Zusammenhänge

Sohn I liest immer mehr und immer schneller, allmählich wird es ihm doch zu dumm, immer auf einen vorlesenden Erwachsenen zu warten, wenn er den einen Satz doch auch mal eben selbst erledigen kann. Und dann den nächsten. Langsam erkennt er auch all die englischen Begriffe und Namen, bei deren Aussprache so ganz andere Regeln als im Deutschen gelten, immer öfter wieder. Okay klingt also beim lauten Lesen nicht mehr wie okai, sondern eben okay. Aber das ist ein eher mühsamer Prozess und in jedem neuen Buch müssen die Namen der Hauptfiguren erst erarbeitet werden. Lucky Luke braucht also etwas, bis er vorne ein gesprochenes A im Namen hat.

Das gilt auch dann, wenn er die Namen im Prinzip kennt. Bei den Büchern zu Star Wars gibt es zum Beispiel einen Luke Sküwalker, der im Kopf erst zum vertrauten Skywalker umgebaut werden muss. Das geht ziemlich fix, das kann man schon raten, das dauert aber immer noch viel länger als bei erfahrenen Lesenden. Darth Vader klingt für Sohn I beim ersten Lesen wie Dart Wader und er ist immer noch nicht ganz über die Frage hinweg, ob in dem Fall das deutsche Wader nicht vielleicht doch richtiger als das englische Vader ist. Was macht die Aussprache mit dem Wort, wie ist es richtig, wie ist es noch richtiger? Ist es ein anderes Wort, wenn man es deutsch ausspricht, oder ist es nur falsch? Wieso sprechen wir diese Wörter eigentlich englisch und nicht deutsch aus, wenn deutsch doch auch geht? Und hat, da kam er ganz nebenbei drauf, dieser Dart Wader am Ende etwas mit Hannes Wader zu tun? Gibt es Zusammenhänge, die es noch zu entdecken gilt? Und warum beantwortet der seltsame Vater des Leseanfängers die Frage nach dem Waderzusammenhang mit dem Satz “Ich bin dein Liedermacher” und bricht dann hysterisch lachend zusammen?

Es ist alles sehr kompliziert.

 

Ein Update bei „Was machen die da“

Und zwar mit einem Projekt, das ich besonders großartig finde. Es klingt wie eine ganz einfache Sache, Menschen aus verschiedenen Kulturen erzählen sich ihr Leben. Es hat wunderbare Folgen, es wird von wunderbaren Leuten gemacht – und es geht um das Erzählen, zu dem wir alle nicht kommen – obwohl wir immer öffentlicher werden.

Hier also ein Interview zu einem Integrationsprojekt, zur deutsch-türkischen Freundschaft und zu sozialem Engagement – bitte klicken sie diesen Link.

Handgelenk mit Peace-Anhänger

 

Kurz und klein

Schillig

Die Herzdame liegt und liest, das ist nämlich der Zweck des Kühlungsbornwochenendes, auch wenn es in Schillig stattfindet.

Herzdame lesend

“Chillig in Schillig”, wie man geradezu zwanghaft kalauern muss. Würde sie das Buch sinken lassen, sie würde das Meer sehen, weswegen sie das tatsächlich alle paar Minuten mal macht. Manchmal galoppieren gerade in dem Moment Pferde über den Strand, dann seufzt sie schwer. Über einen Strand zu reiten, das gehört offensichtlich zu ihren unerfüllten Lebensträumen. Den können wir hier aber auch wieder nicht wahr werden lassen, denn dazu müssten wir aufstehen, und das ist abzulehnen. Niemand hat die Absicht, das Bett zu verlassen.

Außer natürlich um sich wenigstens einmal kurz den Ort anzusehen, was im Falle von Schillig tatsächlich sehr schnell zu machen ist. Hier ist nicht viel – und was da ist, ist im März noch geschlossen. Es ist genau so ruhig, wie wir es an diesem Wochenende haben wollen. Offen sind nur die überall an der deutschen Küste in jedem zweiten Haus zu findenden Outdoorjackboutiquen für die Outdoorjackenpartnerlookrentnerpärchen.

Schillig ist baulich kein Highlight, das lieben wohl nur Menschen mit einer ausgeprägten Vorliebe für die Architektur der Achtziger. Aber der Strand! Der Blick! Der Himmel!

