Onesie-Warnung

Beetlebum hat hier einen Beitrag über Onesies, dazu möchte ich gerne etwas ergänzen, bzw. bestätigen. Falls jemand fragend auf das Wort sieht, hier die Wikipedia mit Erläuterungen: Onesie. Irritierenderweise steht da “for adults”, was wieder beweist, dass die Wikipedia ein Abgrund an Desinformation ist. Schlimm! Denn Onesies sind nicht, ich wiederhole: nicht! für Erwachsene. Also zumindest nicht für mich, und ich nehme stark an, auch nicht für Sie oder irgendwen, der älter als, na, etwa zehn Jahre ist. Ich erkläre mal, warum das so ist. Man muss es aus Elternsicht angehen.

Denn als Elternteil weiß man mittlerweile sicherlich: Onesies, gerade die in der ausdrücklichen Schlafanzugversion, sind an Kindern total niedlich. Oberniedlich, quietschniedlich, man möchte Kinder, die Onesies tragen, dauernd und dringend herzen und bekuscheln, man möchte sie permanent an sich drücken, und wenn man ehrlich mit sich ist, was man als aufrechter Blogger selbstverständlich immer sein sollte, kann man dabei tief in sich ein wenig Neid spüren. Neid auf diese unerreichbare Hyperkuscheligkeit, Neid auf diese sensationelle Gemütlichkeit, die man dem Kind und seinem Dress auf zehn Meter Entfernung ansieht. Neid auf diese flauschige Geborgenheit, aus der man als Erwachsener irgendwann so gründlich und unumkehrbar gefallen ist. Ein Kind im Onesie sieht nach glücklicher Kindheit und Geborgenheit und hyggeliger Sorglosigkeit aus, mehr Accessoires oder Deko braucht es gar nicht. Und weil Onesies so wahnsinnig gemütlich sind, tragen Kinder sie natürlich gerne ganztägig und überhaupt immer, am besten wochenlang. Warum soll man etwas ausziehen, was sich ideal anfühlt? Das Kind kann mit dem Onesie ins Bett gehen und braucht nicht einmal eine Decke, es hat an sich und in seinem Kleidungsstück Wärme genug, es braucht eigentlich nicht einmal ein Bett, es rollt sich einfach nur etwas ein, wo immer es gerade liegt, wie ein Tier im Wald, im Einklang mit sich und seiner Umgebung. Ein Onesie ist kein Fell, aber es ist schon ein verdammt guter Ersatz.

So verhält es sich also mit den Onesies für Kinder. Es gibt nun den einen oder anderen Erwachsenen, den das Betrachten des Nachwuchses in diesen Dingern in die Versuchung bringt, sich selbst auch so etwas zuzulegen. Da kann man ja mal drüber nachdenken, denn die Vorstellung, dass eine ganze Familie in so etwas einen ganzen Sonntag lang auf dem Sofa herumliegt – in der Kinderstube eines Maulwurfs kann es doch kaum puscheliger und samtiger zugehen. Die Herzdame hat also Onesies für uns bestellt und zum folgenden Absatz werden Menschen wieder etwas wie “Pics or it didn’t happen” kommentieren, aber nein, oh nein, es gibt keine Pics. Aus sehr, sehr guten Gründen. And it did happen anyway.

Wir haben die Onesies also anprobiert und uns vor den Spiegel gestellt, es war ein erstaunliches Erlebnis. Ich würde mich grundsätzlich ohnehin nicht für eine Schönheit halten, aber so schlecht habe ich vermutlich noch nie ausgesehen. Ein Onesie an einem Erwachsenen ist eine textile Abwertung, es ist die Auslöschung allen Stils, aller Grazie, aller Würde, aller Form. Ja, auch und gerade aller Form, denn die Dinger sitzen grotesk unförmig, es fällt einem an Kindern nur nicht so auf. Sie hängen, weil sie ja locker sitzen sollen, schlapp an einem herunter, es ist ein wenig so, als werfe man plötzlich ganzkörperig Riesenfalten. Man sieht auch nicht etwa wie ein Astronaut, ein Rennfahrer oder ein Monteur aus, man sieht, da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren, gleich auf den ersten Blick einfach nur wie ein Depp aus. Und zwar in der Ausführung des Volldepps.  Nach dem ersten Blick in den Spiegel verschärft sich der Eindruck beim zweiten Blick noch, denn man bekommt einen Schreck ob seiner völlig unerwarteten Volldeppenhaftigkeit. Und weil der Mensch nun einmal nicht intelligent guckt, wenn er sich erschrickt, sieht man gleich noch dümmer aus, man erreicht ganz unerwartete Dimensionen des depperten Aussehens, und man muss hier auch unbedingt noch eine optische Täuschung erwähnen, die in diesem Zusammenhang wichtig ist. Es findet im Spiegel nämlich auch eine Verzwergung des Ichs statt, weil man in einem Onesie irgendwie nach einer Figur aus Kinderwelten aussieht, nicht mehr wie ein Mensch in den besten Jahren. Man schrumpft vor sich selbst zusammen. Wenn man sich dann ruckartig aufrichtet und den Rücken gerade macht, eine naheliegende und reflexhafte Reaktion, um zu retten, was zu retten ist, sieht man aus wie der siebte Zwerg in Disneys Schneewittchen, der höchst drollig einen Soldaten parodiert. Man kann vor dem Spiegel machen, was immer man will, eine Rettung gibt es nicht.

