Deko, Krempel und Kulissen

Ich gehöre zu den Menschen, die wenig Verständnis dafür haben, dass nach dem 1. Januar immer noch das Bühnenbild nicht gewechselt wird. Dass immer noch Weihnachtsflitter in den Schaufenstern hängt, dass weiterhin Leuchtsterne über den Straßen baumeln und Silvesteraccessoires in den Regalen liegen, dass Tannenbäume überall noch bunt geschmückt herumstehen– ich möchte das nicht, ich bin da ungeduldig. Die Deko, der Krempel und die alten Kulissen, die sollen jetzt weg. Ich brauche etwas Neues, die Feste sind durch und vorbei und der Nachhall nervt. Das aber sehen dummerweise viele anders und schon hat man wieder einen Konflikt mit der Mehrheitsgesellschaft. Immerhin einen, den man gut aushalten kann. Mit etwas Schmollen vielleicht, aber auch das kann dezent ausfallen, ich habe mich so weit im Griff.

Und selbst unser eigener Weihnachtsbaum steht noch, wir haben es gestern wegen zeitlich versetzter Neujahrsspaziergänge nicht geschafft, ihn rechtzeitig abzutakeln und vom Balkon zu werfen, das steht erst für heute auf dem Plan. Ja, mach nur einen Plan.

Die Söhne haben in dieser Woche noch Ferien, die Herzdame und ich nicht, wir fangen heute an. Mit allem. Es liegt nach dieser letzten Ferienwoche dann eine Normalitätsstrecke vor uns, ohne Feiertage, ohne saisonalen Besonderheiten und Tollerei, und zwar reicht die in Hamburg, das wird bei Ihnen anders sein, bis März, also bis hin zu den dämlichen Ski-Ferien, die für alle, die keinen Wintersport treiben, etwa für uns, in einigermaßen sinnloser Jahreszeit herumliegen. Das sind, Moment, acht Wochen Regulärbetrieb, wenn die Weltgeschichte nicht wieder mit originellen Einfällen daherkommt, was wir schwer hoffen wollen. Okay. Das mal durchziehen, das mal abarbeiten.

Mein Neujahrsspaziergang beginnt im Hauptbahnhof, wo es wegen der Rückreisen überaus voll ist. Zerknickte Menschen nach den nächtlichen Feiern, unausgeschlafen, verstrubbelt, verbraucht, blass und angegriffen, ratlos vor den digitalen Tafeln, die Augen zusammenkneifend, um da oben alles lesen zu können, welcher Zug wann wohin. Guck mal, die Verspätungen. Bei einem Bäcker sitzt eine Frau noch im Abendkleid, freie Schultern, ein ungewohnter Anblick im Winter, versonnen in ihren großen Pott Kaffee lächelnd. Da kann man vielleicht annehmen, dass die Nacht in Ordnung war.

Draußen und in Richtung Elbe dann die Spazierfraktion, ein Gedränge hafenwärts wie bei Goethes Osterspaziergang: Aus dem hohlen, finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Weit offene Jacken, ausgezogene Pullover auch, abgenommene Mützen und Schals, es ist alles zu warm, viel zu warm. Der Himmel ist blau, die Luft ist lind, allzu lind. So einen Neujahrstag gab es noch nicht, soweit man sich erinnern kann, was hat das mit Winter zu tun. Man sitzt auf Bänken am Fluss, sieht elbabwärts und sonnt sich. So fängt es an, das Jahr.

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Ich bringe der Herzdame am Montagmorgen Tee ans Bett, sie fragt müde: „Warum ist Montag?“

Aber das fragt man sich meist nur kurz, und dann macht man einfach irgendwas. Wie immer.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 1.1.2023

Draußen wird immer noch vereinzelt geböllert, es ist 08:34 am Neujahrsmorgen. Es wurde reichlich verfeuert in der Nacht, hörte ich. Viel mehr als früher, so schien mir, früher begann es und nach wie vor knallt es hier und da. Mein Eindruck, dass diesmal auch hier enorm viel Raketen und Böller gekauft wurden, er war wohl richtig. Feuerwerksmüll weht am Morgen durch die Straßen, „in exponierten Lagen bis Beaufort 8“, so heißt es im Wetterbericht, ich lese es in meiner exponierten Lage am Dachfenster. Die Kohlmeisen im geschützten Gebüsch am Spielplatzrand jubilieren in frühlingshafter Luft, in irritierend warmer Luft. 15 Grad, es fühlt sich alles nicht richtig an, da draußen ist es April.

