Gelesen im März

Da wird in den letzten paaar Tagen sicher nichts mehr dazukommen, zu viele der Bücher sind noch gar nicht durchgelesen, da kann ich die sehr winterliche Liste ruhig jetzt schon vermelden.

Robert Louis Stevenson: “Der Master von Ballantrea – eine Wintergeschichte.” Neu übersetzt von Melanie Walz. Ach, was schön. Was wunderschön. Aus heutiger Sicht ein Abenteuerbuch, aber erster Klasse. Im Grunde müßte man es an einem Kamin lesen, mit einem leise schnarchenden Jagdhund daneben und ein paar Geweihen an der Wand, aber na gut. Man muss auch mit suboptimalen Lösungen wie etwa einer Zentralheizung zurechtkommen können. Eine Heizung braucht man allerdings, in der Szenerie ist es kalt. Aber noch einmal: was ein schönes Buch.  Große Charaktere, schwere Schicksale, beredte Rahmenerzähler mit kratzender Feder bei Kerzenlicht.  Ganz große Literatur, ganz müheloses Lesen. Hervorragende Winterlektüre, das passt also vermutlich noch wochenlang.

Jonathan Franzen: “Weiter Weg – Essays”, diverse Übersetzer. Ich glaube, ich verstehe ihn einfach nicht. Der Mann ist außerdem ein wenig arrogant, ist er nicht? Oder bin ich überempfindlich? Wieder weggelegt. Aber vielen Dank an Pia Ziefle für die überaus freundliche Zusendung jedenfalls!  Eine Revanche ist postalisch unterwegs und ich bin sehr gespannt auf ihre Meinung dazu.

Luigi Pirandello: “Sechs Personen suchen einen Autor”. Also das geht nun einfach überhaupt nicht, wirklich völlig unlesbar, was für ein Desaster. Allerdings nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern nur weil meine Arme dafür schlicht nicht lang genug sind. Reclam-Heftchen ohne Lesebrille sind dann doch zu anstrengend geworden. Demnächst mal beim Optiker vorbeigehen! Das Buch würde mich dann schon noch interessieren.

Gerhard Henschel: Jugendroman. Die Fortsetzung vom Kindheitsroman und ich bin immer noch begeistert. Grandios, wie aus der bruchstückhaften Kleinkindperspektive des ersten Bandes langsam eine andere Darstellung erwächst, wie das Bild immer schneller, in immer flotteren Strichen weiter gemalt wird. Ich glaube tatsächlich, näher sind mir die westdeutschen 70er Jahre literarisch noch nie  gekommen. Keine Ahnung, ob man vielleicht dabei gewesen sein muss, um es so zu verstehen, das ist mir auch egal. Wie diese Familienbeziehungen mit jedem Kapitel deutlicher hervortreten, wie die Gesellschaft immer mehr wahrgenommen wird und immer deutlicher Geschichte stattfindet, das ist schon sehr überzeugend.

Gerhard Henschel: Liebesroman. Die Fortsetzung vom Jugendroman. In diesem Band ist man dann endgültig nicht nur bei der Liebe, sondern auch bei der Politik und Kultur angekommen. Der Heranwachsende interessiert sich für vieles, was unerreichbar ist und findet, man erkennt sich da sofort wieder, alles – aber auch wirklich alles – langweilig, was für ihn erreichbar ist. Und zwar entsetzlich langweilig. Das vergisst man leicht, als Erwachsener, diese endlose, unfassbare Langeweile der pubertären Zeiten, in denen alles doof war, farblos, grau, zäh und bleiern, wir reden hier, versteht sich, über Zeiten ohne Internet, womöglich ist das heute anders. Wir hatten ja nix! Das Kaff, in dem man wohnte, die blöde Sippe, in die man hineingeboren wurde, die dämlichen Nachbarn, die nervtötenden Mitschüler, das maue Fernsehprogramm, das Gesabbel im Radio, Himmel, wie grauenvoll war das. Diese sehr spezielle Art der schlechtgelaunten Langeweile der Adoleszenz unterhaltsam zu schildern, das ist auch eine Leistung. Und was für eine. Natürlich ist es aber auch faszinierend für Menschen, die in etwa zur Generation des Autors gehören, dieses Hineinwachsen in die Gesellschaft noch einmal nachzulesen. Wie man damals ganz allmählich mitbekam, wie die Politik lief. Die mordende RAF, der pöbelnde Franz-Josef Strauß, der grantelnde Wehner, endlos verhandelnde Gewerkschaftsbosse, unfassbar öde Tagesschaubeiträge über irgendwas in Bonn. Verbiesterte Altnazis in allen Positionen, junge Langhaarige dagegen, das klingt schon so, als wäre es im Geschichtsbuch irgendwo ganz hinten, dabei war es doch gerade erst gestern. Konkret und die National-Zeitung fast nebeneinander am Kiosk. Ich kann das nicht ohne Nostalgie lesen, selbstverständlich war ich damals auch links, was sonst, da ähneln sich die Erfahrungen schon sehr. Die geschilderten Wahlplakate habe ich noch vor Augen, die haben meine Eltern damals sogar aufgehängt, der Vater die CDU-Variante, die Mutter die SPD. Abgesehen von der literarischen Glanzleistung sind die Bände auch als Geschichtsunterricht allemal auch eine Empfehlung wert, und zwar eine dringende.

