Kurz und klein

Laszive Lasuren

Die Herzdame beschäftigt sich mit wirklich seltsamen Themen, darunter solche, die sie tagelang herausfordern. Sie sitzt vor dem Computer, ruft Seite um Seite auf, liest, schüttelt den Kopf, klickt weiter, notiert etwas, guckt verzweifelt, rechnet, schreibt, klickt, scrollt, schüttelt wieder den Kopf. Das bringt der Laubenbau so mit sich, immerhin sind wir weitestgehend kenntnisfrei bei so etwas und müssen erst herausfinden, was man z.B. im Inneren der Hütte womit genau streicht. Weswegen sie also auf Baumartktseiten, in Heimwerkerforen und sonstigen Abgründen des Internets unterwegs ist, auf fernen Seiten, die keiner von uns je zuvor gesehen hat, schier unweigerlich hören wir an dieser Stelle die nur eingebildete Erkennungsmelodie der Serie Raumschiff Enterprise.

Ab und zu liest sie mir etwas vor, was zwar weitgehend sinnlos ist, aber sicher gut gemeint. Ich nehme immerhin zur Kenntnis, dass Holzlasuren ellenlang betextet werden können, man macht sie ja keinen Begriff, wenn man da keine Erfahrungen hat. Die Vorteile einer bestimmten Lasur werden seitenlang aufgezählt, es ist enorm beeindruckend, was Lasuren alles können, wenn man erst genug dieser Beschreibungen gelesen hat, könnte man sie fast für ein bewährtes Hausmittel gegen vielerlei Gebrechen halte, so sympathisch und vertrauenswürdig kommen die da rüber, die Lasuren. Oder die Lacke, die Wachse, die Farben, was weiß ich.

Apropos sympathisch, einer der schönsten Begriffe aus diesen Texten – manches bleibt ja doch hängen! – ist “griffsympathisch”. Es gibt Lasuren, damit erzeugt man, nachdem man sie fachgerecht verpinselt hat, eine griffsympathische Oberfläche auf dem Holz. Ein Wort, das mir noch nie eingefallen ist, ich frage mich dann ja immer, wieso eigentlich nicht? Noch nie habe ich sinnend einen Schrank, eine Kommode oder einen Dielenboden befühlt, bin liebevoll tastend den Brettern und Fugen gefolgt und habe bewundernd gedacht: “Mein Gott, ist das griffsympathisch.” Bin ich unsensibel?

Ich neige nun leider dazu, von solchen Begriffen wahnhaft verfolgt zu werden, ich muss das demnächst unbedingt irgendwo sinnvoll unterbringen, ganz egal wo, Hauptsache Erfolg. Ein erotischer Kontext – Hallo! Es ist Frühling! – scheidet dabei aus, nehme ich an, aber halt, ich habe noch gar nicht fertig gedacht. Denn auch ein Massageöl hat ja lasurähnliche Eigenschaften, fällt mir gerade ein, außerdem veredelt es Oberflächen, die zu massierende Person liegt auch noch flach wie ein Dielenboden, doch, da könnte durchaus etwas gehen! Es darf nur nicht allzu technisch rüberkommen, das ist der eigentliche sprachliche Trick, man muss es so geschickt anstellen wie Sven Regener, der einmal das bemerkenswerte Wort Schwachstromsignalübertragungweg hervorragend eingepasst in einem seiner Lieder untergebracht hat, das ist wahres Können! Da will ich hin! Griffsympathie in feinster Lyrikqualität!

Erzählerstimme aus dem Off: “Und so hat im weiteren Verlauf des Abends der Laubenbau auch noch die Beziehung der beiden belebt.”

Abblende.

Susanne, sehbehindert

Der Zauber der Alleen.

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Don Dahlmann über China.

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Bei der GLS Bank habe ich etwas zum Thema Schwein zusammengestellt.

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Ich habe ein Versäumnis in der Medienerziehung nachgeholt und Sohn I den elementar wichtigen Ministry-of-silly-walks-Sketch von Monty Python gezeigt. Er wird jetzt etwa eine Woche lang nicht mehr normal gehen können, aber das ist okay, das ging uns allen einmal so.

