Die kommt noch

Ein Leserbrief an die Zeit. Einer von vielen, hoffe ich.

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Beim morgendlichen Brötchenholen steht eine Frau vor mir in der Schlange. Wenn man ihre Kleidung als Zeichen für den Geisteszustand nimmt, hat sie ganz offensichtlich nicht alle Latten am Zaun. Sie bestellt aber ganz normal, sie hat sich also soweit im Griff, das freut mich für sie. Es ist ja immer schön, wenn ein selbständiges Leben noch möglich ist. Auf der Straße vor der Bäckerei laufen dann allerdings noch mehr Menschen herum, die seltsam gut zu der Frau vor mir passen, da kombiniere ich die Indizien blitzschnell und mit gewohnt hellwachem Verstand, Sherlock Holmes nichts dagegen: Es ist wieder Schlagermove in Hamburg. Mit anderen Worten, es bleiben mir also nur noch etwa drei Stunden, bis mir überall Besoffene vor die Füße torkeln und dabei lauthals Lieder aus der Vergangenheit singen.

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Ich: “Die Platanen sehen jetzt ohne Rinde so seltsam nackig aus – als wären sie gerade aus den Klamotten gesprungen.”

Die Herzdame: “Das sagst du nur, weil du das bloggen willst. Das hältst du wieder für einen tollen Satz, da machste nachher nen Text draus. Oder?”

Ich: “Wir kennen uns irgendwie schon zu lange, Schatz.”

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Am Ufer der Billerhuder Insel liegen Motorboote, ziemlich viele sogar, denn da gibt es einige Clubs für die Liebhaber solcher Schiffchen. Einige der Boote sind fast yachtartig groß, andere sind winzig, Nussschalen mit Motörchen. Einige sind verfallen und sehen aus, als würden sie in Kürze sinken, ohne dass sie jemals jemand vermissen wird, andere sind  scheckheftgepflegt und alles an ihnen glänzt und blitzt, ist frisch gestrichen und geputzt.

Eines der ganz kleinen Boote liegt am Rand eines Anlegers herum, es sieht ein wenig so aus, als hätten die größeren Exemplare es weggeschubst, mach mal Platz da, Kleines. Vorne am Bug, also da, wo bei Schiffen normalerweise der Name steht, da steht in schwarzen Buchstaben: “Kommt noch”. In einer vorgelesenen Geschichte könnte man mit diesem Namen die Grammatik ruinieren: “Die Kommt noch schaukelte sanft auf den Wellen der Bille.”

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Wir waren essen, am Nachbartisch saßen Autohändler, alles junge Männer natürlich, weil Klischees eben immer hinkommen. Fast immer. Vielleicht kannten sie sich alle von der Berufsschule. Die arbeiteten für verschiedene Automarken und unterhielten sich natürlich sich über ihre Jobs. Begriffe, die in ihrem Gespräch nicht vorkamen: Verkehrswende, E-Auto, Dieselkandal, Fahrverbote, Verbrauchswerte, Mobilitätskonzepte.

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Falls jemand Accounts kennt, die besonders gelungene, besonders schöne oder sonstwie auffällige Instagram-Stories posten, ich bin gerade für Hinweise dankbar. Es darf gerne um Food, Deko, Garten, Kultur gehen. Ich finde es ja manchmal seltsam entspannend, mich im Social-Media-Bereich mit bisher ignorierten Möglichkeiten zu beschäftigen, deswegen habe ich nur aus Spaß gerade etwas mit diesen Stories herumgespielt und war überrascht, dass man da reichlich Rückmeldung bekommt. Ungewöhnlich viele Rückmeldungen sogar. Nanu! Aber okay, als Sommerspielzeug ist das vielleicht wirklich ganz nett.

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Wir haben die Söhne heute vom Bahnhof abgeholt, nachdem sie eine Woche ohne uns an der Nordsee im Zeltlager waren. Sie haben uns vermisst, sagen sie, die heimische Toilette aber noch mehr.

Nun ja. Wer würde sich nicht über einen guten zweiten Platz freuen.

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Was noch? Melancholie!

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Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, Sie müssen aber überhaupt nichts. Toller Deal, ne.

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Kleinkram

Am Abend William Faulkner gelesen (“Eine Rose für Emily”), das war natürlich eine Schnapsidee, wenn man gerade genug vom Rassismus hat. Heute weiter mit James Joyce (immer noch in der Anthologie “Der Spatz meiner Herrin ist tot”).

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Beim morgendlichen Linkfischen das Sommerloch gefunden, es erscheinen deutlich weniger Blogartikel als ohnehin schon, die Meldungen in den Medien sind noch monothematischer als sonst, es ist einfach nichts los. Der Feedreader bei Ebbe, ein Bildschirm mit sehr viel Weißraum, sogar die Twittertimeline rückt langsamer nach unten und bei Nuzzel lohnt F5 nicht mehr. Auch mal schön.

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Ich habe den Eindruck, dass immer weniger Alltagsszenen in Blogs erscheinen, diese kleine Geschichten, die Beobachtungen. Das ist tatsächlich nur ein Eindruck, ich habe nichts gemessen oder gezählt, vielleicht sehen das andere ganz anders. Vielleicht hat auch mein Feedreader wieder eigenmächtig Blogs abbestellt, das macht er gerne mal, ich merke das dann immer erst nach Wochen, wenn mir auffällt, dass die Kaltmamsell oder wer auch immer schon wochenlang nichts mehr geschrieben hat und ob das denn wohl sein kann. Dann sehe ich nach, ärgere mich und lese rückwärts. Jedenfalls: Der Kleinkram fehlt mir, ich mag diese Form. Rausgehen und beobachten, na, was ich früher immer Blogsport nannte. Und wenn das keiner macht, dann mache ich das eben wieder mehr. Nehmen wir gestern:

An einer Bushaltestelle steht eine ältere Dame und wartet, als ich mich da auch hinstelle. Sie guckt auf die Uhr, sie guckt auf die Straße, sie stöhnt. “Wissen sie”, fragt sie, “ob der Bus Verspätung hat? Oder was mit dem ist?” Ich weiß überhaupt nichts. Die Dame sieht auf ihre Uhr und sieht auf die Straße. “Wo sind wir denn”, sagt sie, “also wo sind wir denn hier. Dass der nicht kommt.” Ich frage, wie lange sie da schon steht, ich sehe auf dem Plan, dass der Bus alle zehn Minuten kommt. “Fünf Minuten!” So unfassbar lange steht sie da schon. Sie sieht auf die Uhr und sie sieht auf die Straße, wo der Bus jetzt brav auftaucht. “Wo sind wir denn hier!” Sie schüttelt den Kopf, sie sieht beim Einsteigen den Busfahrer so strafend an, andere würden sofort alles zugeben. Aber Hamburger Busfahrer sind bekanntlich harte Hunde.

