Links am Morgen

Passend zum Montag: Homeoffice nur für Deutsche.

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Im neurotischen Keller.

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Der Standard zum Todestag von Paul Celan.

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Und ein Lied zum Montag habe ich auch noch, also falls tatsächlich Montag ist: Die Stimmung sitzt.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Merci!

Droschken und Galoschen

Ich habe Andersens “Die Galoschen des Glücks” als Hörbuch gehört. Dabei fiel mir wieder ein, wie ich das Märchen als Kind gelesen habe und gar nicht wusste, was Galoschen waren, aus irgendwelchen Gründen aber niemanden danach gefragt habe, auch noch nicht im Nachschlagealter war und es also nur geraten habe, was denn Galoschen wohl sein könnten. Es waren noch mehr rätselhafte Begriffe in dem Märchenbuch, ich habe die alle so als Rätsel hingenommen. Warum etwa hießen Kutschen da Droschken? Was war der Unterschied, gab es überhaupt einen? Droschken und Galoschen, mit Galoschen in die Droschke, das waren Wörter mit äußerst merkwürdigem Klang. Die Söhne würden das heute einfach googeln und das ist nicht besser oder schlechter, es ist nur anders. 

Ein schönes Detail gibt es übrigens in diesem Märchen, in dem gleich am Anfang zwei Feen auftreten und die Handlung beginnen. Eine der beiden ist nämlich nur eine höchst subalterne Vertreterin des für das Glück zuständigen Flügels der Feenwelt, eine Dienerin der Dienerin der Glücksfee ist sie nur, die andere Fee aber ist nicht irgendwer, die andere ist die Sorge in Person: “Denn die Sorge kümmert sich immer um alles selbst.”

Ich schreibe diese Zeilen übrigens gerade im Garten, das ist ungeheuer passend. Um mich herum blühen die Obstbäume und sprießt das erste Gemüse, es ist je nach Blickrichtung geradezu märchenhaft schön und die Kohlmeise vom Dienst turnt so dicht in den Weidenzweigen über mir herum, sie könnte ab und zu einen Satz mitlesen – ich wundere mich ja über gar nichts mehr.

Ein weiteres Märchen habe ich noch gehört, es war auch von Andersen, “Die Eisjungfrau”. Das war schon deswegen interessant, weil ich es überhaupt nicht kannte und jetzt erst darauf komme, dass in dem Märchenband, den ich als Kind hatte, also gar nicht alles drin war. Nachholbedarf! Wie schön ist das denn. In der Eisjungfrau übrigens wird genau erklärt, dass alle Kinder die Tiere verstehen, solange sie noch klein sind und nicht selbst in der Menschensprache reden können, und dass es nur bei einigen wenigen und allerdings eher etwas zurückgebliebenen oder sagen wir sehr spät entwickelten Menschen so ist, dass sie die Tiere auch weiterhin verstehen, manche vielleicht sogar ein Leben lang. Aber wie gesagt, das sind nur sehr wenige und besonders helle sind sie wohl nicht. 

“Es sind wirklich verdammt wenige”, sagt die Kohlmeise von oben, nickt lebhaft und fliegt mit einem so hellen Lachen weiter, fast klingt  es wie ganz normales Gezwitscher.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Links am Morgen

Herr Rau erklärt Semaphor. Doch, das sollten Sie jetzt auch kennen, sonst verstehen Sie das mit den Einkaufswagen nicht. 

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Was bleibt mir anderes übrig?

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Ein Interview mit Mai Thi Nguyen-Kim: „Je länger wir für die Recherche gebraucht haben, desto besser kommt es an

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Eine Bilderstrecke über Obdachlose in Berlin.

