Jazz, Rumba, Reggae

Am Dienstagmorgen in mich hineingefühlt, wie ein Mensch, der dabei etwas merken würde, dann trotz eher unklarer Beweislage beschlossen, halbwegs gesund und also leistungsfähig zu sein. Gearbeitet und zumindest einen Sohn wieder zur Schule gejagt, das reguläre Alltagswiederaufnahmeverfahren nach Ferien und familiär geteilter Krankheit. Die Herzdame wirft ihr Firmennotebook ebenfalls an. Die Begeisterung hält sich allerdings überall in Grenzen, und das Wetter illustriert die Szenerie passend mit Dauerregen und Temperaturrückgang. Ein etwas verhangener Tag, in jeder Hinsicht, und nach der Arbeit habe ich das unangenehme Gefühl, vom Tag dezent überfordert zu sein. Dabei war gar nichts Besonderes. Ein Montag war es eben, wenn auch an einem Dienstag.

Der Mittwoch war dann nicht besser. Die Woche und der Autor wirken insgesamt etwas gebraucht und unterdurchschnittlich performend. Aber man muss es sich alles stets passend ausstatten und an solchen Tagen etwa wieder den schwarzen Rollkragen tragen und skandinavischen Jazz bei der Arbeit hören, obwohl der Winter doch vorbei ist, aber dann geht es.

Für den Sonnabend sind hier bis zu 24 Grad angekündigt, dann kann man wieder zu Rumba und Reggae übergehen und auch das Hawaiihemd – ach nein. Ich besitze so etwas gar nicht.

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Gelesen: Diesen langen Text über einen unglücklichen Milliardär, es greift einem ans Herz. Nein, tut es nicht. Und pardon, ich weiß schon wieder nicht mehr, wer den Text wo empfohlen hat.

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Bei Vanessa schreibt jetzt auch der Reiseleiter mit und reist mit dem Zug in den Urlaub, nicht per Flug. Eine gute Sache, sowohl das Verkehrsmittel als auch schreibende Angehörige. Die Herzdame sagte zufällig gerade an diesem Morgen: „Wenn ich einmal wieder Zeit zum Schreiben habe …“, aber es klang durchaus nicht wie etwas, das demnächst eintreten könnte. Wenn die Kinder aus dem Haus sind vielleicht, denn wie ich immer sage: Der Mensch braucht Ziele, es können auch entlegene sein.

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Menschen auf Balkonen

So eine Großstadt wie diese hier ist über und über mit Balkonen an den Häusern versehen, und erstaunlich viele davon, die Mehrzahl vermutlich, werden nie oder fast nie benutzt. Werden nie betreten, werden oft auch gar nicht erst nicht dekoriert, nicht möbliert, nicht beschattet, nicht bepflanzt. Sind nur da, hängen da funktionslos an den Fassaden herum, es ist im Grunde eine wahnsinnige Verschwendung. Wurden teils für Unsummen an Altbauten nachgerüstet, zur Wertsteigerung der Wohnungen, zur vermeintlichen Freude der Mieterinnen, sind jetzt eben da.

Ich habe, wenn ich in der Küche ans Fenster trete, eine ganze Reihe solcher Balkone im Blickfeld, und nur teils gehen sie traurig nach Norden. Teils wohnen hinter den Balkonen eben Menschen, die auf den Balkon nicht kommen, weil sie Schichtdienst haben oder weil sie besonders dringend drinnen zu tun haben oder weil sie kategorisch lichtscheue Vampire sind, weil sie besonders schlimme Höhenangst haben, was weiß ich. All die Erklärungen, die man nicht kennt.

Dann auch noch die Balkone, vielleicht landestypisch, auf denen nichts ist, kein Stuhl, kein Tisch, kein Sonnenschirm, kein Blumentopf – aber doch ein riesiger, vermutlich teuer Grill. Von denen gibt es auch nicht wenige.