Immer, wenn man sich am Horizont etwas satttgesehen hat und sich doch einmal umdreht, staunt man wieder über die Häuser des Ortes. Man kann es sich einfach nicht recht erklären, das fängt schon bei dem Hotel an, dem einzigen großen Haus des Ortes. Ein sechsstöckiges Gebäude mit angrenzenden Ferienwohnungen. Ein großer Komplex, den man offensichtlich ins Nichts gestellt hat, direkt an den Strand. Links, rechts, davor und dahinter nichts als Fläche. Und wie baut man dann, wenn man nichts als Platz hat? Genau, murkelig und verwinkelt. Man kann es nicht begreifen, was die Architekten damals umgetrieben hat, war es eine Sehnsucht nach Enge und Beschaulichkeit, ich weiß es nicht. Ich kenne diese Bauten auch aus meiner Jugend in Travemünde, diese seltsam hingeduckten Häuser mit den schauderhaften Farben in der Außengestaltung. Schlammbraune, moosgrüne, mattrote Verkleidungen an den Balkonen. Dazu knallblau oder klinikweiß lackierte Metallverstrebungen an den Balkonen und, ganz wichtig, große weiße Betonflächen, die im Laufe der Jahre natürlich grünlich-braun anlaufen. Kein Haus aus den Achtzigern altert würdevoll, es sind alles Pflegefälle, betreuungsintensiv und im Grunde ohne Aussicht.

Das Hotel ist aber innen so restauriert, wie es nur möglich war, die Zimmer sind schön und der Blick! Der Blick ist alles wert. Und wenn man am Fenster steht und auf das Meer sieht, das in der Abenddämmerung ununterscheidbar in den Himmel übergeht, wenn man da zusieht, wie die Farbe ganz langsam aus dem Bild verschwindet und man locker mehr als fünfzig Grautöne am sich auflösenden Horizont abzählen könnte, dann sieht man das Hotel gar nicht.

Schillig

Muscheln

Ungewöhnlich viele Muscheln liegen hier herum, auch sehr schöne. Wenn man so etwas sammelt, das geht hier besser als an vielen anderen Stränden.

Die Herzdame zeigt auf Inseln

Die Herzdame zeigt auf Inseln. Sie hat noch nicht herausgefunden, welche Insel welche ist, das treibt sie um und beunruhigt sie. Sie vergleicht Karten-Apps, Hinweisschilder und Prospekte und wird nicht recht schlau aus dem allen, es lässt ihr einfach keine Ruhe. Mir ist es völlig egal, welche Insel welche ist. Als ich eine seltsam hoch bebaute Insel durchs Zoom-Objektiv genauer betrachtet habe, da war sie ein Containerschiff.

Strandblick

Da hinten liegt eine Insel mit ohne zwei Berge und ja, ich habe Dreck auf der Linse. Schlimm.

Vorsicht Unterwasserbauwerk

Das Lädchen

Leiter

Schillig ist ein Ort mit Aufstiegsmöglichkeiten.

Strand

Hotel

Rechts im Bild das Hotel. Es handelt sich um das Hotel am Strand der Kette Upstalsboom und nein, das ist keine bezahlte Werbung. Das Hotel können wir aber tatsächlich für ein entspanntes Wochenende empfehlen, der Strandblick ab dem dritten Stock ist spektakulär und vor allem auch vom Bett aus zu genießen. Das Essen war gut und laut Herzdame ist der Wellnessbereich klein, aber fein, und man sieht auch aus der Sauna aufs Meer, sagt sie. Ich betrete so etwas ja nicht.

Strand

Stock am Strand

Handschuh am Strand

Strandspaziergänger

Fast alle Menschen gehen hier mit Nordic-Walking-Stöcken herum. Man kommt sich nach einer Weile ganz seltsam vor, wenn man ohne Stock geht.

Welten-Tor

Das war hier für unser kinderfreies Wochenende wirklich eine hervorragende Wahl – wobei nicht zu übersehen ist, dass die Kinder das hier auch toll gefunden hätten. So viel Strand! Direkt vor der Tür! Es ist wirklich großartig.

