Mien Jung

Ich lese Gerbrand Bakker: “Jasper und sein Knecht”, aus dem Niederländischen von Andreas Ecke. Kein Roman, ein berichtendes, fast ein blogartiges Buch, er schreibt aus seinem Leben, über sein Haus und über seinen Hund (Jasper). Hier etwa denkt er über seine Schwierigkeiten mit Besuch nach, das werden andere schreibende Menschen nachvollziehen können: “Dummerweise kann ich Geschehenes nur allein verarbeiten, und wenn ich Besuch habe, geschieht natürlich ständig etwas, das ich verarbeiten will und muss, aber nicht kann, weil ich Besuch habe. Mich zu entspannen ist gar nicht oder bestenfalls ab fünf Uhr möglich, wenn Alkoholisches auf den Tisch kommt. Und eine Nacht zu schlafen, reicht nicht, vor allem, wenn bei Frühstück wieder nett geplaudert wird. Nach vier Tagen stehe ich dann manchmal kurz davor zu platzen: So vieles kommt herein, so viele Reize, und alles läuft unverarbeitet an.”

Ich muss das nicht auf Besuch beziehen, um es zu verstehen, ich habe generell ein Reizverarbeitungsproblem, wenn ich nicht oft und lange genug an den Schreibtisch komme, auch auf Reisen. Schlimm.

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Die Söhne empfehlen einhellig – was gar nicht oft vorkommt – diesen Comic, der sich dadurch auszeichnet, dass der Held, wie sage ich das denn jetzt, die räumliche und zeitliche Ordnung der Strips sprengt, also etwa im letzten Bild einer Seite etwas tut, das sich im ersten Bild auswirkt. Faszinierend!

 

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Immer noch lösche ich in alten Tweets und Facebook-Einträgen herum, eine fantastische Arbeit für lange Winterabende und eine befreiende Angelegenheit. Ich kann nicht einmal sagen, dass ich nach einem bestimmten Prinzip vorgehe, ich entscheide eher beim schnellen Querlesen intuitiv, was vermutlich nur eine andere Form der im Moment so viel diskutierten Marie-Kondo-Frage “Does it spark joy?” ist. Egal, es ist immerhin eine Frage, die ich gut und ohne langes Nachdenken beantworten kann, wenn es um Texte und Bilder geht. Bei Kleidung und anderem Alltagszeug würde mir das viel schwerer fallen, das ist alles irgendwie nicht mit Freude verbunden.

Das digitale Ausmisten finde ich jedenfalls recht befriedigend, demnächst dann auch Instagram und Blog-Artikel, vielleicht fällt mir auch noch mehr ein, wo virtuelle Staubmäuse herumfliegen könnten. Es gibt viel zu tun.

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Ich stieg in einen Fahrstuhl, in dem bereits ein alter Mann stand, also noch erheblich älter als ich. Der sah mich und winkte mich ran: “Komm rein, mien Jung, und drück mal auf die Eins für mich, machste dat?”

Ich kannte den Herrn überhaupt nicht, aber das war im Grunde ein sehr, sehr kurzer Moment für die Reihe “Was schön war”, die hatte ich hier auch lange nicht mehr. Einmal noch wieder für jemanden “Mien Jung” zu sein, was doch sonst nur noch die Söhne für mich sind. Doch, das war schön. Es war, ich möchte das präzisieren, für den Bruchteil einer Sekunde entlastend.

Dann habe ich für ihn auf die Eins gedrückt und er ist wieder ausgestiegen.

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Und so verging der Januar, der unterm Strich kein guter war.

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Musik! Man beachte bitte das Pferdegetrappel. Ganz groß.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Und doch war es Nacht

Anna. In den Kommentaren kann man reihenweise lesen, wie Menschen vermeintlich unfertige Geschichten nicht aushalten. Weil alles Sinn haben und rund sein muss, weil am Ende alles gut werden muss, sonst ist es für uns doch nicht das Ende, sonst ist es einfach nichts für uns Märchenkinder.

Es war einmal und ist nicht mehr, wo kommt denn da die Story her? Und wenn sie nicht gestorben sind, die letzte Seite fehlt, mein Kind. 

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Ich lebe in einer Intensivstadt. Voll schön.

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Drüben bei der GLS Bank habe ich eine kleine Blogschau zum Thema Verkehr gepostet.

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Mely Kiyak über Greta Thunberg

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Ich ging also aus den gestern berichteten Gründen unsinnig früh von den Goldenen Bloggern weg und zurück zum Hauptbahnhof. Ein angenehmer Weg von bester Spaziergangslänge, an der Spree entlang und neben den Regierungsgebäuden herkurvend. Es war etwa viertel vor zehn, es war dunkel und menschenleer. Neubau an Neubau, dazu ab und zu ein Blick auf den Reichstag, also auf einen halben Neubau, oben neu, unten alt, in der Kombination haben wir in Hamburg ja auch ein recht bekanntes Bauwerk.

Die Hamburger Hafencity, wo ich schon dabei bin, besteht auch nur aus Neubauten, und dort ist es auch so, dass bei jedem Besuch irgendetwas dazugebaut wurde, zack, noch so ein Klotz, das kennen die Berliner. Bei ihnen fallen die Klötze nur ein wenig größer aus. Die Hafencity ist am späten Abend auch leblos, auch menschenleer, und sie wurde auch so seltsam filmkulissenartig in die Gegend gestellt. Es bedrückt dort aber deutlich mehr, durch die leeren Straßen zu gehen, weil alles um einen herum ein richtiger Stadtteil sein soll, das hat man immer parat, und das, was da sein soll, das lässt einen gucken und suchen. Es lebt dort aber noch nichts, die Hafencity bei Nacht ist ausgesprochen tot, kulissenhaft und unwirklich. Noch jedenfalls, vielleicht ändert es sich später. Viel später, für die Söhne der Söhne oder so, wenn das Viertel bis dahin schon einmal ganz runtergerockt war und dann langsam wieder hoch kommt. So könnte es doch gehen, so geht es ja immer.