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Gerade gefunden, so war einmal das Kinderfernsehen. Sonntäglich, besinnlich.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Katalog der nächtlichen Schreie erwachsener Menschen (2)

Die Fortsetzung zu diesem Text

Es gibt in unserer kleinen Straße eine Stelle, an der bleiben die Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit stehen als an anderen, und erklären kann ich das nicht. Ich sehe dieser Stelle nichts an, dort ist nur eine weitere Hausfassade neben anderen, da ist nichts Besonders. Nichts hebt diese Stelle aus meiner Sicht hervor, wenn ich sie von oben aus dem Dachfenster betrachte, und doch muss sich aus dem Verlauf der Straße oder aus der Anordnung der Gebäude eine wie auch immer wahrnehmbare Besonderheit des Ortes ergeben, die etliche Menschen gleichermaßen fühlen und genau dort ihre Schritte verlangsamen, die dort stehen bleiben und, wenn sie andere Menschen oder Wesen dabei haben, mit denen diskutieren, streiten, knutschen, was auch immer. Es ist eine Stelle, die ich gut sehen kann. 

Als ich etwa dreizehn, vierzehn Jahre alt war – es scheint mir nicht zweckmäßig, in diesen Texten stringent und strukturiert vorzugehen, ist die Zeit doch durch ein Nachgeben vieler Strukturen gekennzeichnet und wer wäre ich, das nicht spiegeln zu wollen, ich stehe nicht darüber  – waren die Bücher von Carlos Castaneda Bestseller. Ich nehme an, er ist heute nicht mehr sehr bekannt, damals gab es aber keine Studenten-WG, in der seine Bücher nicht zu finden waren. Und was in Studenten-WGS stand, das konnte aus der Sicht der Heranpubertierenden natürlich so falsch nicht sein, das war interessant und verlockend. Was vermutlich auch eine Logik ist, die es so nicht mehr gibt, Studenten-WG-Bücherregale geben der nachdrängenden Generation längst keine Auskünfte und Orientierung mehr.  Carlos Castaneda beschrieb seine Lehrzeit bei einem gewissen Don Juan Matus, den es, wie man heute weiß, vermutlich gar nicht gab, an dem aber damals nicht zu zweifeln war. Es ging um ein esoterisches System mit indianischen, toltekischen Wurzeln, es ging um Drogenkonsum und selbstverständlich um Bewusstseinserweiterung. Das war mir alles größtenteils völlig unverständlich, ich musste mich an die erzählenden Passagen halten und den Rest einfach aushalten, aber das galt in dem Alter ja für viele Bücher, auch für einige Werke der Weltliteratur.

In einem Kapitel ging es etwa darum, dass es in einem Raum, vielleicht auch in einer Wohnung, in einem Haus, einer Hütte nur genau einen Platz gibt, der für jemanden richtig ist, also goldrichtig und in einem irgendwie esoterischen Sinne passend. Und es ging darum, dass man Zeit darauf verwenden sollte, diesen Platz zu finden, was der Autor in dem Buch dann auch mit einigem Aufwand tat und was ich folgerichtig im Kinderzimmer auch getan habe, ich weiß gar nicht mehr, mit welchem Ergebnis. Ganz sicher aber habe ich es ohne hilfreichen Drogenkonsum versucht. Die seltsamen Kakteen, die in dem Buch zu diesem Zweck verwendet wurden, wuchsen in Travemünde nicht und unter Drogen verstand man dort in aller Regel so etwas wie Bier oder Rémy Martin. Vermutlich war am Ende mein Bett der genau richtige Platz, alles andere wäre auch viel zu kompliziert gewesen. Jedenfalls, so erzählte es Castaneda, fühlt oder erkennt man die Qualität eines Ortes. Und in unserer Straße gibt es also eine Stelle, da fühlt es sich auch beim flüchtigen Flanieren nach Stehenbleiben an, was mir vielleicht auch Stadtplaner und Spaziergangsforscher, was mir nicht nur Schamanen erklären könnten. 