 

Heute so

Ortsschild Schillig

 

Es ist wieder Kühlungsbornwochenende. Ja, da steht ein anderer Ort auf dem Schild, schon klar. Es verhält sich wie folgt:

Wie langjährige Leserinnen wissen, parken wir die Jungs einmal im Jahr bei den Großeltern im Heimatdorf und fahren ohne sie zwei Tage ans Meer. Das sind dann die Erholungstage des Jahres, denn mehr Ausbrüche dieser Art kriegen wir nicht hin. In den letzten drei oder vier Jahren waren wir jedenfalls an diesen Wochenenden immer im selben Hotel in Kühlungsborn, weswegen diese Wochenenden jetzt Kühlungsbornwochenenden heißen, da bin ich ja Traditionalist.

Weil ich Kühlungsborn aber nicht mehr sehen kann, womit ich nichts gegen den Ort gesagt haben will, da war ich jetzt einfach nur oft genug und kenne gefühlt jede Kaffeetasse in jeder Bäckerei, haben wir nachgesehen, wo die Hotelkette, deren Gast wir da immer waren, noch Häuser hat und haben einfach das nächstbeste davon gebucht. In Schillig. Nie vorher davon gehört.

Dazu in Kürze mehr.

 

Es gibt Suppe

Suppentasse

 

Um mal wieder wahnsinnig originell zu sein, fange ich bei einem neuen Kochbuch einfach vorne an, gleich mit dem ersten Rezept. Es geht um den “Mittagstisch” von Eschi Fiege, laut Untertitel “Leidenschaftlich vegetarisch”. Oder, wie Eschi Fiege in der Einleitung schreibt, um eine fröhliche Küche ohne Dogma.

Buch: Eschie Fieges Mittagstisch

 

Da sind etliche Rezepte drin, die eine gewisse Umdrehung mehr haben: “Pfifferlingstatar mit Anishaube”, “Bohnenparfait mit Joghurtsauce”, “Weißkohlröllchen mit Reisfüllung und Orangenkartoffeln”, “Gemischter Bohnentopf mit Bratapfel”, “Zwetschgentarte mit Camparicreme und Rosmarin” – das klingt nicht gerade wie meine Feierabendküche, aber es klingt doch hochinteressant.

Inhaltsverzeichnis Eschi Fiege

 

Und das passt gut zu meinem Plan, zumindest ab und zu mal etwas besser zu kochen, etwas raffinierter, etwas spannender. Man bekommt Lust dazu, wenn man schon wieder einmal hektisch Nudeln mit Was-hier-so-herumliegt für hungrige und übermüdete Kinder zusammenwirft. Man bekommt wirklich Lust dazu, allerdings kriege ich das Zeitmanagement immer noch nicht recht geregelt. Work in progress.

Weil es also doch wieder schnell gehen musste, habe ich quasi im Vorbeigehen das Buch vorne aufgeschlagen und einen Blick hinein geworfen – und zack, das war tatsächlich alles im Haus. Also gab es spontan und flott Erbsensuppe mit Ingwer, Minze und Blätterteigstangen.  Das läuft im Buch unter Vorspeise, ich fand es als komplettes Abendessen auch in Ordnung. Ich neige aber auch nicht dazu, der Familie abends mehrere Gänge zu servieren. Wenn bei einem Rezept “Vorspeise” dran steht, mache ich eben mehr davon.

Rezeptseite Erbsensuppe

 

Apropos Familie, die Erbsensuppe wird grün, sie wird sogar sehr grün. Das ist im Frühling nett, so ein froschgrünes Essen auf dem Teller, für Kinder fällt das aber eher unter die Rubrik Mutprobe.

Wir brauchen:

1 kg TK-Erbsen

50 g Butter

2 grob zerhackte Ziebeln

1 daumengroßes Stück Ingwer

4 Minzstängel (ein paar mehr gehen auch)

Etwa 1 Liter Gemüsebrühe, ggf. etwas mehr

1 EL gehackte Minze

250 ml Schlagsahne, die man auch weglassen kann

Salz, Pfeffer, Cayenne, Ingwerpulver (auch entbehrlich)

1 Pkg Blätterteig

1 Eigelb

Den Ofen auf 220 Grad vorheizen. Den Blätterteig in daumenbreite Streifen schneiden und diese einzeln ineinander verdrehen. Auf ein Backblech mit Backpapier legen und mit Eigelb bepinseln. Im Ofen knusprig backen. Laut Rezept dauert das 8 Minuten, bei mir dauerte das doppelt so lange.

