über die Bille treibt. Das wiederum hätte ich als Kind gar nicht machen können, denn als ich in seinem Alter war, da ist noch niemandem eingefallen, beim Rudern einfach mal aufzustehen, das war noch nicht erfunden, die Menschheit brauchte noch eine Generation Wassersporterfahrung mehr. Der Sohn macht das heute aber alles, wie nebenbei macht er es. Und es ist wie so oft, easy ist gar nicht easy, easy ist eher eine hohe Kunst. Easy sieht nur easy aus, alte Regel.

Ich habe hier ein Beispiel von Instagram, da sehen Sie eine Bewegung, die können Sie vermutlich auch nicht. Da verstehen Sie gleich viel besser, was ich meine. So also fühlt sich das an, wenn man etwas in der Art sieht, kurz vor schmerzhaft. Sollten Sie diese Bewegungen der Tänzerin aber entgegen meiner Erwartung doch easy nachempfinden können – Respekt! 

 

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Courtesy @trascendance #godatu #dance #godatudance #flexible #flexibility #ballet #ballerina #choreography #gymnast #gymnastics #contemporarydance

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Links am Morgen

Mely Kiyak über Rassismus

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Bestuhlte Parkplätze mit Service. Warum auch nicht. Mir ist nach wie vor eher unklar, wie Lokale und Läden für Mode und Zeug das überleben sollen, was in diesem Jahr passiert. Aber ich trage auch wenig bis gar nichts zur Rettung bei, stimmt schon. 

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Über Klassiker, freie Autorinnen und Zuwendungen. Ich glaube, ich bin nicht mit allen Deutungen und Voraussagen im Text einverstanden, aber einige Zahlen fand ich dann doch interessant.

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Vielleicht das Unheimlichste an diesen letzten Monaten, in denen die Welt sich auf den Kopf gestellt haben zu scheint, ist das schöne Wetter.

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Für den Freundeskreis Notizbücher: Penguin sex diaries – so etwas zieht einen doch magisch an, nicht wahr. Gefunden via Notebook Stories.

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Bei Gesa gibt es ab Sonntag einen Sütterlin-Kurs auf Instagram. Vielleicht auch für Kinder mit Schreibwarenneigung interessant!

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Am Wegesrand

An einem Kioskfenster hängt ein Zettel: “Alkohol trinken verboten!!!” Vielleicht sind es auch noch mehr Ausrufezeichen, das kann durchaus sein, ich zähle im Vorbeigehen nicht nach. Der Zettel ist schon etwas vergilbt, denn der hängt da in der prallen Sonne. Eine Ecke klebt auch längst nicht mehr richtig, ein Teil des Blattes hängt auf halbmast. Vor diesem Fenster sitzt ein Mann auf einem Plastikstuhl und trinkt Bier aus einer Dose. Der Mann hat nicht den gepflegtesten Gesamtzustand und einen nicht unerheblichen Bauch. Er sieht äußerst zufrieden mit allem aus, besonders aber mit seinem Bier. Der Kioskbesitzer lehnt entspannt neben ihm im Türrahmen und guckt, wer so vorbeigeht. Der Mann mit dem Bier legt jetzt den Kopf in den Nacken, macht die Augen zu und fühlt nach, wie das Bier da in ihm hinunterrinnt und kühlt und irgendwas lindert, also das nehme ich jedenfalls an, dass es das tut. Würde der Mann die Augen jetzt öffnen und nach oben sehen, er könnte den Zettel mit dem Alkoholverbot über Kopf lesen. Der Kioskbesitzer sieht einer Frau nach und sagt etwas, der Mann mit dem Bier nickt ohne hinzusehen. Es ist warm, es ist eigentlich schon heiß, ein wenig schwül vielleicht und die wenigen Menschen, die hier vorbeigehen, wirken angestrengt und müde, es ist spät am Nachmittag.

Es ist ein Vexierbild, nicht wahr, man kann sich aussuchen, wie man das findet. Lässig und locker, wie sich da über ein Verbot hinweggesetzt wird, es mutet doch geradezu französisch entspannt an, liberté wie in dieser einen Zigarettenwerbung da, nur mit irgendwie ungecastet wirkenden Darstellern. Oder es ist einfach nur prollig und blöd, renitent und bockig, wie da der Feierabend den Regeln entgegen verlebt wird, also wenn der da mal überhaupt einen Job hat, der Typ, man weiß es ja nicht, aber nee, vermutlich nicht. Der sitzt da bestimmt immer. Na, man kann es sich aussuchen. 

