Me and the blues

Dienstag. Frühlingsluft und Rotkehlchengesang am Morgen, beides mit diesem Zug ins Liebliche, der einen irgendwie betreffen möchte, man merkt das vage in Herznähe, vielleicht ist es auch im Rückenmark, wer kennt sich innen schon aus, und man hat ja auch keine Zeit, da auch nur halbwegs ausreichend hinzufühlen.

Es ist ohnehin nur eine knappe Stunde, dann wird es doch wieder etwas kühler, etwas grauer und trotz der fortschreitenden Tageszeit auch auf einmal etwas dunkler, ein paar Tropfen fallen. Hell leuchtet mir nur der Bildschirm im Home-Office, heiß ist der Kaffee, den ich in nicht mehr feierlichem Ausmaß in mich nachfülle und auf irgendeine Wirkung warte. Bis zum Anschlag melancholisch ist die Musik aus dem privaten Notebook neben dem dienstlichen. Mildred Bailey singt für mich im Hintergrund.

Man arbeitet so vor sich hin. Es ist nicht schlimm und es ist nicht richtig gut, es ist irgendwas dazwischen und es geht auch vorbei. Ein Drittel des Monats bereits. Gleich ist es schon die Hälfte, gleich war das der Januar, kaum passt man einmal kurz nicht auf. Dann noch der Februar, auch so ein Lästling im Kalender. Ab März sicher schon wieder die vage und vor allem wetterbedingte Hofferei auf irgendwas, dann bald die allmählich Fahrt aufnehmende Vorfrühlingsumtriebigkeit. Radieschensamen nachkaufen und dergleichen.

So wird es wohl kommen. Das ist so weit halbwegs planbar, wenn schon sonst nichts.

Ich bin allein in der Wohnung, alle sind ausgeflogen und bleiben den ganzen Tag weg. Ich sehe mich um, ich höre der Stille zu, ich weiß nicht recht. Ich mache nach der Arbeit eine Stunde überhaupt nichts und gebe mich der Form nach entspannt, dann warte ich ergeben auf den Gedanken: „Was du da alles hättest machen können!“ Der kommt prompt.

Auf dem Spielplatz unten am späten Nachmittag eine Mutter mit ihrem Kind. Sie will es in die Schaukel für Kleinkinder setzen, es wehrt sich, es möchte lieber nicht. So früh fängt das nämlich an. Die Mutter hebt in dramatischer Geste die Arme zum Himmel, was fängt man an mit diesem Kind, mit diesem Tag.

„Ich weiß es auch nicht“, denke ich und sehe den beiden weiter zu, „ich weiß es auch nicht, aber es macht nichts.“

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 10.1.2023

Hier wurde ChatGPT lang und gründlich für eine Buch-Recherche getestet, mit der Erkenntnis, die mittlerweile häufig zu lesen war: Das Programm lügt, das Programm ist teils sehr brauchbar, das Programm ist verblüffend unzuverlässig. Man muss aus diesem Mix etwas machen, wenn man kann. Am Ende ist es immerhin eine Beschreibung, die auf viele von uns auch zutrifft, nicht wahr.

In diesem Kontext: Eine Erinnerung an Joseph Weizenbaum.

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Ein Interview mit Felix Lindner, der auf Twitter den Account mit den Tagebuchzitaten von Thomas Mann betreibt.

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Frau Donnerhallen über den Zusammenhang zwischen der Pandemie, den Kalorien und der Wissenschaft, mit weiteren erhellenden Verweisen. Es kommt in ihrem Text außerdem ein Reiskocher vor, und irgendwie begegnen mir online gerade dauernd Reiskocher, bei Anke etwa auch – braucht man am Ende einen Reiskocher? Ich habe sogar einen Sohn, der neuerdings so einen haben möchte. Wie kommt die Jugend nun auf so etwas, ist es wieder irgendwas bei Tiktok? Influenct dort jemand Reiskocher? Im Zweifelsfalle ist es heute immer irgendwas bei Tiktok, was nicht heißt, dass es nicht auch berechtigt sein kann. Vielleicht doch mal Reiskocher recherchieren.