Neulich aber, als hier zum ersten Mal die Zwanzig-Grad-Marke fast erreicht wurde, als der Jahreszeitenschalter also in aller Gründlichkeit umgelegt wurde und auch die Pullover auf einmal deutlich fühlbar zu warm wurden, als draußen die T-Shirts zahlreich wurden und auch schon einige kurze Hosen ins Bild kamen, da konnte man, es war ein wenig wie in einem Naturfilm, ein seltsames Schauspiel beobachten. Da betraten nämlich viele von diesen Menschen, die ihre Balkone sonst nicht benutzen, sie doch einmal. Ich ging in den Garten, ich sah das Vorkommnis gleich mehrfach auf meinem Weg durch die Stadtteile.

Sie stehen dann an solchen Tagen da, diese Menschen, und fühlen so herum, man sieht es ihnen geradezu an. Sie fühlen die Jahreszeit, die Wärme, die Veränderung. Sie wittern. Gucken in den Himmel. Legen auch einmal die Hände auf das Geländer, fassen Holz, Metall oder Stein an, als wollten sie dessen Festigkeit prüfen. Befühlen das Material wie kundige Handwerkerinnen. Beugen sich etwas vor, sehen hinunter und herum, die Fassaden entlang, auf andere Balkone, teils möbliert. Denken sich vielleicht: „Eigentlich auch nett, so ein Balkon.“

Gehen aber nach einer Weile wieder rein, weil man sich ja auch nicht setzen kann, auf dem Balkon, denn da ist ja nichts. Und kommen dann bis zum nächsten April nicht mehr raus. Also abgesehen von denen, die alle paar Wochen etwas grillen müssen.

Faszinierend.

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KI, Kafka

Ich denke über einen Gegensatz nach, der mich immer mehr beschäftigt und im Moment etwas ratlos zurücklässt.

Zum einen breitet sich KI mit all den verbundenen Anwendungen in rasender Geschwindigkeit aus und es wird so dermaßen vielfach über sinnvolle Einsatzvarianten berichtet, noch mehr über die bald möglich werdenden Einsatzvarianten. Es gibt auch mehr und mehr tatsächlich schon laufende Anwendungen in diversen Prozessen. Das gilt auch für die Branche meines Brotberufs und verwandte Jobfelder, und ich habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass da viel dran sein wird, es wird die Jobs verändern, sogar in absehbarer Zeit.

Wenn man bei Google nach künstlicher Intelligenz sucht, die Suche auf News beschränkt und dann nach Datum sortieren lässt, wenn man also sieht und eine Weile beobachtet, mit welcher Frequenz da berichtet, angenommen, vorhergesagt und ausgedeutet wird, wird man den Eindruck einer dezenten Überhitzung, eines gerade etwas wahnhaften werdenden Hypes und überhöhter Geschwindigkeit nicht mehr los.

Zu anderen teste ich selbst im privaten und freiberuflichen Teil des Lebens immer wieder diverse Möglichkeiten mit mehreren Anbietern, und die Ergebnisse sind fast durch die Bank fehlerhafter Schrott, zweifelhaftes Zeug oder unterbelichteter Schwachfug. Bestenfalls sind es mangelhafte Versatzstücke oder nur mit weiterer Mühe verwendbare Teillösungen. Oder sagen wir etwas milder: Es ist mir alles nicht gut genug.

Was sagt mir das nun?

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Ansonsten die Kafka-Serie gesehen, über die gerade alle reden. Dann erst diverse Kritiken nachgelesen und diese teils etwas bemüht mäkelig gefunden, aber egal. Mir hat die Reihe gefallen, ich war sehr einverstanden. Und hatte danach einige ausgezeichnete Kafka-Träume, was will man mehr. Hinterher habe ich noch das (ältere) Interview mit dem sympathischen Reiner Stach, dem Kafka-Biographen, gesehen, in dem noch einmal an den wunderbaren Satz „Ich will keinen Trost, ich will Akten“ aus dem Schloss erinnert wird. Ebenfalls empfehlenswert, dieses Interview.

Die Kafka-Bücher von Reiner Stach vorgemerkt.

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Im Bild die Purpurmagnolie im Garten, die späte Blüte. Also spät im Landesvergleich.

Eine einzelne Blüte einer Purpurmagnolie

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Nass in nass

Die Herzdame fragte am Sonntagmorgen um acht Uhr nach dem Aufwachen, ob es denn nun acht Uhr oder acht Uhr sei, wobei sie sich bemühte, die beiden Achten etwas verschieden zu betonen, als sei eine irgendwie anders als die andere, und ich sagte bestimmt, es sei tatsächlich genau acht Uhr. Damit hatten wir dann das Thema Uhrumstellung wieder einmal final abgehandelt.