In dieser Stadt gibt es viele Menschen, die geistig verwirrt sind, die verrückt sind, seltsam sind, sich auffällig verhalten. Eines der Merkmale, an denen man einen gewissen Typ dieser Auffälligen sofort erkennt, ist das Herumschreien oder das laute Reden mit sich selbst. Es ist eine wirksame Form des Social Distancing, diesen Menschen kommt niemand nahe, der es nicht muss, man macht bei manchen, die besonders aggressiv oder intensiv wirken, lieber einen größeren Bogen. Ich weiß nicht, ob es eine Gemeinsamkeit zwischen all den Betroffenen gibt oder ob ganz verschiedene  Erklärungen nur zu stets ähnlichen Symptomen führen, aber die Faseler und Brüller sind ohne Frage zahlreich. Es gibt auch Murmelnde und Betende, es gibt Zischer und Sänger, wobei diese Form der Benennung übrigens nicht ganz falsch ist, da die Mehrheit tatsächlich männlich ist, was aber auch dem Zufall meiner Wahrnehmung geschuldet sein kann. Da gehen also Menschen ohne Gesprächspartner die Straße entlang und diskutieren mit ihren Geistern und Dämonen, schreien sie an, scheuchen sie weg, richten flehende Fragen an sie, verlachen sie oder reden atemlos auf sie ein, und warum auch immer, sie bleiben oft an dieser einen Stelle stehen, lehnen sich vielleicht kurz an die Wand, holen Luft und reden oder brüllen dann weiter und erst recht. 

Es sind Menschen darunter, die es dabei sichtlich mit jemandem zu tun haben, der für andere zwar nicht wahrnehmbar ist, den sie aber greifbar vor sich haben. Und das fällt manchmal so überzeugend aus, dass man genau mitbekommt, wo der oder das Angesprochene gerade ist, und es fehlt nicht viel, so fühlt es sich manchmal an, und ich könnte es auch sehen, was da vor oder neben ihnen ist, ich müsste vielleicht nur genauer hinsehen. Was ich aber gar nicht will, denn ab da wäre ich in einem Fantasy-Roman und das kann unschöne Folgen haben, wie man schon seit Poe und Lovecraft weiß. Es sind auch Menschen darunter, die ihre Beschwerden und Klagen eher ganz allgemein an das Universum oder an die Götter richten, unbestimmt in Blickrichtung und Gestik, die schimpfen mit der Nacht, mit der Stadt und dem Himmel. 

Es sind Menschen darunter, die von Wut besessen sind und ihre Tage und Nächte damit verbringen, etwas, jemanden oder alles anzuklagen und niederzubrüllen, mit Worten und Argumenten zu strafen und vielleicht auch manchmal zu besiegen. Es sind Menschen darunter, und das ist für den Zuhörer schwerer zu ertragen, die vom Leid beherrscht werden, die weinen, wehklagen, jammern und heulen. Es sind Menschen darunter, die machen dabei Geräusche, die einem durch Mark und Bein gehen. Wenn im Sommer das Vieh draußen auf Eiderstedt auf den Weiden und Vennen steht, dann schreien manche Tiere nachts. Sie schreien, weil man ihnen die Lämmer oder die Mütter weggenommen hat, weil sie etwas wittern, was sie unfassbar drängt oder lockt, weil sie wegwollen oder irgendwo hinwollen, weil sie Hunger oder Schmerzen haben, was weiß ich, es sind Geräusche, bei denen man unwillkürlich an Trakl-Gedichte denkt, wenn man die in der Jugend einmal durchgesuchtet hat, und bei denen man sich nicht entscheiden kann, ob in diesen Schreien etwas Schönes der Natur sein kann oder einfach nur das menschengemachte Grauen schlechthin. Und so also können auch einige Menschen schreien. Und dass es sie bei Vollmond noch mehr drängt, ihren Gefühlen mehr oder weniger artikuliert Ausdruck zu geben, das macht die Szenen nicht traulicher.

Wenn ich aus dem Dachfenster sehe, gucken manche hoch, und wenn sie mich sehen, dann kann es vorkommen, dass ich aus ihrer Sicht zum Dämon werde, zum Schuldigen, zum Angreifer, zum Übel der Welt, wie ich da so von oben auf sie herabgucke, die Hand noch zum Fenstergriff erhoben und nur als Silhouette zu erkennen, über mir der gebrauchte Großstadmond. Dann mache ich das Fenster schnell wieder zu, denn sonst gehen sie so leicht nicht weiter. 

Aber, und das zeichnet sie aus, im Gegensatz zu den streitenden Pärchen, um die es im nächsten Text gehen wird, gehen die Verrückten wenigstens weiter. Sie gehen immer weiter, denn sie sind ruhelos und kommen nie irgendwo an, während streitende Paare immer an einem Punkt ankommen, an dem … aber ich greife vor.