Langsam anfangen. Die anderen noch schlafen lassen. Nur leise Musik, nur leises Tippen. Etwas herumzögern, etwas vage bleiben, alles noch unbestimmt lassen. Das Jahr steht noch für nichts und das ist gut so. Einmal wieder ein Jahr, das man sich am Ende nicht merken wird, vielleicht sollte man sich das wünschen. Die Jahre, die man sich merkt, die sind in der Regel problembehaftet, 2015, 2020. In zwanzig Jahren irgendwas mühsam nachrechnen und dann langsam darauf kommen, das muss 2023 gewesen sein. Ach, okay, guck an, aber die Jahreszahl sagt einem dann weiter nichts, das war nur irgendein Jahr. Das wäre vielleicht erholsam, wäre es nicht?

Ich habe gestern noch etwas mit ChatGPT herumgespielt und festgestellt, dass das Programm gerne betont korrekte Antworten gibt, die unverfänglich sind, sauber und korrekt. Man könnte auch sagen, dass sie spießig sind, langweilig und politikersprechmäßig. Vorsichtig auch. Wenn man ChatGPT später fragen wird, was 2023 war, könnte es daher mit der unbedingt sicheren Feststellung beginnen: „2023 war das Jahr nach 2022.“ Damit hat es dann schon einmal etwas gesagt, und falsch war es nicht. Es macht textlich Strecke ohne die geringste Substanz, wer kennt es nicht.

Egal. Erst einmal nur so aus dem Fenster sehen. Wie andere zum Bahnhof gehen oder mit den Hunden, deren Angst allmählich wieder geringer wird. Es ist so warm, die Frau aus dem Thai-Massagesalon trägt nicht einmal den roten Frotteebademantel wie sonst, während sie rauchend vor der Tür steht, sie trägt nur etwas, das sehr kurz und knapp ist, sie trägt fast nichts und so fängt das Jahr also an. Warm und langsam.


Ich lege Ihnen hier noch etwas zum Lesen hin.

Etwa das Medienmenü 2022 von Nicola.

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Und neue Fundstücke aus den Literaturblogs

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Herr Rau hat eine dreiteilige und detailreiche Reihe über seine Mutter als Programmiererin geschrieben: Teil 1, Teil 2, Teil 3.

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Und dann gab es noch Horizonterweiterungen im Landlebenblog.

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The same procedure

Wir folgen wiederum der in diesem Blog hinlänglich etablierten Tradition: Kein Silvester ohne diese Bilder. Es handelt sich beim Folgenden also noch einmal um die vergilbende Erinnerung an eine norddeutsch-ausgelassene Silvesterparty in einem kleinen Ort bei Hamburg. Der Abend ist mittlerweile bereits zwei Jahrzehnte her und längst nicht mehr wahr. Deutlich erkennt man aber die sogenannte Hanseaten-Ekstase in meinem Blick.

Denn man muss gerade die süddeutschen und vor allem die rheinländischen Leserinnen und Leser gelegentlich daran erinnern: wir hier oben im Norden, wir sind gar nicht so. Wir können auch anders:

Hanseaten-EkstaseGleicher Abend, nur einen Meter weiter: Die Herzdame, liebreizend wie stets und dabei auf diese einmalige nordostwestfälische Weise in strahlender Herzlichkeit gut gelaunt:

Die Herzdame

Wobei man sich im Lichte neuerer Erkenntnisse schon noch einmal rückblickend fragt, warum welcher Abend wie gewesen ist, das ist vermutlich typisch für derartige Diagnoseprozesse und unterhaltsam erhellend.

Gestern gab es noch ein Ritual, denn nach uraltem Brauch bin ich der Einzige in dieser Familie, der zwischen den Jahren, an den toten Tagen, einen Werktag zelebriert. Einen Werktag, den die Söhne altersgerecht diesmal komplett verschlafen haben, die Herzdame immerhin halb. Ich kann mich an die Zeit dieses Schlafverhaltens noch erinnern, obwohl sie bei mir lange her ist und ich heute nahezu unweigerlich zwischen 4 und 5 Uhr morgens aufwache, auch ohne Wecker. Wie ich damals einmal, da war ich etwa 17 Jahre alt, einen Tag verschlafen habe, komplett, rund um die Uhr. Fast unvorstellbar ist das geworden, aber ich weiß doch sicher, es war einmal so.