Im Regierungsviertel ist es dagegen vollkommen in Ordnung, dass da abends oder nachts nichts los ist. Selbst wenn da jemand noch in Spätschicht herumregieren sollte, so etwas sorgt ja nicht für Streetlife, das erwartet auch niemand. Nein, das ist eben eine Gegend zum Arbeiten, da wohnt keiner, da lebt keiner. Es sieht dort zumindest bei Nacht etwas nach Science-Fiction aus, die Verwaltungseinheit auf einem künstlichen Stern könnte das sein. Die Spree sogar wirkt an dieser Stelle ausgesprochen ausgedacht, ein Architektenfluss, ein Dekogewässer, am Bildschirm entworfen. Links wird sie ins Bild gepumpt, rechts wieder abgesaugt und dann immer im Kreislauf, lassen Sie das mal wie einen Fluss aussehen da! Das beruhigt das Bild!

Nicht einmal irgendwelche Sicherheitskräfte sind zu sehen, keine grauen Herren irgendwelcher Art, weder Büro- noch sonstige Soldaten, es fährt auch niemand Patrouille und sieht mal nach, was so los ist. Aber es ist ja auch nichts los.

Genau drei joggende Menschen laufen an mir vorbei, die haben Kopfhörer auf und ausgesprochen starre Blicke, sie fressen Kilometer und laufen irgendwohin, wo man vermutlich auch wohnen kann. An einer Gebäudeecke steht jemand und bringt drei Hunden Kunststücke bei. Zu ungewöhnlicher Zeit an ungewöhnlichem Ort mit auffälligem Zubehör, in jedem Kinofilm wüsste man da gleich Bescheid. Aber das ist kein Kinofilm, das ist Berlin und den Medien entnehme ich am nächsten Morgen, das alles noch steht und lebt und es keine besonderen Vorfälle gab. Ob irgendein Hund jetzt etwas Neues kann, das steht da natürlich nicht, nehmen wir es einfach mal an.

Das Leuchtschild am Bahnhof leuchtet erfreulich weit durch die Nacht, verlaufen kann man sich hier nicht. Es ist mittlerweile etwa zehn nach zehn, das ist für meine Verhältnisse schon recht spät am Abend. Am Hamburger Hauptbahnhof ist das einfach nur Abend, am Berliner Hauptbahnhof ist es Nacht. Tiefe, finstere Nacht. Die Läden haben zu oder werden gerade geschlossen, Auslagen werden verräumt und Türen vorgeschoben, Reinigungsfirmen kommen an und Verkaufspersonal geht. Es sind nur ganz vereinzelt Menschen zu sehen, auf dem Bahnsteig bin ich noch ganze zehn Minuten der einzige Reisende. Es ist kurz nach zehn, und doch ist es Nacht. Das hat mich überrascht. Aber Berlin ist auch anderswo eher früh zu Ende, wie man hier lesen kann.

 

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Ich stieg in meinen ziemlich leeren Zug, natürlich setzte sich dennoch jemand dicht neben mich, das ist ja immer so. Er setzte sich, aß einen stark aromatischen Döner (woher hatte er den bloß?), schob die Reste von sich weg, rülpste herzhaft und popelte dann in der Nase. Ein Ferkel also, was ich ganz gut fand. Denn durch die Begegnung mit echten Ferkeln erkennt man eventuell, dass man selbst keines ist, und das ist ja auch etwas wert in einer Welt voller Demütigungen.

Ich stieg um 00:33 in Hamburg also als vergleichsweise anständiger Mensch mit respektablen Manieren aus dem Zug und freute mich, dass im Bahnhof noch Imbisse geöffnet waren, denn so muss das sein, wozu lebt man sonst in einer Millionenstadt. Fast hätte ich mir nur aus Prinzip etwas gekauft.

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Musik! Noch einmal Daniel Kahn. Passt nicht exakt, aber die Richtung stimmt. Dank an Isa für den Tipp.

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Ich bin ein altes Brauereipferd

Ich bin also gestern nach dem Büro in den Zug gestiegen und nach Berlin gefahren, und da ja sympathische Menschen aus allen Richtungen in Scharen zu den Goldenen Bloggern strömen, habe ich auch gleich im Zug Gesellschaft gehabt und eine dieser Bekannheitslücken geschlossen. Also wir kannten uns schon länger, aber bisher nur online, so eine Lücke, Sie kennen das vermutlich.

Das mit dem Zug war eine Erfahrung, die ich so noch gar nicht gemacht habe, mal eben nach Berlin fahren, zu einem Termin gehen und dann mal eben wieder zurück fahren, das kann man also gut machen, guck an. Mit kleinen Einschränkungen, denn der letzte Zug zwischen diesen beiden eher unbedeutenden Städten fährt schon um halb elf, was etwas überraschend früh ist. Da fühlte ich mich plötzlich wieder wie als Schüler, wenn ich aus Lübeck den letzten Bus nach Travemünde nehmen musste und deswegen Partys für mich viel zu früh endeten, als alle gerade erst anfingen wild herumzuknutschen. Ich musste gestern den vermutlich besonders lustigen Schlussteil des Events leider auslassen, ob geknutscht wurde, das entzieht sich daher meiner Kenntnis.