(Fortsetzung folgt)

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Das wird einige interessieren, die mit Coaching und Psychologie oder mit Unglück zu tun haben, ein bilanzierender Artikel über die Positive Psychologie. Vor allem der Absatz über “drei gute Dinge im Leben” – denn diese Übung ist so verbreitet und klingt so einleuchtend, die empirische Beweisführung ist aber durchaus heikel. Man kann das natürlich dennoch machen, wenn es Spaß macht, es spricht rein gar nichts dagegen, man sollte aber nichts über erwiesene Erfolge schreiben, bzw. den Erfolg nur für sich entscheiden oder ihn dort dann wenigstens herbeibehaupten, wenn es hilft. 

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Beim Filter geht es um das Buch “Im Grunde gut” von Rutger Bregman (Deutsch Ulrich Faure und Gerd Busse), welches bei mir auch in der Hörbuchwarteschleife ist. Da es dort aber ganz am Ende steht, werde ich erst in ein paar Jahren dabei ankommen, etwa bei Renteneintritt. Vorziehen? Mich spricht ja ein Punkt an, der in der Rezension vorkommt, nämlich der Unterschied zwischen der Welt der jeweils eigenen Wahrnehmung und der Welt, wie sie in den Medien dargestellt wird. Ein Thema, das mir immer spannender und wichtiger vorkommt. Okay, vielleicht tatsächlich vorziehen.

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Die Notwendigkeit der Parks (und der Schrebergärten, möchte ich da noch ergänzen) in der aufgelockerten Stadt. Gar nicht lange her, da wurde in diversen Medien Verdichtung gepredigt. Wenn wir jetzt aber die städtebaulichen Maßnahmen, die sich aus dem Klimawandel für uns ergeben sollten (mehr Grün wegen der Beschattung bei Hitze, mehr freie Flächen wegen Versickerung bei Starkregen etc.) mit den nach dem verlinkten Artikel notwendigen weiten und naturnahen Räumen verbinden, wie sieht das dann aus? Für die Hamburg-Kenner: Ganz sicher nicht wie die Hafencity. 

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Die Masken für den Kaffeefreund. Man kann noch so oft nachsehen, der Artikel ist nicht vom 1. April.

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Wir haben keine Ahnung” Eine Pizzeria und das Ungewisse.

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Wer genau braucht diese Abschlussprüfungen?

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Und dann noch ein Tänzchen, in diesem Style wollen wir ins Wochenende starten.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Links am Morgen

ZEIT ONLINE: Die Schulen im Land sind seit Mitte März geschlossen. Waren wir genug auf diese Situation vorbereitet?

Vielleicht geht es ja nur mir so, aber das ist doch eine ziemlich dumme Frage, ist es nicht?

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Die Viren haben Lee Konitz geholt, hier spielt er mit Bill Evans. Auch ein Stück Kulturgeschichte. 1965, ein Jahr vor meiner Geburt, hat man solche Musik gemacht. 

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Hamburger Betteltruppen

In Hamburg sind wir alle Bettler. Also zumindest, wenn wir zu Fuß gehen und an gewissen Ampeln stehen, denn die nennt man hier allgemein Bettelampeln, weil man erst einen Knopf drücken muss, bzw. eigentlich eher eine sich dem Benutzer freundlich entgegenwölbende Fläche betatschen muss, bevor die Ampel jemals auf Grün umspringt. Aber Flächen oder Knöpfe, die im Tagesverlauf sehr viele Menschen anfassen, das klingt ja eher nicht so gut zur Zeit. Naheliegenderweise wurde daher vielfach gefordert, diese Ampeln umzustellen, so dass niemand mehr an diese Dinger fassen muss. Die S- und U-Bahnen öffnen neuerdings immerhin auch ihre Türen automatisch, da drückt seit Wochen niemand mehr und es wurde allgemein als Erlösung aufgefasst. Bei den Ampeln gab es, soweit ich es mitbekommen habe, nicht einmal eine Reaktion der Stadt. Es kann aber auch gut sein, dass ich da tatsächlich etwas verpasst habe, die Nachrichtenlage war in den letzten Wochen zwischendurch doch etwas komplex, wie Ihnen vielleicht auffiel. Wie auch immer, an Hamburger Ampeln wird weiter gebettelt. Zwei Szenen dazu.