Den Ingwer schälen und hacken. Die Butter in einem Topf schelzen und die Zwiebeln glasig dünsten. Erbsen, Minzstängel und Ingwer zugeben, mit Gemüsebrühe auffüllen und etwa 10 Minuten kochen. Dann die Minzstängel herausfischen und die Suppe pürieren. Sahne dazugeben und würzen, fertig. Mit etwas Minze dekorieren.

Suppe im Topf

 

Die Herzdame und ich fanden das gut, die Suppe schmeckt viel interessanter, als die paar Zutaten vielleicht glauben lassen, und die Blätterteigstangen passen hervorragend dazu. Die kann man überhaupt öfter so machen, eine sehr gute Idee zu Suppen. Die Söhne gucken allerdings immer noch entsetzt, und der Anblick der Suppe ist jetzt schon einen Tag her. Sie ist wirklich sehr grün.

Suppentasse

 

Auf der nächsten Seite im Buch geht es dann um eine Suppe, die rosa wird: Radieschencremesuppe mit scharfer Einlage. Die gibt es dann demnächst, wobei es auch ziemlich gut aussehen müsste, beide Suppen auf den Tisch zu stellen. Aber wir sind ja hier nicht bei Food- und Dekobloggern.

Suppe mit Blätterteigstange

Was man so zusagt

Ich habe vor über zehn Jahren zur Herzdame offiziell Ja gesagt. Eine der Langzeitfolgen dieser Entscheidung ist, dass ich immer öfter Ja zu ihr sage, einfach weil es nun einmal meist die richtige Antwort ist. Man hat als Paar ja irgendwann so eine Alltagsroutine, die meist um das Erwartbare kreist, man kann also dauernd etwas bejahen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sagt: “Geh mir ein Einhorn jagen” ist gering. Sie sagt eher: “Bring Milch mit.” Dem kann ich bedenkenlos zustimmen.

Auch dann, wenn ich nicht zugehört habe, was in langjährigen Beziehungen durchaus vorkommt, wer würde das leugnen. Es spricht eben dauernd neben einem, das ist so ein Alltagsgeräusch, da kann man nebenbei auch an anderes denken. Wenn die Herzdame aufhört zu sprechen und erwartungsvoll guckt, sage ich: “Ja, Schatz.” Und mache damit fast immer alles richtig, denn ein Ja ist das, was gewünscht ist. Irgendwann erinnert sie mich daran, was ich da zugesagt habe. Dann bringe ich den Müll runter oder hole Brötchen oder die Kinder irgendwo ab. Oder was auch immer. In langjährigen Beziehungen stellt man keine seltsamen Forderungen mehr an den Partner, man bestellt überschaubare, realistische Handlungen.

Deswegen wundere ich mich, dass ich neulich zugesagt haben soll, in der Fastenzeit auf Zucker zu verzichten. Die Herzdame erinnert sich aber ganz deutlich an das Gespräch und auch an meine Reaktion, sie kann den Dialog sogar nahezu wörtlich wiedergeben. Sie wird also vermutlich Recht haben, wie immer. Das ist dann wohl dieses riskante eine Prozent aller Fälle, bei dem man mit dem Ja doch nicht ganz richtig liegt. Es gibt jetzt aber kein Zurückweichen mehr, da muss ich wohl durch. Auch wenn mir die Idee des Fastens eher fremd ist, was soll‘s.

Ich mache also in diesem Jahr mit, na klar doch. Ein Mann, ein Wort, versteht sich! Nein, ein Mann, zwei Wörter: “Ja, Schatz”.

(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

 

Gelesen, vorgelesen, gesehen, gehört im Februar

Gelesen

Februar – Gedichte. Ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christiane Schmidjell.

Februar-Gedichte

Das war, wie erwartet, eine etwas karnevallastige Auswahl und auch sonst wurde ich mit dem Band nicht recht warm. So wenig wurde ich damit warm, dass ich gleich den März dazu gekauft habe, eine Schummelei ohne Beispiel. Aber der Februar ist nun einmal definitiv nicht mein liebster Monat, im Gegenteil. Da kann man literarisch etwas vorspulen, das finde ich legitim.