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Die Begeisterung für Gartenfragen fällt in dieser Familie übrigens nach wie vor sehr verschieden aus. Ich interessiere mich mittlerweile tatsächlich intensiv für den Anbau von Gemüse, Obst und Stauden, die Herzdame interessiert sich für den Laubenbau und für die Unkrautvernichtung mittels beeindruckender Gerätschaften, mit denen man rambomäßig posieren kann (siehe Bild, keine bezahlte Werbung), Sohn II interessiert sich für alles, was man bauen kann und Sohn I für alles, worauf man chillen kann. Das heißt mit anderen Worten, ich weise die geschätzten Familienmitglieder unentwegt auf die Wachstumsfortschritte der einzelnen Pflanzen in meinen Beeten hin, auf Blüten und Keimlinge, auf Sorten und Phänome, wobei mir allerdings niemand zuhört. Egal.

Gelegentlich erwähnt aber auch die Herzdame Pflanzennamen, neulich etwa die einäugige Susanne, denn die sei doch schön, die sollte ich auch einmal irgendwo hinpflanzen, echt jetzt mal. Die einäugige Susanne! Ich bin hier von Banausen umgeben, und nur die Tatsache, dass ich vor wenigen Monaten noch selbst einer war, und was für einer, bewahrt mich vor der fast unausweichlichen Arroganz der Halbwissenden. Na, Hauptsach gerettet!

Ich werde zum Ende dieser Einträge einige Male auf Garten-Youtuber hinweisen, die ich mir gerne ansehe, irgendwo muss das Halbwissen ja herkommen. Wenn Sie sich auch für das Thema Garten interessieren, dann werden Sie das vielleicht nützlich oder wenigstens unterhaltsam finden, wenn nicht, können Sie elegant vorher abspringen, also etwa jetzt.

Der erste Hinweis in dieser Reihe bezieht sich aber gar nicht auf einen Youtuber, fällt mir gerade auf, der bezieht sich auf die gute alte BBC. Gardeners World, ein Klassiker. Und ein Genuss für eine entspannte Stunde. Ich empfehle in dieser Folge die Sequenz mit dem begrünten Hochhaus, wirklich faszinierend.

Am Straßenrand liegen zwei bemerkenswerte Frauen

Das ist doch wieder ein wunderbarer Titel für eine Kurzgeschichte, nicht wahr, viel interessanter als der Romantitel auf dem Bild gleich. Aber ich habe ja keine Zeit, Kurzgeschichten zu schreiben. Das Buch über die bemerkenswerten Frauen lag da jedenfalls genau neben einem leeren Pizzakarton mit großen Fettflecken darauf, darüber muss man dann unwillkürlich doch etwas nachdenken, aufsteigende Inhalte, Sie kennen das. Denn auch, wenn ich gar keine Zeit habe, um richtige Geschichten zu schreiben, kann ich ja zumindest kurz überlegen, welche genau ich gerade nicht schreibe, das mache ich sogar ganz gerne.

Und ich stelle mir also eine Weile vor, wer da beides zusammen entsorgt hat, welche Frau in welcher Stimmung und in welcher Situation, und natürlich ist es schon ein Klischee, dass es überhaupt eine Frau war, weil die Assoziation von dem Roman ausgeht. Aber Klischees kommen eben hin, wie neulich erst erörtert. Ich weiß nicht, wie Tracy Chevalier schreibt, die Königin der historischen Romane, wie sie im Marketing liebevoll genannt wird, vielleicht sind das sehr gut lesbare und akribisch recherchierte Bücher, vielleicht ist es auch totaler Schund, ich habe wirklich keine Ahnung. Das Buch jedenfalls wird mit “Jane-Austen-Stimmung” beworben, mit intellektueller Anmutung also, a touch of Feingeist. 19. Jahrhundert, alles so handgemacht hier. Wenn dieses Buch gut ist, dann passt es leider nicht recht zu Pizza-to-go, dann ist das eine schwer zu ertragende Dissonanz, wenn da auf den Seiten 12 bis 24 im Roman vielleicht schon in epischer Breite ein Abendessen in viktorianischem Ambiente in einem selbstverständlich malerischen südenglischen Küstenort beschrieben wird – und einem beim Lesen aber gerade der Käse übers Kinn läuft, weil man völlig niveaulos Billigpamps ohne Besteck direkt aus der Schachtel frisst. Wenn das Buch aber schlecht ist, hingeschluderter Trash vom Fließband, dann ist es fast noch schlimmer, weil es dann das Billige, Schlechte und Talmihafte des Jahres 2018 noch verstärkt und heraushebt, an der Situation ist dann wirklich gar nichts mehr zu retten, ein einziges Elend.