Wo sind wir denn hier. Wir sind in einem Land, das ins Chaos stürzt, wir sind in einem Land, mit dem es bergab geht, wir sind in einem Land, in dem Busse ganze fünf Minuten zu spät kommen, so sieht es doch aus. Es herrscht quasi schon Anarchie. Die Dame sitzt mir im Bus gegenüber, atmet schwer und empört sich still weiter.

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Der Bus hält vor einem Hotel, das kein Hotel mehr ist, das ist jetzt ein Haus, in dem Leute untergebracht sind. Die Zimmer sind etwas wild mit Möbeln vollgestellt, da wurden auch Bettlaken quer durch Räume gespannt, da wurden Schränke vor Fenster geschoben, ein guter Zustand geht anders. Im ersten Stock guckt ein Mädchen aus dem offenen Fenster. Die Kleine ist vielleicht drei Jahre alt und sie winkt den Leuten im Bus da unten mit vollem Einsatz, die schwarzen Locken fliegen nur so, das ganze Kind bebt vor lauter Winken. Und sie strahlt und ruft etwas, das man nicht verstehen kann, also ich jedenfalls nicht, die Umstände lege aber nahe, dass es so etwas wie “Hallo!” ist. Hallo in irgendeiner Sprache eben. Der Busfahrer guckt hoch, grinst und winkt zurück, so ein harter Hund ist das dann also doch nicht, guck an. Und das Mädchen freut sich wie ein Stint, dass da endlich jemand winkt, denn die Straße ist eher nicht so stark befahren und Fußgänger sind da leider auch kaum, das ist dort eher Industriegebiet. Ihre einzige Chance ist der Bus alle zehn Minuten, deswegen winkt sie auch mit vollem Einsatz und nicht nur nebenbei.

Ich nehme stark an, dass Mädchen ist neu in der Stadt, die Indizien sprechen dafür. Sie ist neu in einer Stadt, in der man sich, und das spricht doch sehr für die Stadt, in Frieden wie ein Stint freuen kann, wenn ein Busfahrer winkt. Im Rest des Landes geht das ja eher nicht, schon weil da diese Redewendung keiner kennt, da freut man sich nämlich anders, wie ein Schneekönig oder so. Ob das Mädchen aber überhaupt weiß, was Schnee ist? Und es soll auch Städte geben, da sind die Busfahrer noch härtere Hunde, ich grüße an dieser Stelle meine Berliner Leserinnen. 

Sich wie ein Stint freuen, norddeutsch für: Sich wie ein Schneekönig oder wie Bolle freuen. Man lernt hier ja was! Und wenn das Mädchen hier bleibt, dann kennt es diese Wendung vielleicht auch irgendwann.

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Was noch? Man müsste ein Instrument spielen können.

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Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Endlich alles, endlich nichts

Kleiner Nachtrag zum sonnen-krossen Laub. Nicht nur in Hamburg.

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Bei der GLS Bank habe ich zum Thema Klima gebloggt.

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Vorgestern fuhr ich nach der Arbeit direkt in den Garten und setzte mich in die Laube. Es war zu stürmisch, um draußen etwas zu machen, ich saß da also nur herum und guckte mir die Wände an. Das war enorm befriedigend, ich mag diese Wände und ich mag das Raumgefühl in der Laube. 24 Quadratmeter und aus Holz, das fühlt sich perfekt an, zumindest für eine Person, es fühlt sich an wie maßgeschneidert. Mit Toilette und Bad und Heizung wäre es natürlich noch netter, aber man kann im Kleingarten nicht alles haben. Die Laube bringt mich jedenfalls auf den Gedanken, dass ich mit einem Tiny House vermutlich gut klarkommen könnte, also theoretisch. Praktisch natürlich nicht, denn ich habe ja Familie. Aber so eine Hütte nur für mich – ein feiner Gedanke. Ich müsste mich auf Minimalismus nicht einmal umstellen, ich bin von Natur aus nicht besonders gut im Sammeln und Besitzen von Zeug.

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Die Söhne sind ohne uns auf Reisen, die Herzdame und ich sind also alleine und wieder hin- und hergerissen zwischen den beiden gleich einladenden Optionen, endlich einmal gar nichts zu machen oder endlich einmal alles zu machen, zu dem man sonst nie kommt. Und wenn wir uns schließlich auf ein Verfahren geeinigt haben, ist die Woche auch schon wieder vorbei und die Söhne wieder da. Same procedure as every year. Es gibt Themen, da sind wir einfach nicht lernfähig – aber immerhin teilen wir dieses Schicksal mit anderen Eltern. Nehme ich jedenfalls an.

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Heute zufällig in der Wikipedia drüber gestolpert – hier kommt also die Melodie von “Eisgekühlter Bommerlunder” her. Wieder was gelernt.


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Ich erwähnte es bereits, die Söhne haben Ferien, wir Eltern noch nicht, dennoch macht sich auch bei uns so etwas wie Ferienstimmung breit, ein allgemeines Nachlassen. Man könnte die Erschöpfung auch einmal zur Kenntnis nehmen und sich ihr etwas hingeben, das ist immerhin eine Option – es wird also etwas ruhiger hier zugehen in den nächsten fünf Wochen, fast wie in jedem Sommer. Vielleicht auch noch etwas ruhiger. Es gibt so Ideen, für die müsste ich erst einmal Schwung holen, ich weiß nur nicht woher, aber das ist vermutlich normal für die Jahreszeit. Ich brauche Pause von allem, auch und besonders dringend von den Nachrichten. Es ist unfassbar, wie die einen runterziehen, ein Energieverlust ohne Beispiel, einfach nur beim Lesen der Schlagzeilen. Ich muss länger Bäume angucken oder Vögel oder die Nordsee, so etwas in der Art. Wolken! 

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Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, die Herzdame braucht Lavendel vor der Laube. Und ich brauche den dann auch. Das ist übrigens ein Souvenir aus Südtirol, diese Lavendelsehnsucht, denn als wir zum ersten Mal da unten waren, schliefen wir eine Woche auf einem Obsthof, auf dem es überall durchdringend nach Lavendel duftete, es war berauschend und entrückend. Das war der Oberglunigerhof in Tscherms, den kann ich nach wie vor empfehlen. Nicht ganz billig, aber wirklich schön.