Da so ein locker sitzendes Onesie ausgerechnet an den Hüften die größten Falten wirft, wirkt es außerdem ein wenig so, als hätte einen jemand von oben in diesen Anzug gedrückt und man wäre früher einmal wesentlich größer gewesen. Man sieht nicht nur aus wie ein Depp, sondern auch noch wie ein zusammengestauchter Depp. Ein zusammengestauchter Volldepp also, wobei die Stauchung, das Spiegelbild ist da recht eindeutig, vermutlich durch kräftige Schläge auf den Kopf erfolgte, was der ohnehin schwachen Restintelligenz des Onesie-Trägers natürlich auch nicht gerade zuträglich gewesen ist, zumindest weiß man nicht, wie man diesen Gesichtsdruck da im Spiegel sonst plausibel erklären könnte. Man wendet sich irgendwann mit Grauen und zieht sich wieder um.

Die Herzdame hat ihren Onesie auch anprobiert, die Folgen waren ähnlich. Sie war, da sie deutlich jünger ist als ich, beim Vergleich ihrer Spiegelung allerdings eher bei den Teletubbies, die habe ich natürlich nie gesehen, das ist die Gnade der frühen Geburt. Wir danken jedenfalls unserem gesunden Menschenverstand, der uns beiden eingab, uns nicht länger als für den Bruchteil einer Sekunde gegenseitig zu betrachten, es ist kaum auszudenken, was dieses Bild, hätte es sich im Kopf festgesetzt, für fatale Folgen für die Beziehung gehabt hätte. Niemand ist gerne mit einem gestauchten Volldeppen verheiratet, der an den Hüften riesige Falten wirft und ob seines irren Blickes und seiner plüschigen Kleidung aussieht wie ein Stofftier auf Drogen. Nein, wir haben sie wirklich nicht lange angehabt. Wir haben sie sehr schnell wieder eingepackt und weggeschickt. Die Söhne, die diese Szene vor dem Spiegel beobachtet haben, werden irgendwann darüber wegkommen und nicht mehr hysterisch lachen, wenn sie daran zurückdenken. Das hoffen wir jedenfalls, im Moment ist das noch nicht abzusehen. Alle paar Stunden hören wir lautes Gewieher aus dem Kinderzimmer und wissen,  es ist ihnen doch wieder eingefallen.

Was ich aber eigentlich nur eben sagen wollte: Kaufen Sie das lieber nicht.

 

Gelesen, vorgelesen, gesehen, gehört im Januar

Gelesen

Weitergelesen in Alex Capus: “Léon und Louise”, das ist ein Roman, der im letzten Monat hier schon vorkam. Ich bin ganz hingerissen von dieser Geschichte, von dieser melancholischen bis bitteren Liebesgeschichte aus dem besetzten Paris im Zweiten Weltkrieg. Wirklich sehr geschmeidig erzählt, das perlt so vor sich hin, in Rezensionen findet man das Wort “leichthändig”, das passt auch. Ein äußerst angenehmer Erzählstil, eine geradezu beneidenswert gute Geschichte. Wobei es fast ein wenig schade ist, das Buch jetzt gelesen zu haben, es ist wohl die perfekte Urlaubslektüre für den Sommer. Liegenlassen wollte ich es nach den ersten Seiten aber doch nicht, bis zum Urlaub dauert es immerhin noch ein paar Monate, ich wollte jetzt schon wissen, wie es weitergeht, nachdem sich die beiden jungen Liebenden bei diesem Bombenangriff auf der Landstraße in der französischen Provinz verloren haben. So ein schönes Buch, echtjetzmal. Und es ist immer noch Capus übrig! Demnächst wieder frische Ware auf dem Nachttisch.

Karl Krolow: Ich höre mich sagen – Gedichte

Das kam hier auch schon einmal vor, ich habe das Buch jetzt beendet. Ein dann doch etwas schwieriger Lyrikband, wunderschön aber die letzte Strophe von “Was bleibt”, ich habe sie eventuell schon einmal zitiert, egal:

Ich lasse mir Zeit jetzt und lasse

den Tag mit den Tagen vergehen.