Der zwanzigste Bloggeburtstag ist heute, es fiel mir gerade noch ein. Kein Aprilscherz, nein. Blog und Befüller sind allmählich doch etwas herangereift, könnte man meinen. Also zumindest der Zahl nach.

Und hier noch eben ein Bild aus der letzten Woche.

Es regnet, und wie es regnet. Unten auf dem pfützengesprenkelten Spielplatz eine filmhafte Szene, da steht ein kleines Kind mit einer roten Regenjacke im dunkelgrauen Wetter. Ich kann nicht erkennen, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Es ist einfach ein Kind, und es ist das einzige auf dem Platz, bei dem Wetter geht kaum jemand raus. Von dem Kind ist auch nicht viel zu sehen, denn es hält einen Schirm über sich, der ist zu groß für einen kleinen Menschen, und er ist schwarz und glänzt nass im ergiebigen Regen, der so leicht nicht aufhören wird, auch in den nächsten Stunden nicht. Ein Erwachsenenschirm ist das, kein lustiges buntes Schlechtwetterzubehör für Kinder. Vom Vater geliehen wahrscheinlich, von der Mutter, die aber beide gerade nicht zu sehen sind. Sie werden sich irgendwo unterstellen und auf ihr Kind warten, sie sind nicht in meinem Blickfeld.

Das Kind steht vor einem besonders großen Findling, der in der Mitte des Platzes liegt und bei besserem Wetter von Kindergrüppchen erklettert und dann von oben verteidigt wird. Es steht vor dessen glatter und steiler Nordwand, an der allerdings auch bei Sonnenschein niemand hochkommt. Auch der Stein glänzt im Regen. Ein riesenhafter, steinerner Krötenleib ist er bei diesem Wetter, dunkelerdfarben.

Unter dem überdimensionierten Schirm des Kindes kommt immer wieder ein Arm hervor, plastikrot beärmelt, eine kleine Hand auch. Die hält Kreide, die malt auf dem Stein.

Nun kann man bei Regen auf einem nassen Stein mit angefeuchteter Kreide nicht gut malen, wie wir alle wissen. Aber das ist vielleicht eine allzu erwachsene Sichtweise, der sich keineswegs alle anschließen müssen. Dieses Kind etwa muss es nicht, das denkt offensichtlich anders.

Es streckt immer wieder den Arm und die Hand aus, es malt unverdrossen auf dem Stein. Geht einen Schritt zurück und guckt, geht wieder näher ran und guckt genauer. Es malt mit großer Geste. Tritt schon wieder zurück und guckt. Ich kann nicht erkennen, was es da vor sich hat. Was mag da schon zu sehen sein, welche Spuren auf dem Stein kann es geben. Ein schnell verlaufender, wohl kaum zu erahnender Kreidestrich. Farbige Tropfen vielleicht nur, schnell aufweichende Kreidekrümel auf feuchtem Krötengrund. Schlierige Buntspuren.

Aber noch einmal kommt der kleine rote Jackenarm unter dem dunklen Schirm hervor und malt an die aus Kinderperspektive hoch aufragende Steinwand gegen die Farblosigkeit dieses Regentages an, nass in nass. Fast nichts ist vom Kind zu sehen, nur Arm und Hand und wie der Schirm sich ab und zu bewegt.

Ein paar hundert Meter weiter von uns die Hamburger Kunsthalle mit all den Meisterwerken. Aber das hier, direkt vor mir – vielleicht die Essenz.

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Hase und Maus

Gehört: Syphilis – Die Macht einer Infektionskrankheit. Weit neben meinen gewöhnlichen Themen, aber gerade deswegen interessant, denn ich höre ja absichtlich in fremde Wissensregionen hinein. In New York, las ich neulich irgendwo, steigen die Syphilis-Fallzahlen wieder, dort ist die Krankheit gerade ein Trend. Eine unheimliche Vorstellung.