Gerhard Henschel: Abenteuerroman. Die Fortsetzung vom Liebesroman und der letzte Band der Reihe. Die Hauptfigur zieht nach dem Abitur in die Welt, ähnlich planlos wie ich damals. Der Roman läßt einen mit dem großen Problem zurück, dass es noch keinen fünften Band der Reihe gibt. Verdammte Sauerei.

Alan Bennett: Schweinkram – zwei unziemliche Geschichten. Deutsch von Ingo Herzke:  Entzückend. Nein, eigentlich müsste man sagen: fein. Ein durch und durch feines Buch. Und wenn der Herr Bennett ein Schwein ist, dann ein betont feines Schwein. Und der Herr Herzke, der übersetzt bekanntermaßen ganz großartig. Mit großem Vergnügen gelesen. Dazu hat auch Isa was geschrieben, by the way.  Und wer Freude am Gebrauch des aussterbenden Semikolons hat, der hat in diesem Buch ein Reservat zu entdecken, in dem es der Gattung noch verblüffend gut geht; man könnte fast eine Auswilderung in Angriff nehmen.

Kim Leine:  Die Untreue der Grönländer. Deutsch von Ursel Allenstein, eine preisgekrönte Übersetzung: Eigentlich nur aus Trotz  angefangen, weil der Titel so gut zum Hamburger Frühling passt, dann aber auch gleich sehr angetan gewesen. Ein ruppiges Buch mit ziemlich direkten Geschichten. Das rempelt einen gleich an und geht dann gut und laut weiter. Hartes Leben, harter Stoff, harterHumor. Es lebt, liebt und stirbt sich darin wie nebenbei, saukalt ist es natürlich auch und wer skandinavischen Film mag, der wird auch dieses Buch lieben. Also ich zum Beispiel.

Lew Tolstoj: Kreutzersonate. Deutsch von Arthur Luther. Bisher habe ich nur die ersten paar Seiten gelesen, auch dieses Buch wurde quasi aus meteorologischen Gründen beleidigt aufgeschlagen. Les ich eben Winter weiter, wenn es keinen Frühling gibt. Mir doch egal! Nach den ersten Seiten zu urteilen werden die Figuren interessant, auf die philosophischen und sozialen Erörterungen könnte ich gerne verzichten. Aber eine schöne Rahmenhandlung – und ich mag Rahmenhandlungen, um einmal eine klare Minderheitenmeinung zu vertreten.

Eduard von Keyserling: Abendliche Häuser. Ich schätze ihn ja sehr, den Herrn von Keyserling, und ich lese immer wieder in seine Bücher hinein. Es macht ruhige Gedanken, manierlichen Stil und durchdachte Wortwahl, so etwas zu lesen, das ist einer der Autoren, bei denen ich tatsächlich immer ein wenig hoffe, dass etwas von seinem Schreiben auf mich abfärbt. Und das tut man ja nicht gerade bei jedem Schriftsteller. Die Sujetwahl natürlich vollkommen veraltet, deutschsprachiger baltischer Adel, das ist ein Weilchen her. Unwirklich und weit weg, wie griechische Tragödien. Menschen, die sozial ganz weit oben stehen und dabei völlig unfähig zu irgendeinem Glück sind. Aber so plastisch beschrieben, dieses ausgestorbene Milieu, als könne man hineinsteigen, als führe man nachher, in der Dämmerung, zur Baronesse hinüber zum Tee. Wenn denn die Wege nur gut genug für die Pferdeschlitten sind, man weiß es nicht, in diesen ungewissen Zeiten, es soll ja auch Frühling werden, irgendwann.  Aber solange es schneit, lese ich noch ein wenig weiter. “Auf Schloß Paduren war es recht still geworden, seit so viel Unglück dort eingekehrt war. Das große braune Haus  mit seinem schweren, wunderlich geschweiften Dach stand schweigsam und ein wenig mißmutig zwischen den entlaubten Kastanienmbäumen. Wie dicke Falten ein altes Gesicht durchschnitten die großen Halbsäulen die braune Fassade. Auf der großen Freitreppe lag ein schwarzer Setter, streckte alle vier von sich und versuchte sich in der Novembersonne zu wärmen.”