Gut oder schlecht, wie kommt der Karton da hin, wie kommt das Buch da hin? Da brauchen wir noch einen Ansatz, sonst wird die Geschichte nicht rund. Dieser Stadtteil hier ist voller Hotels, und in diesem Umstand wird auch die Erklärung zu finden sein, das ist ganz naheliegend. Die Frau hat diese Pizza nämlich in ihrem Hotelzimmer gegessen, das war so ein Heißhungernotfall bei der Anreise, wer kennt das nicht, da vergisst man sich, da kauft man Schrott, weil man eben im Bahnhof daran vorbeikommt und weil es verdammt gut riecht. Und dann sitzt man mit vier Stück Pizza im Hotelzimmer, Ibis-Niveau, Standardbuchung. So gut schmeckt das Zeug dann aber eigentlich gar nicht, es ist auch fast schon kalt. Nach zwei Stücken ist es vielleicht schon gut, aber satt werden muss man eben irgendwie. In ein Restaurant zu gehen, das wäre jetzt auch blöd, so halbsatt, zu retten, ach, zu spät. Aber eigentlich ist es doch ein Wahnsinn, denkt die Frau, in dieser fremden Stadt nicht in ein Restaurant zu gehen, in ein anständiges sogar, warum denn nicht, es scheitert ja nicht am Geld, alles Spesen, wozu macht man denn Geschäftsreisen. Sie schüttelt den Kopf und findet sich seltsam.

Sie scheitert nicht am Geld, sie scheitert gerade nur am Fastfood, das aber gründlich. Denn die Pizza saut nicht nur ihr Kinn und ihre Finger ein, die tropft auch flüssigen Käse auf die Hose und auf das bekloppte Buch, das da im Zimmer lag, irgendwas mit bemerkenswerten Frauen, ein Historienschinken. “Gut, dass mich jetzt keiner bemerkt”, denkt die Frau, während sie im winzigen Bad ihr Kinn abtrocknet und im Spiegel prüft, ob da nicht noch irgendwo Käse klebt. Dann zieht sie fluchend eine andere Hose an und klappt etwas beschämt das Buch wieder zu, in dem sie immerhin ein paar Seiten gelesen hat. In diesem Buch wird ab jetzt aber niemand mehr lesen, denn es hat dummerweise ziemlich viel Käse abbekommen. Das ist schon etwas peinlich, diese ganze Ferkelei, das kann sie so unmöglich zurücklassen, das Buch wird sie gleich einfach entsorgen. Und wie auch immer es in dem kleinen südenglischen Küstenort da weitergehen mag, so spannend fand sie das eh nicht. Vermutlich war die Geschichte, auf der jetzt Käse klebt, eh Käse, da lacht die Frau. Der Hotelzimmermülleimer ist zu klein für den Pizzakarton, Hotelzimmermülleimer sind eh immer zu klein für alles.

Also nimmt sie den noch halbvollen Pizzakarton und das Buch und geht raus, sie will sich etwas Niveau für den Rest des Abends suchen, das kann ja so nicht weitergehen, ist sie hier bei Bukowski oder was. Vorne an der Ecke liegen Altpapierstapel, da wirft sie den Karton und das Buch einfach im Vorbeigehen dazu und zieht weiter, dahinten ist die Alster, da soll es schön sein. Und ob sie dann irgendwo in Hamburg noch das Niveau findet, das ist wieder eine andere Geschichte.

Am nächsten Morgen dann ich. Ich gehe gerade aus dem Haus und an dieser Ecke vorbei, ich ziehe mein Handy und mache nebenbei schnell ein Foto von dem Buch, das da aufgeschlagen liegt, darüber könnte ich ja später am Tag was schreiben, irgendwas. Da mal drüber nachdenken! Aber erst später, denn im Moment denke immer noch über die Blogfamilia nach, da halten die Herzdame und ich nämlich einen Vortrag über Contententwicklung in Blogs, also wie kommt man zu Ideen und Formaten und dergleichen. Zu dem Thema gibt es eine ganze Reihe von Allgemeinplätzen, die muss man vermeiden oder wenigstens ins Originelle drehen, denn man will ja nicht da stehen und sagen: “Die Ideen liegen auf der Straße”, nein, das möchte man nicht.

Obwohl.