Von allem bleibt nichts. Und ich fasse

in Luft nur und nenn’ es Geschehen.

Für so eine Strophe kann sich ein Lyrikband eben auch lohnen. Selbst wenn man mit dem Rest nicht ganz so viel anfangen kann.  Was nichts macht, ich kann Gedichte, auch wenn sie mir wenig sagen, ganz hervorragend zum Einschlafen lesen. Es ist doch interessanter, über ein seltsames Wort in einem Vers nachzudenken, als etwa über das Mittagessen des nächsten Tages.

Ich habe in letzter Zeit übrigens bei gleich zwei höchst unterschiedlichen Dichtern der Gegenwart, bei Manfred Maurenbrecher und bei Farin Urlaub, gelesen bzw, gehört, dass sie auch deswegen gerne reimen, weil ein Reim sie vielleicht gedanklich in neue Gegenden trägt, in die sie sonst beim Denken überhaupt nicht gekommen wären.  Das geht mir gar nicht mehr aus dem Kopf, so ein interessanter Aspekt.

Ursel Allenstein & Ulrike Ostermeyer (Hrsg.): Eine Welt von Schnee

Eine Schnee-Anthologie, sehr schnell zu lesen, quasi auf ex wegzublättern. Nicht weil die Beiträge schlecht wären, nein, nur weil der Schnee doch nicht bleibt. Blieb! Mittlerweile sind draußen schon wieder 12 Grad und ergiebiger Regen, vorbei die Pracht und die Herrlichkeit der weißen Aufhübschung. Das Buch enthält interessante Beiträge, man findet doch glatt Autoren, von denen man dann wieder weitere Bücher auf den Wunschzettel setzt, etwa Stefan Moster, den habe ich anscheinend bisher verpasst. Demnächst auf diesem Sender. Außerdem einige skandinavische Namen, die mir bisher nichts sagten. Immer schlimm, wenn Anthologien Bestellorgien auslösen.

Peter Rühmkorf: wenn – aber dann – vorletzte Gedichte

Rühmkorf geht ja immer.

philosophie-Magazin

Gekauft, weil Hilal Szegin auf Facebook auf diese Ausgabe der Zeitschrift hinwies, wegen des Artikels mit den Antworten der 27 Philosophen/Denker zur Situation der Flüchtlinge und des Landes. Also dieses Landes. Ich habe erst einmal auf den Seiten vor diesem Artikel etwas quergelesen. Das muss ich mir demnächst mal mit mehr Ruhe ansehen, die ersten Seiten überzeugen mich bisher überhaupt nicht.

Vorgelesen

Ilse Kieberger: Ferien mit Oma

Ein Buch aus dem gar nicht so kleinen Bestand an Büchern aus der Kindheit der Herzdame, sie hat es den Söhnen auch vorgelesen. Die Söhne waren sehr angetan und nach den Reaktionen auf Facebook zu urteilen, haben das enorm viele Leserinnen in der Kindheit gelesen. Ich kannte das Buch nicht.

Ferien mit Oma

 

 Christian Loeffelbein und Ina Hattenhauer (Illustration): Monster-Fahrt zum Käsemond – Professor Graghuls geheime Monsterschule Band 2

Der zweite Band von Professor Graghuls Monsterabenteuern, die Söhne sind weiterhin hell begeistert. Genau ihr Humor, genau richtig spannend.

Ich habe in diesem Monat wenig vorgelesen, es lag aber gar nicht an mir. Sohn I liest immer mehr und immer schneller selbst, Sohn II erkämpft sich gerade das Alphabet und übt abends so hochkonzentriert das Schreiben, dass er gar keine vorgelesenen Geschichten mitbekommen würde. Er hat in der Vorschule gemerkt, dass seine Freundin schon lesen kann und er nicht – und so geht es ja nicht! Diese Erkenntnis war vor vierzehn Tagen, jetzt buchstabiert er sich schon alleine Werbeplakate und dergleichen zusammen und schreibt erste Einkaufszettel. Läuft.

Gesehen

Noch ein paar Folgen Downton Abbey, aber zusehends lustlos, ich finde die Handlung einfach zu schwachsinnig und konsalikesk. Ich setze das wohl nicht fort.