 


Woanders – Der Wirtschaftsteil

Der Begriff “nachhaltig”, der ist, was meinen Sie wohl, wie viele Jahre alt? Fünfzig? Hundert? Nein, er ist noch viel älter. Dreihundert Jahre! Geprägt vom sächsischen Förster Hans Carl von Carlowitz im Jahr 1713, da darf man ruhig etwas staunen. Im Deutschlandradio Kultur erschien zum Begriffsgeburtstag ein Interview mit einem Experten.

Armut in Deutschland, da gab es doch neulich gerade erst Streit um die Definition? Hans-Ulrich Wehler hat ein Buch über soziale Ungleichheit in Deutschland geschrieben, in der FR kann man dazu ein Interview mit ihm nachlesen, es enthält ein paar interessante Kennzahlen. Und es liest sich gar nicht so, als sei es vor Drucklegung von der Bundesregierung überarbeitet worden.

Das Reisen mit der Bahn ist sehr umweltfreundlich, gar keine Frage. Allerdings sind Bahnfahrten mit erheblichen Belastungen verbunden, Mitreisende genannt, die ein enormes Risiko für die Nerven darstellen. Nico Lumma hat da einmal einen sinnvollen Vorschlag, wie Bahnreisen wesentlich attraktiver werden können.

In der Zeit geht es um den Gender Pay Gap oder, wenn das zu modern klingt, um die immer wiederkehrende Frage, warum Frauen schlechter bezahlt werden als Männer. Siehe dazu auch bei kleinerdrei.org. Und wenn jemand an der Gehaltslücke dann doch noch irgendwelche Zweifel hat – die können hier ganz elegant durch Fakten aufgelöst werden.

Wenn der Chef am Jahresende eine schwarze Null ganz zufrieden für ein gutes Ergebnis hält, dann ist man wohl in der Kulturbranche, etwa bei einem Verlag. Der Chef des Verlags Matthes & Seitz ist promovierter Philosoph und gelernter Buchhalter –  welches Programm kommt dabei wohl heraus? Das kann man hier in der NZZ nachlesen.

Von der Buchbranche ist es nicht weit zu den Medien und für die Menschen dort gibt es vom Berufsverband Freischreiber ein neues Blog, in dem man nachlesen kann, was freie Journalisten verdienen.  Mit teils erschütternden Beispielen.

Und wenn man in diesem Freischreiberblog genug kleine Zahlen gelesen hat, kann man hier zur Abwechslung ein paar große Summen sehen – die teuersten Apps für Smartphones.  Darunter sogar sinnvolle! Man staunt.

Im Frühjahr 2013 wird es anscheinend keine Gentechnikfreilandversuche in Deutschland geben.  Dafür hat man allerdings bei den Anläufen zur Gentechnik in der Landwirtschaft ganz ordentlich Geld versenkt. Von wegen blühende Landschaften und so.

In der letzten Woche hatten wir einen Zeit-Artikel verlinkt, in dem es um die Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums ging. Mittlerweile gibt es eine Replik auf diesen Artikel. Man liest das – und man möchte sofort in irgendeiner hübschen kleinen Uni in einer attraktiven Stadt Professor sein, finanziell gut versorgt und saturiert, und man möchte diese beiden Zeitungsartikel vielfach fotokopiert an engagierte jungen Menschen austeilen und nur kurz anmerken “Diskutieren Sie” – und sich dann zurücklehnen und genußvoll zuhören und hoffen, dass der akademische Nachwuchs mit Anlauf in die richtigen Schwachstellen des zweiten Textes grätscht. Oder doch des ersten? Ein wunderbares Thema.

