Ein Leserbrief an die Zeit. Einer von vielen, hoffe ich.
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Beim morgendlichen Brötchenholen steht eine Frau vor mir in der Schlange. Wenn man ihre Kleidung als Zeichen für den Geisteszustand nimmt, hat sie ganz offensichtlich nicht alle Latten am Zaun. Sie bestellt aber ganz normal, sie hat sich also soweit im Griff, das freut mich für sie. Es ist ja immer schön, wenn ein selbständiges Leben noch möglich ist. Auf der Straße vor der Bäckerei laufen dann allerdings noch mehr Menschen herum, die seltsam gut zu der Frau vor mir passen, da kombiniere ich die Indizien blitzschnell und mit gewohnt hellwachem Verstand, Sherlock Holmes nichts dagegen: Es ist wieder Schlagermove in Hamburg. Mit anderen Worten, es bleiben mir also nur noch etwa drei Stunden, bis mir überall Besoffene vor die Füße torkeln und dabei lauthals Lieder aus der Vergangenheit singen.
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Ich: “Die Platanen sehen jetzt ohne Rinde so seltsam nackig aus – als wären sie gerade aus den Klamotten gesprungen.”
Die Herzdame: “Das sagst du nur, weil du das bloggen willst. Das hältst du wieder für einen tollen Satz, da machste nachher nen Text draus. Oder?”
Ich: “Wir kennen uns irgendwie schon zu lange, Schatz.”
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Am Ufer der Billerhuder Insel liegen Motorboote, ziemlich viele sogar, denn da gibt es einige Clubs für die Liebhaber solcher Schiffchen. Einige der Boote sind fast yachtartig groß, andere sind winzig, Nussschalen mit Motörchen. Einige sind verfallen und sehen aus, als würden sie in Kürze sinken, ohne dass sie jemals jemand vermissen wird, andere sind scheckheftgepflegt und alles an ihnen glänzt und blitzt, ist frisch gestrichen und geputzt.
Eines der ganz kleinen Boote liegt am Rand eines Anlegers herum, es sieht ein wenig so aus, als hätten die größeren Exemplare es weggeschubst, mach mal Platz da, Kleines. Vorne am Bug, also da, wo bei Schiffen normalerweise der Name steht, da steht in schwarzen Buchstaben: “Kommt noch”. In einer vorgelesenen Geschichte könnte man mit diesem Namen die Grammatik ruinieren: “Die Kommt noch schaukelte sanft auf den Wellen der Bille.”
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Wir waren essen, am Nachbartisch saßen Autohändler, alles junge Männer natürlich, weil Klischees eben immer hinkommen. Fast immer. Vielleicht kannten sie sich alle von der Berufsschule. Die arbeiteten für verschiedene Automarken und unterhielten sich natürlich sich über ihre Jobs. Begriffe, die in ihrem Gespräch nicht vorkamen: Verkehrswende, E-Auto, Dieselkandal, Fahrverbote, Verbrauchswerte, Mobilitätskonzepte.
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Falls jemand Accounts kennt, die besonders gelungene, besonders schöne oder sonstwie auffällige Instagram-Stories posten, ich bin gerade für Hinweise dankbar. Es darf gerne um Food, Deko, Garten, Kultur gehen. Ich finde es ja manchmal seltsam entspannend, mich im Social-Media-Bereich mit bisher ignorierten Möglichkeiten zu beschäftigen, deswegen habe ich nur aus Spaß gerade etwas mit diesen Stories herumgespielt und war überrascht, dass man da reichlich Rückmeldung bekommt. Ungewöhnlich viele Rückmeldungen sogar. Nanu! Aber okay, als Sommerspielzeug ist das vielleicht wirklich ganz nett.
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Wir haben die Söhne heute vom Bahnhof abgeholt, nachdem sie eine Woche ohne uns an der Nordsee im Zeltlager waren. Sie haben uns vermisst, sagen sie, die heimische Toilette aber noch mehr.
Nun ja. Wer würde sich nicht über einen guten zweiten Platz freuen.
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Was noch? Melancholie!
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Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, Sie müssen aber überhaupt nichts. Toller Deal, ne.
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