Gehört

Arthur Schnitzler: Später Ruhm. Gelesen von Udo Samel

Das gibt es als Hörbuch bei Spotify. Den Texte kannte ich nicht, den habe ich zufällig gefunden. Ein älterer Herr wird von Wiener Jungdichtern begeistert auf einen Gedichtband angesprochen, den er vor einer Ewigkeit veröffentlicht und selbst nahezu vergessen hat. Der Band hatte damals keinen Erfolg, der Mann wurde also doch nicht Dichter, er wurde braver Beamter und war mit seinem Leben zwischen Akten und Stammtisch auch nicht unzufrieden. Selbstverständlich schmeichelt ihm aber die unerwartete Verehrung der jungen Leute. Er lässt sich verleiten, sich noch einmal mit der Literaturszene einzulassen, er will es auch mit dem Dichten noch einmal versuchen – allerdings fällt ihm überhaupt nichts ein. Dennoch sagt er noch einmal eine Lesung zu, ein Vorhaben, das gründlich und peinlich scheitert. Schnitzler selbst war nicht ganz einverstanden mit seinem Text, ich habe ihn sehr genossen. Die Stimme von Udo Samel passt wundervoll.

Was man auf Streifzügen durch die Musikgeschichte so findet – Jimmy Smith an der Hammond-Orgel, Mark Withfield an der Gitarre. Ein hervorragendes Stück, um es laut zu hören, während man sich für eine abendliche Tanzveranstaltung stylt.

Und das hier dann eher zu später Stunde nach einer Tanzveranstaltung. The Doors.

Der sehr geschätzte Bernd Begemann hat eine neue CD: “Eine kurze Liste mit Forderungen.” Wenn man bei diesem Lied Sankt Pauli gegen Sankt Georg tauscht, passt immer noch ziemlich viel. Wo auch immer dieses im Song erwähnte Stellingen eigentlich ist, in das der Herr übrigens tatsächlich mit seinem Reihenhaus-Girl gezogen ist.

Schubert kommt hier regelmäßig vor, im Moment bin ich wieder bei den Interpretationen von Matthias Goerne.

Groß aber auch der Erlkönig von ihm:

And now for something completely different, gefunden über die Spotify-Empfehlungen: The Jolly Boys mit Perfect Day. Ich finde es wunderbar.

Auf diese Art kam ich auch auf Bill Fay, von dem ich noch nie gehört hatte, hier etwas mehr über ihn. Zu Bill Fay gibt es kein interessantes Video, man kann aber hier hören, wie er sehr gelungen traurige Musik macht. Ich mag traurige Musik, ich brauche traurige Musik zur Entspannung. Nichts beruhigt mich mehr als Lieder über Liebeskummer und Weltschmerz und allerlei Leid. Eventuell bin ich etwas seltsam.

Der Ohrwurm des Monats ist aber eine Jazzmelodie, hier gespielt von Kenny Ball and his Jazzmen: Midnight in Moscow. Nach dem dritten Hören rastet es ein.

Und noch ein Youtube-Fund: Johnny Cash und Bob Dylan. One too many morning.

Davon findet man auch noch mehr:

Richard Hawley kannte ich auch nicht. Schöne Wintermusik.

Und von jenem Richard Hawley auch ein ruhiges, ein sogar sehr ruhiges Video – auch mal schön.

Goldene Blogger – Newcomer des Jahres 2015: Jojo Buddenbohm

goldener-blogger-klein-gif-1-255x450Das ist natürlich unfassbar großartig, Jojo, auch bekannt als Sohn I, hat also tatsächlich gewonnen! Wir danken allen, die da mit abgestimmt haben oder auf diversen Kanälen Glückwünsche geschickt haben, das war ein ganz außerordentlich großartiger Abend gestern. Hier die Liste aller Gewinner, das Durchklicken lohnt selbstverständlich.

Wir haben die ganze Veranstaltung im Livestream angesehen, es wurde von Minute zu Minute spannender, weil man natürlich nicht wusste, wann die Kategorie der Newcomer dran war. Die Herzdame und ich starrten auf die Notebooks, die Söhne hüpften beide um uns herum, denn in dem Alter hält einen nichts auf dem Stuhl, wenn es etwas zu gewinnen gibt. Spätestens als die ihnen persönlich bekannte Patricia Cammarata gewann, war hier niemand mehr zu halten. Es wurde immer später, die Kinder wurden immer flummihafter, die Newcomer waren immer noch nicht dran, ich wurde allmählich etwas nervös. Immerhin musste der Nominierte, Wahl hin oder her, am nächsten Tag in die Schule, möglichst in halbwegs ausgeschlafenem Zustand. Die Herzdame saß auch auf Kohlen, sie musste zum Tanzkurs und überlegte minütlich, wie viele weitere Minuten Verspätung wohl gerade noch okay sein könnten.