GLS Bank mit Sinn

 

 

J.

Ich habe vor Monaten einmal über meine Freundin J. geschrieben, einige erinnern sich vielleicht, die Offline-Freundin. Das war dieser Text hier.

Mein letztes Buch hat sie im Winter erst gelesen, wir hatten uns vorher ziemlich lange nicht gesehen, sie war auf Reisen. Sie hat es dann vielfach zu Weihnachten verschenkt und war sehr begeistert davon. Sie konnte sich wie kein zweiter Mensch für etwas begeistern, auf eine äußerst eigensinnige Art, vollkommen unbeeindruckt von all den anderen Meinungen in der Welt. Wenn sie etwas toll fand, dann war es über jeden Zweifel erhaben. Sie hat gesagt, ich müsse unbedingt mehr schreiben, viel mehr, vor allem mehr Bücher, und ich hab “ja, ja” gesagt. Was man eben so sagt, wenn man nicht recht überzeugt ist. Jedesmal, wenn wir uns trafen, fragte sie, warum ich nicht mehr schreiben würde. Sie hat nie verstanden, dass ich neben dem Schreiben auch noch andere Dinge für Geld tue, das hätte sie selbst nie getan. Sie hat dann die Kinder als Entschuldigung dafür akzeptiert, aber nur widerstrebend. Warum machen alle Leute immer Sachen, die sie gar nicht wollen? Sie hat sich dieser Mehrheitsfraktion nie angeschlossen. Sie hat immer radikal und kompromisslos ihr Ding gemacht, glühend und leidenschaftlich und völlig vernagelt und immer in irgendwas verliebt und verrannt und verloren. Was für ein Charakter.

Ihre Freundschaft war immer mehr als nette Anteilnahme am anderen, sie war ein wirklich intensiver Mensch. Wenn man sie traf, dann wusste man gleich, die ist seltsam, die ist nicht wie andere, die ist nicht irgendwer. Ich habe andere Freunde, die sie nur vor zehn oder noch mehr Jahren ganz kurz gesehen haben, die wissen bis heute ganz genau, wer das war. Wenn sie jemanden mochte, dann war ihre Begeisterung, als würde einem ein ganzes Stadion zujubeln, und Ihre Freundschaft war, ach, das kann man gar nicht sagen. So viel. Was hatte ich Glück.

Heute haben wir sie beerdigt, sie wurde nur 43 Jahre alt. Von ihrem Tod habe ich erst durch einen Brief erfahren, natürlich, wie hätte es auch anders sein können. So ein Brief mit schwarzem Rand, den man aus dem Kasten holt und dann starr stehen bleibt, minutenlang. Den man dann aufmacht und in dem man liest, was man ohnehin schon verstanden hat und den man dann lange, lange ansieht. Immer wieder.

Ich hoffe, ich kann mir ihre Begeisterung noch lange vorstellen. Ich habe manchmal Geschichten geschrieben und zwischendurch gedacht, das hier, das wird sie bestimmt gut finden, und dann konnte ich beim Schreiben schon lachen, weil ich mir ihr Gesicht vorgestellt habe und ihren Blick und ihre Hand auf meinem Arm.

Ach.

Ach.

Ich muss mir das weiter vorstellen. Und mehr schreiben. Vielleicht hilft es und es hätte ihr sicher gefallen und doch, das kann sehr motivierend sein, so eine Vorstellung. Fast wie eine Hand auf dem Arm. Und nach Beerdigungen soll es ja gut sein, etwas zu tun zu haben. Und einen Schnaps.

Prost. To absent friends.

Integration für Anfänger

Als ich die Söhne heute zur Kita brachte, habe ich noch ein wenig bei ihnen im Spielraum gesessen, weil ich viel zu früh war und die Erzieherinnen der Gruppe noch etwas zu besprechen hatten. Ein neues Kind, das gerade erst nach Deutschland gekommen und auch erst seit gestern in der Kita ist, kam zu uns und sprach uns an. Ein sehr gut gelaunter Junge war das, ausgesprochen munter, offensichtlich fand er die aberwitzige Fremdheit der Umgebung gar nicht einschüchternd, sondern eher amüsant. Ein Junge aus dem portugiesischen Sprachraum, aus Brasilien vielleicht. Er redete auf uns ein, ein melodiöser portugiesischer Wortschwall, von dem wir kein Wort verstanden. Dann sah er uns erwartungsvoll an, kichernd und glucksend. Wir schüttelten die Köpfe. Er redete weiter und weiter, ab und zu machte er Pausen, um uns die Gelegenheit zu geben, etwas zu sagen, aber wir verstanden natürlich weiterhin gar nichts.