Cornus mas

Gänseblümchen, Altlinke und die eigene Scheinheiligkeit

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Die Herzdame und ich bereiten gerade den Vortrag auf der Blogfamilia vor, weswegen wir die Abende gemeinsam an einem Schreibtisch verbringen, das ist auch mal originell. Denn normalerweise sitzen wir in getrennten Zimmern an getrennten Projekten, Arbeiten, Texten, Organisationsdingen, was auch immer. Gestern haben wir gemerkt, dass das gemeinsame Arbeiten sogar überraschend gut klappt, wir denken jetzt ernsthaft darüber nach, abends öfter mal miteinander zu reden. Auch über andere Themen, über das Wetter oder so. Immer flexibel bleiben!

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Ich bin jetzt Besitzer einer Kornelkirsche, vor einem Jahr hätte mir das Wort noch gar nichts gesagt. Ich hätte auch nicht gewusst, dass man es auf der zweiten Silbe betont und dass es aus dem Lateinischen kommt, Latinum hin oder her, von wegen fürs Leben gelernt, sic transit gloria mundi und so. Jetzt steht da also eine junge Kornelkirsche auf dem Balkon und wartet auf ihren Platz im Garten, es sind sogar schon viele winzige Früchte dran. Toll. Die Kornelkirsche ist ökologisch super, vielleicht heißt sie deswegen bei den Schweizern auch Tierlibaum. Tierlibaum, wie süß ist das denn! Ich denke mir das übrigens nicht aus, laut Wikipedia sagen die das da wirklich. In Österreich wiederum heißt das Gewächs Dirndlstrauch, aber wo ist da jetzt der Zusammenhang? Warum Dirndl? Rätselhaftes Österreich, nicht nur in der Politik.

Zwei Kornelkirschen wären übrigens besser, liest man jedenfalls, aber in der Schrebergartenanlage wird schon irgendwo eine zweite stehen, vielleicht sogar hinter der nächsten Hecke. Ich habe bei allen Pflanzen, die zur besseren Befruchtung ein zweites Exemplar benötigen, beschlossen, dass dieses zweite Exemplar genau hinter der nächsten Hecke steht. Ich muss jetzt natürlich gut aufpassen, die Leute hinter der nächsten Hecke nicht versehentlich kennenzulernen, sonst könnte diese herrlich einfache Grundannahme nämlich durch zu besichtigende Tatsachen massiv gefährdet werden, und dann müsste ich Pflanzen nachkaufen. Egal, es geht jedenfalls voran.

Dafür scheint aber der Pfirsich hin zu sein, that escalated quickly.

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Und damit gute Nacht.

 

Hühnercontent

The accidental urban gardener

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Die Geschichte der Scherben.

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Kiki Thaerigen hat einen Wirtschaftsteil der GLS Bank übernommen und über die DSGVO geschrieben.

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Und ich habe dort etwas zum Wohnen in der Stadt zusammengestellt.

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Ansonsten leide ich immer noch unter dem Boney-M-Ohrwurm von vorgestern, heute bloß keine weiteren Erzählungen in der Art. Beruhigend aber irgendwie, dass mehrere Menschen das Wort Siptibble sofort erkannten – man ist eben nie der Einzige, mit rein gar nichts.

Nein, kümmern wir uns lieber nicht mehr um Boney M., kümmern wir uns um den Deutsch-Rap. Der war gerade ein wenig in den Schlagzeilen und schön war das alles nicht, was man da lesen musste. Ich möchte mit einer simplen Feststellung ein wenig beruhigend auf die Diskussion einwirken, denn der Deutsch-Rap ist tot, das Thema ist gar keine Aufregung mehr wert. Eine Musikrichtung ist doch recht eindeutig tot, wenn sie in Grundschulen pädagogisch wertvoll aufbereitet wird. In der Grundschule der Söhne singt oder besser spricht man vom Rap-Huhn, und da muss man wirklich ganz tapfer sein. Vermutlich auch als Deutsch-Rapper.

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Es regnet in Hamburg, das ist soweit nicht originell, aber dass die Herzdame und ich morgens begeistert am Fenster stehen und “Ja, Regen! Toll! Mehr!” rufen, das ist ein neues Feature. So ist das also, wenn man einen Garten hat, in dem man Rasen gesät und Grün- und Blühzeug gepflanzt hat.