Die Wahl war dann gerade noch rechtzeitig für die Kinder, Jojo war überglücklich, als das Ergebnis verkündet wurde. Nebenbei bemerkt eine äußerst charmante Gelegenheit, den Söhnen Tortendiagramme und Online-Abstimmungen zu erklären, besser kann man es wohl nicht treffen. Das Prinzip haben beide jetzt wirklich gründlich verstanden. Und ich war heilfroh, dass ich Jojo nicht etwas wie “Auf den Sieg kommt es nicht an, du warst immerhin nominiert, auch schön!” verkaufen musste, was pädagogisch natürlich vollkommen in Ordnung gewesen wäre, gar keine Frage, aber ein wenig anstrengend.

Die Brüder lagen sich hier laut jubelnd in den Armen, was übrigens eine interessante Erfahrung ist, normalerweise geraten sie etwa alle zehn Minuten wegen irgendeiner Nichtigkeit handgreiflich aneinander. Aber Sohn II war dann doch sehr, sehr stolz auf seinen so erfolgreichen großen Bruder, das war wirklich schön zu sehen: “Mein Bruder hat gewonnen! Mein Bruder ist toll! Und ich bin der Bruder von meinem Bruder!”

Und ich bin der Vater der beiden Brüder, darüber freue ich mich jeden Tag. Und an manchen Tagen ist diese Freude eben auch eine abendfüllende Angelegenheit.

 

Mit der Drahtsäge um die Welt

Der Gedanke, dass die Welt immer verrückter wird, er drängt sich auf, sobald man Nachrichten liest. Man findet aber auch im Alltag zahllose Belege dafür, es ist ganz erstaunlich, die Krisen wirken sich aus. Ich schlage das Kundenmagazin eines Reisebüros für Geschäftsleute auf, darin werden ein paar Ziele nett beschrieben und es werden auch Artikel beworben, die auf Reisen praktisch sind. Schlafbrillen, Nackenkissen, Rollkoffer und dergleichen mehr. Und diesmal auch eine Survivalausrüstung, die in den Schaft einer Taschenlampe passt. Gedacht für Reisen “in entlegene Gegenden”, wo die auch sein mögen, das steht da nicht, in Brandenburg oder im Jemen, wer weiß. Enthalten sind in diesem Set ein Kompass, Wasserreinigungstabletten, eine Drahtsäge, wasserfeste Streichhölzer, eine Signalpfeife, eine Angelausrüstung, ein Dosenöfffner, Kerzen. Was man in entlegenen Gegenden eben so braucht. Das Angebot richtet sich weder an Söldner noch an gestandene Abenteurer, sondern tatsächlich an Geschäftsreisende. Die vielleicht irgendwo in der Wüste stranden, um dort umgehend ihre Angelausrüstung zu entwirren, warum auch immer. Das bestellen also Menschen aus Büros auch in unserer Nähe, verstauen das in ihrem Koffer – und fühlen sich dann gleich sicherer, kein Scherz.

Es ist ja so, da kann man ruhig ehrlich sein: wir haben damals alle Yps mit Gimmick gekauft und mit der Agentenbrille dauernd nachgesehen, was hinter uns war. Und ja, wir haben damals doch alle sämtliche Folgen von MacGyver gesehen und genau verstanden, dass man mit einem Kaugummi und einem Zahnstocher jederzeit eine Rakete reparieren kann. Das war nur eine Phase. Aber an solchen Anzeigen merkt man jetzt – einigen von uns ist das einfach nicht gut bekommen. Man erkennt sie an der Drahtsäge im Handgepäck.

Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten

Terminhinweis 25. Januar: Blogger des Jahres

Es ist mir eine ganz besondere Freude, auf diese feine Veranstaltung am Montag, 25. Januar, 18:30, hinzuweisen, bei der zu unserer großen Überraschung sowohl Jojo (Sohn I) als auch unser Familienblog in Gänze in getrennten Kategorien nominiert sind. Zwei Nominierungen, ein Haushalt, ist es zu glauben? Wie toll, wie cool ist das denn? Und bei Jojo freue ich mich natürlich über jeden, der vielleicht auch für ihn abstimmen möchte (Details drüben auf der Seite), der junge Nachwuchsautor ist jetzt schon ganz verrückt vor Freude. Die übrigens nur dadurch ein wenig getrübt wird, dass so viele Menschen in seinem Umfeld nach wie vor überhaupt keine Ahnung haben, was ein Blog ist. In der Grundschule z.B. landet man damit kaum Treffer. Nun ja.