“Vorstadtfeierabend, dick von Fliederduft, Abendglocken schwingen vogelfrei …” Ich pfeife mir ein uraltes Stück vom Degenhardt, das hat mit der Sache so gar nichts zu tun, also das muss man jedenfalls dringend hoffen, aber was soll ich machen, ich kann die Texte alle noch. 

Ich gehe weiter, mehr passiert hier nicht. Die Platanen werfen schon wieder grünes Laub ab, vermutlich durch die Trockenheit der letzten Wochen. Die großen Blätter am Wegesrand zerknirschen wie Chips unter meinen Schuhen, so klingt der Juni.

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Links am Morgen

Es fehlt nicht an Schwarzen, die sprechen, sondern an Weißen, die zuhören. Eine Politikerin aus meinem Heimatland. 

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In Italien läuft die Fahrradprämie.

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Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, ob es so clever ist, jetzt noch Urlaub in Deutschland oder überhaupt irgendwo zu buchen. Wir haben diese eine Woche auf Eiderstedt im Juli, die wir immer mit sehr langem Vorlauf buchen, die kann wohl stattfinden, soweit ich sehe, wenn Schleswig-Holstein da nicht gerade wieder geschlossen wird. Und die nehmen wir auch wahr, denn da können wir auf den Hof, in die Ferienwohnung und dann da einfach bleiben. Das finden die Söhne eh am besten so, ohne diese blöde Ausflüge, was Eltern immer mit Ausflügen haben, es ist eigentlich unbegreiflich, also aus Kindersicht. Nach St. Peter-Ording müssen wir diesmal wohl eher nicht, denke ich.

Hätten wir diese Buchung nicht, ich würde nicht nach etwas suchen, nehme ich an. 

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Bei Anne Tyler bin ich bei “Abschied für Anfänger angekommen”. Und mittlerweile fällt doch sehr auf, dass zwar alle ihre Romane in Baltimore spielen, es diese Stadt in den Büchern aber nicht gibt oder sie nur bestenfalls schemenhaft vorkommt. Da wird nichts beschrieben, man sieht nichts vor sich, keine Gebäude, keine Straßen, keine Landschaft, es blüht nur dauernd irgendwo Hartriegel. Wie blüht Hartriegel? Hübscher als es klingt. Wenn ein Auto in eine Straße einbiegt, dann biegt ein Auto in eine Straße ein, damit ist das auch schon fertig beschrieben. Oh, wie schön ist Baltimore. Da gibt es auch fast keine Gesellschaft, keine Politik, keine unterschwelligen oder offensichtlichen Strömungen, es gibt auch kaum Wetter, es ist nur ab und zu Weihnachten. Das ist alles einfach nicht ihr Thema. Und das ist schon okay, es ist nur in diesem Ausmaß etwas verwunderlich, wie sehr es eine Kulisse nicht geben kann. Es gibt nur die Figuren, die aber sehr. Wie in diesen Vorabendserien, in denen die Kulissen keine große Rolle spielen dürfen, da sie nur Geld kosten, es geht vor allem um die Dialoge, Dialoge sind billig.

Nur dass die Dialoge bei Anne Tyler etwas durchdachter ausfallen und sie es schafft, dass man die Leute genau vor sich sieht, wie sie da über eine leere Bühne gehen. 

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Trinkgeld Mai, Ergebnisbericht

Der zweite Monat – oder waren es schon mehr? – in dem die Leserinnen und Leser, die ich jetzt übrigens auch LuL abkürzen könnte, wie es an den Schulen für die Lehrerinnen und Lehrer üblich ist, in dem Sie also freundlicherweise unsere Lebensmittel bezahlt haben, was ganz außerordentlich reizend von Ihnen ist und nicht unerheblich dazu beiträgt, dass wir halbwegs heil durch dieses Jahr kommen, also finanziell gesehen. Ich blogge also weiterhin eher mehr, statt anderen Aufträgen nachzujagen. Es kommt im Moment so hin und ich freue mich riesig darüber, Bloggen ist eh die beste Beschäftigung.  Oder, wie ich ich es neulich wieder bei einem Pressetermin erlebt habe:

“Von welchem Medium sind Sie denn?”

“Ich bin Blogger.”

“Ach. Na ja.”