Ich stehe ausgesprochen gerne auf, sobald ich wach bin, begeistert und sofort stehe ich auf. Ich springe enthusiastisch auf, und diese eine Stunde, manchmal sind es auch zwei oder sogar drei, in der nur ich wach bin und in der ich kategorisch nur schreibe, sie ist mein Kurersatz, mein Glücksurrogatextrakt, mein Schatz, meine Resilienzmaßnahme Nummer 1, mein Rückzugsraum und mein Bunker, sie ist dermaßen schön und immer auch ein Stück persönlicher Wahrheitsfindung. So bin ich eigentlich, denke ich oft beim Tippen, so bin ich eigentlich.

Freudig wach bin ich zu dieser Zeit, und vom Rest des Tages kann ich das meist nicht durchgehend behaupten. Je länger er sich zieht, je mehr seltsame Dinge ich tun muss und je mehr andere Menschen daran beteiligt sind, desto weniger. Aber immerhin diese ein, zwei Stunden am Tagesanfang – das ist doch etwas und die hat ja auch nicht jeder.

Zwischendurch nahm ich gestern im Home-Office interessiert zur Kenntnis, was künstliche Intelligenz – ausgelöst durch ChatGPT reden im Moment viele darüber und spielen intensiv damit herum – jetzt alles in Kombination mit Excel und anderen Programmen veranstalten kann, und ich überschlug danach grübelnd noch einmal die Jahre bis zur Rente – es wird wohl etwas knapp in meinem Brotberuf, nehme ich an. Die Software weiß und kann definitiv zu viel, das steht fest, auch wenn die Ergebnisse für meine Zwecke keineswegs so berauschend großartig ausfallen, wie es gerade gerne behauptet wird. Ich werde mich aber ab sofort für so etwas interessieren und mit den Anwendungsmöglichkeiten und den dabei entstehenden Abgründen im Bürokontext befassen, so kommt man an den letzten Tagen des Jahres noch zu ungeplanten Beschlüssen. Paulus schrieb an die Korinther: Wer nicht vorn ist, ist dahinter.

Die Söhne haben währenddessen, ebenso wie ihre gesamte Generation, fein lächelnd nebenbei zur Kenntnis genommen, dass diese Software auch ihre Hausaufgaben, Referate, Projektarbeiten etc. machen kann. Alle Hausaufgaben, in jedem Fach. Und zwar, ohne den Nachwuchs unnötig herabsetzen zu wollen, vermutlich besser als sie. Man wird damit irgendwie umgehen müssen. Mehr zu den Risiken und Nebenwirkungen, aber auch zu den Vorteilen der Software in diesem FAZ-Podcast, das ist ein bündiger Rundumschlag, der den schönen Satz enthält: „Die Software schraubt die Ansprüche höher, menschlich zu sein.“ Empfehlenswert, da mal reinhören. Aber gut, das sind schon Themen des nächsten Jahres, so weit sind wir noch gar nicht, da müssen wir erst einmal hin.

Ich danke Ihnen noch einmal herzlich fürs Lesen, Kommentieren, Liken, Teilen, für jeden Betrag im virtuellen Hut und für alle freundlichen Zusendungen in diesem Jahr, es war mir ein Fest, eine Freude und ein Trost.

2022 war ein Jahr, in dem ich, wie etliche andere in meinem Umfeld auch, mit dem Tod mehr zu tun hatte als je zuvor, und es war nicht nur altersbedingt und erwartbar. Es war erschreckend und verstörend. In meinen Timelines fehlen Menschen, und vielleicht sollten wir am Abend ein Glas auf sie trinken, auf die abwesenden Freunde. Die Liste der Namen fällt bei uns allen anders aus, aber alle kommen wir wohl mittlerweile auf eine Liste, wenn wir etwas nachdenken, spätestens nach diesem Jahr.

Passen Sie auf sich auf, kommen Sie gut rüber und bewahren Sie unbedingt Haltung.

Wir sehen uns drüben, wenn Sie mögen.