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Kaffee dazu?

Gärtnern in Zeiten des Klimawandels.

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Auf dem Weg zur Arbeit ist die Stadt so leer und ruhig wie sonst am Sonntagmorgen um fünf Uhr, es ist Ferienzeit in Hamburg. An den Straßenrändern gibt es sogar freie Parkplätze, mehrere nebeneinander, man könnte monströse Wohnmobile da abstellen. Einfach so. Möwen und Tauben stehen auf unbefahrenen Kreuzungen herum und gucken irritiert, ich radele durch eine verwunschene Welt. Bürohäuser ohne ein einziges erleuchtetes Fenster, da sind keine Sachbearbeiter drin, die die Sachen bearbeiten, die Sachen liegen jetzt in dämmerigen Großraumbüros herum. Einfach so. Der Himmel ist grau und verhangen wie früher, als es in Hamburg noch Regen gab, man hat so Erinnerungen. Es fällt nicht nur grünes Laub von den Bäumen, wie gestern, jetzt werfen auch noch die Platanen ihre Rinde ab, große Stücke, ein knuspriges Bersten und Brechen unter den Rädern, ich fahre Schlangenlinien unter Platanen, um möglichst viele Stücke zu erwischen.

Der Westwind treibt kühle Luft von der Nordsee vor sich her, mit etwas Glück fällt in den nächsten Tagen sogar der eine oder andere Schauer. Man muss es genießen, in drei Tagen kommt schon die Hitze zurück. Wenn man sehr tief einatmet und genau hinspürt, dann merkt man das Meer im Wind. Oder man bildet es sich ein, was macht das schon.

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Zur Lyrik, heute Karl Krolow, “Der Juli”. Wie gestern bei Rühmkorf wollen wir kurz ein Bild am Anfang des Gedichts auf uns wirken lassen:

Der Juli

fällt ins Haus

mit frischen Himbeeren

wie manche Brustwarzen

aufgerichtet unterm Hemd.

In meiner Vorstellung, die mit den Jahren vielleicht etwas spießig geworden ist, wenn man bedenkt, wie oft man als Vater Flecken auf Kinderkleidung zu verhindern versucht hat, zermatschen Himbeeren unter Hemden augenblicklich, das würde dann dummerweise etwas blutig aussehen. Irgendwie kein schönes Bild, das sich aus Hemd und Himbeere ergibt. Aber Obst und Körper, schon klar, da geht immer was, bei Ringelnatz etwa geht Pfirsich und Popo, warum auch nicht. Die Ähnlichkeit liegt auf der Hand oder hängt am Baum. In meiner Jugend war es mal Kult, diese berühmte Platte vom Kinski aufzulegen, Kinski spricht Villon, mit dem titelgebenden Gedicht “Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund”. Sehr exaltiert betont alles, er musste ja auch möglichst irre rüberkommen, er hatte da einen Ruf zu verteidigen. Ob er mit “Ich bin so wild nach deiner Himbeerbrust” damals wohl den gleichen Erfolg gehabt hätte? Aber dafür hätte es ja erst einmal Paul Zech einfallen müssen, dessen Übersetzung die Kinski-Texte damals folgten, wenn ich das recht erinnere. Mein Gehirn meldet gerade, die Platte wurde damals durchaus öfter aufgelegt, ich habe noch Zeilen parat: “Ich schrie mir schon die Lungen wund, nach deinem weißen Leib, du Weib …”

Na, da gab es noch kein Whatsapp, als man die Sehnsucht nach den Damen noch nächtlich unterm Mond herausbrüllte, statt ihnen einfach Nachrichten mit Herzchen-Symbolen zu schreiben. Was haben wir uns seither entwickelt!

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Der letzte Bäcker, der noch ohne bescheuerte marketingoptimierte Zwangsdialoge auskam, hat die Mitarbeiterinnen gerade nachgeschult. Jetzt fragen sie also auch in diesem Laden bei jedem Brötchenkauf, ob man denn keinen Kaffee dazu wolle. Nein, denn dann würde ich es ja sagen. Ich bin schon groß, ich kann sagen, was ich möchte. Oder dann vielleicht etwas Süßes? Nein! Nein! Nein! Brote wieder zuhause selber schmieren, es geht einfach nicht anders, diese Dialoge machen mich zu aggressiv. Aber ich sehe es schon kommen:

Ich, morgens zu mir selbst murmelnd: “Hunger. Erstmal Brot machen.”

Auch ich, weiter zu mir selbst murmelnd: “Darf es dazu auch ein Kaffee sein?”

Und dann den Kopf an die Wand in der Küche hauen, bis alles wieder gut ist.

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Sohn II möchte mit mir auf Wanderschaft gehen. Und dann irgendwo zelten, nur wir zwei. Da kann ich natürlich nicht nein sagen, aber ganz so einfach ist das auch nicht. Unser Zelt ist ein riesiges Vierpersonenfamilienzelt, das wiegt unfassbar viel und kann denkbar schlecht auf dem Rücken mitgeführt werden. Außerdem kann ich es alleine zwar auf-, aber nicht abbauen, genau genommen würde ich es eher verbrennen als noch einmal Stunden mit sinnlosen Versuchen zuzubringen, das Ding korrekt einzufalten, während der Rest des Campingplatzes sich prächtig über mich amüsiert. Es ist kompliziert.

Eventuell wandern wir irgendwann in den Ferien los, kommen irgendwo an und rufen dann die Herzdame an, sie möge uns freundlicherweise das Zelt mal eben mit dem Auto vorbeifahren. Dann schicken wir sie aber gleich wieder weg, denn das soll ja so ein Vater-Sohn-Ding sein. Am nächsten Morgen hänge ich einfach einen Zettel “Zu verschenken” ans leere Zelt und der Sohn und ich machen uns noch im Morgengrauen aus dem Staub. Ja, so könnte es gehen.

Ich hatte einmal ein Kinderbuch über so eine Vater-Sohn-Wandergeschichte, da hat der Vater, sich das eigene Bett auf der Wanderschaft mit dem Sohn jeden Abend hinterherfahren lassen, vermutlich hatte er Rücken und viel Geld, ich weiß es aber nicht mehr genau. Kennt das Buch jemand? Vielleicht erinnere ich das auch völlig falsch. Niemals einfach Zeugenaussagen glauben, auch nicht den eigenen.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ich plane an der Herbstbepflanzung herum und googele Gartencenter. Ich kann die trüben Pflanzenreihen in Baumärkten nicht mehr sehen, ich bin da rausgewachsen. Ich brauche den Fachhandel.