Dann erklärte ihm Sohn II, dass wir nichts verstehen würden und Sohn I sagte, dass sich das ein wenig wie Portugiesisch anhöre, was er da redete, und dass es noch einen anderen Portugiesen in der Kita gebe. Natürlich verstand der Junge auch das nicht. Die drei Jungs redeten durcheinander, Sinn ergab das alles nicht. Weitere Kinder kamen dazu, das Sprachgewirr wurde noch ein wenig bunter, polnischer Akzent, spanischer Akzent, der andere Portugiese war allerdings noch nicht dabei. Dann sagte der Junge einzelne Wörter, er nahm einen Stuhl hoch und sagte das portugiesische Wort dafür. Und Sohn I sagte Stuhl auf Deutsch und dann schüttelten beide den Kopf, denn das passte nun wirklich überhaupt nicht zusammen. Sie versuchten, sich die Wörter nachzusprechen, was große Heiterkeit bei den Umstehenden auslöste. Dann klopfte der Junge auf den Tisch, auf den Boden und an die Tür, er sagte die Vokabeln dazu in seiner Sprache ganz langsam und Sohn I antwortete ebenso langsam auf Deutsch und es klang alles sehr, sehr verschieden.

Schließlich hatte der Junge eine Idee, er kramte in seinen Sachen und holte eine Kinderzahnbürste aus den Tiefen seines Rucksacks. Er hielt sie strahlend hoch, zeigte auf das Bildchen darauf und sagte: “Spongebob!” Und die Söhne sagten sehr angetan auch “Spongebob!” und die anderen Kinder riefen ebenfalls “Spongebob, Spongebob!” Der Portugiese sagte das Wort durchgehend stimmhaft, wie es auch ein Franzose aussprechen würde, es war ein ganz weiches Wort, und die deutschen Kinder sagten es zischend und hart, Sssspontschbop, es klang etwas anders, aber es war doch ganz nah dran. Spongebob war eben Spongebob, da waren sich alle einig. Und Spongebob ist natürlich super. Sohn I sagte “Zahnbürste” und der neue Junge sagte feierlich “Sanbusde” und dann musste ich los.

Positiv auf den anderen zugehen, Gemeinsamkeiten suchen und beachten, ein wenig Geduld. Ist eigentlich ganz leicht. “Babyeierleicht”, wie die Kitakinder in solchen Fällen gerne sagen. Ein wichtiges Wort in ihrem Sprachgebrauch, das der neue Junge vermutlich schon in wenigen Tagen oder Wochen kennen wird. Ein Wort randvoll mit Vokalen, das können Portugiesen gut.


Spätere Heirat nicht ausgeschlossen

Sohn I ist verliebt. So verliebt, wie man mit 5 Jahren nur sein kann, und das ist gar nicht wenig. Er beurteilt die Kindergartentage nach der Anwesenheit der Angebeteten, er spricht viel von ihr, er vermisst sie heftig, wenn sie sich rar macht. Er zieht neuerdings sogar ernsthaft in Erwägung, sie später zu heiraten. Heiraten ist schön, da kann man nämlich eine richtig große Party geben, mit allen Freunden, und dabei sehr laut genau die Musik hören, die einem gefällt. Und zwar so lange man möchte, sogar nachts! Das ist ja nun wirklich eine reizvolle Vorstellung. Da kann man dann auch in Kauf nehmen, dass sich der Rest des Tages nur um das Kleid der Braut zu drehen scheint, was er nicht so richtig spannend findet. Aber nach dem Heiraten, da könnte man dann immer zusammen sein, richtig für immer,  das Konzept hat er so weit verstanden. Und das lockt tatsächlich. Man würde zusammen leben, vielleicht sogar Kinder kriegen, warum auch nicht. Dann könnte man Vater-Mutter-Kind spielen, sogar jahrelang. Er könnte ja Papa spielen, sagt er, und seine Frau könnte Mama spielen. Und man brauchte nicht einmal Puppen dafür, wenn man dann echte Kinder hätte, sehr praktisch. Im Grunde ist die Zukunft rosig.