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Sohn I wurde auf seiner Wunschschule angenommen, haben wir die Aktion Schulwechsel also auch einmal erlebt und erledigt. Bevor er da im August startet, gibt es vorher noch einen Kennenlernabend und dann natürlich auch noch eine feierliche Einschulung. Ich murmele währenddessen immer weiter “Uns hat man damals einfach vor der Tür da abgestellt. Wir hatten ja nichts.”

In diesem Zusammenhang ist der Herzdame und mir neulich übrigens aufgefallen, dass weder sie noch ich jemals krank aus der Schule von sorgenden Eltern abgeholt worden sind, wir unsere Söhne aber gefühlt schon etwa hundertmal dort abholen mussten. Waren wir oder das Lehrpersonal nun damals so tough oder sind die heute in den Schulen alle so überbesorgt, dass sie stets sofort anrufen, wenn einem Kind zwischendurch kurz etwas blümerant wird? Schwer zu sagen. Aber bemerkenswert ist das schon.

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Ich lese gerade “Eine kurze Geschichte der Menschheit” von Yuval Noah Harari, aus dem Englischen von Jürgen Neubauer. Das hatte mir jemand in den Kommentaren hier vor einigen Wochen empfohlen, ich neige ja dazu, mich an solche Empfehlungen zu halten. Und zwar lese ich das als E-Book auf dem Handy und stelle fest: Das Buch ist hervorragend handygeeignet, da kann man auch mal im Fahrstuhl oder in der Kassenschlange mal eben zwei Seiten lesen, da kommt man immer gut und schnell rein, sehr fluffig geschrieben ist das und dabei so interessant, dass man gerne doch noch mindestens vier Seiten weiter lesen möchte. Oder vierzig. Gefällt mir.

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Herzlichen Dank wiederum an U. aus Schwerte, der mir noch einmal einen Zeitungsausschnitt mit Gartenthemen zugeschickt hat. Großartiger Service. Und Dank schließlich auch für die liebe Postkarte aus Schwerin! Das geht ab, das mit der Post aus Orten mit Schw …

Die Herzdame liest: Garden Girls

https://www.instagram.com/p/Bh9mK3Xj24q/?taken-by=hildchen77

So langsam tut sich bei uns im Garten was. Der Bagger ist abgezogen, die Laube bestellt und der Grundriss abgesteckt. Jetzt warten wir nur noch darauf, dass die neue Laube endlich geliefert und aufgebaut wird. Wie es aussieht, haben wir auch einen Termin Anfang Mai.

Jetzt gerade frustriert mich sehr, dass die Kosten für die Verlegung des Stroms in der Laube immer mehr aus dem Ruder laufen. Erst kommt hier noch was zu und dann da noch – und das ganz ordentlich.

Um mich zwischendurch mit etwas Netterem abzulenken, beschäftige ich mich zur Abwechslung mal wieder mit der Inneneinrichtung und dem Anstrich der Laube.

Wie ich vor einiger Zeit hier schon mal geschrieben habe, ist es gar nicht so einfach Inspiration für hübsche Lauben zu finden. Inzwischen habe ich ein paar Instagram-Accounts gefunden, die auch schöne Lauben haben, aber immer noch zu wenig.

Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, dass ich vom Callwey-Verlag das frisch erschienene Buch „Garden Girls – 20 Frauen und ihr Traum von der eigenen Laube“ zum Rezensieren geschickt bekommen habe.

Das Buch wurde von Jana Henschel geschrieben, die Fotos sind von Ulrike Schacht. Wie der Titel schon sagt, haben die beiden 20 Gärtnerinnen in ihren Schrebergärten besucht, von denen auch viele selbst über ihre Gärten bloggen (also noch mehr Inspirationen).

Foto: Ulrike Schacht

Ich finde, sie haben bei den Gärten eine tolle Auswahl getroffen und man findet viele umsetzbare Ideen. Auf jeder zweiten Seite denke ich mir „das will ich auch, und das und das und das auch …“. So viele Gärten kann ich gar nicht bewirtschaften, um alles umzusetzen, was mir gefällt.

Im Gegensatz zu den meisten Interieur-Magazinen und -Büchern ist dieses Buch aber nicht nur schön, sondern auch äußerst praktisch. Sonst findet man meistens zwar hübsche Ideen, aber nichts davon kann man umsetzen, weil einem gerade das Industrieloft, das Landhaus oder das nötige Kleingeld für entsprechende Designklassiker fehlt.