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Da machen wir mit

Die Temperaturen steigen deutlich, wenn nicht dramatisch, man liest von Rekorderwartungen. Es regnet dabei unentwegt, das alte Jahr wird warm aus der Stadt gespült. Menschen bringen schon die ersten abgetakelten Tannenbäume an Straßenecken und Sammelpunkte. In einem trockenen Moment gehe ich um den Block und sehe, einige tragen nur T-Shirts dabei, und sie scheinen nicht einmal zu frieren. Dann setzt der Regen wieder ein und sie rennen schnell zurück in die Deckung. So ein Wetter. Tannennadelmatsch vor Hauseingängen.

Wieder in der Wohnung ist der Blick auf die Welt verschwommen, das liegt an den Schlieren auf den Scheiben, an den Sturzbächen über den Dachfenstern. Das Nachbarhaus liegt hinter psychedelischen Schleiern, der Giebel verläuft wie auf einem Aquarell. Es trommelt, es klopft auf dem Dach über dem Schreibtisch, es will sehr, sehr gemütlich sein. Wir aber fahren zu einem Baumarkt und in ein Möbelhaus, denn wir halten uns wiederum an das goldene Gebot: Du sollst keine ruhigen Tage haben. Sind wir überhaupt noch belehrbar? Ich denke nicht.

Ikea ist voller sich streitender Familien, und zwar von enorm vielen davon. Der Mainstream läuft schlechtgelaunt den Pfeilen auf dem Boden nach. Da machen wir auch mit, bloß nicht auffallen, bloß nichts Besonderes sein wollen, knurrend und kläffend wie alle durch die SB-Halle. Zu spät stelle ich fest, dass es nach diesem Einkauf jetzt Duftkerzen in diesem Haushalt gibt, ich werde also ausziehen müssen. Aber wohin, aber wohin. Vielleicht gehe ich nach Eiderstedt, werde zugezogener Heimatdichter und reich. Das geht heute auch mit Regionalkrimis, glaube ich, Der Würger im Watt, Die Schlinge im Schlick und dergleichen. Totentanz in Tetenbüll, ich mache mir schon einmal eine Titelliste, dann nur noch abarbeiten. Nebenbei ein paar Schafe halten, das macht sich gut in den Home-Storys. 

Wieder zurück im kleinen Bahnhofsviertel laufen auf einmal überall Menschen herum, die beide Arme voller Feuerwerk haben, riesige Raketenpackungen tragen sie untergeklemmt, so kommen sie aus dem Drogeriemarkt, aus dem Edeka, aus dem Discounter. Fast immer sind es Männer, Väter und Söhne, seltsame Rituale. In den Nachrichten werden sehr gut laufende Verkäufe erwähnt. Also sehr gut nur aus Sicht des entsprechenden Branchenverbandes, versteht sich, in den Timelines sieht man das deutlich anders.

Am Abend hören wir die ersten und noch vereinzelten Böller in der Dunkelheit, aber in anderen Stadtteilen, so lese ich, gibt es schon Dauerfeuer. Wie damals, denke ich, wie damals, vor allem.

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Sie kam nicht, die er rief

Der DAX sei weiter auf Richtungssuche, so lese ich es am Morgen in den Nachrichten, und das ist doch endlich eine Wirtschaftsnachricht, die ich zutiefst nachempfinden kann. Auf Richtungssuche, wer ist es nicht, gerade zu dieser Zeit, wenn der Kalender neu aufmunitioniert wird. Aber erst einmal sehen alle gründlich zurück, in den Blogs, in den Medien, überall. So war das Jahr 2022, mein schönstes Ferienerlebnis, die meistgeklickten dies, die am häufigsten gelesenen das, Haare kürzer, Haare länger, das neu entdeckte Rezept und schau, dies war der Bücherstapel. Ich könnte nicht sagen, warum ich so etwas nicht mache, auch noch nie gemacht habe, vermutlich befürchte ich, in der Bilanz zu unzufrieden mit den eigenen Bemühungen zu sein, mit dem Lauf der Welt sowieso. Der Rückblick als kaum erheiternde Vorstellung. Vorausschau auch eher heikel, ich bin mehr der Fachmann für sofort, glaube ich. Über die einzelnen Tage denke ich gerne nach und schreibe ich auch gerne, in der Reihenfolge ihres Auftretens.