Eine andere Folge von Radiowissen kann man vielleicht für den nächsten Ausflug ans Meer oder für ein Romanprojekt (Gott bewahre) vormerken, nämlich die über Leuchttürme und Feuerschiffe. Beim Kochen gehört, es gab Fisch, wie außerordentlich passend.

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Ich verbinde mit Ostern kein Traditionsessen, abgesehen von Süßigkeiten und hartgekochten Eiern. Auch nach längerem Nachdenken will mir nichts einfallen, was in meiner Familie oder in der der Herzdame für ein Pflichtprogramm oder einen zuverlässigen Erinnerungsanker stehen würde, nicht einmal Spargel, den es auch nur manchmal gab. Es ist ein wenig erstaunlich, ist es nicht? So ein großes, mehrtägiges Fest, so wenig Bodensatz der Erinnerung.

Eier und Speck fallen mir immerhin ein, aber Speck meine ich dabei nur als Hilfsmittel für glänzende Eier, man rieb die bunten Schalen früher mit den Schwarten ein. Oder macht man das heute noch? Speck war früher, besonders wenn meine Großmutter in unserer Küche war, ohnehin erstaunlich präsent in der Küche, viel präsenter als heute.

Speck und Butter, dass man das dauernd haben konnte, ihre Freude darüber. Meine Großmutter beim Speckschneiden am Küchentisch, mir dabei immer wieder Stückchen, Würfelchen zuschiebend, die ich auch gerne gegessen habe: „Nimm mal noch!“ Wie wenig Reste da für die Hunde blieben. Wie knapp das bemessen war, was so am Ende als nicht verwertbar entsorgt wurde, Knorpel und harte Schwarte.

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Im Garten blüht der Beinwell. Der ist noch gar nicht dran, noch lange nicht, es geht alles durcheinander. Und die Purpurmagnolie hat sich nun endlich auch zur Blüte entschließen können, spät aber doch. Der Rhabarber hat lange, rote Triebe, wie es sich gehört, die Radieschen kommen schon, die Möhren dann sicher demnächst, mit dem fedrigen Grün, dann auch Salat.

Den Sortennamen „Amerikanischer Brauner“ liest man allerdings auch nicht mehr ohne Unschuld, in diesen Zeiten.

Zuckererbsen stecken, eine gute Tätigkeit in der Rekonvaleszenz, man muss sich nicht viel bewegen dabei, nur einen Finger in den Boden bohren.

Auf dem Kompost sitzt eine Maus von außerordentlicher, geradezu bilderbuchhafter Niedlichkeit, dermaßen zierlich und uns eher unwillig als panisch betrachtend. Ach, die wieder, wird sie denken. Auch Mäuse machen was mit.

Und, wo wir schon bei Säugetieren sind, Im Bild heute festtagsoptimiert ein Hase, nicht ganz in seiner natürlichen Färbung.

Ein grüner Dekohase vor Büchern in einem Regal

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Leseliste

Vielen Dank für die zahlreichen Genesungswünsche auf diversen Kanälen, es zieht sich doch ein wenig und es war etwas anstrengend, to say the least.

Ich werfe Ihnen eben ein paar Links zu, bevor die Liste zu lang wird. Was ich so herumliegend gelesen oder gehört habe und interessant fand, vielleicht haben Sie ja über die Feiertage auch etwas Zeit:

Mum knew what was going on – ein Interview mit Brigitte Höss. Besonders passend natürlich, wenn Sie Zone of interest gesehen haben. Aber auch sonst lesenswert, man kann zwanglos eigene Gedanken zur jüngeren Vergangenheit anschließen.

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Die Kaltmamsell hat sich als Organspenderin registriert, das dann also demnächst mal nachmachen. Organspenden finde ich gut.

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Matthias Warkus bespricht das Boomer-Buch von Heinz Bude. Eine unterhaltsame Rezension mit gruseligem Titelbild.

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Wenn die KI Obdachlosenlager erfasst: „For the last several months, a city at the heart of Silicon Valley has been training artificial intelligence to recognize tents and cars with people living inside in what experts believe is the first experiment of its kind in the United States.