Ein Rennradfahrer im für diesen Sport typischen und auf andere leicht albern wirkenden Dress hält an einer dieser Ampeln, steigt ab und versucht dann, in dem er verschiedene Teile seines Rades an die Bettelstelle drückt, ob er um das Anfassen derselben irgendwie herumkommen kann. Dazu muss man noch wissen, dass es vielen Menschen unklar ist, ob diese Dinger mit der bloßen Haut berührt werden müssen oder nicht. Sie müssen nicht, man kann auch mit dem Ärmel oder dergleichen dagegen drücken, aber man erkennt, wenn man es länger beobachtet, dass viele vom Gegenteil ausgehen. Der Radfahrer presst erst einmal versuchsweise die Handgriffe am Lenker dagegen, dann hebt er das Rad und versucht es mit einem Pedal, es sieht wirklich enorm albern aus und es klappt dummerweise auch nicht, da spielt die Technik doch nicht mit – aber verständlich ist sein Verhalten irgendwie. Und verständlich ist außerdem, wie genervt er aussieht, als er schließlich mit dem nackten Ellenbogen doch noch das Grün erzwingt. 

Wer sich noch an “Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh” erinnert, ein Film übrigens, der beim Wiedersehen erstaunlich unkomisch ist, erinnert sich vielleicht an den Radfahrer und Jogger (Jean Carmet) darin. Der war diesem Radfahrer nicht ganz unähnlich, auch die genervten, leidenden Blicke und die Ernsthaftigkeit beim Radfahren passten, wenn auch damals die Albernheit des Outfits eine ganz andere war.

Weiter. Vor einem Discounter ist eine Baustelle, die Ampel daneben wurde abgestellt und durch eine mobile Version ersetzt. Die hat klarerweise eine mechanische Vorrichtung zum Drücken, kein Gedanke daran, dass irgendein nur leichter Kontakt, ein sachtes Streifen mit Hand oder Handschuh hier helfen würde. Nein, es muss auf die gute alte Art ordentlich gedrückt werden, wie im letzten Jahrhundert. Es stehen etwa zehn Personen auf dieser Straßenseite, ungefähr fünf stehen auf der anderen. Nach einer Weile ist jedem klar, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemand gedrückt hat. Die Wartenden sehen sich an, die Wartenden sehen die Ampel und den Verkehr an. Einige holen ihre Handys raus und fangen interessiert an zu lesen, so kann man sich auch aus der Affäre ziehen. Ich bin natürlich ebenfalls raus, denn ich mache mir Notizen. Alle Menschen warten irgendwo drauf, nur der Chronist nicht, der schreibt das auf. Alte Regel.

Ein Mann neben mir atmet tief ein und sagt dann entschlossen: “Also ich nicht.” Es wird nicht klar, ob er das zu jemandem oder nur zu sich sagt, es ist im Grunde auch nicht ganz klar, ob es bei dem Satz überhaupt einen Ampelbezug gibt, aber die Umstehenden verstehen es mit großer Sicherheit so und zwei, drei schütteln daraufhin die Köpfe: Die also auch nicht, so muss man das wohl deuten.

Arme werden verschränkt, Tüten werden abgestellt, hier und da wird durchgeatmet, eine sieht auf die Uhr, eine sortiert konzentriert ihren Tüteninhalt neu. Einige spähen immer interessierter nach links und rechts, man könnte doch auch einfach so, es stehen ja auch gar keine Kinder in den Gruppen – dummerweise kommen jetzt aber gleich fünf Polizistinnen dazu und das ist natürlich richtig schlecht. Die Damen von der Polizei sehe sich die Lage eine Weile an und wiegen die Köpfe. Einige der Wartenden gucken fragend von den Polizistinnen zur Straße und zurück, da kommt dann schnell ein Kopfschütteln, nein, bei Rot wird hier ganz sicher nicht gegangen, Freundchen, wo kommen wir denn da hin. Broken-windows-theory nie gehört oder was. Ein ziemlich junger Mann kommt dazu und sagt mit der ganzen Unverfrorenheit seines Alters: “Ey, hat hier keiner gedrückt oder was.” Eisernes Schweigen vor und neben ihm. Der junge Mann rollt die Augen und fügt sich dann aber grinsend, bleibt auch stehen und wartet ab, in seinem Gesicht lese ich ein amüsiertes : “Gut, dann spiele ich eben mit.” 