Er weiß das mittlerweile jedenfalls recht gut, er hat jetzt eine recht kenntnisreiche Vorstellung von dem, was wir hier online machen und ich finde nach wie vor, das kann als Medienerziehung nicht verkehrt sein. Buddenbohm & Söhne steht hier oben drüber, das ist auch tatsächlich so gemeint. Sohn II hat vor ein paar Wochen angefangen, sich an den Texten von Sohn I zu beteiligen und wird sicherlich auch bald selbst schreiben, die Herzdame ist durch die Backkolumne viel präsenter als in früheren Jahren – es ist eben ein Familienbetrieb etwas modernerer Ausprägung. Ich bin wirklich sehr gespannt auf die Wahl. Sohn I allerdings ist noch viel gespannter, gar keine Frage.

 

Kurz und klein

Tanzsport als sich selbst erledigendes Thema betrachtet

Ich blogge hier im zwölften Jahr, in dieser Zeit sind so manche Themen aufgetaucht und auch wieder verschwunden. Einige Themen waren und sind sehr raum- und zeitgreifend, etwa das mit dem Nachwuchs. Einige sind gar nicht lustig, etwa die Sache mit der Flucht und der Integration, einige finanzieren das Ganze, etwa der Wirtschaftsteil für die hochgeschätzte GLS Bank. Einige kamen eher durch reinen Zufall dazu, etwa die Back-Kolumne der Herzdame, einige lagen als Format auch ziemlich nahe, etwa die Tweetsammlungen zu Familienthemen. Es gibt selbstverständlich auch Themen in meinem Alltag, die hier nicht vorkommen, etwa weil sie andere Leute betreffen, die ich nicht fortwährend ungefragt beschreiben darf, so etwas tut man nicht. Manches ist auch zu privat, manches ist zu geschäftlich, es gibt eben Grenzen. Und es gibt ein noch ziemlich neues Thema, das sich komplett selbst erledigt, eben weil es ein Thema für mich ist. Das ist das Tanzen, das sind die Varianten des Social Dance, wobei in meinem Fall in der Regel der Lindy-Hop gemeint ist. Aber nicht nur, dazu komme ich gleich noch.

Das Thema ist nicht zu persönlich, im Gegenteil, es gäbe da eine ganze Menge zu erzählen und zu beschreiben, da könnte man ganz offen mit umgehen. Es ist aufregend, es ist anders, es ist sehr, sehr gesellig, bunt und lustig und amüsant und belebend, ein Abend im Tanzkurs liefert zuverlässig gleich mehrere Ideen für Texte. Die ich dann allerdings nicht schreibe. Weil ich keine Zeit habe. Denn wenn ich Zeit habe, dann gehe ich ja wieder zum Tanzen. Das wird gerade immer mehr, wenn es klappt, gehe ich auch dreimal in der Woche, bzw. einfach immer dann, wenn die Herzdame gerade nicht geht. Wir kommen in der Szene meistens nur einzeln vor, sonst müssten wir an jedem Abend einen Babysitter bezahlen, das geht einfach nicht. Ich gehe also, so oft ich es schaffe, es gibt enorm viele passende Veranstaltungen in Hamburg.

Und wenn ich da war, bin ich hinterher verlässlich zu müde für alles, es ist dann doch auch ein herausfordernder Sport, und um meine Kondition ist es nicht gut bestellt, die muss mir erst zuwachsen. Zumal Tanzkurse und Tanzpartys zuverlässsig immer dann stattfinden, wenn ich normalerweise gerade ins Bett gehe, diese Freizeitbeschäftigung ist im Grunde ein einziger Anschlag auf meinen Biorhythmus. Schlimm.

Wie es aussieht, wird es hier also auch weiterhin eher wenig Texte dazu geben, es klappt einfach nicht. Ich werde aber ab und zu ein Filmchen zeigen, dann kann man sich vorstellen, was ich zwischendurch so treibe. Heute und morgen etwa sind die Herzdame und ich bei einem Workshop zum Collegiate Shag. Die Söhne sind auch dabei, sie gucken aber nur zu und geben sich betont uninteressiert. Sie sind sich nach wie vor nicht ganz sicher, ob Tanz nun wirklich cool ist oder nicht, mögen aber immerhin die Musik und wippen schon etwas mit den Beinen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Der Collegiate Shag ist ein Tanz, der sicher eher nicht allgemein bekannt ist. Er wurzelt in der Swing-Ära und zeichnet sich durch sehr hohe Geschwindigkeit und eine gewisse grundsätzliche Albernheit aus, eine ziemlich spaßige Kombination. Wenn man Lindy-Hop tanzt, ist das sportlich in etwa so anspruchsvoll wie normales Feierabend-Jogging, Collegiate Shag ist dagegen Sprint. Nach zwei Stunden ist man komplett fertig mit der Welt, urlaubsreif und sehr sofabedürftig.