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Der Präser Gottes

Ein wenig Geschichtsunterricht, passt gerade ganz gut.

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Auch in der FAZ denkt man über offene Grenzen nach.

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Furcht und Fremdheit.

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Verwaltungsfachleute sind sozial stabiler als andere. Oder so. Hä? Nach der Logik sind Menschen wie ich, zwei Berufe oder mehr, sicher sozial instabil wie nur was.

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Wir sind vier Tage nicht im Garten gewesen, und was da jetzt alles hinüber ist – es nicht zu fassen. Wenn man nicht täglich wässert, läuft gar nichts, wächst gar nichts, man möchte in diesem Jahr ganz sicher kein Landwirt sein.

“Auf Sommers Grill” heißt ein thematisch passendes Gedicht von Peter Rühmkorf, der auch manchmal zu mehr als seltsamen Bildern neigt, gucken Sie mal, wie das anfängt:

Auf dem Grill des Sommers hingebreitet,

sonnen-krosses Laub am Ellenbogen,

und der Himmel wie ein Präser Gottes

über die entflammte Welt gezogen.

Der Präser Gottes also. Mal im Hinterkopf behalten, für den nächsten Blick zum Himmel. Auf der Seite der Zeit kann man zufällig gerade lesen, dass der Tripper zurückkehrt und gar nicht mal so gut behandelbar ist. Klingt ein Präser, den man über etwas Entflammtes zieht, nicht irgendwie auch nach Geschlechtskrankheit? Und gibt es Präser überhaupt in himmelblau? Ist mir jedenfalls noch nicht untergekommen. Drübergekommen. Egal. Man muss ja Rühmkorf auch nicht für jede Zeile feiern.

Aber “sonnen-kross”, das wiederum hat er schön gesagt. Ich bin heute auch über sonnen-krosses Laub geradelt, noch grün und doch tot, die ganze Stadt liegt voll damit. Beim Überrollen machen die knochentrocken bröselnden Blätter ein krispes Geräusch als hätte man frisch verstreute Kartoffelchips unter den Rädern, es ist ein schönes Geräusch, urban und ländlich zugleich. Extra Schlangenlinien gefahren, um möglichst viel sonnen-krosses Laub zu erwischen.

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Im Garten habe ich heute ein Experiment geerntet, dicke Bohnen. Das war ein Horroressen meiner Kindheit (ich grüße an dieser Stelle meinen Bruder), das scheint überhaupt wenig Kindern zu schmecken. Ich habe das jahrzehntelang nicht gegessen, genau genommen nie wieder, seit ich Lübeck vor zig Jahren verlassen habe. Ich aß das heute also zum ersten Mal wieder, dicke Bohnen nur gekocht, kurz in Butter geschwenkt und gesalzen – köstlich. Bin ich doch glatt wieder ein Stück erwachsener geworden! Und weil ich ja immer alles nachschlage, weiß ich jetzt auch, dass dicke Bohnen gar keinen Bohnen sind, in Wahrheit und in der Botanik sind das Wicken. Dicke Wicken! Das wissen Kinder aber nicht, sonst gäbe es da enorm viele schöne Witze zu, bei so einladenden Reimwörtern. Im nächsten Jahr werden bei uns jedenfalls mehr dicken Wicken angebaut. Gutes Zeug – und niemand mag die in der Familie, nur ich, alles meins. Immer gut. (Für Gartenfreunde: Dicke Bohnen passen hervorragend neben Kartoffeln, mit etwas Glück sind sie auch gleichzeitig reif.)

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Aus einem Kleingarten höre ich auf der Fahrt nach Hause Musik, ungewöhnlich laute Musik sogar. Musik, die ich erkenne, auch wenn ich den Titel nicht weiß, aber es ist ein Stück, das sich mir tief eingeprägt hat. Es ist nämlich eines der wenigen Stücke, zu denen man Paso Doble in Tanzschulen übt. Paso Doble ist das, wo es in Anfänger-Standard-Kusen allmählich lächerlich wird, wenn Sie das vielleicht nicht kennen. Paso Doble ist das, wo man in diesen Kursen einfach durch muss und wo alle irgendwann albern werden. Der Norddeutsche als gockelnder Torrero, das klappt einfach nicht. Aber man stampft gottergeben auf wie der jugendliche Liebhaber in Granada oder wo auch immer, man drückt das Kreuz irgendwie spanisch sein sollend durch und die Dame wirft wild den Kopf zurück und denkt angestrengt an Carmen, also jedenfalls wenn sie vor Lachen überhaupt noch kann.

Ich fahre etwas langsamer, ich will doch mal sehen, wer da denn bitte Paso Doble am Gartentisch hört. Spanier womöglich? Aber nein, da sitzen ältere Deutsche, rundliche, ältere Deutsche, eine Frau und ein Mann, hinter der gepflegten Ligusterhecke, und sie sitzen vor Kaffee und bereits leeren Kuchentellern. Und bewegen sich nicht und hören stumm, die Musik kommt brüllend laut aus der Kompaktanlage und ist sehr südlich und wer weiß denn schon, was in den beiden vorgeht, während sie noch einen Schluck Milch in den Filterkaffee kippen. Oder was in ihnen damals vorging, als sie gemeinsam den Paso Doble … man weiß es eben nicht.

Ich fahre weiter, ich drücke das Kreuz durch und halte mich für einen Moment mal wieder caballeromäßig kerzengerade auf meiner zweirädrigen Rosinante, während die Musik mit der Entfernung immer leiser wird und die beiden im Garten da weiter reglos sitzen, nur ab und zu wird eine Tasse zum Mund geführt. Haltung ist alles beim Paso Doble, vielleicht aber auch sonst.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen. Gerade kam da Geld mit der expliziten Aufforderung, es für Eis auszugeben, das ging bereits klar, vielen Dank, auch von den Söhnen! Und außerdem noch ein ganz besonderer Dank an Jörg O. für die besonders freundlichen Zeilen, die haben mich riesig gefreut. 

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Der Aufbruch

wo bleibt denn da mal wieder ein Aufbruch … Hierzu stelle ich fest: Den Aufbruch findet man im Herrenklo der Kneipe “Traumzeit” am Hamburger Hansaplatz in unserem kleinen Bahnhofsviertel. Da steht auf den Kacheln links über dem Wasserkasten, handgeschrieben mit Filzstift und dunkelgrün: “Es lebe das Leben – es lebe die Revolution.” Von da geht das also aus. Bitte sehr.