Was gab es für Bemerknisse – zunächst einmal etwas, das mir schon auf anderen Events aufgefallen ist: Ich kann von so etwas nicht gut live berichten. Ich finde es mittlerweile bewundernswert, wie gut das einige können, die machen drei Minuten Smalltalk, nehmen dann schnell eine Instagram-Story auf, posten einen Tweet und irgendwas auf FB und reden dann weiter, wobei die Posts auch noch schick und informativ oder gar witzig sind, das ist so eine der Begabungen, die ich ganz eindeutig überhaupt nicht habe. Ich kann nur da sein und gucken und reden und zuhören, wie son Mensch aus dem letzten Jahrhundert. Und mit etwas Glück schreibe ich ganz kurz mal was zwischendurch per Handy, aber oft schreibe ich auch gar nichts.

Der Typ Besinnungsaufsatz bin ich andererseits auch nicht, es widerstrebt mir wie das Bearbeiten von Hausaufgaben damals in Deutsch, von so einem Event detailgenau und chronologisch richtig zu berichten, obwohl das ja nett wäre. Dann könnten Sie sich ein Bild machen und so, wie in einer Zeitung. Aber ich kann es nicht ändern, ich kann nur hier ein Highlight, dort ein Eindruck, fertig ist der Blogtext. Schlimm.

Apropos Highlight. Es war das erste Mal, glaube ich jedenfalls, dass ich alle drei Texte, die als Text des Jahres nominiert waren, tatsächlich schon vor der Nominierung gelesen und auch noch für gut gefunden habe. Das waren, Sie können die ruhig auch noch einmal lesen:

Gerda stirbt

Alle 262.000 Minuten verliebt sich kein Single über Parship

Raus aus meinem Uterus

Es ist übrigens ganz unwesentlich, wer welchen Platz gewonnen hat, auch in den anderen Kategorien, deswegen verlinke ich hier noch einmal die Nominierten, nicht die Gewinner. Es ist in jedem Jahr interessant, sich da einmal durchzuklicken.

Ich war nicht nominiert, ich war da als Mitglied der Akademie, die aus vormaligen Preisträgern besteht und in einigen Kategorien die Wahl entscheidet. Was ein wenig gemein ist, denn dauernd bekommen da alle Preise, also diese formschönen Figürchen, nur als ich damals mit Isa gewonnen habe, da gab es diese Figürchen noch gar nicht. Erst als Sohn I als Newcomer des Jahres gewonnen hat, da wurden sie plötzlich eingeführt, weswegen er hier so eine Trophäe im Regal stehen hat, ich aber nicht. Ein wirklich drastischer Fall von “Wir hatten ja nichts.”

“Ich bin ein altes Bauereipferd aus einer anderen Epoche – war das im Pleistozän oder letzte Woche?” (Rainald Grebe)

Bei der Vorstellung am Anfang des Abends wurde ich als Dinosaurier erwähnt, auf Twitter fiel in diesem Zusammenhang das Wort Urgestein, die wunderbare Kaltmamsell schreibt von der Pleistozän-Generation. Und wie heißt es noch bei Ihr so überaus charmant: „If you hang around long enough, you become a legend by default.“ Es war also, wie man sich vorstellen kann, insgesamt kein Abend, der wie ein Jungbrunnen gewirkt hat. Aber ein schöner Abend, das war es, und ich habe von jemandem auch noch ein wunderschönes Kompliment für meine Texte bekommen, so ein Kompliment, dass etwas weiter trägt, das war auch schön.

Und der Abend endete sogar mit Gesang! Man muss heutzutage wirklich mit allem rechnen.

 

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Und weil gewisse anwesende Bloggerinnen bei der Melodie schwächelten, hier etwas Nachhilfe. Es ist ja doch ein schönes Lied.

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Selbstverständlich gäbe es noch mehr zu erzählen, aber überraschenderweise bin ich geradezu komatös müde und die Herzdame ist weiterhin krank und liegt flach, es gibt hier also noch anderes zu tun. Schalten Sie auch morgen wieder ein, dann erzähle ich Ihnen etwas vom Berliner Hauptbahnhof bei Nacht. Wobei es da nichts zu erzählen gibt, aber das mache ich dann gründlich.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Entnervendes Stochern in den Innereien der Gemütslandschaften

Begegnung in der Bahn.

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Mir war zwar klar, dass Wilhelm II. im Exil exzessiv Holz gehackt hat, aber wieviele Bäume dabei gefällt wurden – was für eine gespenstische Vorstellung.

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Ein Kommentar in der taz zum Thema Bioland bei Lidl. Als ich neulich bei der Veranstaltung der Regionalwert AG war, sahen die anwesenden Produzenten diese Kooperation auch eher kritisch und waren ganz und gar nicht begeistert. Ein Argument, das ich einleuchtend fand: “Diese Verbindung stärkt vor allem den Drang zur Makellosigkeit”, es ging da gerade um Äpfel.

Ein Schrebergarten übrigens hilft gegen den Drang zur Makellosigkeit. Das eigene Gemüse und Obst ist immer super, auch wenn es noch so vermurkelt aus der Erde oder vom Baum kommt.

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Die Birdboxchallenge machte vor ein paar Tagen auf Twitter die Runde, dazu passt ein Satz von Heiko Kunert, Sie erinnern sich vielleicht, wir haben ihn vor einiger Zeit für “Was machen die da” interviewt: “Meine Challenge sind Vorurteile, was blinde Menschen können und was nicht.“

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Die Herzdame liegt nach wie vor flach, sie fiebert und macht einen durch und durch unbrauchbaren Eindruck. Der Hund hat es längst aufgegeben, sie erwartungsvoll anzusehen, das bringt nichts. Die Söhne brauchen seltsamerweise länger für diese Einsicht. Viel länger.