Wir haben den Workshop bei diesen beiden hier, allerdings lernen wir selbstverständlich nicht das, was sie da vorführen, sondern nur die Beginner-Variante. Aber um sich den Tanz vorstellen zu können:

Eine etwas alltagstauglichere Version des Tanzes kann man hier sehen:

Schiller, Heine, Busch, Rilke, Bukowski

Einer dieser Dichter passt nicht zu den anderen? Eine etwas ungewöhnliche Dichterreihe, was haben die denn bloß gemeinsam? Das sind die Dichter, die bisher von Reinhardt Repkes Club der toten Dichter vertont worden sind (auch bei Spotify zu finden). Bukowski ist seit diesem Jahr neu in der Reihe, die CD erscheint in Kürze, ab April geht die Truppe damit auf Tour. Falls die bei Ihnen in der Nähe vorbeikommen – gehen Sie da ruhig hin. Nein, gehen Sie da unbedingt hin. Die sind wirklich gut.

Die Gesangsstimme wird jedesmal neu besetzt, bei Bukowski ist es diesmal Peter Lohmeyer, es gibt bereits ein Video:

Bei Schiller, da habe ich die Gruppe kennengelernt, war es Dirk Darmstädter. Das hatte ich hier schon einmal, egal, auf etwas Gutes kann man ruhig mehrfach hinweisen. Man kommt ja nicht unbedingt sofort darauf, dass man aus den Antiken zu Paris einen eingängigen Song machen kann. Kann man aber.

Da die Schiller-CD in diesem Haushalt ziemlich oft lief, können übrigens beide Söhne das Räuberlied sehr schön mitsingen: “Stehlen, morden, huren, balgen, heißt bei uns die Zeit zerstreuen.” Es ist ja nicht so, dass man unangemessene Inhalte für den Nachwuchs nur bei modernen Deutschrappern finden würde, nicht wahr.

Zu Rilke gibt es auch ein Video, auch das kam hier schon einmal vor, aber wenn man die drei Videos im Kontext sieht, kann man sich vielleicht ganz gut vorstellen, wie durchdacht und liebevoll diese Band die Vertonungen angeht.

Und überhaupt sind das Musiker, bei denen man, wenn man ihnen eine Weile bei der Arbeit zusieht, doch wieder intensiv bedauert, damals kein Instrument gelernt zu haben. Was für ein Riesenfehler, was für eine unverzeihliche Dummheit.

Und es gibt noch eine interessante Nebenwirkung der Konzerte – man bekommt eventuell doch wieder erheblich Lust, in einen Lyrikband zu sehen.

12 von 12 im Januar

Wer 12 von 12 nicht kennt – hier die Erklärung. Und hier alle 12 von 12 aus dem Januar.

Ich mache Home-Office, weil der Heizungsableser im Laufe des Vormittages kommt. Da kann ich, da es keinen Arbeitsweg gibt, in aller Herrgottsfrühe mit der Arbeit beginnen. Was mir verblüffend schwer fällt, denn Sohn I hämmert neben mir auf einer mechanischen Schreibmaschine herum. Ein unfassbarer Krach, und unfassbar ist auch der Gedanke, dass damals, als ich zum ersten Mal in ein Büro ging, alle auf solchen Dingern herumgehämmert haben. Oder, noch schlimmer, mit Kugelkopfmaschinen unentwegt Maschinengewehrfeuer imitiert haben. Wieso sind wir eigentlich nicht alle verrückt geworden? Oder sind wir? Fragen über Fragen. So startet man schon völlig vergrübelt in den Tag. Schlimm.

 

Der von der Schreibmaschine verbannte Sohn zieht sich irgendwann schmollend und lesend ins Kinderzimmer zurück, wobei seinem Buch ein Lesezeichen entfällt, das als Bild ganz hervorragend zum gestrigen Text gepasst hätte. Hätte, hätte, Fahrradkette. Schlimm.


Ich setze mich an einen meiner neuen Schreibtische, denn ich habe jetzt zwei zur Auswahl, wir haben’s ja. Kleiner Scherz, wir haben es nicht, wir können uns nur nicht entscheiden. Der Schreibtisch im Wohnzimmer jedenfalls ist einer mit Aussicht, und zwar mit äußerst attraktiver Aussicht. Ich mag diese Kirche sehr, die ist für mich auch ein Grund, hier nicht wegzuziehen, so etwas bekommt man ja nie wieder vors Fenster. Ich werde aber zum wunderschönen Bau nichts weiter sagen, sonst lacht die Gröner mich noch aus. Wobei die Kirche übrigens auch deswegen interessant ist, weil nur der Turm alt ist, das Kirchenschiff ist 50er, das Original wurde in Weltkrieg II zerbombt. Architekturfreunde dürften diesen Bau und die Kombination der Elemente durchaus interessant finden.