Groß fand ich aber doch einen Vers aus Karl Krolows “Tätiger Winter”, ganz kurz und ganz einfach:

Schnee
tut einen Reim lang
weh.

Das hat man ja manchmal, dass man sich in so etwas spontan verliebt und es immer wieder angucken kann. Ich finde die sehr schlau, diese drei Zeilen. Und das brachte mich dann darauf, dass ich Karl Krolow zwar seit Ewigkeiten als Anthologieteilnehmer kenne, der kommt ja praktisch per Gesetz in jedem deutschen Lyriksammelband vor – aber ich wusste gar nichts über den. Also habe ich etwas nachgelesen. Und überrascht zur Kenntnis genommen, dass er ganz anders aussieht als gedacht, nämlich nicht wie ein bärbeißiger Arbeitertyp mit Rudererhänden, Stiernacken, Stoppelhaaren und dickem Bleistift hinterm Ohr. Faszinierend, wenn man so falsch liegt. Karl Krolow, das klingt wirklich nach einem Mann von Statur, klingt es nicht? Dann jedenfalls gleich ein Buch von ihm gekauft.

Karl Krolow: Ich höre mich sagen. Gedichte.

Krolow

Ein Band mit geradezu amüsant hochtrabendem Klappentext, Suhrkamp galore, wirklich schlimm. Die Gedichte gehören zum Spätwerk, sie klingen schon nach weit fortgeschrittenem Abend, das ist melancholischer, bitterer Stoff in anziehender Uneindeutigkeit. Das meint, man liest da so in Gedicht hinein, die sind alle ganz unprätentiös formuliert, und dann merkt erst nach etlichen Zeilen, dass man vielleicht doch eher nichts verstanden hat. Oder nur den ersten Satz? Den ersten Vers? Und dann denkt man nach und wiederholt vielleicht, was man noch einleuchtend fand, lässt das Buch sinken, kommt vom Thema ab und denkt so vor sich hin und dann ist es auch schon spät und man macht das Licht aus. Weswegen ich dem Buch ein seltsames Kompliment machen kann, das aber völlig ernst gemeint ist – man kann es hervorragend nach ein paar Zeilen wieder weglegen und alleine weiter denken. In angenehm angemoderter Stimmung. Das wird noch länger auf dem Nachttisch liegen, das gefällt mir.

Ein beliebiger Tag. Nur die Zeit vergeht.
Ich laß mit der Zeit mich nicht ein –
ein Wasser, das mir zum Halse steht.
Ich hab nicht den ersten Stein.

[…]

März-Gedichte. Ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christiane Schmidjell.

März-Gedichte

Der März also, in dem es natürlich schon nach Frühling klingt. März ist eine feine Sache, auch in Gedichten. Und weil es beim Februar so nett war, auf den Einzelband von Krolow zu kommen, habe ich mich vom Märzband zu Mascha Kaléko treiben lassen, aber dazu komme ich erst im nächsten Monat. Das lyrische Stenogrammheft, also ein lyrischer Bestseller, gleich wieder eine Bildungslücke weniger.

Robert Seethaler: Ein ganzes Leben.

Ein ganzes Leben

Das ist sehr, sehr gut, kaufen Sie das auch. Ich habe es in der Ausgabe der Büchergilde, deren Arbeit man ab und zu vehement loben muss, weil sie so wunderschöne Bücher machen. Andreas Egger, die Hauptfigur des Romans, vergisst man so leicht nicht, obwohl seinem Leben alles Spektakuläre fehlt, jedenfalls wenn man die üblichen Maßstäbe anlegt. Literarisch gelten natürlich ganz andere Regeln und die Liebe zu Marie, ebenso wie das sehr späte Wiedersehen mit ihr nach der tragischen Trennung – das ist schon ergreifend, das bleibt einem. Und kurz ist das Buch übrigens, für ein ganzes Leben sogar sehr kurz. Das kann man in zwei Hapsen weglesen, das ist so ein Buch auf die Hand. Wirklich große Empfehlung.