Ansonsten das steindumme Theater der Corona-Politik, ich mag nicht mehr hinsehen und finde es furchtbar, wie exakt man die Reaktionsmuster der diversen Knallchargen mittlerweile vorhersagen kann, wie berechenbar die Inszenierung von Expertenzitat und Politikerkommentar ist. Volle 100 Punkte beim Schlagzeilenraten hatte ich gestern. Etwas mehr Niveau wäre eine angenehme Überraschung, mit der wohl niemand mehr rechnet.

Ich höre „Angelika“ von Theodor Storm, das ist ein simpler Fall von „Sie lieben sich, aber sie kriegen sich nicht“, aber eben in Erzählungslänge. Erst hat er nicht genug Geld, dann hat sie einen anderen, dann klappt die Kommunikation nicht, es ist ein Elend und das Elend müsste eigentlich „Ehrhard“ heißen, denn es geht mehr um ihn als um sie. „Er sank auf seine Knie, er streckte die Arme nach ihr aus und rief stammelnd vor Schmerz und Leidenschaft ihren Namen. – Aber sie kam nicht, die er rief, sie konnte nicht mehr kommen; der Zauber ihres Wesens, wie er noch einmal vom Abendschein erinnernder Liebe angestrahlt erschien, war in der ganzen Welt nur noch in seiner Brust zu finden.“ So nämlich geht es zu in der Welt der Liebenden. Es ist sicher nicht Storms bester Text, aber nun kenne ich ihn auch.

Wir verkaufen nebenbei ein Bett über eine Online-Kleinanzeige, da hier ein Kinderzimmer langsam weiter in Richtung Jugendzimmer gewandelt wird, das klappt sehr gut und problemlos. Freundliche Menschen, fairer Preis, sie kommen pünktlich, sie zerlegen das Möbelstück selbst, alles läuft bestens. Ich schreibe das nur, weil in den sozialen Medien eher die gegenteiligen Fälle berichtet werden, was da alles grandios schiefgehen kann, wie zäh und unfreundlich da verhandelt wird, mit welch abgefahrenen Freaks man es zu tun hat – die normalen, die guten Fälle, sie kommen auch vor, ich wollte es eben angemerkt haben.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe vom 28.12.2022

Heiterkeit findet in diesen Links heute nicht statt, mir fielen nur Texte auf, die eher stärker runterziehen, ich wollte sie aber nicht unverlinkt lassen. Wenn Sie das gerade nicht abkönnen, biegen Sie lieber ab, man muss gar nicht alles mitnehmen, das ist manchmal eine beruhigende Erkenntnis. Wenn Sie es aber abkönnen, weil Sie gerade stimmungsstabil die Welt und ihre Vorkommnisse zur Kenntnis nehmen können:

Eine Verlustbeschreibung (Obacht, wirklich sehr traurig).

Unter Corona (ebenfalls sehr traurig)

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Und Frau Büüsker über das Töten von Tieren.

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In diesem Text der Kaltmamsell geht es neben einem Tierparkbesuch auch um die Revision unserer Apokalypse-Kenntnisse, denn wir wissen jetzt bekanntlich etwas mehr zu dem Thema.

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Alles mit so Tanne und Schnee und Stern

In den Foodblogs sehe ich Rezepte für vegane Berliner und Karpfen blau, es geht auf Silvester zu. In den Läden wird Weihnachten verramscht, zumindest der Teil, der aus Zucker war. 50% auf alles mit der entsprechenden Optik, einer Kassiererin wird gerade eingeschärft, dass es allerdings auch andere Süßigkeiten gibt, ganz gewöhnliche Süßigkeiten, auch aus Marzipan, und die sind eben nicht billiger geworden. Nur das andere! Da mal aufpassen! „Alles mit so Tanne und Schnee und Stern und Weihnachtsmann drauf, nur das ist billiger. Das ganze Zeug.“ Viel ist davon allerdings nicht mehr da, sehe ich.

Bei meinem Großeinkauf stehen mir noch deutlich mehr Menschen als sonst sinnlos im Weg herum, das sind wieder die Amateure, die Supermärkte sonst nicht betreten und jetzt beim Urlaubseinkauf ratlos feststellen, dass es mehrere Sorten Milch gibt und dann grübelnd vor der Vielfalt verharren, in der Psychologie spricht man von einer Freeze-Reaktion. Schlimm.