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Gestern gab es einen Hauch von Frische bei der morgendlichen Radfahrt zur Arbeit, ich habe gleich gedacht, ach ja, ein wenig Herbst wäre auch fein, mal wieder durchatmen und etwas mehr Energie haben. Ob ich das überhaupt schon jemals im Leben Anfang Juli gedacht habe, einen Tag nach Beginn der Sommerferien? Die Welt ist aus den Fugen. Oder ich bin es, das kann man nie ganz ausschließen.

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Daran anschließend einige Gedichtzeilen zum Thema Hitze in der Stadt (unweigerlich singt es im Hinterkopf “Hot in the city”, furchtbar), das ausgewählte Werk kann aber leider nicht vollständig zitiert werden, denn da wird im späteren Verlauf tatsächlich und wörtlich Herz auf Schmerz gereimt, es ist ein wenig shocking. Ich zitiere aus “Stadtsommer”:

Funkelnd über den Dächern

Liegt der heiße Strahl;

Ach, kein Lüftchen, kein Fächern

Lindert die sengende Qual.

Ferdinand von Saar war das. Na ja. Da liegt er also herum, der heiße Strahl. Ist das ein gutes Bild? Wir haben da Zweifel, haben wir nicht? Einfach mal abwinken, beim Durchblättern einer Gedichtantholgie. Das ist völlig in Ordnung.

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Kaum schreibt Jojo hier mal was, wird er gleich im Tagesspiegel zitiert. Ts. Und in der aktuellen Ausgabe der Chrismon kommt die Herzdame mit dem Medienexperiment vor, aber die erwähnen dort das Blog nicht, dann verlinke ich sie auch nicht. Auge um Auge, Link um Link. 

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Ich lese gerade “Die Dame mit dem Hündchen” von Tschechow (in der Anthologie “Der Spatz meiner Herrin ist tot: Große Liebesgeschichten der Weltliteratur, herausgegeben von Jeffrey Eugenides), da kommt Jalta drin vor, wo die Liebenden sich kennenlernen. Ich finde es amüsant, wie beim Lesen des Wortes Jalta plötzlich Lichtlein in abgelegenen Kammern des Hirns angehen, wie da hektisch Schubladen alarmmäßig aufgerissen werden, denn das kam damals im mündlichen Abitur vor, die Konferenz von Jalta, Teilnehmer, Jahreszahl, Beschlüsse, Folgen, Nachkriegsordnung, Absichten der Weltmächte, bitte sehr, bitte gleich, kann ich alles. Also konnte ich. Wild aufgewirbeltes Fetzenwissen beim Lesen eines Wortes – ich denke bei den folgenden Absätzen also Stalin, nicht Liebe. Schlimm.

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Apropos Hitze: Die Ostsee hat auch ein Problem.

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Noch mehr Plastikmüll. Viel mehr.

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Und was ist mit Kasachstan? Das fragt man sich natürlich auch bei manchen Inlandsthemen, wo die denn bloß bleiben, denn bei dem Debakel der letzten Woche fand auch eine gewisse Verdrängung statt. Kurzer Check bei tagesschau.de jetzt gerade: Fünf Meldungen oder Kommentare zum CSU-Quatsch. Fünf!

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Es gibt Neuigkeiten von Peer (siehe hier). Die Bauarbeiter haben doch tatsächlich für eine unerwartete Wendung gesorgt, sie haben gestern die Zaunsegmente einfach mal umgestellt. Jetzt steht da nicht mehr die rüde anmutende Feststellung “Peer lutscht Schwänze”, jetzt steht da eine im direkten Vergleich fast schon vorsichtige Frage: “Lutscht Peer Schwänze”. Allerdings ohne das notwendige Fragezeichen, da hat sich bisher keiner erbarmt, es ist kaum mitanzusehen. Ob sich demnächst jemand nachts an die Rettung des Fragesatzes macht? Und wo kann ich hier Farbe kaufen?

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, es geht allmählich an die Aussaat für den Herbst, womit diese Jahreszeit im heutigen Eintrag schon zweimal erwähnt worden ist. Nanu. 

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Kuddel kommt durch

Das Büro, in dem ich vormittags arbeite, liegt an einem Fleet. Aus dem Fenster sehe ich im Sitzen aber nur das Bürohaus gegenüber, man muss schon aufstehen und zum Fenster gehen, um das Wasser zu sehen. Im Grunde ist das also ein ganz normaler Ausblick, normal hässlich, nur ist zwischen den Büroblöcken eben Wasser, keine Straße, das ist für Hamburg auch nicht ganz ungewöhnlich. Ab und zu fährt da unten sogar ein Schiff oder ein Boot vorbei, die Fleetenkieker schauen nach dem Rechten oder ein Kanupaddler verirrt sich und guckt ratlos an den Häusern hoch. Bei Fehlleistungen im Job empfehlen wir uns hier gerne kollegial, doch bitte ins Fleet zu springen, das Gewässer ist also Teil der Alltagssprache, man ist soweit norddeutsch geprägt.

Über dem Fleet kreisen immer die Möwen. Manchmal schießen sie auch die Wasserstraße entlang, als sei das die Möwenautobahn, freier Flug für freie Möwen. Und immer schreien sie dabei. Ab und zu telefonieren wir mit Menschen aus dem tiefsten Binnenland, dann fällt denen auf, dass es bei uns aber wirklich sehr nach Hamburg klingt, so richtig klischeemäßig. Obwohl das Tuten der Schiffe im Hafen, das wir tatsächlich auch manchmal schwach hören, wenn der Wind denn richtig steht, durchs Telefon sicher gar nicht ankommt. Aber gut, wenn man hier anruft, dann hört man erst “Moin” und dann eine Möwe. Passt schon.

Im Moment haben die Möwen Jungvögel, einer stolziert durch unseren Innenhof, er sieht noch etwas zerzaust aus und ist nicht so strahlend weiß wie die Eltern. Vermutlich ging der erste Flug schief, jetzt läuft er da unten ratlos herum und guckt uns an, wie wir ihn angucken. Seine Eltern und Verwandten kreisen über ihm und schreien herum, das scheint ihm aber nicht zu helfen. Wir nennen ihn Kuddel, wir nennen den jährlichen flugunfähigen Jungvogel in jedem Jahr Kuddel, es gibt immer genau einen pro Jahr, warum auch immer. In ein paar Tagen wird er weg sein, das kennen wir schon, von Katzen oder von Ratten geholt oder natürlich weggeflogen. Ich stelle mir immer vor, die Jungvögel sind weg, weil sie plötzlich doch noch aufs Fliegen gekommen sind, Kuddel kommt durch. Ich bin eben Romantiker.