Hier nicht! Hier findet man neben Bezugsquellen für bezahlbare Lauben auch detaillierte Farbangaben zum sofortigen Farbkauf und zum Losstreichen. Wie toll ist das denn bitte? Das hat mich echt begeistert. Genau das, was ich brauche, wenn ich eine neue Laube plane oder renoviere.

Foto: Ulrike Schacht

Jede Gärtnerin hat auch einen DIY-Tipp sowie ein Lieblingsrezept für die eigene Ernte beigesteuert. Die DIY-Tipps müssen noch warten, da habe ich aktuell keinen Nerv zu, aber Annas Apfeltarte mit karamellisierten Walnüssen steht schon auf meinem Speiseplan (wenn auch noch nicht von eigenen Äpfeln). Janines Giersch-Pesto ignoriere ich mal, ich habe so einen Hass auf Giersch, ich würde es nicht runter bekommen. Auf der anderen Seite, seinen ärgsten Feind einfach aufzuessen …?

Foto: Ulrike Schacht

Zum Schluss gibt es noch eine Reihe praktischer Tipps, wie man den Garten und die Laube schöner gestaltet, welches der beste Rasenmäher ist, wie man Schnecken und Unkraut loswird oder wie das mit der Toilette im Garten funktioniert. Außerdem kommen noch ein paar Profis zu Wort und erklären, wie man an einen Schrebergarten kommt, fette Beute macht oder was man beim Laubenbau beachten muss.

Alles in allem nicht nur ein schönes, sondern auch sehr hilfreiches Buch.

Und hier noch ein paar Instagram-Accounts mit hübschen Lauben:

https://www.instagram.com/lust_auf_laube/
https://www.instagram.com/fraumeise.de/
https://www.instagram.com/_neon_beige_/
https://www.instagram.com/summerhouselindenlane/
https://www.instagram.com/picturesofmygardendatscha/

The siptibble

Wenn ich in den Garten fahre, komme ich an einem Bordell vorbei. Endlich mal wieder ein interessanter Einstieg in den Text, nicht wahr, das wurde auch Zeit. Es ist wohl sogar Hamburgs größtes Bordell, wenn ich die Pressemeldungen zur Eröffnung recht erinnere. Aber keine Sorge, das wird hier keine private Beichtstory, ich assoziiere hier gleich nur ein wenig herum, weil das Bordell nämlich einen Namen hat, der Name lautet Babylon. Babylon wie Sündenbabel, haha, geiler Name, voll deep. Aber immer noch besser als das andere Bordell, an dem ich auf dem Weg zur Arbeit vorbeikomme, das heißt nämlich, kein Scherz, Geiz-Oase, und wenn das mal nicht der ultimativ schlimmste Name für so eine Einrichtung ist.

Babylon jedenfalls soll also nach Sünde klingen, das klappt bei mir aber nicht, denn immer, wenn ich da vorbeiradle, denke ich an zwei ganz andere Verbindungen, keineswegs an die Sünden des Fleisches, wenn ich das mal so katholisch ausdrücken darf. Wobei ich da ganz kenntnislos bin, also beim Katholischen, nicht beim Fleisch.

Ich denke nämlich erstens, Bildungshuber der ich bin: “Die Mitternacht zog näher schon, in stummer Ruh lag Babylon.” Das ist der Anfang von Heinrich Heines Belsazar, den ich ich irgendwann einmal komplett aufsagen konnte, es ist allerdings schon eine ganze Weile her. Ist Ihnen einmal aufgefallen, dass es in der ersten Zeile in rheinischer Betonung ”schonn” heißen müsste, damit es sich ganz korrekt reimt? Oder in der zweiten Zeile norddeutsch gedehnt Babyloon? Ja, der Heine. Auch so ein Filou. An dieser Stelle muss für die neuzugestiegenen Leserinnen noch einmal an den vielleicht besten Zweizeiler von Erich Mühsam erinnert werden: “Der ist ein großer Schweinehund, dem je der Sinn für Heine schwund.” Aber ich schweife ab.

Assoziativ jedenfalls ist der Belsazar natürlich völlig falsch, wenn man es einmal unter dem Bordellmarketinggesichtspunkt betrachtet, denn das Ende des Gedichts ist ja eher unerfreulich in Sachen Lohn der Sünde, Lust bekommt man da nicht. Mene mene tekel uparsin! Das möchte man ja nicht.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht

Von seinen Knechten umgebracht.