Vor dem Fachgeschäft für Deko- und Geschenkartikel steht der Chef selbst auf einer Leiter und malt mit einem Pinsel große Prozentzeichen in roter Farbe auf die Schaufenster, hinter denen noch der prächtige Weihnachtsbaum leuchtet. Nicht mehr lange. Der Chef malt den Querstrich des Prozentzeichens für die Rabattaktion mustergültig exakt, vermutlich hat er langjährige Übung. Und weil er einen Pinsel nimmt und nichts aus Plastik klebt, hat die Szene etwas anrührend Ali-Mitgutsch-haftes, es ist ein altmodisch anmutendes Detail dieser Straße, das von Kindern und Eltern zu entdecken ist.

Es kommt letzte Weihnachtspost, freundliche Karten, es kommen auch einige administrative Zumutungen, und es kommt die Nebenkostenerhöhung, mit wenig Abstand nach der Mieterhöhung neulich. „Das ist ja …“, sage ich, und „Oh!“, sagt die Herzdame, denn wir sind beide eloquent und von schneller Auffassungsgabe. Ich höre auf meinen Einkaufswegen gerade Märchen von Andersen, dort würde es wohl heißen: So zahlten sie denn fortan jeden Monat einen ganzen Scheffel Taler mehr.

Man hat es gewusst und auch kommen sehen, natürlich, aber dennoch. Die Zahlen etwas länger ansehen, auf Jahreswerte multiplizieren, staunen. Aber es ist nun so, wie es ist, und es geht einem ja noch gold, wenn man es bezahlen kann. Und am Ende wird wieder jemand fragen, warum man denn für dies und das nicht gespart habe? Hm?

Manchmal bin ich als Hellseher gar nicht so schlecht, denke ich.

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Durchfegen

Während ich gute Vorsätze weiter lieber nur im scherzhaften Bereich habe, ergeben sich immerhin halbwegs realistische Vorhaben aus den Aufräumtätigkeiten, die ich zum Jahresende, an den toten Tagen also, siehe Text von gestern, gerne angehe, darunter auch digitale Sortieraktionen. Und Löschaktionen, versteht sich.

Etwa bei den im Laufe des Jahres gespeicherten Rezeptlinks aus den Foodblogs, also bei all den Links zu Gerichten, bei denen ich zumindest kurz einmal dachte, als sie im Feedreader auftauchten: Kannste ja mal machen. Klingt doch gut. Und dann war die Spargelzeit schon wieder vorbei, die Erdbeerzeit auch, die Pflaumenzeit, die Pfifferlingszeit, die Kürbissaison, Sie kennen das. Es kommen sicher genug neue Spargelrezepte nach, denke ich, oder die alten werden neu angeschwemmt, ich lösche sie jetzt erst einmal. Als ob ich Platz brauchen würde, was natürlich Unsinn ist. Egal, es geht mir ohnehin mehr um ein halbwegs besinnliches Herumklicken, ich mag das in dieser Zeit. Tweets lösche ich auch, alte FB-Einträge, Instagrambilder, die gar nicht gut waren und dann noch die Links zu Podcastfolgen, die ich vermutlich nie hören werde, bei denen ich teils schon längst nicht mehr weiß, warum mich das überhaupt einmal interessiert haben könnte. Auch eigene Blogeinträge, die nicht mehr passen, also mir nicht mehr passen, es gibt viele davon. Auch solche Einträge, die zentral Links zu Seiten enthielten, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt und dergleichen. Ein wenig hinter sich aufräumen und durchfegen, das passt gut jetzt. „Hier muss man mal feucht durchwischen“, wie meine Oma gesagt hätte, und wie immer hätte sie Recht gehabt.

Ich lösche dabei auch alle Rezepte, in denen irgendwelche Zutaten sind, die hier jemand nicht mag. Die kann ich eh nur sinnig als Abendessen einplanen, wenn der oder die nicht da ist, das ist mir alles zu kompliziert. Einfacher werden. Ich bin, was das Essen angeht, eher der Typ Müllschlucker, ich nehme so gut wie alles. Die anderen Familienmitglieder sind sämtlich in irgendeiner Art eher heikel, mögen dies nicht, mögen das nicht, und da zwei von ihnen noch jung sind, wechselt das auch noch dauernd. Was sie heute noch mögen, mögen sie morgen schon nicht mehr und umgekehrt, man nennt es wohl Entwicklung. Außerdem sind sie unregelmäßige Esser, mal brauchen Sie Portionen für mehrere Personen, mal essen sie gar nichts, das kommt bei Jugendlichen wohl öfter vor, besonders wenn sie auf dem Weg von der Schule nach Hause schon versehentlich in einen Imbiss abbiegen. Ich habe es aber auch schon erlebt, dass wir gegessen haben, gut und reichlich gegessen haben, also zumindest für mein Verständnis, und dass danach ein Sohn wortlos aufstand, in die Küche ging und sich eine Dose Ravioli aufmachte, um sie dann komplett und nur eben halb erwärmt zu vertilgen. Ich erinnere mich dunkel, dass ich als Teenager ähnlich war, vielleicht gehört es auch so.