Neulich waren es noch Heißluftfritteusen, alle hatten auf einmal Heißluftfritteusen, die habe ich allerdings ausgelassen und ich glaube, es hat nichts ausgemacht. Aber immer wachsam bleiben, ganz wichtig.

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Über die Klimakrise, unsere langsame Anpassung und die zögerliche Evolution, ausführlich und lehrreich bei Meike, der Biolehrerin der Herzen.

Zum Klimawandel kam gerade der Satz des Tages im Radio, beim Kaffeekochen habe ich ihn in der Küche gehört. Es ging um Sport, weil es leider immer um Sport geht, wenn ich schon einmal Radio höre, ich leide da unter einem Fluch oder dergleichen. Es ging, fast noch schlimmer, um Wintersport, und der Reporter sprach über ein Ski-Rennen, es soll heute stattfinden und er sagte: „Das wird ein ungewöhnliches Rennen, denn es hat geschneit.

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Christian über Common Ground in der Kommunikation.

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Durch Markt und Messe

In Ergänzung zum gestrigen Garten-Text ein Zitat der Kaltmamsell: „In der Sonne und bei 10 Grad roch es überhaupt nicht nach Winter, am ehesten noch nach Fasching.Bei Markus wird Slowtiger zum Thema zitiert.

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Ich höre Schiller (Der Verbrecher aus verlorener Ehre) und Goethe (Novelle), beides liegt mir zeitlich eigentlich zu weit zurück, um es wirklich zu genießen, die mir wohligste Periode der Literaturgeschichte beginnt erst deutlich später. Aber einzelne Formulierungen doch einmal merken, so etwa spricht Goethe von „Frucht- und Lustgärten“, und das muss man im Kontext der Kleingartenkolonie doch irgendwann anbringen, es ist einfach zu verlockend. Schön aber auch ein Leitsatz für Introvertierte, ebenfalls in Goethes Novelle zu finden und gesprochen von einem älteren Herrn, der nicht ins Gedränge der Menschen möchte: „Ich reite niemals gern durch Markt und Messe.“ Ich bin ganz verliebt in diesen Satz.

Der Schiller wirkt insgesamt noch wesentlich lebendiger, das überrascht wohl nicht.

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Ich hätte im Moment gerne einen Filter über alles, offline und online, der mir zuverlässig Prinz Harry und Familie noch vor meiner Wahrnehmung aussortiert. Insbesondere den englischen Guardian möchte ich gerne wieder lesen können, ohne von dieser Figur auf der Titelseite behelligt zu werden. Ich finde das Fremdschämen so dermaßen anstrengend, weil ich mit dem Eigenschämen, gibt es das Wort überhaupt, schon vollkommen ausreichend zu tun habe, glaube ich. Sich selbst oft kaum aushalten, und dazu noch das unselige, trampelige Gekasper der anderen, es wird mir dann manchmal wirklich zu viel.

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Den zweiten Text des Jahres an einen Kunden schicken, die zweite Woche im Home-Office des Brotberufs arbeiten. Wieder voll drin sein, die Normalität der ruhigen Zwischenphase, das Jahr hat weiterhin noch keine Prägung oder Richtung. Ein gewisses Misstrauen gegenüber dem geregelten Alltag kann ich nach den letzten Jahren nicht leugnen, Marienhofjingle, es wird viel passieren.

Ich mache Youtube auf, ganz oben steht ein Satz für irgendeine Aktion, groß und fett: „Zeig deine Moves“. Ich hebe die Augenbrauen. Es ist nur ein dezenter Move, aber es passt schon.