Dieser Artikel wirkt gleich noch etwas unheimlicher, wenn man außerdem die letzte Linksammlung von Michael Seemann dazu liest. Für mich steht vollkommen außer Frage, dass Daten, die missbraucht werden können, irgendwann missbraucht werden. Ich halte das nicht einmal für Technikpessimismus, das ist einfach so, es wurde geschichtlich bereits xfach bewiesen und ich bin in Bezug auf Daten, die der Staat über uns haben sollte, daher liberal in einem so altmodischen Sinne, das versteht heute schon fast gar keiner mehr.

Und daher auch oft Team Bargeld, aber das ist ein anderes Thema.

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Über den Kulturkampf von rechts in Italien. Den (recht langen) Text kann man hören oder lesen. Er ist allerdings in beiden Fällen eher gruselig.

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Dann auch einmal wieder ein Buch gelesen, denn im Internet erscheint einfach nicht genug, um als tagesfüllendes Programm für Kranke durchzugehen, wie viele Blogs und Newsletter man auch immer abonniert. Es sind doch viele recht schreibzögerlich, wie ich kurz, klagend, als umfassende Nonmention und mit kollegialen Grüßen anmerken möchte: Schau heimwärts, Engel. Damit noch so eine weit klaffende Bildungslücke geschlossen, das Buch lag jahrelang neben meinem Bett, und ich bin sehr angetan gewesen.

Endlich einmal wieder ein Prosatext, in dem ich einige Passagen zweimal lesen wollte, und etwas ist auch noch übrig. Fein, fein.

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Sie ist aus der Welt: Über das Leben mit Demenz.

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Es werden Wolken nachgeliefert, und es ist sehr gut so.

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Dann gehört: Der Urtyp des Faschisten im Roman „Zauberberg“ von Thomas Mann.

Und, wo ich doch schon wieder beim Thema war: Gabriele D’Annunzio, Dichter und Erfinder des Faschismus. Dabei vieles nicht gewusst, also wieder etwas gelernt.

Fener eine lange und, ob der grausigen Vorkommnisse, die darin erzählt werden, teils auch schwer auszuhaltende Reportage über ostpreußische Wolfskinder nach 1945. Der Text hat mich erheblich beschäftigt und sogar nachts noch verfolgt, er ist dennoch empfehlenswert.

Und schließlich noch, weniger belastend, aber die Fantasie auch länger beschäftigend: Das Phantom eines Schriftstellers: Wer B. Traven wirklich war.

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Besitzstandswahrung

Teresa Bücker über vorschnelle Deutungen und übereilte Kommentare am Beispiel der Geburtenziffer.

Und die Kaltmamsell beschwert sich begründet über das Framing der Boulevardpresse in München: „Ich sehe hier dasselbe Muster, mit dem die Klimakatastrophe populistisch behandelt wird: Als Problem geschildert werden nicht die lebensbedrohlichen Auswirkungen des Klimawandels, sondern mögliche Einschränkungen durch Gegenmaßnahmen. Das halte ich für verantwortungslos.

Es ist dies genau das Muster, das sich auch durch viele, viel zu viele Gespräche in meinem Umfeld und Alltag zieht, denn es geht stets und vor allem um die Besitzstandswahrung, auch bei Aspekten, bei denen der Besitz eher symbolischer Natur ist, siehe etwa Tempolimit. Und man kann diese Besitzstandswahrung noch in einem weiteren Sinne verstehen, es zieht sich durch bis zur Sprache, die sich ebenfalls nicht ändern soll, weil sich eben gar nichts mehr ändern soll, weil alles Ändern ein gefühltes Wegnehmen ist. Alles soll so bleiben, wie es in Wahrheit nie war, in einem nur gedachten Märchenland, in dem alles richtig war und das Wünschen noch so herrlich geholfen hat.

Vielleicht kann man gedanklich sogar eine Linie bis zu den Schottergärten ziehen, in denen sich Nichtänderung in Stein und Metall in besonderer Gründlichkeit manifestiert, das habe ich gemacht, das bleibt jetzt so. Für immer, da bewegt sich nichts mehr, das beherrsche ich.

Wobei es am Rande erheiternd ist, dass die Jahrgänge, die sich jetzt hauptsächlich allen Änderungen widersetzen, für nicht gerade wenig Änderungen im Laufe ihres Wirkens zuständig waren, auch sie haben das Land beträchtlich umgebaut und von Traditionen entfernt.