Für uns Büromenschen hat diese Phase mit den hysterischen Möwen über uns immer einen beruhigenden Aspekt. Denn es ist egal, wie sehr wir uns über irgendwas aufregen – die Möwen sind aufgeregter. So aufgeregt und hysterisch schreien sie herum, gegen die Möwen sind wir immer cool, gefasst und ungeheuer zivilisiert. Das ist ein gutes Gefühl, das hat man sonst so nicht.

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Drüben bei der GLS Bank habe ich mal wieder einen Gast eingeladen: Caro vom Blog Hauptstadtgarten hat zum Thema Urban Gardening geschrieben.

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Gute Geschäfte als Konzept und Veranstaltungsform, das kannte ich noch nicht, aber das gibt es bald auch hier im Stadtteil. Da treffen sich wohltätige und soziale Organisationen aller Art mit Unternehmen und gucken, ob sie Deals finden. Alles kann getauscht und gehandelt werden, nur kein Geld. Einfaches Beispiel: Eine Hilfsorganisation braucht dringend neue Flyer, hat dafür aber kein Geld. Eine Firma übernimmt das und erhält im Gegenzug Erste-Hilfe-Kurse für die Belegschaft. Simpel, ne? So etwas finde ich toll. Lösungen, die wirklich funktionieren und Leuten sogar Vorteile bringen, so etwas geht, hallo Berlin. Hier mehr dazu.

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Die Denksportaufgabe des Tages: Das “Gesetz der zunehmenden Penetranz der negativen Reste”. Mal im Alltag überprüfen! (Gefunden via Newsletter der Krautreporter). Das Gesetz hat jedenfalls einen wunderschönen Namen, den merke ich mir.

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Was wäre, wenn alle Grenzen offen wären?

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Der Monat hat gewechselt, wir können uns also um Juli-Gedichte kümmern. Die Zuordnung ist nicht unbedingt präzise, aber den folgenden Jandl lassen wir einfach für den Juli gelten, mit seinem Sommerlied, froh wir nur was:

“wir sind die menschen auf den wiesen

bald sind wir menschen unter den wiesen

und werden wiesen, und werden wald

das wird ein heiterer landaufenthalt”

So viel zum erbaulichen kulturellen Teil. Weiter im Text.

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Ich bin gestern einmal quer durch die Stadt geradelt, deutlich weiter, als ich sonst herumkomme. Ich habe wieder gedacht, das ist so saugefährlich, dass kannst Du unmöglich deinen Kindern beibringen, das geht einfach nicht. Um nur ein Beispiel zu nennen, diese mittlerweile vieldiskutierten rechts abbiegenden LKW, die schon so manchen Menschen vom Fahrrad direkt ins Jenseits befördert haben. Den Fall hatte ich an einer Kreuzung auch und der Fahrer hat mich ganz gewiss nicht gesehen, ich bin da absolut sicher. Wäre ich geradeaus weiter gefahren, hier stünde jetzt nichts. Der konnte mich gar nicht sehen, der Fahrer, aber nicht wegen technischer Unzulänglichkeiten, sondern weil sein Beifahrer die Beine hoch- und aus dem Fenster gelegt hatte, die nackten Füße direkt vor den Außenspiegeln sonnte und diese dabei komplett verdeckte. Da kann man sich schon vorstellen, dass der tote Winkel verblüffend groß ist, nennen wir ihn doch einfach “rechte Seite”.

Ansonsten das normale Elend, Autos, die auf Radwegen halten und parken, Lieferwagen, die ohne Rücksicht aus Ausfahrten brettern, verfettete SUVS, die einen mit 10 cm Abstand überholen, Schlaglöcher auf Radwegen, an denen man spontan den Salto erlernen könnte – es ist ein Desaster. Fahrradstadt Hamburg, da fehlt dann doch noch ein wenig.

Die Radfahrer haben auch nicht durchgehend alle Latten am Zaun, es herrscht hier bei allen Verkehrsteilnehmern eine befremdliche Grundaggression. Die ganze Stadt scheint mir therapiebedürftig, das wäre aber ein verdammt großer Stuhlkreis zum Beginn der Maßnahme. Einer saß im Auto und beschimpfte lauthals den Fahrer vor ihm, er machte extra das Fenster runter, um mir wild gestikulierend mitzuteilen, dass heute wieder nur Schwachköpfe und Ignoranten unterwegs seien – um mir dann im Anfahren die Vorfahrt zu nehmen.

Aber vermutlich bekommen die meisten Auto- und Radfahrer diese Aggression um sie herum nicht einmal mit, schon weil sie dauernd aufs Handy gucken. Da ist man eben abgelenkt, das muss man wiederum verstehen, so viel Empathie muss schon sein.

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An den Kommentaren hier im Blog ist übrigens gerade etwas kaputt, das läuft nicht mehr reibungslos. Ich habe dazu noch keine Idee, werde der Sache aber in Kürze intensiv nachgehen (ich werde also im Back-End wahllos irgendwelche Knöpfe drücken). Spannend!

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Ich habe mich noch gar nicht um Garten-Songs gekümmert, wieso denn das nicht? Dabei liegt das so nahe: Einfach mal anfangen: “Wir trafen uns in einem Garten”. Auch schon verdammt lange her!

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, dann sind Sie ein noch besserer Mensch als vorher – und wie gut waren Sie da schon!

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Liegen lernen

Anke war in der Augbsurger Puppenkiste. Ist Ihnen mal aufgefallen, dass die Marionetten, wenn sie etwas mit besonderem Nachdruck sagen, immer ein wenig in die Knie gehen? Denken Sie mal an die alten Folgen aus Ihrer Kindheit. Ein Arm wird während des wichtigen Satzes erhoben, fällt am Ende abrupt runter, die Figur federt in die Knie und kippt dabei ganz leicht nach vorne – mangels Mimik müssen sie eben ordentlich Einsatz mit den Gliedmaßen zeigen. Das ist sehr niedlich, wenn man einmal darauf achtet, und es wäre erfreulich, wenn das echte Menschen auch so machen würden. Man kann sich das beim Heimathorst etwa recht schön vorstellen.