Dem Regen ging es gestern und auch heute noch sehr gut, der Regen machte munter weiter, der ist quasi in Bestform. Und der Regen und ich, wir sind so [der Autor macht Gesten mit verknoteten Fingern und fuchtelt wild herum, wobei ihm nasse Haare unschön in die Augen hängen].

Dafür kann der Hund hier immerhin sehr gut neben der schwächelnden Herzdame herumliegen, das dient sogar beiden Seiten. Denn Hunde liegen nun einmal gerne herum und nichts beruhigt so sehr wie ein schlafender Hund, der sich im Traum einmal kurz streckt und dann sehr tief durchatmet, das is schon ein Inbegriff der Gemütlichkeit. Da haben Hunde übrigens auch Katzen etwas voraus, sie schlafen gründlicher und ohne diesen stets irgendwie anspruchsvoll wirkenden meditativen Aspekt, den Katzen in der lässigen Arroganz der Eingeweihten ausstrahlen. Selbstverständlich kann man Hunde auch wesentlich robuster und kumpelhafter bekuscheln, das ist wiederum gerade aus Kindersicht nicht unwichtig, man muss auch anerkennen, was gut ist.

Mal sehen, was der Leihhund nach dem Wochenende bei uns zuhause seinen Leuten erzählt, vielleicht kommt er ja öfter. Hoffen wir es mal.

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Auf Twitter ging gerade wieder der Scherz um, man möge beim aktuell gelesenen Buch den Titel um ein vorgestelltes “Harry Potter und …” ergänzen, das klappt in meinem Fall so gut, es ist fast schade, dass es den Band nicht gibt: “Harry Potter und das Element des Elephanten”.

Darin übrigens gefunden, was Hanns-Josef Ortheil von Tagebüchern hält: “Das Tagebuch als Zeremonie des privaten Umgangs mit sich selbst habe ich nie geschätzt. Solche Tagebücher ähneln einander, zumindest in Europa, zumindest in den letzten zweihundert Jahren. Es sind Klagelieder enttäuschter und überanstrengter Seelen, Seelenbilanzen, ein entnervendes Stochern in den Innereien der Gemütslandschaften, von monotoner Gleichförmigkeit, aussichts- und ergebnislos, ein Dokument der Tristesse.”

Vielleicht sollte ich mir den Satz an die Pinnwand über dem Notebook hängen. Sicherheitshalber.

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Davon abgesehen noch etwas unsicher, ob ich morgen am Nachmittag nach Berlin zu den Goldenen Bloggern fahre oder doch lieber in Hamburg zum Zahnarzt gehe. Na egal, Hauptsache Event.

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Musik.

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Es trieft und tropft

Der Leihhund hat den gleichen Namen wie meine Mutter, ich finde ja, so etwas vereinfacht die Kommunikation mit dem Tier nicht gerade. Es fällt mir etwas schwer, diesen Namen in Verbindung mit “Sitz!” und ähnlichen Anweisungen zu verwenden. Kurz nachdem er, nein, sie unsere Wohnung betreten hat, wurde die Herzdame übrigens dergestalt krank, dass sie am Wochenende unmöglich mit einem Hund vor die Tür gehen kann, schon gar nicht bei Kälte und Regen. Entweder sie hat in letzter Zeit verdammt guten Schauspielunterricht genommen oder sie wird gerade wirklich von der Grippe in die Mangel genommen, ich wäge noch ab. Die Patientin liegt jedenfalls apathisch herum und verlangt nach Milchreis und Lutschbonbons, es muss eigentlich eine Art Kinderkrankheit sein.

Sohn II dagegen würde wohl auch bei einem Blizzard freiwillig mit dem Hund gehen, und zwar mit Begeisterung. Das nützt mir dummerweise wenig, denn mangels Erfahrung und schon auch aus rechtlichen Gründen muss stets ein Erwachsener mitgehen, das bin dann also wohl ich. Wir latschen durch den Regen zum Garten, der Hund sieht mich zwischendurch an, als sei ich komplett irre, zieht der hier ein nur leicht mit Fell bekleidetes Lebewesen durch dieses Wetter? Geht’s noch? Guck mal hier, die ganzen Drecksspritzer auf dem weißen Fell? Im Garten schmatzt es bei jedem Schritt, so nass ist es heute in Hamburg, alles trieft und tropft und wird im Regen immer unschärfer. Ich rüttele lustlos etwas an der Regentonne neben der Laube, mal sehen, wie massiv der Eisblock darin noch ist. Ein erstaunlich ergiebiger Schwall Eiswasser schwappt mir in den Schritt, ich hatte vergessen, dass da oben am Rand so ein kleines Abflussloch ist. Meine Laune bessert sich dadurch eher nicht und ich möchte einigermaßen dringend wieder nach Hause.

Kein Mensch ist irgendwo zu sehen, abgesehen von den wenigen Hundebesitzern und denen, die ehrenamtlich mit den armen Seelen aus dem Tierheim eine halbe Stunde in der Woche herumgehen. Ansonsten sind die Straßen und Wege leer wie in einer Kleinstadt am Sonntagmorgen, on a sunday morning sidewalk, das gibt es doch auch als Lied.

Es fahren auch kaum Autos am Schrebergartengelände vorbei. Die Unlust hat vermutlich die ganze Stadt fest im Griff, die Leute liegen sämtlich in den Betten und auf den Sofas und sehen raus auf die rinnenden Tropfen an den Fenstern und warten ab. Das würde ich auch gerne tun.