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Was da lebt und webt

Auch einmal in den Garten fahren, nach den Schneeglöckchen zu sehen, die anderswo bereits vereinzelt blühen sollen, so las ich in einem Artikel, in dem es um die Hasel- und Erlenpollen ging, die einigen jetzt schon lästig werden. Etwa sechs Wochen zu früh das alles. Sogar eine Obstbaumblüte wird auf Mastodon erwähnt, bei uns sehe ich noch keine. Die Schneeglöckchen wachsen erwartungsgemäß, andere Frühblüher auch, diverses Unkraut, aber es gibt keine Blüten, nirgendwo, und das ist auch gut so. Die Knospen an den Büschen und Bäumen allerdings sind zu weit, entschieden zu weit, überall drängt es, schwillt und wächst. Die Kornelkirsche ist dabei wie immer an erster Stelle, den anderen deutlich voraus, danach kommt schon die Magnolie, mit den Blütenansätzen im eleganten, weißen Pelz. In den Gemüsebeeten treiben die Zwiebeln hoch, frisches Grün, nahrhaft und knackig sieht es aus.

Und die Luft dabei so butterweich mild, dass es sicher nicht Januar sein kann. Nicht einmal dieses Nachmittagslicht passt dazu, es ist einfach kein Winterlicht, so sieht das nicht aus, der Abgleich mit der Erinnerung ist unmöglich. Oben der Vogelzug, eine große Truppe, Buchstaben formend, ein V, ein M, ein W, die Vögel fliegen nur Konsonanten, obwohl zumindest ein U oder ein I doch vorstellbar wären. Gänse sind es vermutlich, sie formieren sich fortwährend um, als es eine Übung.

Beim Fegen der Wege wieder alles von sich werfen, die Jacke, den Pullover, sogar die Over-Ear-Kopfhörer sind zu warm, man schwitzt an den Ohren. Irgendwo brummt ein Rasenmäher, es ist der 7. Januar. Insekten in der Luft, über dem Kompost schwirrt es wimmelnd.

Ich höre bei der Gartenarbeit den Dissens-Podcast mit Teresa Bücker, „Man muss überlegen, was man machen möchte“, wird da gesagt, und ich denke, ich möchte hier bitte fegen, so schlicht bin ich nämlich im Geiste.

Um uns herum ist es eher hässlich, bei aller Naturliebe kann man Schrebergärten im Winter doch kaum schön finden. Die Pracht des Sommers hängt braunschwarz dahingerafft und verwesend auf halbmast, rottendes Obst in den Ästen, Knickstängel und Moderboden, Staudengerippe, gut sieht das alles nicht aus und bei jedem Brett, bei jedem Stück Holz möchte man Schimmel, Pilzbefall und Ungezieferbehausungen vermuten. Rost auf Metall, verwehte Papierlampions, zerfetzt und abgewrackt. Vorsichtig und misstrauisch in die Laube sehen, was darin wohl ungestört seit Wochen lebt und webt.

In der riesigen Pappel hinter der Parzelle wieder die Krähen, schwarz, laut und umtriebig, sich um die besten Plätze streitend, ein stundenfüllendes Programm ist das.

Man müsste in einen weitläufigen Park, um jetzt Schönheit zu sehen, in einen Wald, in eine Flusslandschaft, ans Meer, auf eine Insel. Ein Kleingarten strahlt nicht vor dem April, vor dem Mai. Aber man hat, was man hat, und für einen Park etwa reicht es einfach nicht, er würde auch zu viel Arbeit machen.

Da mal bescheiden bleiben.

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Ab und zu Orangen pressen

Wie immer nach Weihnachten gibt es keine richtig guten Mandarinen mehr, nur noch die Netze, in denen mindestens eine schon vergammelt ist und man im Supermarkt in fauliges Fruchtfleisch greift, um sich dann für den Rest der Einkaufstour vor der eigenen Hand zu ekeln; der Rest der Früchte ist aufgrund der hauchdünnen Schale nicht vernünftig pellbar oder schon verdächtig vergoren im Geschmack, mit der Anmutung von gekipptem Dosenobst im Abgang. So sad! Der weitere Winter dümpelt also einigermaßen sinnlos dahin, nächste Station Erdbeeren, aber das dauert noch.