Die andere Assoziation bezieht sich auf Boneys M., die Älteren erinnern sich. Bei dem Song “Rivers of Babylon” war ich zwölf Jahre alt und es war einer der ersten Songs, die ich mitsingen konnte, ohne ihn recht zu verstehen, denn die Top-Schlagertexthefte hatte ich da noch nicht für mich entdeckt, das dauerte noch etwa zwei Jahre. Also ein paar Zeilen verstand ich bei dem Lied schon, es lief auch sehr oft im Radio und in Musicboxen, da hatte man viel Gelegenheit, sich dem Text wieder und wieder anzunähern. By the rivers of Babylon, there we sat down, das ging doch ganz einfach los. Dann wurde es leider etwas unklar, und dann wurde es völlig unverständlich. Schließlich die Männerstimme, da verstand ich plötzlich wieder etwas – let the words of our mouth and the meditations of our heart … und dann kam “be a siptibble in … ja in was? Und was zum Teufel war denn eigentlich ein siptibble?

Das Wort “acceptable” kam in meinem Vokabular damals noch nicht vor, also sang ich eben stur vom siptibble, man konnte nämlich auch ohne brauchbares Bild von etwas singen. Und tanzbar war das auch, aber hallo.

Let the words of our mouth and the meditations of our heart

Be acceptable in thy sight here tonight.

Ich erlebe das jetzt wieder bei den Söhnen, dass sie ganze Songs mitsingen können, die sie gar nicht verstehen, manchmal sogar nicht einmal den Refrain. Und weil die Welt sich seit meiner Kindheit weitergedreht hat, ist es bei ihnen etwas anders als bei mir, sie singen nämlich auch spanischsprachige Songs mit. 1978 aber war der Latinpop noch nicht einmal erfunden – oder er hatte es zumindest noch nicht bis Lübeck geschafft, das kann natürlich auch sein.

So radele ich also auf dem Weg zum Garten an dem großen Bordell vorbei und denke an Heinrich Heine und an meine Kinder, das ist so sicher nicht beabsichtigt. Es ist vermutlich wirklich schwierig, so einen Laden anziehend zu benennen, wenn man mal drüber nachdenkt. Auf dem Weg ins Heimatdorf der Herzdame fahren wir an einem Bordell in irgendeinem Dorf in Niedersachsen vorbei, das heißt “Romantik-Treff”. Ist das nicht wahnsinnig traurig? Einen Ort ausgerechnet nach dem zu benennen, was da sicher nicht ist? Der Name könnte glatt in einem Element-of-Crime-Song vorkommen, so traurig ist der. Vielleicht gibt es auch einen Romantik-Treff in Delmenhorst, doch, das würde ganz gut passen.

Wenn ich in den Garten fahre, komme ich an einem Bordell vorbei. So könnte auch eine Kurzgeschichte beginnen. Aber heute nicht.

Frühling, Rausch

Markus über einen Tweet über Stress. Der Mensch an sich kommt also schon länger zu nichts.

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Wir haben zwei Tage komplett im Garten verbracht, weswegen ich jetzt meine Arme kaum noch bewegen kann. Erdarbeiten und Gehwegplatten von links nach rechts räumen, das war gar nicht so einfach. Genau genommen habe ich die Platten erst von links nach rechts und dann noch nach weiter hinten geräumt, weil sie mir rechts nach einiger Bedenkzeit auch nicht gefielen. Habe mir vorgenommen, bei Gehwegplatten künftig etwas länger über die Stapelstandortwahl nachzudenken.

Ich habe außerdem die Beete für Kürbis und Zucchini vorbereitet, wir nähern uns immerhin Mitte Mai, dann geht es los. Eventuell liegen die Flächen allerdings einen Tick zu schattig, wir werden sehen. Also Sie sehen das dann, wenn Sie hier keine Erntebilder sehen, ganz einfach. Aber egal, ich bin Anfänger, ich darf alles falsch machen. Ich weiß ohnehin noch nicht, was in diesem Garten wo funktioniert, wir kennen bisher nicht einmal zu jeder Jahreszeit den Lichteinfall. “Do you see the light?” Die Blues Brothers, man hat so Assoziationen.