Die Sache hat nur einen Haken. Er kann dem Mädchen nicht sagen, dass er sie liebt. All die schönen Zukunftsträume, er kann sie nicht zu zweit träumen. D.h. er könnte schon, theoretisch. Denn das Mädchen scheint ihn auch toll zu finden, das ist nicht zu übersehen. Aber dennoch, die Liebe zu gestehen, das geht beim besten Willen nicht, das muss man verstehen. Denn dann würde sie ihn womöglich küssen wollen, wie eklig ist das denn bitte. Schon von dem Gedanken wird ihm ganz anders. Heirat, Kinder, Zukunft, alles gerne, alles am besten gleich – aber Küssen, nein, also wirklich.

Wir wollen nicht übertreiben.

(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)


Last order

Hamburgnahe Menschen wollen bei der Wochenendeplanung vielleicht diese Lesung mit mir bedenken – morgen nachmittag in Hamburg-Hamm. Es ist rattenkalt draußen, da kann man  lieber reingehen und sich etwas vorlesen lassen, nicht wahr.

Lassen Sie sich von der Sonne draußen nicht täuschen oder zu Spaziergängen verführen, das ist gar nicht die echte Sonne, die wärmt gar nicht.

Lieblingskinderbücher – die Auswahl von Sohn II

Während Sohn I ein Büchervielfraß ist, der Unmengen konsumiert, liest Sohn II nur wenige Bücher, die dann aber immer wieder. Seine Lieblingsbücher sind also wirklich seine Lieblingsbücher, über Monate hinweg, da war die Auswahl auch ganz leicht. Bei Sohn I dagegen ist ein Lieblingsbuch vielleicht nur zehn Minuten lang ein Lieblingsbuch. Das hier ist also eine wesentlich verlässlichere Liste.

Untitled

Linde Knoch, Christiane Lange, Meike Teichmann: Die Zaubermühle oder wie das Salz in das Meer kam, ein friesisches Märchen auf plattdeutsch und hochdeutsch/ De Zaubermöhl oder wie dat Solt in de Nordsee kam, een freesch Määrken op Plattdütsch mit Hochdütsch: “Weil da ein böser Kapitän drin ist und ein  Leuchtturm und ein Schaf und eine Kaffeemühle.”

Juija Wieslander, Sven Nordquist, übers. von Angelika Kutsch: Mama Muh braucht ein Pflaster: “Weil die Kuh ausrutscht und ein bißchen  blutet, aber nur ein ganz bißchen, und da braucht sie ein Pflaster, darum geht es. Das ist lustig.”

Ruth Sonneborn/Eric Gurney: Jemand frisst die Sonne auf :  “Weil es da ganz dunkel wird, aber die Sonne ist in Wahrheit gar nicht weg, der Mond ist da nur davor, das nennt man Sonnenfinsternis, das weiß ich alles schon, das weiß ich alles, alles.”

Zehn kleine Kätzchen (ein Erbstück aus der Kindheit der Herzdame, keine Verfasserangaben, charmantes Design aus den Siebzigern oder noch früher): “Weil da sehr schöne Katzen drin sind. “

Zdenek Miler: Der Maulwurf rettet das Häschen: “Weil der Hase sich verläuft und der Maulwurf bringt ihn zu seiner Mutter und das weiß der Hase auch und der Maulwurf weiß, wo die Mama wohnt und am Ende ist alles gut.”

Gunilla Bergström, übers. von Anna-Liese Kornitzyk: Mehr Monster, Willi Wiberg!: “Weil da Messer drin sind und ein Dreistiefler und ein Monster.”

Peggy Rathmann: Gute Nacht, Gorilla: “ Weil der Mann gute Nacht zum Gorilla sagt.”

 

 

Lieblingskinderbücher – die Auswahl von Sohn I

Drüben bei Friederike kann man gerade die fünf Lieblingsbücher ihres Sohnes nachlesen, da kam sie drauf, weil sie selbst selbst vor ein paar Tagen ihre eigene Auswahl von 5 Büchern hier vorgestellt hat. Und das ist natürlich eine großartige Idee, denn warum soll immer nur ich hier meine Leselisten veröffentlichen, das können die Söhne doch auch schon.