Ab und zu Orangen pressen und dabei etwas von Vitamin C murmeln. Ab und zu rausgehen und dabei etwas von Vitamin D murmeln. Vorsorge für Minimalisten, man bleibt ja so weit bemüht.

Die erste Arbeitswoche haben wir schon geschafft, 1/52. Da haben wir vielen Süddeutschen etwas voraus, die laut Abwesenheitsmeldungen in den Mails noch fast kollektiv im Urlaubsmodus verblieben sind, mit ihrem drolligen Extrafeiertag da. Die lagen bis eben noch unter den Tannenbäumen, die Feste verdauend. Das ganze Jahr werden wir jetzt wieder Vorsprung vor denen haben, in allem, auch in der neuen Urlaubsreife, die sich Woche für Woche routinemäßig und zuverlässig wieder aufbauen wird. Wann immer in den nächsten Monaten eine Kollegin aus München von Erschöpfung sprechen wird, mit einem gereizten: „Was soll ich denn erst sagen!“ antworten. Protestantische Arbeitsethik, die kann man auch ausleben, ohne mit der Kirche etwas zu tun zu haben. In der Wikipedia wird zum Thema Lavater zitiert: „Selbst im Himmel können wir ohne eine Beschäftigung nicht gesegnet sein.“

Das mal einwirken lassen, in der ganzen Bitternis, was für ein Satz. In der nächsten Woche machen die Söhne Praktika, dann arbeiten wir alle vier, das ist für uns eine Premiere, eine gesegnete, sozusagen.

Seit 45.000 Jahren machen wir Menschen Zeug, las ich gerade, was hat es genützt. Aber das führt heute zu weit, es ist Wochenende.

Gehört: Stefan Zweig, „In der Mondscheingasse“. Eine Geschichte, die nur funktioniert, weil ein Deutscher in der Fremde (Exilzeit) irgendwo in einem dubiosen Hafenviertel aus einer üblen Spelunke spätnachts noch Fetzen deutschen Gesanges hört, ein Stück aus dem Freischütz. Wo ich doch gerade gestern oder vorgestern fragte, ob wohl auch Deutsche fern der Heimat Lieder in der Muttersprache singen … ja, ja, wieder so ein Zufallding, schon klar.

Außerdem gehört: Etwas von Stevenson, etwas von Poe, etwas von Maupassant. Eventuell bin ich etwas gierig gerade. Aber es ist eine Gier, die nicht schadet, nehme ich an. Hoffe ich.

Ich lese ansonsten weiter in der Gaskell, „Frauen und Töchter“, ich finde das Buch sehr empfehlenswert. Falls Sie sich dafür interessieren, mehr Frauen zu lesen, was selbstverständlich ebenfalls empfehlenswert ist, lassen Sie Elizabeth Gaskell nicht aus, sie war definitiv eine Große und hat Dialogzeilen, die nennenswert lebendiger sind als in vielen anderen Romanen aus dieser Zeit.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 6.1.2023

Ich habe gelacht: Eine Rezension zu Stifters eher ungenießbarem Nachsommer.

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Die Kaltmamsell verweist auf einen Text von Michaela Menken, worauf ich wiederum verweise. Das mit dem kalten Eis, was dort geschildert wird, das ist ein faszinierender Aspekt bei KI. Wobei Word diese Wendung übrigens als Fehler anstreicht, Eis ist immer kalt, das Wort ist also überflüssig. Word weiß das, man hat es im beigebracht. Gelbe Zitronen dagegen gehen anstandslos durch, kleine Zwerge wieder nicht. Ach, man könnte stundenlang mit so etwas spielen. Also ich jedenfalls.