Aber das war jeweils, warum auch immer, etwas anderes. Vermutlich, weil es bei allem hauptsächlich um Zugewinn ging.

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Ansonsten am Sonnabend auf einmal migräneartige Kopfschmerzen aus der Hölle, Husten und unfassbare Müdigkeit. Möchten Sie einmal raten – die Pandemie ist tatsächlich noch nicht vorbei. Und trotz Impfung und Vorerkrankung kann es einen also noch ordentlich erwischen, meine Güte.

In dieser Woche wird hier vermutlich etwas geschwächelt.

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Die Zielgruppe und die Bank

Empfehlenswert fand ich in der aktuellen Lage der Nation das Interview mit Martin Fehrensen vom Social-Media-Watchblog. Es geht um die Funktionsweise von Tiktok, um das mögliche Verbot oder den Verkauf der Plattform in den USA, um schnelldrehende, um sich greifende rechtsradikale Inhalte in Deutschland und anderswo, es geht auch um die eher schlechten Aussichten für Regulierungsmaßnahmen und endet nicht optimistisch. Aber wer würde das noch erwarten, die Lage ist etwas verfahren.

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Im Hauptbahnhof hat man etwas aufgebaut, einen Bogen aus Plastikblumen, darunter eine weiße Bank. Auf dem Boden davor steht in einem roten Herz: „Kissing Point.“ Ein frühlingshaftes Ensemble, also für urbane Verhältnisse.

Ich sehe zu, wer sich da hinsetzt, wer da was macht. Eine Frau mit zwei kleinen Kindern setzt sich, alle Müdigkeit der Welt im Gesicht. Die Kinder, vier und sechs Jahre etwa, streiten und schreien und laufen sich jagend um die Bank herum. Sie sagt leise etwas, das bei den Kleinen nicht ankommt.

Eine Frau im Rentenalter mit schwerem Gepäck. Setzt sich, stöhnt. Lässt die Griffe der Taschen nicht los, man weiß ja nicht.

Ein Mann im Anzug, telefonierend. Ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt merkt, wo er sich da hinsetzt, er wirkt konzentriert, redet schnell und viel, ist bald wieder weg, unruhig.

Mehrere Menschen kommen an dieser Bank vorbei, lesen kurz, was da auf dem Boden steht, schütteln den Kopf und gehen weiter. Betrachten sich vermutlich eher nicht als Zielgruppe.

Etwa eine Viertelstunde sehe ich dort zu, und wenn man diese Zeit hochrechnen kann, dann besteht im Bahnhof gar kein Mangel an frühlingshaften Kissing Points, schon gar nicht bei der Standard-Einstellung 12 Grad und grauer Himmel, die heute wieder für diese Stadt gilt.

Aber ein paar Sitzmöbel mehr könnten vielleicht eine gute Idee sein.

Eine weiße Bank in der Wandelhalle, ein Plastikblumenbogen darüber, davor steht auf dem Boden in einem Herz: Kissing Point

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Frühlingserfolgserlebnis

Die Kaltmamsell, ein Jahr jünger als ich, sieht sich in etwas weiterem Abstand zu den Boomern. Da die Boomer etliche Jahrgänge umfassen ist es für mich naheliegend, dass unsere beiden Sichtweisen vollkommen berechtigt sind.

Sie erwähnt da außerdem Loseblattsammlungen in ihrem Text, in denen sie noch recherchiert hat. Als ich vor gefühlt hundertfünfzig Jahren Bibliothekswesen studiert habe, haben wir Studentinnen noch gedacht, dass das besinnliche Nachlegen von Neulieferungen in Loseblattsammlungen ein fester Bestandteil des künftigen Tagwerks sein würde, in dem Beruf, den ich dann nie ausgeübt habe.

Im Laufe der Semester kam dann aber schon eine vage Ahnung auf, dass es in der näheren Zukunft vielleicht etwas anders werden könnte und ich erinnere mich noch, wie spektakulär uns in einem Seminar zu den „Neuen Medien“ die erste selbst ausgeführte Online-Datenbankrecherche vorkam.