Ansonsten heute wieder Lokalpolitik am Abend, das ist konstruktiver als dieses entsetzliche Theaterstück auf Bundesebene. Ein Beispiel – in unserem kleinen Bahnhofsviertel gibt es jetzt an jedem Sonnabend Sport im Park. Da veranstaltet ein Verein, finanziert durch einen privaten Sponsor, ein paar Stunden lang kostenlose Sportangebote für Erwachsene, Jugendliche, Kinder. Disk Golf (was auch immer das ist), Beach Soccer, Crossboccia und mehr. Einfach so, das kostet nichts, niemand muss sich anmelden, man kann da vorbeigehen oder nicht, man kann mitmachen oder nicht, alles spontan. Erfahrungen im Nachbarstadtteil zeigen, das funktioniert hervorragend, so etwas wird angenommen. Niedrigschwellig! Das macht ein Stück Lebensqualität aus, die Leute bewegen sich und lernen sich auch kennen, da wird die Stadt gleich etwas netter. Die Trainerinnen und Trainer, die da überaus freundlich Menschen anleiten und motivieren, haben meist Migrationshintergrund, die lernen da, wie man Sport- und Jugendgruppen leitet, der organisierende Verein gibt denen Kurse. Auch unsere Söhne könnten da Trainererfahrungen sammeln, jedenfalls ab 16 Jahren, ich würde das gut finden. Dann lernen sie, im Sport mit jüngeren und älteren Menschen umzugehen, mit Menschen aller Art. Ein ganz einfaches Konzept, nicht wahr. So etwas braucht es. Und man kann sich z.B. darum kümmern, dass es die notwendigen Sponsoren gibt. Oder Werbung für die Veranstaltung machen.

Ich habe damit übrigens nichts zu tun, ich erzähle nur davon. Mehr zum veranstaltenden Verein hier. Feine Sache.

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Für den Freundeskreis Nordseeküste: Es gibt wieder mehr Kegelrobben.

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Die spinnen, die Australier.

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Ich habe das mit der Liege im Garten, wie im letzten Eintrag kurz erwähnt, übrigens tatsächlich probiert. Ich habe eine Liege unter den Apfelbaum gestellt, denn nur da war gerade Schatten, im Rest des Gartens war es saharaheiß, wie immer in Hamburg. Ich habe mich hingelegt und die Augen zugemacht, es war außer mir gerade keiner im Garten, die Herzdame war mit Sohn II im Freibad, Sohn I war mit anderen Kindern auf irgendwelchen Abwegen. Ich hörte dem Vogelgezwitscher zu, den leisen Stimmen aus den anderen Gärten, dem wispernden Rauschen der hohen Pappeln hinter unserem Grundstück, das immer täuschend echt wie fließendes Wasser klingt. Dem ganz sachten Klappen der offenen Laubentür im leichten Ostwind, ich lag da und sortierte all die Geräusche, bis plötzlich *FUMP*. Ein irriterendes Geräusch, es klang direkt ein wenig gefährlich und beunruhigend nah, gleichzeitig aber auch irgendwie befriedigend, so wie ein Tennisball, der satt geschmettert auf einem Sandplatz aufkommt, das ist auch so ein merkwürdig angenehmes Geräusch, das mag ich. Das Geräusch neben mir war aber leiser als ein satt geschmetterter Tennisball, auch wenn es mir gleich so vorkam, als könnte die Objektgröße ungefähr passen. Ein sehr trockenes Geräusch war das, schon kurz vorm *PLOCK*, dafür aber doch einen Hauch zu weich, am ehesten vielleicht etwas wie *PLOMP*. Das war der Junifall, der die Äpfel vom Baum löste. Ich machte die Augen auf und sah nach oben, wo die Äpfel hingen. Enorm viele Äpfel. Der nächste fiel einen Meter von meinen Füßen entfernt, dann einer ziemlich weit rechts von mir. Ich versuchte, sinnvoll abzuschätzen, ob mich ein Apfel auf erhaltenswerte Körperteile treffen könnte, das war gar nicht einfach. So viele Faktoren waren da zu berücksichtigen, die Größe der Äpfel, die Anzahl, der Reifegrad. Der Wind, der Winkel, in dem die Zweige schon zur Erde gebogen waren, die im Geäst herumturnenden Rotkehlchen und Eichhörnchen. Ich nahm vorsichtshalber die Brille ab und legte sie unter die Liege, ein Treffer auf das Brillenglas schien mir am gefährlichsten. Ein Apfel fiel links von mir. Ich versuchte die Folgen abzuschätzen, was würde passieren, wenn mir ein Apfel direkt auf die Nase fallen würde? Oder auf ein Auge? Und dann den Körper weiter runter, Stelle für Stelle sorgsam durchdacht.

Ich blieb aber liegen, denn wenn man mit diesem Hinlegen erst einmal anfängt, dann muss man das ja auch wenigstens ein paar Minuten durchziehen, gerade als Anfänger. Ich mag es nicht, zu früh aufzugeben. Man ist als Vater auch Vorbild, selbst wenn der Nachwuchs gerade nicht guckt. Ich lag also und atmete und starrte auf Äpfel. Ein Apfel löste sich vom Ast, fiel auf den Rahmen der Liege hinter meinem Kopf, platzte auf und rollte ein Stück über den knochentrockenen Rasen. Ein winziges Wölkchen Apfelduft hing in der Luft, Insekten schwirrten interessiert näher, Partystimmung bei den Sechsbeinern. Ich streckte jesusmäßig beide Arme zur Seite aus und öffnete die Hände himmelwärts. Wenn da jetzt so schlaraffenlandmäßig ein Apfel hineinfällt, dachte ich, das glaubt dir auch wieder kein Schwein. Und dann ist es sinnlos, wenn es kein Schwein glaubt, dachte ich weiter, dann kann ich es gleich lassen. Was nützen Geschichten, die man nicht erzählen kann? Da war ich dann schon bei der nächsten spannenden Grundsatzfrage, dabei wollte ich da doch einfach nur liegen. Ich hab es aufgegeben und die Liege verlassen, es kam mir in dem Moment auch so vor, als hätte mich die Arbeit gerufen, wenn sie auch nur darin bestand, genau diese Zeilen zu schreiben, die Sie jetzt gerade lesen.

Als ich nach diesen offline geschriebenen Absätzen wieder nach der Liege sah, lagen immerhin zehn Äpfel darauf. Zehn steinharte Äpfel in respektabler Geschossgröße. Ich weiß nicht, aber das Konzept des entspannten Herumliegens im Garten ist bei mir noch nicht so richtig ausgereift, das hat es mit dem Obst gemeinsam. Konzepte und Äpfel, sie fallen früh in diesem Jahr.