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Vanessa zieht um, man sieht bereits erste Bilder und das gibt mir die Gelegenheit, meinen allerliebsten Hüsch-Clip zu wiederholen, es passt schon: „Hauptsache, wir haben es schön warm.“ Es ist alles dermaßen wahr, und ich möchte ihm jedes Mal bei „Wir haben doch auch Geschmack und Ehrgeiz!“ angemessen zujubeln. Ein wunderbarer Auftritt.

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Bei Vanessa aber auch lesenswert: Ihr Glasfaseranmeldeabenteuer. Man bekommt schon beim Lesen Zustände und Angst, so etwas auch einmal wieder erleben zu müssen.

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Die seltsamen Rituale zum heutigen Feiertag im Süden. Nur zur Verdeutlichung, falls das unklar sein sollte, wir hier oben im Norden haben mit all dem tatsächlich keine Berührung, damit keine Erfahrung und wohl meist auch kaum Kenntnis davon. Ich merke an diesem Tag immer nur, dass die Kolleginnen aus dem Süden nicht erreichbar sind, wegen was denn nun schon wieder. Und dann sieht man auf den Kalender und denkt: Na, was auch immer die da machen.

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Frau Herzbruch erinnert im Zusammenhang mit dem überaus obskuren Wahlgeschehen in den USA an den Heide-Mord, und wenn man diese Story noch kennt, fühlt man sich auch wieder alt. So alt. Man kennt vielleicht Geschichten! Und da hat man ja von Barschel noch gar nicht gesprochen, von Engholm nicht usw., es waren alles Abenteuer in der Vorzeit.

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Eine neue Monatsnotiz von Nicola. Ich werde besonders den Teil mit Teresa Bücker noch ernsthaft nacharbeiten, also wenn Zeit dafür ist, um mal wieder einen Knaller-Meta-Scherz zu machen. Im Ernst finde ich das sehr interessant, ein hervorragendes Thema, ich höre mir den drüben verlinkten Podcast demnächst an, er ist schon auf der Merkliste.

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Durch den Regen

Nun gab es auch den ersten Bürotag des Jahres, also Office-Office, oder wie immer man das jetzt nennt, wenn man da leibhaftig hinrennt. Durch den Regen bin ich gegangen und ich vermute, es ist tatsächlich Ewigkeiten her, dass ich zuletzt im Regen zur Arbeit gegangen bin, irgendwann präpandemisch war das. Ich stelle nach etwa drei Stunden konzentrierter Arbeit fest, dass es draußen währenddessen nicht heller geworden ist, wofür es nur zwei plausible Erklärungen geben kann: Apokalypse oder norddeutscher Winter. Ich neige der zweiten Erklärung zu, da sonst nichts weiter passiert, keine Feuerbälle am Himmel oder dergleichen. Nur der Regen am Fenster, der Wind.

Ich gehe dann später auch im Regen zurück, ich höre Kafka dabei und gehe zwischen gesichtslosen Bürobauten, über Ausfallstraßen und an Baustellen vorbei, die einfach nicht enden wollen. Überall sind Absperrungen und Umleitungen, obwohl nirgends Bauarbeiter zu sehen sind, es passt alles sehr schön zusammen.

Als der Buddenbohm eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Büroangestellten verwandelt.

Unter einer Eisenbahnbrücke liegen Obdachlose aus Osteuropa und singen leise. Es klingt nach einem Volkslied, es ist eine einfache Melodie. Es ist mir schon öfter aufgefallen, dass die Männer aus diesen Gegenden, fast immer sind es nur Männer in den Gruppen, gerne gemeinsam singen, traurige, wehmütige Lieder. Ob wohl irgendwo auf der Welt Obdachlose aus dem deutschen Sprachraum unter einer Brücke liegen und so etwas wie „Am Brunnen vor dem Tore“ singen? Es ist schwer vorstellbar.