Sachen irgendwo auf der Welt nachsehen, ohne dafür in eine Bibliothek zu gehen, wie abgefahren war das denn.

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Ich höre weiterhin jeden Morgen die Presseschau aus deutschen Zeitungen und ich weiß, ich schrieb es schon einmal ähnlich – aber es sind doch irritierend viele Passagen in den Kommentaren zur Politik dabei, die ich, wäre ich Lehrer für Deutsch, Geschichte, Philosophie oder Gesellschaftskunde, rot anstreichen würde, und zwar zugegebenermaßen nicht ohne eine gewisse Aggression und mit der Randbemerkung: Zu kurz gedacht! Oder auch: Leiten Sie logisch ab! Nicht selten auch: Fakten! Fakten Fakten!

Und das sage ich nicht, weil ich mich für so intelligent halte, das tue ich bekanntlich nicht einmal ansatzweise. Aber ich meine schon manchmal zu erkennen, wenn andere noch wesentlich schlichter und überhasteter denken als ich, und ich finde es dann nicht immer statthaft.

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Ansonsten einen Bürotag gehabt, mit belebender Evakuierungsübung bei angenehmem Wetter, da geht man doch gerne zum Sammelpunkt draußen. Nachmittags dann der erste Mittagsschlaf bei geöffneter Balkontür. Dafür war es noch gar nicht warm genug, aber ich wollte unbedingt ein Frühlingserfolgserlebnis haben.

Und was war das dann schön. Ich habe bekanntlich eine schlimme Aversion gegen alles unter dem Sammelbegriff Wellness, aber Mittagsschlaf kommt dem vermutlich am nächsten für mich. Ein sehr konservatives Stück Wellness.

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Sinnloser Schwung

In den Kommentaren wurde von Elke neulich eine Radiosendung über Menschen in meinem Alter empfohlen. Diese habe ich jetzt gehört, sie enthält den schönen Satz: „Ich muss mich nicht neu erfinden, mich gibt es ja schon.

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Es ist ansonsten weiterhin zu kalt. Unten auf den Straßen sehe ich deutlich frierende Menschen und die ganze Stadt murrt und knurrt, man möchte das nun so nicht mehr, dieses einstellige Temperaturelend. Sogar die Vögel singen beleidigt wieder etwas weniger und die Blüten der Zierkirsche wirken etwas blasser, verfroren. In den Timelines und Blogs aus südlicheren Landesteilen werden dagegen blühende Magnolien erwähnt und auch abgebildet, da fühle ich mich wieder wie ein Zuschauer aus arktischen Regionen. Wenn ich mir die Knospen an der Magnolie in unserem Garten ansehe – bei der Blüte sind wir hier noch lange nicht.

Die Herzdame war im Garten und brachte von dort eine erste Tulpe mit, klein und noch geschlossen, aber immerhin.

Am Nachmittag steht ein junger Mann, ein Vater vermutlich, auf dem Spielplatz, er gibt einer Schaukel Schwung. Es ist ein etwas seltsames Bild, denn auf der Schaukel sitzt kein Kind. Er macht das aber ernsthaft und auch länger, nicht nur zwei, dreimal, sondern ganz so, wie man es eben macht, wenn ein Kind auf der Schaukel sitzt. Nur ist da eben keines.

Ein paar Meter weiter steht eine Frau, vielleicht ihm zugehörig, neben ihr ein krabbelndes Kleinkind im kalten Sand, vielleicht ihr gemeinsamer Nachwuchs. Die drei reden nicht miteinander, die sind da nur.

In einer ausgedachten Geschichte würde man sicher zu einer Erklärung für dieses Leerschaukeln kommen, und die Erklärung wäre vielleicht lustig, vielleicht aber auch nicht. In einem Film wäre es, das kann ich mir gut vorstellen, sogar eine wichtige Einstellung, die irgendetwas verdeutlicht, er vor der unbesetzten Schaukel, immer wieder Schwung gebend, vollkommen sinnlosen Schwung. Eine Schlüsselschwungszene.

Sein ernster Blick, seine Ausdauer. Ich weiß nicht, was ich da sehe, aber es ist das Bild zum Dienstag.

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Es gibt außerdem eine neue Monatsnotiz von Nicola.

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