Erich Ohser bzw. e.o. plauen: Vater und Sohn. Sämtliche Streiche und Abenteuer.

Vater und Sohn

In der gerade herausgekommenen und wunderschönen Ausgabe aus dem Südverlag, da ist schon das Anfassen eine Freude. Zum Lesen bin ich allerdings kaum gekommen, weil, womit ich gar nicht gerechnet hätte, Sohn I von dem Buch vollkommen hingerissen ist und dauernd darin liest. Lachend und sichtlich begeistert.

Geo Wissen: Wie Erziehung gelingt.

Geo Wissen

Ich lese fast nie Erziehungsratgeber, aber das lag gerade so einladend in der Wohnung herum. Weil die Herzdame gerade Erziehungsratgeber liest. Sie dachte sich, es sei vielleicht sinnvoll, nach ein paar Jahren abgeleisteter Erziehung die Sache einmal neu zu kalibrieren und teilt mir, sehr praktisch, ab und zu die Kurzfassungen ihrer Erkenntnisse mit. Mir hat an diesem Heft von Geo jedenfalls gefallen, dass man ein Interview mit Jesper Juul einem Interview mit einem etwas autoritärer orientiertem Experten direkt gegenübergestellt hat, so dass man nach der Lektüre beider Texte wieder überhaupt nichts weiß – das passt doch ganz gut zum Thema, finde ich.

Natürlich findet man in Erziehungsratgebern generell hin und wieder sinnvolle Kapitel, und es ist auch richtig, sich an ein paar Aspekte wieder zu erinnern, ja doch. Und sei es nur, um die tägliche Herumkommandierquote wieder einmal kritisch zu hinterfragen oder auch versuchsweise gen Null zu abzusenken, da schadet etwas Motivation überhaupt nicht. Aber wenn man etwas Erfahrung mit Kindern hat, merkt man auch, wie geschickt sich etliche Autoren an wirklich sinnvollen Beispielen vorbeischummeln.

Josef Rohrer: Meran kompakt: Die Stadt und ihre Umgebung. Da fahren wir im Sommer hin. Als überzeugter Spießer bereite ich mich natürlich gründlich vor.

Meran-Buch

Eshkol Nevo: Vier Häuser und eine Sehnsucht. Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer.

Eshkol Nevo

Das ist ein Roman aus Israel, aus Jerusalem. Der ganze Irrsinn des Landes in den Einzelschicksalen einer kleinen Nachbarschaft. Juden und Araber, Orthodoxe und Zweifler, das ganze Durcheinander. Eines dieser Bücher, die mir gut gefallen, von denen ich aber dennoch dauernd abkomme und etwas anderes in der Hand habe. Manchmal kann man es nicht recht erklären und weiß gar nicht, woran es liegt. Dennoch ein gutes Buch. Vielleicht finde ich nur die Unlösbarkeit der Konflikte in dem Land schwer auszuhalten.

Vorgelesen

Ingrid Uebe und Markus Spang (Bilder): Die Abenteuer des Barons von Münchhausen.

Münchhausen

Ein Buch aus der Leserabe-Reihe, das sind Bücher speziell für Leseanfänger, also mit heruntergedimmten Schwierigkeitsgrad in Satzbau und Vokabular. Aus der Reihe lese ich gerade gemeinsam mit Sohn I einige Bücher. Er ein paar Sätze, ich ein paar Sätze, oder ich ein Wort, er ein Wort – oder wie auch immer. Um etwas Schwung beim Lesen aufzunehmen, um etwas mit Geschichten zu locken. Sohn II hört natürlich auch zu oder liest schon mal ein besonders kurzes Wort selbst, er ist da etwas ehrgeiziger als sein großer Bruder.

Beide Söhne mussten etwas länger über das Konzept der Geschichte nachdenken, das war interessant. Da geht es also um einen Lügner, der dauernd betont, dass er die Wahrheit spricht. Was ist nun richtig? Ist es ein einfacher Trick in der Erzählung, ist es ein doppelter, gar ein dreifacher Trick? Gab es den Baron am Ende wirklich, genau so? Wer erzählt da eigentlich? Warum lügt er so offensichtlich? Das bedeutet doch etwas? Wer so lügt, der sagt am Ende die Wahrheit? Da denken die Kinder plötzlich über Stilmittel nach, über Erzähltricks und literarische Finten, das ist herrlich. Und wenn man gut aufpasst und den Jungs ausnahmsweise hinterherspioniert und dann noch etwas Glück hat, kann man sehen, wie sie sich doch einmal im Kinderzimmer probeweise selbst in die Haare greifen und kräftig daran ziehen – ob einen das am Ende nicht doch etwas hochhebt, wie bei dem Münchhausen im Sumpf? Nein? Verdammt.