In diesem gemeinsamen Abwarten, wer sich zuerst bewegt, ist faszinierend viel Kindergartenatmosphäre, vielleicht auch noch Grundschule. Genau wie dort finden einige die Situation total lustig und andere nehmen sie auf fast schon schlimme Weise ernst. Bis einer heult, denke ich, aber soweit kommt es nicht.

Denn genau wie im Kindergarten werden alle durch eine ältere Person erlöst. Ein Rentner ist es, der mittels einer Salatgurke, die in einer Plastiktüte steckt, den entscheidenden Knopf drückt. Und weil alle so lange gewartet haben, drängen sie nun aber mit ordentlich Schwung hinüber, als es endlich Grün wird, dass es ein wahres Gerempel gibt. Social Distancing, was ist das denn, man hat es jetzt eilig wie damals, als es alle immer eilig gehabt haben. Und jeder guckt jeden böse an, was kommen die mir denn jetzt so dicht? Lesen die keine Nachrichten?

Und dann sehen sie zu, dass sie endlich weiterkommen. Also wenigstens bis zur nächsten Ampel. 

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Links am Morgen

Für Deutsche scheint es schwer auszuhalten, einfach nur zu sein. Deswegen muss man sich Aufträge geben, Projekte erfinden und dafür in langen Schlangen vor Baumärkten anstehen. Oder: 30 days of yoga.

Wobei in meinem Umfeld fast niemand auch nur eine Chance auf Langeweile hatte, in den letzten Wochen. Ich würde Langeweile vielleicht ganz nett finden, ich komme nur nicht dazu. 

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Was am Home-Office eher nicht so toll ist.

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Online-Baby-Kurse mit der Herzdame

Ein Text von Maret Buddenbohm, die neuerdings online singt

Corona sorgt ja wirklich für die absurdesten Geschichten. Nicht nur, dass die ganze Welt gerade eingesperrt zu Hause sitzt und all diese Dinge, ich mache gerade etwas, von dem ich nie gedacht hätte, dass das jemals möglich gewesen wäre.

Wie vielleicht einige hier wissen, gebe ich einmal in der Woche in einer Familienbildungsstätte in Hamburg-Harburg Babykurse. Die nennen sich hier DELFI-Kurse. Deutlich bekannter sind PEKIP-Kurse, beides ist aber recht ähnlich. Ich habe da vor 10 Jahren mal eine richtige Ausbildung mit Zertifikat und so gemacht.

Bei meinen DELFI-Kursen begleite ich fast das komplette erste Lebensjahr eine feste Gruppe mit acht gleichaltrigen Babys und ihren Eltern (tatsächlich kommen in meine Kurse auch viele Väter, weil sie am Nachmittag stattfinden). Wir treffen uns einmal in der Woche in einem wirklich warmen Raum (Bikramyoga ist nichts dagegen …), in dem die Babys nackt ihre Umgebung und sich gegenseitig entdecken dürfen. Es gibt für den Entwicklungsstand entsprechende Anregungen und Spiele für die Kinder, welche die Bewegungs- und Sinnesentwicklung unterstützen sollen, außerdem Informationen und Erfahrungsaustausch für die Eltern. Ein besonderes Anliegen ist mir, dass die Gruppe zusammenwächst und auch über den Kurs hinaus Bestand hat, sowie dass die Eltern Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten gewinnen, das ist ja nicht immer ganz einfach.