Auf dem Rückweg sehe ich Ungewöhnliches vor unserem Haus, in der alten Eiche auf dem Spielplatz sitzen nicht wie sonst zwei Ringeltauben, das gleiche Paar wie immer, es sind heute zehn, zwanzig Tauben. Das ist ein merkwürdiger Anblick die beiden haben sonst nie Besuch. Aber gut, denke ich mir, vielleicht gibt es bei Ringeltauben Wochenendseminare in zentraler Lage. Worum es da wohl gehen mag?

Egal. Der Hund muss schon wieder raus, glaube ich..

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Musik! Carsie Blanton. Da kommt ein Hund vor, krasser Zufall.

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Was man nicht tut

Ein Bericht über die Regionalwert AG und die Hobenköök.

Apropos: Nachschub besorgt.

 

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Schlafend in die Revolution. Vielleicht ruht die eine oder andere ja besser, wenn sie sich dabei nur widerständig genug fühlt? Vermutlich ist das tatsächlich ein guter Ansatz und viel weniger albern, als man zunächst denkt.

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Als ich vorgestern in der Bibliothek war, ich berichtete, habe ich eher unachtsam zwei, drei Bücher mitgenommen, ohne sie lange und sorgsam auszusuchen, eher so das, was mich sofort und im Vorbeigehen anlachte. Eigentlich wollte ich mich dort gar nicht mit Lektüre versorgen, aber ich gehe einfach nicht gerne ohne Bücher aus einer Bibliothek, ich habe da ein ausgesprochen starkes Gefühl von “Das tut man nicht.”

Ich nahm also anstandshalber zwei, drei Bücher mit, ging nach Hause und bloggte etwas über Menschen, die in der Bibliothek sitzen, lesen, lernen und schreiben. Danach schlug ich das erste mitgenommene Buch auf, es war von Hanns-Josef Ortheil: “Das Element des Elephanten – Wie mein Schreiben begann”, und da ging es auf den ersten Seiten doch tatsächlich um Menschen, die in Bibliotheken sitzen, lesen, lernen und schreiben.

Na, das nur als schnelle Randnotiz für den Freundeskreis Zufall. Läuft bei uns, ne.

In dem Lübecker Stadtteil, in dem ich als Kind wohnte, gab es eine ganz kleine Stadtteilbücherei neben der Grundschule, in Travemünde, wo ich als größeres Kind und als Jugendlicher wohnte, gab es dann eine etwas größere Stadtteilbücherei. Die war zwar etwas größer, aber doch nur als Steigerung von klein, sie war nicht groß an sich. Ich erinnere mich noch an meine Erleichterung, als ich in der Gymnasialzeit zum ersten Mal in der großen Lübecker Stadtbibliothek in der Innenstadt war, als ich dort einen Leserausweis bekam, durch die vielen Gänge ging und dachte: Okay, das reicht jetzt erstmal eine Weile. Das war ungeheuer beruhigend.

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Im Vorübergehen gehört:

“Alter, du kannst doch keinen rohen Fisch essen, roher Fisch ist roh!”

“Nein, ist er nicht.”

“Doch!”

“Nein.”

Das ging noch eine Weile so hin und her und ich habe leider nicht erfahren, warum roher Fisch nicht roh ist.

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Der Leihhund ist seit ein paar Stunden da, er ist sehr aufgeregt und läuft viel herum, er hat Krallen und wir haben Laminat, das klingt so:

“‘’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’”’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’’”

Man muss es sich nur viel lauter vorstellen.

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Ansonsten war die Woche etwas anstrengend, to say the least, ich fühle mich wie von einer Walze überfahren. Es ist immer wieder erstaunlich, wie der Januar so dermaßen zehrend sein kann und dabei doch immer noch ein besseres Image als November hat. Wie macht er das nur? Ich finde ja, gegen den Januar ist der November nur eine leichte Aufwärmübung für die seelische Widerstandskraft.

Nächste Station Februar, und da weiß man schon, der taugt traditionell auch nicht viel. Aber immerhin darf man ihn wegen seiner Kürze verspotten, denn es hilft doch ein wenig, dass man ihn als Monatsimitat, Talmimonat oder kalendarische Notlösung schmähen kann, das kleine Miststück von Wintermonat.

Seit -zig Jahren denke ich zu diesem Monatswechsel insgeheim immer: „Los, Februar, überrasch mich“, und warte gespannt ein, zwei Tage der ersten Woche ab. Und dann wird er doch wieder wie immer.

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Musik! Rosanne Cash.

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Kurz und klein

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Jetzt erleben wir uns mal selbst

Jesus und der Kaffee im Indoorspielplatz.

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Wenn der Ehemann nicht als erste Person eingetragen wird, stürzt das System ab und die Finanzamts-Mitarbeiter müssen alle Informationen von Hand erneut in das System eingeben.