Es gab sogar Trinkgeldspargel, wofür ich besonders danke. Andere Ausgaben standen im Monat Mai wiederum kaum an, Ausflüge, Theater, Kino etc. fanden weiterhin nicht statt. Mit einer bescheidenen Ausnahme, die Tageskarte für die unlängst verbloggte Kreisfahrt mit der U3, die wurde auch vom Trinkgeld bezahlt, außerdem der ebenfalls im Blog erwähnte Eiskaffee für die erweiterte Familie in Eppendorf, auch wenn der leider so gar nichts getaugt hat. Das war dann schon der Action-Teil des Monats, wir lassen es mit den Lockerungen wirklich langsam angehen. Wobei, das kann ich auch nicht anders sagen, die Kombination aus Home-Office und Home-School viele Möglichkeiten nimmt und über die Wochen ein bei mir eher ungewöhnliches “Ich will hier raus”-Gefühl erzeugt. Aber Wollen und Können, ne, da haben wir es wieder. 

Ich habe ferner ein Buch erworben und leider noch nicht gelesen: Sascha Michel, Die Unruhe der Bücher. Vom Lesen und was es mit uns macht. Ich werde dann später getreulich berichten, was das Buch mit mir gemacht hat. 

Die Söhne kauften sich vom Trinkgeld zweimal etwas, von dem ich dachte, es sei bereits wieder ausgestorben: Bubble Tea. Unaussprechlich ekelhaft war das, aber für sie war es ein Traum, sie kannten das noch nicht. Sohn I hat weiterhin seine lila Haarfarbe mit dem Trinkgeld finanziert, Sohn II auch einige Bände Mangas, ich habe da gar eine genaueren Kenntnisse. Er kaufte sich außerdem etwas Zauberzubehör, denn bei ihm geht es gerade magisch zu, sogar schon so, dass ich einen Trick hartnäckig nicht verstehe. Noch zehn solche Tricks, und er kann sich damit in die Mönckebergstraße stellen und auf andere Art zu Trinkgeld kommen. “Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?” “Hinter einem Hut.”

Die Herzdame hat in einem unbeobachteten Moment doch wieder Lampions gekauft, eine Suchtberatung wird von ihr aber bisher standhaft verweigert. Schlimm.

Beweisbild Lampions:

 

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Es gab wie fast immer mehrfach Eis (Im Betreff der Summen stand “Eis”, “Leckeres”, “Draußen“, “Spaß”), denn auf der Billerhuder Insel fährt ein Eiswagen herum, das ist einfach und geht schnell, das ist viel besser als ein Eiscafé. 

“Terrassengrün” war ein weiterer gut einlösbarer Betreff, der wurde in Salbei umgesetzt und blüht schon hummelfreundlich vor sich hin.

Einen Ausblick auf den Juni wage ich nicht. In drei Wochen, also gleich, beginnen in Hamburg schon die Sommerferien, dann haben die Söhne schulfrei, und das war auch schon die Pointe. Die Nerven liegen hier mit jeder Woche mehr blank, mir fehlt die Vorstellungskraft, wie dieser Sommer ablaufen wird. Jeden Tag gucken, was geht. Mehr geht nicht, aber so kommt man auch durch den Kalender. 

Wie immer, ich danke jedenfalls herzlich für jeden Euro und jeden Cent! Jedes Klimpern im Hut, das ich mir selbstredend bei jeder Überweisung tatsächlich vorstelle, ist mir ein Fest, ein großes.

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Links am Morgen

Bei der Gartenarbeit gerne gehört, lesen geht aber auch: Der Mensch erscheint im Anthropozän.

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 Joseph-Philippe Bevillard beschäftigt sich auf Instagram mit den Irish Travellers.

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Das Haus brennt und die Regierung reicht den Zündlern Geldbündel. Das muss endlich aufhören.

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Wer jetzt nach Schleswig-Holstein fährt, bekommt einen Vorgeschmack auf den Sommer: Strandurlaub mit reichlich Platz und Polizeikontrollen.

Nun ja. In den Nachrichten gestern las ich, dass mehrere Orte an der Ostsee für Tagestouristen wieder gesperrt wurden,  die Heerscharen von Besuchern waren dort nicht mehr zu bewältigen. So etwas wie Haffkrug überrennt man eben schnell.

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Das ewige Schulthema: „Trotzdem fehlt es vielerorts noch an Grundsätzlichem: Noch immer haben nicht alle Lehrerinnen und Lehrer dienstliche E-Mail-Adressen oder überhaupt Laptops und Computer, auf denen digitale Software störungsfrei läuft.