Die Sache mit dem Home-Office klappt technisch nicht recht, das stimmt mich ungehalten, to say the least. Das scheint mir auch so eine Frage des Alters, ich werde immer unduldsamer mit nicht funktionierender Technik. Ich habe längst keinen Spaß mehr daran, mühsam herauszufinden, was da nicht stimmt, ich bin auch nicht mehr stolz darauf, irgendeinem Support etwas vormachen zu könen. Ich will einfach nur, dass der ganze gottverdammte Mist funktioniert. Es mag auch einer Überdosis dieser Downton-Abbey-Serie liegen, aber genau genommen möchte ich, dass die Technik, und zwar sämtliche Technik, spurt, läuft und eilt, sobald ich auch nur eine Augenbraue indigniert hebe. Aber egal wie streng Lord Buddenbohm das Notebook auch ansieht, es ändert sich wenig. Schlimm.

Ich lese zwischendurch zur Beruhigung in einem aggressiven Buch. Ein anarchisch-pazifistisches Werk von 1922, es hat den Verfasser nach dem Erscheinen direkt in die Psychiatrie befördert. Es ist sehr wütend, sehr eigen geschrieben und wenn man wieder ein paar frische Vokabeln braucht, da findet man welche. Ein wirklich entschieden seltsames Buch. Sehen wir kurz unter Tanzen nach, weil das später am Tag noch vorkommen wird: “Selbstkreiseln, lustdrehen. Der Tanz ist die richtig ausgedachte Selbstbeschwindelung, die menschenkindische Nachahmung der erdmütterlichen Kreiselbewegung. Deshalb ist der Walzer menschliche Erdenlust, der Fuchstrab (Foxtrott) aber ein Unmenschengetrampel.” Schlimm! Wobei Lustdrehen immerhin nett ist.  


Die Laune sinkt immer weiter, Trost gibt nur die fast unwirklich aufgeräumte Wohnung, in der sogar die Nüsse so wohlsortiert aussehen, wie in diesen dämlichen Landlustmagazinen, in denen immer alles geradezu ekelhaft perfekt ist. Wir sind seit dem letzten Wochenende mit der Räumerei und Möbelschieberei in der Wohnung erst einmal fertig, wir haben am Wochenende alles, alles aufgeräumt, eingeräumt, weggeräumt. Wer hier zuerst Unordnung macht, hat verloren. Ich bewege mich wenig und schmutze nicht.

Ich gehe am frühen Nachmittag zur Vorschule und hole Sohn II ab, der dort gerade seinen Gipsarm ausnutzt, um einen schwer gerüsteten Samurai zu spielen, der gegen einen Ninja auf Speed kämpft, zumindest hüpft sein Gegner in etwa so herum, dass man seine Rolle in dieser Art deuten möchte. Überhaupt hat Sohn II in den letzten beiden Wochen verblüffend schnell gelernt, den Gipsarm als Defensiv- und auch Offensivwaffe zu nutzen, er wird dem Kind daher vermutlich sogar ein wenig fehlen. Ich steige mit Sohn II in die U-Bahn und fahre zum Arzt.


Dort wird der Arm entgipst. Sohn II nimmt den Gips natürlich mit, der hängt dann in Kürze als Deko im Kinderzimmer. Quasi Trophäe.

Danach möchte der Sohn Lesen üben. Ich wundere mich ein wenig, wie sensationell gut er lesen kann, wir haben doch letzte Woche erst damit begonnen? Als er merkte, dass seine Freundin schon lesen kann, er aber nicht, und jetzt aber ganz schnell? Ich brauche tatsächlich eine Weile, um darauf zu kommen, dass das Kind dieses Buch komplett auswendig kann. Er hat immerhin schon zugehört, als Sohn I damals daraus gelesen hat, das hat gereicht, um jetzt beeindruckend gut Theater zu spielen. Schlimm.


Nach dem Lesen kommt das Schreiben, das geht auch erstaunlich gut, und dabei schummelt er tatsächlich nicht. Er schreibt heute unter anderem auch seinen ersten Einkaufszettel, naturgemäß deutlich früher, als es Sohn I gekonnt hat. So ist das mit großen Brüdern, von denen man lernen kann, das ist manchmal sehr praktisch.

Währenddessen habe ich einen Ohrwurm und höre auf Youtube und Spotify alle verfügbaren Versionen eines Liedes, es sind ziemlich viele. Hier als Beispiel Frau Moyet. Schönes Lied.

Nach dieser Aufnahme wirkt die Originalversion übrigens ganz eigenartig:

Damit endet der Tag, und der Abend wird dann ganz anders – and now for something completely different. *hüpf*