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In der Zeit gab es ein Interview zum Thema Zeitempfinden, da muss ich etwas anmerken. Und zwar gleich zum Anfang, wo es heißt: “Fünf Menschen steigen in den Bus, setzen sich, holen wie einstudiert ihre Smartphones raus und starren auf die Displays, bis sie wieder aussteigen.” Das wird kurz darauf – natürlich! kritisiert, die armen Menschen, die kommen auf diese Art ja nicht zu sich selbst, empfinden nichts mehr, denken nichts mehr usw., man kennt das. Und das ist natürlich Unfug, schon historisch betrachtet. Es gibt ja durchaus Menschen, die sich an die Zeit vor den Smartphones noch erinnern können, als sei es gestern gewesen sogar, viel länger ist das ja auch nicht her, wenn man mal kurz in etwas größeren Maßstäben denkt: “Fünf Menschen steigen in den Bus, setzen sich, holen wie einstudiert ihre Zeitungen und Bücher raus und starren auf die Seiten, bis sie wieder aussteigen.” Liebe Kinder, so war das wirklich. Wir haben alle dauernd irgendwas gelesen, fast wie heute, nur war es eben gedruckt. Aber wir haben auch im Zug gelesen, auf dem Klo, im Bett, auch in Kassenschlangen, auch in Wartezimmern und auf Parkbänken. Wir haben nicht, nein, wirklich nicht jede Minute ohne Beschäftigung dazu genutzt, uns zu fühlen, tiefer zu empfinden, geistreich zu sein, im Kontakt mit uns zu sein, wir haben nie, nie, nie gedacht, boah, Langeweile, voll schön, jetzt erleben wir uns mal selbst, hurra. Wir haben aber sehr oft gedacht: Verdammt, ich habe kein Buch dabei. 

Die Zeitungen werden dann im Interview auch noch erwähnt, aber die Parallele wird abgeschwächt. Ich sehe es nicht ganz ein, glaube ich.

 

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Zwischendurch einen herzlichen Dank an die Leserin P.B., die Sohn I ein Buch über griechische Mythologie geschickt hat. Großartig und sehr passend, das kam genau rechtzeitig!

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Wie neulich berichtet, schraube ich gerade am Biorhythmus herum, um wieder etwas mehr Abend für mich zur Nutzung zu gewinnen, das klappt auch schon recht erfolgreich und sogar etwas einfacher als gedacht, das ist auch mal schön. Ich habe das aber zum Anlass genommen, auch an anderen Momenten und Szenen des Alltags herumzuspielen, das mache ich ab und zu ganz gerne und manchmal mit überraschenden Erkenntnissen. Ich setze mich also zum Arbeiten einmal woanders hin, ich arbeite zu anderen Zeiten oder mache andere Dinge irgendwie so, dass sie von der jahrelang eingeübten Routine abweichen. In der Herzdame habe ich da eine engagierte Mitspielerin, die mag das auch. Was geht noch, was geht anders, was geht am Ende sogar besser?

Heute bin ich nach dem Büro nicht nach Hause gefahren, ich bin in die Zentralbücherei gegangen um dort zu schreiben. Immerhin ist dort eine sehr motivierende Atmosphäre, wie schon mehrfach beschrieben, es ist alles voller lernender, lesender und schreibender Menschen. Mit Betonung auf “voller”, es war nämlich in dem ganzen Riesenbau kein Platz für mich frei, außer einem Stuhl in der Cafeteria, da war es mir eigentlich zu laut. Aber da habe ich mich dann dennoch hingesetzt und genau sechzehn Minuten lang begeistert und hochmotiviert geschrieben. Dann gab der Akku des Notebooks plötzlich den Geist auf und eine freie Steckdose gab es weit und breit nicht.

Aber egal, ich hörte über mein Handy Musik und als ich vom schlagartig schwarz gewordenen Bildschirm hochsah, ging eine Frau mit Baskenmütze gerade die Treppe hoch, und zwar ging sie exakt im Takt der Musik in meinen Kopfhörern durch den Bildausschnitt, eine Filmszene mit Soundtrack war das, sie trug sogar einen Stapel Bücher aus der Requisite auf dem Arm, sie sah ernst und klug und sehr inszeniert aus und ihr Kopf verschwand genau in dem Moment aus dem Blickfeld, als mein Lied ausklang. Es sind die kleinen Dinge und Momente.

Aber aufschreiben konnte ich das dann natürlich nicht mehr. Egal, ich versuche es wieder.

Einen Tisch weiter saß ein kleiner, ein sehr kleiner Junge, der heulte und heulte, weil er etwas essen oder trinken wollte, das er dummerweise nicht beschreiben konnte. Die Mutter und die Verkäuferin an der Kuchentheke gaben sich alle Mühe, die dringenden Wünsche zu verstehen, sie hielten alles mal kurz hoch und fragten immer wieder nach, diesen Keks, diesen Kuchen, nein, es gelang ihnen einfach nicht, auf das Richtige zu kommen, das Elend war enorm.

Da habe ich mich zu ihm runtergebeugt und gesagt: “Weißte was, mein kleiner Freund, es ist kein Trost, aber auch mit über fünfzig Jahren hat man es dummerweise noch nicht auf der Reihe, seine Wünsche immer ausreichend klar zu formulieren, so dass man von allen verstanden wird. Das bleibt so.”

Nein, das habe ich natürlich nicht gesagt, schon gut.

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Musik! Tom Jones und Joe Cocker. Warum auch nicht.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Im Admiral Benbow

Auf besonderen Wunsch eines einzelnen Sohnes lese ich Stevensons Schatzinsel abends im Kinderzimmer vor. Allerdings habe ich sie gerade erst selbst als Hörbuch konsumiert, es ist mir beim Lesen also alles merkwürdig vertraut und mir kommt die kleine und etwas heruntergekommene, seit vielen Jahren schon windschiefe Schenke auf der Klippe, der “Admiral Benbow”, wie sie auf dem im Sturm schaukelnden Schild über der Tür genannt wird, geradezu unangenehm vertraut vor, denn ein allzu idyllischer Ort ist sie ja nicht. Ich kenne den dort residierenden seltsamen Vogel, vor dem seiner unbändigen Wut wegen alle Angst haben und der sich – ob zu Recht oder nicht! – Kapitän nennen lässt, schon viel zu gut. Ja, mir ist, als würde ich selbst da schon seit Tagen und Wochen immer wieder aus dem Fenster der Spelunke sehen und voller Angst warten, dass auf dem Weg zum Haus dieser einbeinige Seemann auftaucht, von dem der Kapitän immer faselt, wenn er genug getrunken hat. Denn dass er auftauchen wird, daran besteht ja wohl kein Zweifel. Und dann?