Zunächst die aktuelle Auswahl und die Begründungen von Sohn I, der sich für die Liste fast gar keine Vorlesebücher ausgesucht hat, sondern nur solche, die er gerne alleine liest. Also nicht den Text, denn den kann er noch nicht, aber die Bilder. Und einige Buchstaben, immerhin. Er liest sehr viel, sehr lange und ja, auch heimlich mit Taschenlampe unter der Bettdecke. Es wachsen eben trotz aller modernen Entwicklung immer noch richtige Bücherwürmer heran, auch wenn sie nebenbei noch so begeisterte iPad-Nutzer sind.

Untitled

 

Gruselgeschichten für Vorschüler und Erstklässler, diverse Autoren, erschienen in der arsEdition 2005:  “Da sind so Wörter im Text durch Bilder ersetzt und die kann ich dann selbst lesen, das finde ich gut. Und das ist alles mit Drachen und Geistern und Monstern und Grusel und Grusel ist natürlich immer gut. Nur die eine Geschichte mit dem Angeln ist doof, weil Angeln doof ist. Finde ich. Total langweilig.”

Yakari: Neue Geschichten mit den Indianerjungen: “Yakari kommt immer überall durch, das finde ich toll, weil er ja auch mit den Tieren reden kann und immer einen Ausweg findet aus allem oder einen Trick. Ich finde auch immer Tricks. In dem Buch ist auch die Geschichte mit dem dummen Pelikan, das ist die beste von allen Yakari-Geschichten, der stürzt ab und das ist sehr lustig, weil abstürzende Pelikane wirklich lustig sind, das ist so.”

Geheimnisse der Welt: Dinosaurier:  “Das ist mit getöteten Tieren, wo man noch das Blut sieht. Und gejagten Tieren und Jägern und Tieren, die sich gut wehren können, auch gegen große Tiere, und da ist hinten dieses Vergleichsbild mit dem Menschen drauf, da sieht man genau, wie groß die Dinosaurier wirklich waren. Nämlich richtig, richtig groß.”

Ali Mitgutsch: Mein Piraten-Wimmelbuch: “Das sieht man ja gleich, warum das toll ist, mit den ganzen Piraten und richtigen Kämpfen und Menschen die ins Wasser fallen und Guten und Bösen und brennenden Booten und Feuer auf dem Wasser, das ist wirklich mit allem.”

Morris/Goscinny: Lucky Luke – Die Erbschaft von Rantanplan: “In dem Buch verbrennt ein Hotel, das mag ich. Das ist sonst so in keinem Buch. Und die Daltons sind auch gut, besonders der ganz Kleine. Und Lucky Luke ist sowieso gut. Die Hefte mag ich alle. Asterix ist auch gut, aber ich finde gerade keinen.”

Jan Mogensen/Irina Korschunow: Hast Du gut geschlafen, Teddy? “Da fällt ein Teddy aus dem Fenster auf eine Katze und ganz zum Schluß kommt er erst zurück ins Zimmer, mit einer Taube, das ist ziemlich kompliziert. Aber das  Beste ist sowieso, dass der Teddy aus dem Fenster fällt.”

David Henry Wilson (Bilder Axel Scheffler, Übers. Gerda und Helmut Winter): Jeremy James oder Elefanten sitzen nicht auf Autos: “Weil da ein Elefant auf dem Auto von dem Papa von Jeremy sitzt und ein Geschäft darauf macht. Das ist zwar zum Vorlesen, aber wirklich witzig. Das ist eines der witzigsten Bücher hier, glaube ich.”

Die Auswahl von Sohn II folgt morgen.


 

Woanders – Der Wirtschaftsteil

Von Greenpeace gibt es eine aktuelle Aufstellung zu Fischsorten – welche kann man noch essen, welche nur bedingt, welche gar nicht.  Schlichte Schlußfolgerung: Es ist nicht mehr viel übrig. Im Grunde nur Karpfen, das ist die einzige Sorte komplett ohne roten Hinweis. Ausgerechnet Karpfen. Örgs. Da fällt einem der Fischverzicht doch wirklich gleich viel leichter.

“Die Welt wird besser”, das ist eine Schlagzeile, mit der man nicht unbedingt rechnet. Schon gar nicht in der taz. Und schon gar nicht vollkommen ernst gemeint.