Aber man kann für diese Lagen schwer passend kochen. Mal brauche ich nur zwei Portionen, mal brauche ich sechs, im Grunde ist ein großer Topf Suppe da immer die beste Lösung, aber wie oft kann man Suppe essen und am Ende sagt auch wieder jemand: Nein, meine Suppe esse ich nicht.

Ich stelle regelmäßig fest, dass ich da mehr oder weniger genervt ins Nachlässige abrutsche, ins Mirdochegal, und dann gibt es wochenlang nur noch Simpelküche auf unterstem Niveau, auf dem kleinsten gemeinsamen Geschmacksnenner sozusagen, Rahmspinat mit Spiegelei und Kartoffelpüree etc. Nichts gegen den Rahmspinatklassiker, den gab es auch gestern, weil es mir nach den Weihnachtsexzessen passend erschien, aber es ist alles eine Frage der Frequenz.

Ich lese Rezepte durch, ich lösche, ich sortiere. Ich habe guten Willen, wenn schon keine guten Vorsätze. Herr Buddenbohm war stets bemüht, auch in der Küche.

Und hier, was so alles wieder zu Tage kommt, wenn man räumt. Das alte Rosenkohlrezept vom Trific. Das mal aufbewahren, das mal wieder nur für mich machen und den anderen hier, während sie noch angewidert bis entsetzt gucken, einfach Brot hinstellen, mit guten Tipps zum Selberbelegen und sinnigen Serviervorschlägen.

Und da, ich sehe nur die Überschrift aus dem Augenwinkel, Rosenkohl mit Parmesan, das ist doch auch interessant, guck an, das mal lieber noch nicht löschen, die Saison dauert noch etwas.

Plötzlich Hunger.

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Beim Kochen gehört: Witch Hunter – Grimms Märchen in der Popkultur. Ein Feature beim Deutschlandfunk. Danach noch das Grimm-Märchen „Die Gänsemagd“ gehört, aber die Sprecherin betonte in dem berühmten Satz „Oh Fallada, da du hangest …“ den Namen Fallada auf der zweiten Silbe, das war wieder mit meinem sprachlichen Weltbild nicht zu vereinbaren, selbst wenn es richtig sein sollte.

Zu dem Märchen gibt es einen Brecht-Titel:

Man kann das kaum hören, ohne topaktuelle Aufsatzthemen im Sinn zu haben, nicht wahr, Gegenwartsbezüge, Neudeutungen, historische Klärungen … Ach, es ist eine Last: „Wenn das deine Mutter wüsste, ihr Herz tät ihr zerspringen.

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Genug

Ich lese, denn manchmal halte ich mich sogar an eigene Pläne, ganz wie ein Mensch mit formaler Funktionsweise, tatsächlich „Wiedersehen mit Brideshead“ von Evelyn Waugh, ich lese es nach vielen, vielen Jahren wieder. Und ohne den geringsten Bezug zu den Umständen zu haben, die das zentrale Nostalgiedilemma im Roman auslösen und abbilden, fühle ich das dermaßen mit, bis weit in den schmerzhaften Bereich hinein, dass ich, wäre ich meine Therapeutin, darüber gerne noch etwas länger mit mir reden würde, allerdings bitte erst beim nächsten Treffen, denn das schaffen wir heute sicher nicht mehr. Aber, und das dann im Tonfall dieses hyperaktiven Italieners aus der Kaffee-Werbung von damals gesagt: Isch abe gar keine Therapeutin.

Ein wohliges Lesen, ich mag das Buch sehr.

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Auch mal ein chinesisches Wort lernen: Tangping, Flachliegen.