Wir waren gerade mittendrin und dann kam Corona – von heute auf morgen keine Treffen mehr. Für mich war das am Anfang ganz okay, nach zehn Jahren auch mal eine kleine Kurspause zu haben.

Das Bedürfnis der Mütter nach Austausch und Kontakt ist aber geblieben. Also habe ich mein Kurskonzept auf Online umgestellt. Denn das machen irgendwie alle gerade, meine Tanzlehrer, die Swingbands, Theater, Autoren… Aber ein Konzept, welches ausschließlich auf direktem Kontakt und Austausch basiert digitalisieren? Und dabei die Babys, die normalerweise pädagogisch wertvolle Spielanregungen von mir bekommen, jetzt mit wenigen Monaten schon vor den Bildschirm setzen? Geniestreich oder Schnapsidee?

Noch bevor ich überhaupt einen Plan dafür hatte, habe ich den Müttern meine Idee mitgeteilt. Der eine meiner beiden Kurse konnte sich das nicht vorstellen, der andere fand die Idee sofort super. Also habe ich dann ein paar Tage über dem neuen Onlinekonzept gebrütet und danach den Kurs gestartet. Das Ganze funktioniert jetzt so:

Es gibt einen Onlineteil per Videokonferenz und dann eine Reihe Anregungen, was die Mütter im Anschluss mit ihren Babys und ggf. den Partnern machen können, als „Homework“ sozusagen. Unsere Onlinetreffen sind kürzer als die normalen Treffen, weil ich glaube, dass das sowohl die Mütter als auch die Babys sonst zu sehr stresst. Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen bleiben die Babys dabei angezogen.

Wenn alle online sind, müssen wir auch schnell mit unserem Begrüßungslied starten, bevor die Kleinen versuchen die Bildschirme abzuschlecken oder durch das Flimmern und die schrabbeligen Geräusche überdrehen. Wir machen dann jeder für sich und alle gemeinsam ein paar Sing- und Bewegungsspiele, so dass erstmal die Kinder zu ihrem Recht kommen. Und DAS ist für mich eine echte Herausforderung. Ich kann ja leider überhaupt nicht singen (schon immer die beste Vorrausetzung für Babykurse und eine echte Challenge für mich…) und jetzt muss ich mir dabei auch noch per Videokamera zusehen! Und damit nicht genug, wir singen aus technischen Gründen ja alle zeitversetzt. Die Mütter sind mir beim Singen und mit den Handbewegungen und Gesten immer eine Spur hinterher. Das bringt mich dann wieder total aus dem Konzept. Und zu wissen, dass die Restfamilie nebenan in der Küche sitzt und sich vor Lachen kaum auf dem Stuhl halten kann, macht die Sache dann auch nicht besser. Der Gatte meint auch, ich rede und singe viel zu laut. Aber ich meine, er hat zu sensible Ohren, sie sind ja auch sehr groß. Ich bin also froh, wenn wir die Lieder dann hinter uns gebracht haben.

Die Herzdame am Notebook

Dann sind die Mütter an der Reihe. Ich lasse sie berichten, wie es ihnen geht, wie sie die letzte Woche verbracht haben und ob es etwas Neues bei den Kindern gibt. Oft ergeben sich daraus auch Fragen zu verschiedenen Themen oder ein reger Austausch über Probleme und Tipps dafür. Das ist dann auch der Teil, wo die Kinder anfangen unruhig zu werden und oft auch laut. Einige nutzen die Zeit dann, um ihre Umgebung zu verwüsten oder einen Angriff auf das schöne, blinkende, technische Endgerät, mit dem sich Mutter da so intensiv beschäftigt, zu starten. Manchmal ist auch der Platz vor der Videokamera plötzlich ganz leer und man hört nur noch im Hintergrund Gebrüll. Aber eigentlich ist es nichts anderes als auch im echten Leben, wenn sich die Mutter einmal länger als 2 Minuten unterhält.