Sohn II hatte Besuch im Garten, einer aus seiner Klasse war am Sonntag da. Die beiden haben sich dann auch ein Beet angelegt, zwei sehr engagierte Nachwuchsgärtner. Sie haben sich ein passendes Plätzchen gesucht, das ich ihnen leider verwehren musste, weil sie dort für ihr Gemüsebeet erst einmal die gerade blühende und betörend duftende Magnolie umhauen wollten, die stand ihrem Vorhaben etwas im Weg. Wir haben dann gemeinsam ein besseres Fleckchen gefunden, das allen geeignet schien. Und sie saßen auf dem Rasen und wühlten sich mit Feuereifer durch meine Saatgutkiste, auf der heiklen Suche nach für beide irgendwie essbar klingendem Gemüse. Als ich an ihnen vorbeiging, sagte der Kumpel des Sohnes gerade: “Dein Vater weiß aber schon, dass man bei Saatgut keine F1-Hybriden kaufen sollte?”

Das Kind ist acht Jahre alt, sein Vater hat natürlich auch einen Garten, da wachsen Experten heran. Sie haben sich übrigens nach endloser Suche auf Schnittknoblauch geeinigt, weil geht auf Brot. Und auf Sonnenblumen, weil groß. Fallen Sonnenblumen unter Gemüse? Da standen sie dann irgendwann drüber, über dieser Frage, und da standen sie gut.

Die Herzdame arbeitete währenddessen im freundlichen Aprilsonnenlicht, sie trug ein neues Oberteil mit Blümchendruck und sah hinreißend aus, wie sie da vor dem neu angelegten Blühstreifen Steine aus dem Grund harkte, man lernt sich mit einem Garten auch in ganz neuen Posen kennen. Neben ihr die erblühenden Tulpen und die leuchtende Forsythie, ein Bild zum Verlieben. Und wenn man das schon denkt, dann kann man es ja auch machen.

Ich: “Würdest du mich eigentlich noch einmal heiraten?”

Die Herzdame ”Ach, na ja. Unterm Strich hat es sich doch halbwegs bewährt.“

Denn die Leidenschaft der Nordostwestfälinnen im Frühling, das darf man nicht vergessen, sie ist eine wahre Naturgewalt.

Freie Tage

Ich habe vor einiger Zeit eine neue Kalender-App auf meinem Handy installiert. Das habe ich ab und zu anfallsartig, dass ich denke, mit einer neuen Kalender-App klappt künftig alles besser, ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit To-Do-Listen-Apps, ich bin da anfällig. Ach komm, machste mal, und ab morgen haste dann alles besser im Griff, den Alltag, das Leben, die Jobs. Ich mag neu installierte Apps dieser Art sehr, solche Apps, in die man dann feierlich einen ersten Termin und ein erstes To-Do einträgt, Montag zum Kinderarzt und Milch kaufen, dann lehnt man sich zurück und denkt: Geht doch. Wirklich sehr übersichtlich, so etwas.

Das Gefühl kenne ich übrigens noch aus meiner Kindheit, das hatte ich bei jedem neuen Schulheft, in dem ich dann die erste Seite in angestrengtester Schönschrift gefüllt habe, immer mit dem Gedanken im Kopf: Ab jetzt bist du gut. Gut und strebsam. Und ordentlich. Und überhaupt viel brauchbarer als bisher. Aber so kam es dann natürlich nicht, zwei Seiten weiter entglitt mir die Schönschrift schon wieder zur gewohnten Sauklaue, waren die Häuser vom Nikolaus wieder am Rand und auch “Franka ist doof” sowie die wenig schmeichelhaften Lehrerporträts, Kulikritzeleien. Es war hoffnungslos.

Apps dagegen werden nicht unordentlich, Apps werden nur uninteressant, das ist eigentlich netter und nicht ganz so demütigend. Man trägt einfach nichts mehr in den Kalender ein, man erfasst einfach keine To-Dos mehr – und das war es dann. Irgendwann löscht man die App, wenn man denn mal dazu kommt. Die aktuelle Kalender-App jedenfalls schickt mir Tagesbriefings, das ist eine ganz feine Sache. Denn da ich in den Kalender natürlich wieder nichts eintrage, bekomme ich jetzt jeden Morgen pünktlich um sieben Uhr eine Nachricht aufs Handy, sie hat den wunderbaren und jeden Tag zu feiernden Wortlaut: “Sie haben heute einen freien Tag.”

Jeden Morgen eine fette Lüge also. Aber eine schöne. Ich lösche diese App noch lange nicht.