Und:

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Links am Morgen

Die Deutschen werden ein Tempolimit von 130 km/h genießen, wenn sie es schaffen, sich darauf einzulassen.

Ich halte dieses Tempolimit schon ein, mich stören beim Genuss nur die anderen.

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The hidden life of Georgia. Was für großartige Bilder! Bitte auch den Instagram-Account beachten. Gefunden via Kwerfeldein.

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Fritz: “Herr Mu, der nicht Herr Mu ist, heißt jetzt Fritz. Obwohl ich mir sicher bin, dass er nicht wirklich Fritz heißt, passt der Name zu ihm. Zu Herrn Mu passen viele Namen und sie alle wurden ihm von Menschen gegeben, die ihn zufällig trafen, während sie auf den Bus warteten.

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Die Lage in New York: “Es ist alles wie immer. Das ist ja vermutlich das Irritierendste an dieser Lage, dass sich nichts ernsthaft verändert hat. Es ist noch nie der Müll nicht abtransportiert worden, noch nie kein Wasser aus dem Hahn gekommen, noch nie habe ich etwas, das ich einkaufen wollte, nicht einkaufen oder bestellen können. Ich lebe nach wie vor an dem Ort auf der Welt, der wohl die höchste Dichte der besten Restaurants hat, und bei allen kann ich umstandslos mein Essen bestellen.

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Was spricht dagegen, mit Schüler*innen darüber zu reden, was sie am Ende der Unterrichtsreihe können sollen, Wege vorzuschlagen, wie man dahin kommen könnte und Überlegungen und Ansätze der Schüler*innen einfließen zu lassen? Interessante Randnotiz: Als ich mit Schüler*innen darüber gesprochen habe, inwiefern wohl die Krise Schule verändern könnte, war eine der ersten Fragen: „Und kann dann bitte auch mal über Klassenarbeiten gesprochen werden? Warum ersetzen wir nicht viel häufiger durch Langzeitaufgaben, bei denen wir Woche für Woche Dinge verbessern?“ Schüler als Subjekte ihres Lernens. Völlig unterschätzt.

Gefunden via Heike Flemming auf Twitter.

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Buddenbohm in Bewegung

Wo ich gestern gerade das Wort Chronistenpflicht erwähnte – ich denke, ich muss mehr raus. In den letzten Wochen habe ich außer der Wohnung, den Discountern und den anderen Läden im Stadtteil und dem Garten nichts gesehen. Und auch wenn man selbst über diese geringe Auswahl theoretisch endlos schreiben könnte, mir ist doch allmählich nach anderen Eindrücken. Das ist kein Fernweh, das ist eher ein mäßiger Lagerkoller. Das ist kein großes Gefühlskino, das ist nur so eine mittlere Wallung. Aber ich denke, ich müsste mal vor die Tür und vor die Hecke, ich müsste wieder etwas in Bewegung sein.

Mir fällt aber nichts ein, denn ich will zwar irgendwohin, ich will oder kann aber nichts aussuchen. Hamburg, das kenne ich doch alles. Ein Gedanke, der selbstverständlich vollkommen unsinnig ist, was mich aber nicht davon abhält, ihn stundenlang wiederkehrend zu haben. Also fahre ich erst einmal einfach U-Bahn. Die U-Bahn ist so ein herrlich unverbindliches Unterwegs, man ist nicht hier und nicht da, man kommt aber herum. Und zwar fahre ich mit der U3. Das ist die Linie, die in jedem Reiseführer über Hamburg steht, weil sie so schön am Hafen entlangfährt – „Guck mal, guck mal!“ -, außerdem fährt sie praktischerweise im Kreis und man kann einfach sitzenbleiben, falls einem an der theoretischen Endstation gerade etwas einfällt und man weiterschreiben möchte.

Ich steige am Hauptbahnhof ein und klappe das Notebook auf meinem Schoß auf, wobei ich mich frage, ob ich mit Maske überhaupt schreiben kann. Das ist nur auf den ersten Blick eine alberne Frage, auf den zweiten ist es nämlich tatsächlich so, dass das Schreiben ein doch recht körperlicher Vorgang ist und jede Veränderung dabei etwas ausmacht. Ich schreibe im Anzug ja auch anders als im Hoodie und diktierte Texte sind etwas anders als geschriebene Texte, handgeschriebene sind wieder anders als getippte. Aber das hier sind schon die ersten Absätze, damit ist das also geklärt, das Schreiben läuft. Manchmal ist es einfach und damit bin ich auch schon am Rödingsmarkt und habe gar nicht raus- und kaum hochgesehen, so wird das wohl eher nichts mit den Eindrücken.