Je nach Zeit und Intensität der Quengeleien machen wir dann noch ein paar Sing- und Fingerspiele. Und dann gibt es „Hausaufgaben“ von mir. Dafür denke ich mir Bewegungsanregungen oder etwas zur Entwicklung der Sinne aus, Kleinigkeiten, die ich normalerweise im Kurs gemacht hätte und die die Eltern mit einfachen Mitteln auch zu Hause machen können. Außerdem stelle ich jede Woche Bastelideen für „Babyspielzeug“ aus Haushaltsgegenständen vor, Rezepte für Beikost, Lesetipps zu Themen, die im Kurs gerade aktuell sind, sowie neue Lieder, die die Eltern per Youtube lernen können. Das gibt es dann noch mal zusammengefasst als PDF.

Wir singen noch unser Abschlusslied und dann ist eine Stunde schon um. Aus der Küche kommt dann wieder Gekicher und für einen Moment finde ich meine Familie echt doof. Aber ich glaube, den Müttern gefällt es (sie achten im besten Fall auch mehr auf ihr eigenes Singen) und es tut ihnen gut, zu reden und miteinander Zeit zu verbringen. Und die Babys genießen es, im Hintergrund das Kinderzimmer neu zu sortieren.

Es ist natürlich nicht das Gleiche und für mich ist es auch viel mehr Arbeit, als die Kurse in meiner flauschigen Schwitzhölle mit acht wuseligen Babys vor Ort, aber aktuell ist einfach nichts wie gewohnt und man muss das Beste aus den bestehenden Möglichkeiten machen. Und dafür fand ich es richtig gut – mich, die Mütter und die Babys. Es hat Spaß gemacht, und so ein bisschen Normalität mit regelmäßigen Kursen tut auch mal wieder gut.

Was für seltsame Dinge macht Ihr gerade, von denen Ihr nie gedacht hättet, dass das jemals möglich wäre?

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Links am Morgen

Zur Abwechslung und zum Einstieg mal eine andere Plage. Hatten wir immerhin schon ein Jahr nicht. Aber Gartenbesitzer wissen eh Bescheid.

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Jochen schildert die Maßnahmen in Taiwan, mit denen man gegen Corona vorgeht.

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Wenn Sie schon im Leopoldina-Thema und da besonders im Schulteil drin sind, dann werden Sie die drei folgenden Texte schon kennen, nehme ich an. Ansonsten:

Wieso “Leopoldina” für Schulen Zeitverschwendung bedeutet.

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Und was ist mit den Kleinen

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Die Lockerungen der Corona-Maßnahmen dürfen nicht auf dem Rücken von Eltern ausgetragen werden.

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Und noch einmal Leopoldina, gestern Abend erst erschienen: Anja hat vier Fragen und besonders der Aspekt in der zweiten davon kommt sonst eher zu kurz, scheint mir: “Es könnte also sein, dass wir Schulen und Kindergärten öffnen – und binnen weniger Wochen massive neue Infektionswellen erleben, weil das Coronavirus sich eben doch unter Kindern und von diesen auf Eltern und Großeltern überträgt. Es könnte aber auch sein, dass wir Schulen und Kindergärten über Wochen und Monate geschlossen lassen, ohne dass das einen wesentlichen Beitrag zur Dämpfung des Infektionsgeschehens leistet – während die direkten praktischen und psychischen Auswirkungen auf Kinder, Familien, Lehrkräfte, Erzieher*innen – und damit indirekt auf die gesamte Gesellschaft – immens sind.” Noch ein Update dazu: Nein, man weiß es nicht.

So habe ich das auch verstanden. Man weiß es schlicht nicht. Aber auch ihr “Was also nun …” in Frage vier, man kann das oft wiederholen im Moment, da es überall unklar ist, auch in etlichen Kommentaren in der Presse.

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Zum Feuilleton:

In der Krise scheint nun das Bewusstsein dafür zu wachsen, dass es auch in der globalisierten Buchwelt einen Nebenraum gibt, in dem sich das Geschäft kleiner, aber im Zweifel intelligenter betreiben lässt.

Na gut, das ist jetzt sehr positiv betrachtet. Aber man kann es immerhin versuchsweise auf sich selbst übertragen, in einen kleinen Nebenraum gehen und überlegen, ob man sich von da aus intelligenter betreiben kann. Das ist doch vielleicht mal ein nützlicher Gedanke, so im Home-Office.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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