Ich gehe weiter, ich lasse ein Hörbuch laufen. Ich höre gerade Wiederholungen, lauter Stücke, die ich schon kenne, und ich stelle fest, dass das super ist. Dauernd mache ich Neuentdeckungen in den Texten, so lückenhaft nämlich bekomme ich das alles beim ersten Lesen oder Hören nur mit, und manche Wiederholungen, die ich als solche tatsächlich auch erkenne, finde ich wunderbar. Und es ist auch nicht so schlimm, wenn man abends bei diesen Texten einschläft, man kennt es ja schon, es macht nichts aus.

Im öffentlichen Bücherschrank, ich sehe es beim Abendspaziergang durchs Revier, steht Robert Gernhardt, den nehme ich mit. Im Glück und anderswo heißt der Band:

„Ich bin ein schwerer, alter Herr,

mein Herz war einmal jung.

Das war schon einmal umgekehrt,

sagt die Erinnerung.“

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Das Jahr läuft

Es gab die ersten Werktage mit Home-Office, es wurde auch der erste Text an einen Kunden geschickt. Das Jahr läuft, auch wenn die Söhne noch im schläfrigen Ferienmodus verbleiben und gähnend durch meine Betriebsamkeit schlurfen. Der Kalender füllt sich wie immer von selbst, Termine, To-Dos, Zahnarztbesuchsreihen, Vorsorgeklimbim, Vorhaben und dergleichen.

Am Montag gehe ich die übliche Einkaufsrunde und kann mich hinterher nicht mehr daran erinnern. Ich habe nichts gesehen, mir ist nichts aufgefallen, es war wohl nur eine Stunde Normalität ohne besondere Vorkommnisse, es sollte einem vielleicht auch einmal recht sein. Ein Tag vergeht in dezentem Grau, weg ist er. Es sind neue Lebensmittel im Kühlschrank, daran ist kein Zweifel, ich muss also wirklich draußen gewesen sein, das ist alles deduktiv abzuleiten. Vermutlich war da auch irgendein Wetter, vermutlich gab es da irgendwelche Leute und Dinge und Szenen um mich herum, doch, es muss so gewesen sein. Egal.

Es gibt also, das sei am Rande nur noch eben festgestellt, Tage, an denen das Wetter nicht weiter auffällt, obwohl wir nur knapp hinter einem Wetterereignis der Superlative sind, nur knapp hinter einer wirklich irren Hitzewelle, die uns nur deswegen nicht oder kaum in den Schlagzeilen beschäftigt hat, weil Winter ist und Hitze da nun einmal anders ausfällt als im Sommer. Im Guardian war ein Artikel dazu, mit einem Ausblick auf die Winter der kommenden Jahre: “It is a small glimpse of a future that will see winter reduced to a couple of months of dreary, damp, and mild weather, with little in the way of frost, ice or snow.

Ich hatte gestern die inhaltlich falschen, also unpassenden Texte und Podcasts zu Gartenthemen im Januar erwähnt, ich bleibe dabei, dass wir alle assoziativ nachgehen, dass wir uns geistig nicht anpassen an die neuen Winter. Oder nur spät, mühsam und zögerlich. Unsere inneren Winter bleiben weiß, weil sie es damals waren, in den Büchern, in den Filmen, in den Erinnerungen.

Gehört: „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann. Darin gibt Olimpia, die nur eine hölzerne Puppe ist, ein überaus kunstvoller Automat, den die männliche Hauptfigur aber nicht als solchen erkennt und sich prompt in die vermeintlich lebende Figur verliebt, als Antwort auf alle Fragen und Gesprächsbeiträge stets nur „Ach, ach“ von sich, was dem Mann nicht verdächtig vorkommt, sondern im Gegenteil als Zeichen besonderen Tiefsinns und geistigen Reichtums.

Der Automat gibt also eine überaus vage, in vielen Fällen aber dennoch halbwegs passend erscheinende Antwort. Wenn man sich heute mit künstlicher Intelligenz befasst, sollte man den Hoffmann vielleicht mitdenken, er war seiner Zeit voraus.