An den Landungsbrücken, ja was wohl, genau – raus.

Und gleich wieder rein, denn mein Gedanke, mich da irgendwo im Schatten auf die Treppenstufen zu setzen und einfach weiterzuschreiben, nur mit Hafenidyll oder neiderweckendem Panorama im Hintergrund, den kann ich vorerst gepflegt vergessen. Es bewegen sich touristische Menschenmassen wie v.C. an der Elbe entlang, kollektives Herumgehen wie früher, Schiffegucken wie früher, Fischbrötchen wie früher, Barkassenfahrt wie früher, alles wie früher. Wäre ich Virus – ach, egal.

Nun ist es aber so, dass mir die Stadt ohne Menschenmassen ganz gut gefallen hat. Ich brauche daher noch eine Weile, um mich wieder an diesen normal genannten und dabei eindeutig schon überfüllten Zustand zu gewöhnen. Erst einmal steige ich etwas geschockt wieder in die nächste Bahn. In der Bahn ist es mäßig voll, das geht. Es gibt Plätze, es gibt Beinfreiheit, es gibt sogar die empfohlenen 1,50 Meter, im Grunde ist das eine Luxus-U-Bahn.

Hamburg ist übrigens der einzige Nordstaat, der ausdrücklich auch komplett für Tagestouristen offen ist, man merkt es, es sind alle, alle da.

Ich habe aber wieder zu lange nicht hochgesehen, ich bin schon am Eppendorfer Baum. Mir sitzt ein knutschendes Pärchen gegenüber, papierenes Mundschutzgeknister, das ist im Zusammenhang mit der aktuellen Situation ein Geräusch der Verheißung, also nach neuartiger Erotik. Sie gucken sich verliebt in die Augen und halten Händchen und denken sich gewiss bei jedem Blick die lächelnden Lippen dazu und was man noch alles könnte, wenn es denn nur ginge. Beide strahlen oberhalb der Masken so verliebt, wie es überhaupt nur denkbar ist, seine Hand auf ihren Knien und ihr Mundschutz wirkt jetzt auf einmal etwas zerknüllt. Ich schreibe nur, was ich lieber nicht laut sage: „Romantik!“ Und hätte ich die Herzdame dabei, ich würde sie jetzt glatt auch einmal küssen, so viel unausgelebte Spontaneität muss sein.

An der Kellinghusenstraße unterhalten sich zwei ältere Damen über einen abwesenden Herrn, die eine sagt: „Er hat ja so einen Helikoptersohn“, die andere macht: „Oh, oh!“ Einen Helikoptersohn. Es gibt Gefahren in der Erziehung, auf die bin ich bisher noch gar nicht gekommen.

Sierichstraße, hier habe ich einmal eine Wohnung besichtigt, fällt mir ein. Ich könnte überhaupt einfach mit dem ÖPNV durch Hamburg gondeln, mehr oder weniger zufällig, und überall Erinnerungen oder Bemerknisse abtippen oder mit der Hand schnell mitschreiben. An Content ist so leicht kein Mangel, wenn man nur lange genug in einer Stadt gelebt hat. Eine Spur der Verbloggung könnte ich durch Hamburg ziehen. Irgendwo hingehen und lauernd abwarten, entweder es fällt mir etwas ein oder es passiert etwas, vielleicht ist das auch ein Projekt. Es gibt eigentlich wenig Stellen in dieser Stadt, an denen ich tatsächlich etwas geschrieben habe, ich habe nur immer über diese Stellen geschrieben. Da mal drüber nachdenken! Als ich damals jedenfalls die Möglichkeit von Kindern erwähnte, da war die Besichtigung auch ganz schnell vorbei. Egal, lange her. Und Sierichstraße, als ob ich da jemals wohnen wollen würde. Manche Sachen merkt man sich eben.