Johohooo, und ne Buddel voll Rum. Vielleicht sollte ich beim Vorlesen einen Grog trinken, dieses Getränk ist mir schon seit Ewigkeiten nicht mehr untergekommen, fällt mir gerade auf, das ist auch so eine Kindheitserinnerung. Der Grog der Erwachsenen im Winter, mit den klingelnden Glasstäbchen zum Umrühren, Wasser kann, Zucker darf, Rum muss. Lange her, wie gesagt.

Da ich kein Lehrer bin und die Söhne schon etwas größer sind, können wir nach dem Vorlesen einfach aus Spaß noch etwas über das Gelesene reden, ganz ziel- und planlos, das ist sehr schön. Es fällt etwa auf, dass der Ich-Erzähler seinen Vater auf den ersten Seiten ziemlich sang- und klanglos sterben lässt, eine unwichtige Randfigur, die sonst der Spannung nur im Weg herumgestanden hätte. Erzähltechnisch ist das verständlich, für junge Zuhörer ist es aber ein beachtliches Unding, ich meine, da stirbt immerhin ein Vater, das ist eine größere Sache, wieso ist es im Buch keine? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu? Darüber kann man ja mal reden.

Es gibt noch mehr spannende Frage, wie etwa sieht es im Admiral Benbow eigentlich aus? Das wird nämlich kaum beschrieben, wo kommen dann die Bilder im Kopf also her? Weiter: Im Buch steht nach dem Zwischenfall mit dem Mann, den sie den Schwarzen Hund nennen, dass am unteren Rand des Wirtshausschilds eine Kerbe von einem gewaltigen Säbelhieb des Kapitäns zu sehen sein soll, und zwar ist sie da zu sehen bis zum heutigen Tag. Als Erwachsener liest man glatt darüber hinweg, als Kind kann man aber schon einmal fragen: Stimmt das? Und wenn man schon dabei ist – was stimmt denn da überhaupt und macht es etwas aus? Gab es den Admiral Benbow, gab es diese Klippen, gab es den Ich-Erzähler, gab es irgendeine Figur aus dem Buch, was denn nun davon? Gab es wenigstens die Stadt Bristol? Und da hat man dann eine dieser Nahtstellen zur Fantasie erwischt, die gab es nämlich tatsächlich, die gibt es auch noch. Was aber beweist das für den Rest des Buches?

Wir reden auch über die Klippen, auf denen die Kaschemme steht, wie hoch mögen die wohl sein, wie sehen die eigentlich aus? Auch das steht da nicht. Wir waren alle niemals in Bristol, wir kennen also die Gegend dort nicht, aber wir kennen das Brodtener Steilufer hinter Travemünde, das könnte man als Bild nehmen. Oder nein, noch viel besser – wir kennen alle Helgoland, und das sind doch richtige Klippen, lebensgefährlich steil runter und steinern. Da ist auch die unten wütende Nordsee, das nehmen wir. So also entsteht ein Bild und dann sieht man schon wesentlich genauer, wo der Schwarze Hund nach dem wüsten Streit mit dem Kapitän die Klippen entlang flieht, man spürt den auffrischenden Wind von der See her und sieht weit draußen die Segel, denn auch das kennen wir von der Insel und apropos Insel, das Buch heißt die Schatzinsel, es muss also demnächst irgendwie losgehen, zur See, zur See, so viel ist auch klar. Ein ganz linearer Spannungsaufbau ist das, keine Sprünge zwischen Zeitebenen, keine komplizierte Rahmenhandlung, es ist eine altmodische Geschichte, sie geht grandios ab.

Wenn man in der Gegenwart als Erwachsener gerade von den zahlreichen skeptischen Texten zum Spiegelskandal kommt, von all den misstrauischen Vorsichtsmaßnahmen gegen Geschichten, von den gerade tieffliegenden Warnungen vor allzu viel Dichtung, dann kann man sich hier endlich wieder vor einen Erzähler stellen und aus ganzem Herzen sagen: “Ja, ich will.” Und dann holt er tief Luft und gießt sich einen Rum ein und erzählt das alles bis zum Ende durch und es ist wie früher ganz und gar herrlich, weil es nämlich in schönster Weise funktionieren kann, das mit den Geschichten. Das darf man bei all der Kritik am Erzählen im Moment auch nicht vergessen, nicht wahr.

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Die Musik muss heute ohne Bewegtbild auskommen, ich brauche nur mal eben den Text. Die Ballade von den Seeräubern: “Sie lieben nur verfaulte Planken, ihr Schiff das keine Heimat hat.”

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhanden Hut werfen, den Sie sich heute bitte als etwas speckigen Dreispitz vorstellen müssen, mit einer arg zerzausten Feder daran gesteckt und die Krempe, sie ist an einer Seite abgerissen und hängt seltsam herunter. Wir wollen ja im Bild bleiben. Vielen Dank!

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Behandschuhte Finger weisen vage ein Stockwerk

CamPatri. Ich kann mir keine solche Methode wie dort im Text ausdenken, denn ich müsste sie dann Budmaxi nennen, und wie klingt das denn.