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Hefe, Bücher, Papageien

Ich gebe mich heute verhaltensoriginell und werfe hier einmal eine gute Nachricht ein, es könnte nach einer gewissen Strecke des Mangels erbaulich sein. Und zwar ist doch noch etwas zum letzten Jahr zu melden, Sie erinnern sich, 2022, es ist schon wieder eine Weile her. Da hatte doch die Herzdame kurz vor Toresschluss, kurz vor dem Weihnachtsfest, noch einmal auf die Spenden für die Essensausgabe vor unserer Haustür hingewiesen, auf die sogenannte Suppengruppe, die wir unterstützen (das war dieser Artikel) und das brachte tatsächlich die ziemlich stolze Summe von 865 Euro für diese Hilfseinrichtung ein, wenn das nicht fein ist? Herzlichen Dank, wir haben das beste Publikum hier, das war großartig.

Und sonst … ich habe „Wiedersehen mit Brideshead“ durchgelesen, also einen Plan eingehalten und gehe seitdem wieder etwas aufrechter. Auch mal was durchziehen! Leistung bringen! Und sei es nur privat, weit nach Feierabend. Ein sehr gutes Buch, auch beim zweiten Lesen, den dazu passenden Elfteiler sehe ich mir demnächst gemeinsam mit der Herzdame an. Jetzt lese ich „Frauen und Töchter“ von Elizabeth Gaskell, übersetzt von Andrea Ott, ein Manesse-Band. 831 Seiten, da hat man wieder etwas vor und ist von der Straße weg.

Ich habe außerdem „Im Brauerhause“ gehört, das ist eine Erzählung von Theodor Storm, es geht um Aberglauben und befremdliche Gebräuche. Wieder ist es keine seiner großen Geschichten, aber nebenbei habe ich gelernt, dass die Hefe im Plattdeutschen Gest heißt, also sehr nahe an dem englischen Yeast ist. Im Platt der Herzdame, das sich deutlich von dem aus meiner Gegend unterscheidet, wäre es eher Gist, wenn ich richtig recherchiert habe. Zum Vergleich habe ich auch ChatGPT gefragt, was die Hefe auf Plattdeutsch heißt, da war die Antwort „Heff“, und ich glaube, das ist Unsinn.

Blanken Unsinn erzählt das Programm dann auch bei manchen Fragen zu Geschichte und Geografie, man merkt es, wenn man sich irgendwo gut auskennt. Fragen nach bestimmten Kirchen in Hamburger Stadtteilen etwa, was jetzt nicht so schwer klingt, wurden nicht korrekt beantwortet, es ist ganz merkwürdig. Kein Quiz hätte ich damit gewinnen können, keine Prüfung damit bestehen. Ich spiele mich gerade erst warm, komme aber schon zum Schluss, dass dieses Programm für die Faktenrecherche sicher nicht taugt (für andere Zwecke aber sehr wohl). Auf Mastodon stieß ich auf eine Formulierung (leider vergessen, bei wem genau, pardon), welche die Funktionsweise von Programmen dieser Art als „Stochastic Parroting“ beschrieb, das fand ich einleuchtend und gefällig. Hier ein passender Artikel in der Washington Post dazu: … a system for haphazardly stitching together sequences of linguistic forms … according to probabilistic information about how they combine, but without any reference to meaning: a stochastic parrot.”

Stochastic Parrots – das mal für den Smalltalk im Büroumfeld merken, man wird es in diesem Jahr wohl anwenden können.

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Ich lese nebenbei Garten-Newsletter, ich höre Garten-Podcasts, überall ist die Rede vom grimmen Januar, in dem Eis und Schnee den Garten im harten Griff haben. Bei lauen vierzehn Grad und Regen, diese Medien passen nicht mehr zu unserer Wirklichkeit. Die Welt da draußen hat keinen Bestand, nur die Redaktionspläne werden bleiben.