Borgweg, ein Obdachloser steigt ein und sagt seinen langen Spruch auf, den man aber wegen seiner Maske nicht versteht, das ist nur ein gedehntes Genuschel. Entsprechend bekommt er auch von niemandem etwas. Kein Text, keine Almosen, da kennt man hier nix, das ist ja, als wenn die Kinder am Heiligabend keine Gedichte aufsagen würden, wo kommen wir denn da hin. Neulich war ich in der Innenstadt, Fußgängerzone, da formte ein bettelnder Mensch, der mutmaßlich aus Südosteuropa kam, gerade einen Hund aus Sand. Ein paar Menschen sahen zu und ein kleiner Junge sagte mit vermutlich von den Eltern vermittelter Neunmalklugheit: „Der macht aber immer den gleichen Hund!“ Es reicht nämlich nicht, dass man arm ist und in der Fußgängerzone betteln muss, man muss schon auch etwas machen, so ist das in unserer Leistungsethik nun einmal vorgesehen, und wenn man etwas macht, dann muss das auch gut sein und zwei, drei verschiedene Hunde, also bitte, das ist ja nun nicht zu viel verlangt. Andererseits kann ich zum Beispiel gar keinen Sandhund.

Ich glaube übrigens, ich habe nie am Heiligabend Gedichte aufsagen müssen. Oder ich habe es vergessen. Der letzte Satz gerade war geklaut, immer ehrlich bleiben. Es gibt einen alten Song von Klaus Hoffmann, in dem singt er davon, dass die Leute sagen, er sei gerade gut genug, um Katzen zu töten und dann: „Ich habe nie Katzen getötet. Oder ich habe es vergessen.“

Barmbek. Eine Frau steigt ein, an der ist alles, was sie trägt, farbenfroh gebatikt, nur ihr Mundschutz nicht. Ich habe jetzt schlimme Trendbefürchtungen, denn immer, wenn ich irgendwas modisch ganz furchtbar finde, zack, ist es das Highlight der Saison.

Ein Poster auf dem Bahnsteig sagt zu mir: „Schade, dass du bei uns keine Pflegekraft bist.“ Es werden Gehalt und Urlaubstage genannt, alle Mittel sind recht, um da an Personal zu kommen. Nur von den Überstunden und Arbeitsbedingungen sagen sie nichts. 3700 brutto steht da, aber da ist bestimmt ein kleingedrucktes Sternchen dran mit zwanzig Einschränkungen, das kann ich aber nicht sehen, der Zug fährt schon wieder.

Dehnhaide. In der Bahn, das sehe ich jetzt erst, wirbt direkt neben mir ein Plakat, ich möge doch bitte Experte werden, etwa für „IT & Cybercrime“. Früher, so denke ich, früher rutschte man in die Kriminalität noch allmählich ab, heute wird man also ganz offiziell dafür angeworben. Ts.

Mundsburg. Ich habe jetzt dauernd Klaus-Hoffmann-Lieder im Ohr: „Schau, ich hab‘ für dich vier Perlen aus Regen, aus einem Land, wo Sonne nur brennt.“ Die Sonne brennt hier in Hamburg auch, aber ich mache kein Gedicht und kein Liebeslied daraus. Besser ist das.

Eine Frau versucht hektisch, die Türen mit dem Ellenbogen zu öffnen, verheddert sich dabei aber in ihrer Handtasche und nimmt schließlich entnervt und leise fluchend doch den Finger, um den Knopf zu drücken. Die Türen öffnen übrigens auch automatisch, aber dafür müsste man etwas mehr Geduld haben, um das zu erleben. Ein paar Sekunden Geduld nur, zu viel für den Großstadtmenschen, zu viel für uns.

Berliner Tor. Ich höre jetzt Musik über Handy und Kopfhörer, gerade wird mir dabei ein Song von Kevin Johansen zugeshuffelt, in dem verstehe ich die Zeile: „If you want to give a kiss – just give a kiss.“ Ein Song über Timing ist das. Zu und zu schade, dass der Song nicht am Eppendorfer Baum lief, siehe oben. Aber ein gutes Lied ist es doch.

Hauptbahnhof, ich steige wieder aus. Der Bahnhof ist voll wie nur je, die altbekannte Fülle und das Gedränge und Geschiebe und Gerenne, es fühlt sich um mich herum original wie 2019 an, nur die Maskenträgerinnern sind anders, aber andererseits gibt es jedes Jahr irgendein neues Accessoire. Sonst ist eh alles wieder im alten Muster, im alten Fahrplan und Groove. Man macht alles, man darf alles, die Stadt findet wieder ihren Rhythmus und ihren Beat, ihre Lautstärke und auch ihre Öffnungszeiten. Auf dem Handy sehe ich Ankündigungsmails von den Vereinen der Söhne, alles findet wieder statt, sogar der Indoor-Sport läuft an.

Nur regelmäßig in die Schule darf man auf keinen Fall und zu Prostituierten darf man gar nicht. Was für eine überaus abgefahrene Kombination.

Wie auch immer, ich war dann mal draußen.

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