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Ein Jahr

Heute haben wir den Garten seit einem Jahr. In der Zeit bis jetzt, vor allem im Winter, habe ich sehr viel übers Gärtnern gelesen und irre viele Videos dazu gesehen. Nach dieser Erfahrung kommt es mir so vor, als sei ein Jahr für ein komplett neues Thema ein ganz guter Zeitraum. Ein Jahr, so lange braucht man wohl. Also jedenfalls wenn man volle Lotte interessiert ist, sonst sicher länger. Man braucht so lange, bis man die Grundlagen halbwegs kapiert hat, bis man die wichtigsten Autorinnen kennt, die entscheidenden Bücher, Zeitschriften und Informationsquellen. Bis man all die Blogs gefunden hat, die Instagramkanäle, die Twitterer, die FB-Seiten und Gruppen. Man ist dann immer noch und weiterhin Anfänger, aber nach einem Jahr kann man anfangen, das Thema auszudünnen.

Wenn ich morgen anfangen würde zu segeln, was eine ausgesprochen niedrige Wahrscheinlichkeit hat und nur als vollkommen willkürliches Beispiel dient, ich würde auch da von einem Jahr selbstgebastelter Grundausbildung ausgehen. Weiß ich das jetzt also auch. Wobei es faszinierend ist, dass man jeweils so gar keine Ahnung hat, was denn bloß das nächste Thema sein könnte – und es muss ja auch gar kein nächstes geben.Man kann auch lebenslang auf den bestehenden Interessen herumreiten, so ist es ja nicht. Ich habe allerdings gerade mal gezählt, ich komme auf etwa 15 Themen, mit denen ich mich im Laufe des Lebens ernsthaft beschäftigt habe, also voller Interesse, Hingabe, Wissbegier und in der Freizeit. Wenn ich mich der Einfachheit halber als etwa seit 30 Jahren erwachsen betrachte, was habe ich dann eigentlich in den anderen 15 Jahren gemacht? Desinteressiert und apathisch in der Ecke gesessen? Nein, vermutlich habe ich Bücher gelesen, Romane und so etwas. Auch nett.

Seit den ersten warmen Tagen in diesem Jahr habe ich in jeder möglichen Stunde etwas auf der Parzelle gemacht, vor allem natürlich Fehler. Mittlerweile sieht der Garten deutlich anders als vorher aus, genau genommen sieht er weiterhin nach jedem Wochenende deutlich anders aus. Gästen scheint es zu gefallen, ich bin natürlich nicht annähernd zufrieden – und das ist auch gut so. Ich wollte keinen Garten, um etwas fertig zu haben. Ich wollte einen Garten, um mit den Händen etwas tun zu können. Sollte er also zwischendurch versehentlich fertig aussehen, grabe ich da einfach alles wieder um. Aber es ist ja nicht fertig, es fehlen noch weitere Beete, wir haben keinen Teich, der Platz um die Laube herum ist nach wie vor viel zu kahl, es gibt keine Pergola, es gibt noch unberankte Zäune, ein Schuppen muss bald neu gebaut werden, die Hecke vorne gefällt mir nicht, gestern haben wir gesehen, dass der Weg anders verlaufen und die ganze Fläche überhaupt anders aufgeteilt werden muss – da geht noch was.

Die Laube ist noch am ehesten als fertig zu bezeichnen, zumindest innen, aber die ist ja auch Herzdamenterrain. Und die Herzdame kann vermutlich damit umgehen, dass etwas fertig wirkt, das ist ein wichtiger Unterschied zwischen uns beiden, sie ist wesentlich genussfähiger. Ab und zu beneide ich sie sogar darum. Aber nur kurz, denn für längere Neidgefühle fehlt mir einfach die Zeit. Sie setzt sich jetzt also in die Laube und macht, was die Damen in den Wohnzeitschriften auch immer machen, sie wirkt attraktiv und guckt ebenso glücklich wie entspannt, wobei ihr Kleid zum Sofa passt und die Sonne die Szene vorteilhaft ausleuchtet. Also nehme ich jedenfalls an, denn ich sehe das ja nicht, ich grabe irgendwo weiter hinten im Bild.

Jetzt lasse ich allerdings gerade etwas in meinen Bemühungen nach und mache hier und da auch mal etwas weniger im Garten, es ist zu heiß, es ist zu trocken und der Energieaufwand bisher war doch recht hoch, der entzündete Ellenbogen ist auf Dauer auch echt etwas lästig. Da mir aber neulich eine Dame nebenbei sagte, ich hätte deutlich sichtbar Muskeln entwickelt – das war es wert. Früher habe ich jahrelang Kraftsport gemacht und in wildem Bemühen Eisen gestemmt, um endlich kein Hänfling eh zu sein, nie hat das eine gesagt, nicht einmal. Und dann nur ein paar Wochen Bewegung mit Harke und Spaten – zack. That was easy!

Jetzt also erst einmal Sommerpause. Wie bei Mon Chéri, die werden im Sommer ja auch kühler gelagert und machen sonst nichts. Wir haben da so Liegen im Garten, da war ich noch nie drauf, es war immer so viel zu tun. Aber jetzt! Mal probeliegen. Und dann einfach abwarten, ob nicht Claudia Bertani in ihrem roten Cabrio am Garten vorbeifährt. Nur um dann betont lässig abzuwinken, die Kirschen essen wir natürlich selbst, diese Pralinen schmecken übrigens auch gar nicht.

Einfach mal dem Kürbis (sponsored by Patricia) beim Wachsen zusehen. Es ist die Pflanze, die ich am ehesten dabei erwischen könnte, wie sie wächst, wenn man da zwei Stunden konzentriert hinsieht, dann müsste man es erkennen können. Nächstes Jahr unbedingt mehr Kürbisse setzen! Kürbisse sind toll, auch wenn sie unverkennbar immer die Weltherrschaft anstreben, was sonst oft als abstoßend empfunden wird, etwa bei Präsidenten. Aber bei Kürbissen weiß man, sie werden sicher scheitern und hinterher gibt es gute Suppe. Gutes Konzept, das kriegen Präsidenten so nicht hin.

Die Sommerpause von Mon Chéri geht bis Mitte September, ich habe das gerade nachgelesen, ich lese ja jeden Quatsch nach. Die Sommerpause von Mon Max wird kürzer ausfallen und mit dem Blog hat sie nichts zu tun, das läuft hier alles weiter, eh klar.

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Außerdem: Annabell Dillig über Tourismus.

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Kurz und klein