Der olle Lügenbaron. Funktioniert immer noch.

Gudrun Sulzenbacher: Die Gletschermumie – Mit Ötzi auf Entdeckungsreise durch die Jungsteinzeit. Das dient natürlich auch der Vorbereitung auf den Sommerurlaub. Sohn II ist noch etwas zu klein für die Fachsprache, aber sein Interesse macht das locker wett.

Ötzi

Gesehen

Nichts. Macht nichts. Der Februar ist eh zu kurz für fast alles.

Gehört

Georges Moustaki. Das war ein Zufallsfund, mir ist durch irgendeine Assoziation eine Platte wieder eingefallen, die im Schrank meiner Mutter stand und damals in Travemünde dauernd lief. Darauf die Déclaration von Moustaki, die ich seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gehört habe und deren Anfang ich immer noch mitsprechen kann, das Langzeitgedächtnis ist eine erstaunliche Angelegenheit. Es ist übrigens ganz gut, Musik dieser Art lange nicht gehört zu haben, weil sie einen dann geradezu ruckartig in die Vergangenheit werfen kann. Da rauscht man rückwärts durch die Jahre und landet auf einem Sofa, das es schon längst nicht mehr gibt, und die Luft ist verraucht, und die Platte läuft, und man sieht den Plattenspieler mit dem Schriftzug “Dual” und auch das Regal darüber sieht man plötzlich wieder, die ganze Zimmerecke und man sieht überhaupt alles, es fällt einem sogar ein, was man an Kleidung getragen hat, was es gerade zum Abendessen gab, wie die Stimmung war und wer gleich klingeln wird… Was nicht unbedingt schön sein muss, aber doch lehrreich ist. Ach, so war das? Guck an.

Je déclare l’état de bonheur permanent. Et le droit de chacun à tous les privilèges.Ein schöner Anfang. Mir sind noch weitere Platten von damals wieder eingefallen, die Platten meiner Kindheit oder frühen Jugend, ich sehe die ganze Reihe wieder vor mir, so viele waren das gar nicht. Ich höre da nach und nach mal rein.

Element of Crime. Und da ich gerade nach langer Pause wieder an einer längeren Geschichte schreibe, halte ich mich an das altbewährte Rezept, nachdem alle meine Erzählungen entstanden sind – man begieße den Autor zwei Stunden mit Element of Crime, lasse ihn eine Stunde an einem kühlen Ort gehen und setze ihn dann an einen Schreibtisch. Der Rest findet sich dann. Hoffentlich.

(Und da saß er dann und wartete. Und wartete. )

 

Ein Update bei „Was machen die da“

Drüben bei „Was machen die da“ haben wir ein Interview mit dem Sponsor des Projektes. Der übrigens, so ein wilder, wilder Zufall, auch Sponsor dieses Blogs hier ist. Das ist also der Herr Korten von der GLS Bank, den kannt man vielleicht auch von seinem privaten Blog.

Mit dem Herrn habe ich mir auch damals den Wirtschaftsteil ausgedacht. Denn es ist ja so – mit Turnschuhbankern kann man ziemlich gut reden.

Turnschuhe

Beim Herumschieben der Möbel – Teil 4

(Die Fortsetzung hierzu.)

Ich: “Wir könnten auch einfach an die Nordsee ziehen. Eiderstedt, weißt du, gefällt uns ja allen. Bessere Luft und so. Mehr Platz. Viel, viel mehr Platz. Eigenes Zimmer für jeden. Sogar für mich!”

Sohn I: “Eigenes Zimmer wäre sehr toll. Aber da hätte ich voll den krassen Schulweg nach Hamburg, Papa.”

Ich: “Es gibt an der Nordsee auch Schulen.”

Sohn I: “Vergiss es einfach.”