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Wie eine alte römische Münze hängt der Mond am Himmel über der Häuserzeile, eine dünne Scheibe angefressenen Kupfers, erodiert und irgendwie uralt, schrundig, löchrig, dünn, als hielte den Himmelskörper nicht mehr viel zusammen, als könnte man bald durch das abgegriffene Material die Sterne dahinter leuchten sehen.

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Arno Schmidt über die löcherige Gegenwart, Bezüge zum täglichen Bloggen lassen sich leicht schnitzen, wenn man das möchte.

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Zwei hochbetagte Damen gehen vor mir her durch den bemerkenswert kalten Großstadtsonntagmorgen, eine stützt sich auf die andere. Sie gehen langsam und vorsichtig. Beide sind so hochbetagt, dass ihre feinen Pelzmäntel eventuell noch aus einer Zeit stammen, in der ihnen niemand einen Vorwurf für den Erwerb und das Tragen von Pelzmänteln gemacht haben wird, und diese Zeit ist, wie wir alle wissen, schon eine ganze Weile her. Pelzmäntel sind mittlerweile zu Recht ein ungewohnter Anblick geworden, wann sieht man die schon. Wintersonne lässt dichtes Fell fein glänzen, silbrige Effekte auf dunklem Grund. Das Bild der beiden Damen erinnert mich an die Mäntel meiner Mutter, als ich noch Kind war. Da trug man noch Pelz, damals in den 70ern, Nerz, Nutria, Biber, Fuchs und weiß ich was, sogar die Männer trugen Pelzmäntel in dieser Zeit, es fiel nicht einmal auf. Die Pelzmäntel der Mutter fanden wir Kinder sehr kuschelig. So kuschelig fanden wir die, dass ihr späterer Verbleib des Öfteren beruhigend verkündet wurde: “Du erbst mal den, du den …”. Diese Pelze gibt es längst nicht mehr, Menschen halten im besten Fall länger als Mäntel.

Die eine Dame jedenfalls da vor mir, sie trägt zum Mantel eine passende Mütze aus dem gleichen Pelz, zeigt im Vorbeigehen auf ein Haus, behandschuhte Finger weisen vage ein Stockwerk: “Da wohnt einer meiner schönen jungen Männer.”

“Ach”, sagt die andere ohne auch nur hinzusehen, und in diesem “Ach” liegt keine Überraschung, kein Interesse, keine Regung, es muss irgendwie ganz normal sein, dass da einer der schönen jungen Männer der anderen Dame wohnt.

Und mehr werden wir dazu nicht erfahren.

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Ich war am Nachmittag kurz im gefrorenen Garten, da war alles knackig eingezuckert wie die Ränder der Gläser bei manchen Cocktails, Sohn I hat das in der Hecke fotografiert:

 

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Das weiße Gras bricht gläsern, wenn man drüber läuft, die toten einjährigen Stauden in den Beeten stehen schwarz und starr. Sogar die Magnolie lässt die wie immer voreiligen Knospen vorerst lieber nicht weiter wachsen, alles zieht sich zusammen und schrumpft tief in sich hinein. Einzig der Grünkohl steht in aller Pracht und hält eisern und grün durch. In der Hecke sitzt ein winziger Vogel ganz still und äugt, was wollen die jetzt wohl hier, die Menschen? Alles ruht und wartet und verharrt, alles sagt: “Mach nichts.”

Und das habe ich dann auch gemacht.

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Später am Tag, das Licht wird schon knapp. Über der Elbe liegt eisiger Nebel, er wabert in die Hafencity und weiter in die Neustadt. Er enthauptet die Kirchen in den Hafenvierteln, er verwischt die Takelage der Rickmer Rickmers an den Landungsbrücken. Der Elbphilharmonie mümmelt er den prächtigen Aufbau weg, Architektur in heller Auflösung. Den wimmelnden Touristen kriecht der Nebel durch Ärmellöcher und Reißverschlüsse in die Kleidung, da kann die Outdoormode mal zeigen, was sie wirklich drauf hat. Und viel ist das manchmal wohl nicht, so wie überall gefroren wird.

Auf einer Brücke über einem Fleet steht ein Mann, der hält in der einen Hand einen ganz kleinen Hund, in der anderen sein Handy. Er versucht, ein Selfie mit Hund zu machen, er sagt immer wieder “Guck mal! Guck doch mal!” zu dem Hund, wobei er mit dem Kinn energisch zum Handy zeigt und den Hund neben sein Gesicht hebt. Der Hund versteht natürlich überhaupt nichts, er leckt das so interessant wippende Kinn ab und guckt Herrchen an, das ist bei Hunden ja meistens auch richtig so, das weiß er. Heute aber nicht! “Guck doch mal! Na, hier!” Herrchen wackelt fuchtelnd mit dem Handy und sagt dabei immer unfreundlicher “Hier!” Der Hund denkt sich vermutlich, dass er ja hier ist, das wird doch schon passen oder was jetzt, er kann immerhin nicht wissen, das hier heute woanders ist. Es passt jedenfalls nicht. Herrchen stöhnt und rollt die Augen. Der Hund guckt den windschnellen Möwen nach, die über ihm durch den späten Nachmittag ziehen, die Elbe entlang nach Westen. Herrchen schüttelt jetzt den Kopf und murmelt halblaute Unfreundlichkeiten, vermutlich beschimpft er den Hund ob seiner unfassbaren Dummheit, dabei ist er es doch, der dumm ist. Dann steckt er das Handy grummelnd wieder weg. Der Hund guckt nach unten und sieht sich nach anderen Hunden um, denn auf dem Arm beim Menschen, das ist heute irgendwie nichts, so viel steht fest.

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Musik! Let’s dance.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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