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Ansonsten stellt sich am zweiten Feiertag nach einem gelungenen Fest programmgemäß allmählich der Gedanke ein, der sich zwingend einstellen muss, weil es seit immer schon so gehört: „Reicht jetzt auch.“ Genug Lebkuchen, Klingelingeling, Braten und Glühweinduft, genug Bilder von Weihnachtsmännern, Schneemännern, Engelchen und Rentieren, genug Tannengrün, genug von all dem, wirklich, auch wenn es sehr gut war. Jetzt noch eben die allgemeine Silvesterhysterie, die ich so überhaupt nicht nachfühlen kann, und dann war es das schon wieder. Es werden bald neue Werktage nachgelegt, nehme ich an. Okay. Was soll man auch machen.

Zwischen den Jahren werde ich wieder die Disintegration Loops hören, jedem sein seltsames Ritual. Etwas meditativ zerfallen lassen, es passt schon, es passt vortrefflich. Es von sich abfallen lassen. Andere gießen später Blei und hoffen herum, und das ist auch in Ordnung, ich verstehe grundsätzlich den Hang zu Hilfsmitteln und Traditionen. Auf Tiktok werden die Raunächte zelebriert, seltsame Rituale, arg bemühtes Hexenwerk. Diese Zeit nannte man früher auch die toten Tage, das ist gut und eigentlich sprechender als unser „zwischen den Jahren“. Was machst du an den toten Tagen? An den toten Tagen mache ich gar nichts, und dann nämlich klingt es gut und richtig so. Tangping, Flachliegen.

Rückgriffe in die Vergangenheit werden in diesen Filmchen auf Tiktok von jungen Menschen vorgespielt und nachgestellt, bis hin zu befremdlichem Brauchtum, das bis in dunkelste Zeiten zurückreicht, bis hin zur wilden Jagd der Wesen von der anderen Seite, bis hinein also ins Geisterreich und weiter zu sprechenden Tieren. Das ist natürlich alles Unsinn für uns moderne und wenigstens halbwegs aufgeklärte Menschen, das ist nur als Allgemeinbildung von Interesse.

Die Katze hier findet das auch.

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Mit Katze und Kamin

Graublaue Dämmerung über Nordostwestfalen, kaum zu erkennen. Sonnenaufgang 08:34, das klingt spät, jedenfalls für mich. Feingezeichnete schwarze Zweige vor eher schluderig verwischten Wolken, letzte welke Blätter an den Büschen zittern wie frierend im aufkommenden Wind. Der wird sie später wohl mitnehmen, entnehme ich dem Wetterbericht. Sturm bei zehn Grad, es ist nicht das Winterwetter der ersten Wahl. In den Nachrichten die Bilder aus den USA, das möchte man allerdings auch nicht.

Die Katze kommt leise durch die Klappe herein, sie war nachts beruflich unterwegs und geht grußlos an mir vorbei. Morgens nicht reden, ich verstehe das. Der Hund, der als Stolperfalle vor der Treppe liegt, stöhnt im Schlaf, er ist alt und hat Zipperlein. Eine tickende Uhr an der Wand und ein paar Geräusche, die ich nicht zuordnen kann, so ist es immer in fremden Häusern. Ein Brummen, ein dezentes Zischen, ein kaum hörbares Pfeifen, etwas knackt, etwas knarrt. In der Küche die Reste des Festessens, leere Flaschen auch. Geschenkpapierfetzen im Wohnzimmer vor dem Tannenbaum.

Ich überlege nach dem Weihnachtsabend, ob ich meine Lebensplanung, mit der ich zugegebenermaßen arg spät beginne, dahingehend ausrichte, dass ein Kamin und eine Katze darin vorkommen, denn ich fand beide sehr förderlich für das Gefühl der Gemütlichkeit, mit dem ich es sonst nicht so habe. Allerdings, so muss ich gleich einschränken, möchte ich zwar gerne einen Kamin und eine Katze, vorzugsweise am Abend, ich möchte mich aber keinesfalls um eines von beiden kümmern müssen. Ich glaube, das sind schwer erreichbare Ziele, oder Challenges, wie man heute so gerne sagt. Ich werde bei der Planung sicher irgendwo Abstriche machen müssen, ich ahne es schon.

Egal. Irgendwo beginnen. Probleme nach und nach lösen und im Zweifelsfall erst einmal weitermachen. Wie immer.

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