Die Welt wird übrigens auch für arabische Frauen besser, hurra! Die haben jetzt nämlich ein speziell für sie designtes Tablet zur Verfügung. Das epad femme, mit vorinstallierten Koch-Apps, Yogakursen und Schwangerschaftskalendern, also mit allem, was man eben so braucht als Frau. Und auch noch sehr leicht zu bedienen, denn die können ja nix, die Frauen, mit ihren süßen Patschehändchen. Klingt wie ein Witz, sieht auch aus wie ein Witz, ist aber gar keiner (englischer Text).

Und die deutschen Frauen? Die wollen einfach arbeiten (sorry, Link kaputt), schreibt Anette Göttlicher und sie schreibt auch, warum das nicht so einfach ist. Das Thema taucht hier häufig auf, wie die Stammleserinnen merken, aber das ist auch sicher völlig angemessen. Der Gegensatz zwischen der Klarheit, mit der die Probleme benannt werden, und der Unklarheit, mit der die Politik antwortet, der wird immer faszinierender.

Nicht alles wird besser, manches bleibt auch schlecht. Wenn z.B. im Leben so viel schief geht, dass man dummerweise kein Girokonto mehr hat, dann hat man ziemlich schlechte Karten – ganz besonders übrigens in Deutschland, schreibt die Zeit.

Schlecht ist oft auch absichtlich verschleiernder Wortgebrauch, etwa bei dem Begriff “Bankenabgabe”, den wir gerade im Zusammenhang mit Zypern alle paar Minuten in neuesten Nachrichten wahrnehmen müssen. Auf Neusprech.org findet man eine lesenswerte Analyse des Wortes.

Und ganz schlecht ist natürlich auch unsere Ernährung, gar keine Frage. Wer ohne Schuld ist, der werfe bitte den ersten Schokoriegel. Der Rest, also all die Büromenschen, die sich ganz normal, sprich normal schlecht ernähren, erkennt sich womöglich in diesen faszinierenden Bildern wieder. Lauter amerikanische Versionen der Büro-Mahlzeit. Nebenbei runtergeschlungen, nebenbei geknipst. nebenbei hochgeladen. Achtung, manches Bild in diesem Blog wirkt deutlich appetitzügelnd.

Der Weiterbildungslink der Woche – ein langer Text zur Hyperinflation von 1923, der die Zusammenhänge vermutlich etwas besser erläutert als damals Ihr Geschichtsbuch.

Apropos Weiterbildung – bei den Scilogs geht es um Antibiotikaresistenzen, und das hat mit Wirtschaft erst einmal gar nichts zu tun, denkt man jedenfalls. Bis man den Hinweis im allerletzten Absatz findet. Aber fangen Sie ruhig vorne an und lassen Sie sich überraschen. Es lohnt sich.

In der Zeit geht es um die Grenzen des Wachstums und die Grenzen des Kapitalismus und um Jan Müller. Den kennen Sie nicht? Vielleicht doch, nur unter einem anderen Namen.

Der Wirtschaftsteil ist irgendwie nicht vollständig ohne einen Link zum Thema Architektur. Diesmal geht es in einem englischen Beitrag um den Innenausbau eines Ladens, eines Buchladens sogar, das kommt ja immer besonders gut an. Buchgeschäfte sind immerhin so etwas wie die Pandabären des Einzelhandels. Alle finden sie schön und süß und keiner darf ihnen etwas tun, auch wenn ringsum alles andere zum Teufel geht und es immer schwieriger wird, sie am Leben zu erhalten. Der Laden, um den es hier geht,  wurde mit Recyclingmaterialien eingerichtet, ziemlich ausgefallen und ziemlich cool.  Die Seite, auf der das Video verlinkt ist, Treehugger, ist übrigens generell recht interessant und unterhaltsam. Wir sagten es vermutlich bereits einmal, aber das schadet ja nicht.

Und zum Schluß noch ein Blick auf ziemlich alte Architektur, auf vergangene Größe, auf ein längst untergegangenes Unternehmen in Leipzig.  Der Fotograf und Autor des Textes nennt es eine Narbe in der Welt und es ist ja nicht ganz unüblich, sich ab und zu mal Narben zu zeigen und die Geschichten dazu zu erzählen. Auch in diesem Blog lohnt es sich, ein wenig rückwärts zu lesen. Vielleicht holen Sie sich vor dem Klick besser einen Kaffee.

GLS Bank mit Sinn