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Wir haben Weihnachten in den Keller gebracht und den Baum vom Balkon geworfen. Und wo der Baum stand, da ist jetzt so viel Platz, man möchte sofort einen Ball geben. Aber dann müsste man hinterher schon wieder aufräumen, ein unschöner Gedanke.

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Deko, Krempel und Kulissen

Ich gehöre zu den Menschen, die wenig Verständnis dafür haben, dass nach dem 1. Januar immer noch das Bühnenbild nicht gewechselt wird. Dass immer noch Weihnachtsflitter in den Schaufenstern hängt, dass weiterhin Leuchtsterne über den Straßen baumeln und Silvesteraccessoires in den Regalen liegen, dass Tannenbäume überall noch bunt geschmückt herumstehen– ich möchte das nicht, ich bin da ungeduldig. Die Deko, der Krempel und die alten Kulissen, die sollen jetzt weg. Ich brauche etwas Neues, die Feste sind durch und vorbei und der Nachhall nervt. Das aber sehen dummerweise viele anders und schon hat man wieder einen Konflikt mit der Mehrheitsgesellschaft. Immerhin einen, den man gut aushalten kann. Mit etwas Schmollen vielleicht, aber auch das kann dezent ausfallen, ich habe mich so weit im Griff.

Und selbst unser eigener Weihnachtsbaum steht noch, wir haben es gestern wegen zeitlich versetzter Neujahrsspaziergänge nicht geschafft, ihn rechtzeitig abzutakeln und vom Balkon zu werfen, das steht erst für heute auf dem Plan. Ja, mach nur einen Plan.

Die Söhne haben in dieser Woche noch Ferien, die Herzdame und ich nicht, wir fangen heute an. Mit allem. Es liegt nach dieser letzten Ferienwoche dann eine Normalitätsstrecke vor uns, ohne Feiertage, ohne saisonalen Besonderheiten und Tollerei, und zwar reicht die in Hamburg, das wird bei Ihnen anders sein, bis März, also bis hin zu den dämlichen Ski-Ferien, die für alle, die keinen Wintersport treiben, etwa für uns, in einigermaßen sinnloser Jahreszeit herumliegen. Das sind, Moment, acht Wochen Regulärbetrieb, wenn die Weltgeschichte nicht wieder mit originellen Einfällen daherkommt, was wir schwer hoffen wollen. Okay. Das mal durchziehen, das mal abarbeiten.

Mein Neujahrsspaziergang beginnt im Hauptbahnhof, wo es wegen der Rückreisen überaus voll ist. Zerknickte Menschen nach den nächtlichen Feiern, unausgeschlafen, verstrubbelt, verbraucht, blass und angegriffen, ratlos vor den digitalen Tafeln, die Augen zusammenkneifend, um da oben alles lesen zu können, welcher Zug wann wohin. Guck mal, die Verspätungen. Bei einem Bäcker sitzt eine Frau noch im Abendkleid, freie Schultern, ein ungewohnter Anblick im Winter, versonnen in ihren großen Pott Kaffee lächelnd. Da kann man vielleicht annehmen, dass die Nacht in Ordnung war.

Draußen und in Richtung Elbe dann die Spazierfraktion, ein Gedränge hafenwärts wie bei Goethes Osterspaziergang: Aus dem hohlen, finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Weit offene Jacken, ausgezogene Pullover auch, abgenommene Mützen und Schals, es ist alles zu warm, viel zu warm. Der Himmel ist blau, die Luft ist lind, allzu lind. So einen Neujahrstag gab es noch nicht, soweit man sich erinnern kann, was hat das mit Winter zu tun. Man sitzt auf Bänken am Fluss, sieht elbabwärts und sonnt sich. So fängt es an, das Jahr.

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Ich bringe der Herzdame am Montagmorgen Tee ans Bett, sie fragt müde: „Warum ist Montag?“

Aber das fragt man sich meist nur kurz, und dann macht man einfach irgendwas. Wie immer.

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