12 von 12 im März

(Die anderen 12-von-12-Ausgaben zahlloser Bloggerinnen wie immer hier)

Ein Werktagmorgen, also ab nach Hammerbrook und in ein formschönes Bürohaus. Das Wetter ist eklig, es ist Montag, niemand hat die Absicht, deswegen zu jammern. Wie wir in unserem von Altersweiheit und Tiefsinn geprägtem Großraumbüro immer sagen: “Wenigstens arbeiten wir überdacht.”

Im Büro ist der Kaffee so unfassbar schlecht, dass ich auf Hagebutten-Hibiskus-Tee umgestiegen bin. Unterm Strich endet man dabei aber schon wieder mit hängenden Schultern bei: “Immerhin arbeiten wir überdacht.” Schlimm.

Zwischendurch strolche ich unentschlossen durch den Regen und an den vielen Imbissen vorbei, die in Hammerbrook für vergleichsweise üppige Preise ziemlich mäßige Speisen anbieten. Kann aber alles nicht mehr sehen. Immerhin sind die Brötchen überdacht, denke ich, es ist irgendwie nicht der allerfröhlichste Tag des Monats, wie Sie vielleicht merken.

Ich esse nix, ich trinke nur einen Kaffee und sehe mir hässliche Autos im hässlichen Hammerbrook an.

Dann doch noch ein Lichtblick, ich treffe mich nach Büroschluss mit der Herzdame zum Mittagstisch im kleinen Bahnhofsviertel.

Wir gehen zu Gao Kitchen auf der Langen Reihe, hier eine Besprechung des Ladens. Mittagstisch 7,50, ich finde das sehr gut da, gerne wieder.

Nach dem Essen gehe ich noch in einen Drogeriemarkt, dummerweise gibt es da auch Saatgut. Stelle fest, dass ich bei Saatgut nach wie vor etwas unbeherrscht bin. An der Kasse lege ich die Bohnen ordnungsgemäß aufs Laufband. Die Dame vor mir, Typ pensionierte Schuldirektorin, besieht sich über ihre Lesebrille hinweg erst die Bohnentüte, dann mich. Sagt in seltsam strengem Tonfall: “Aha!” Schüttelt missbilligend den Kopf. Und ich weiß gar nicht recht, was sie meinte. Vielleicht sehe ich mit meinen mittlerweile recht langen Haare genau aus wie so ein Typ, der anderen die Bohnen für den Garten vor der Nase wegkauft?

Ich bespreche den Fall zu Hause mit meiner Dahlie, aber die weiß auch nicht recht.

Lese etwas im Echolot, da ich abends im Moment dauernd zu müde bin, um mehr als eine Seite zu lesen. Mein Biorhythmus ist völlig aus dem Ruder, ich falle um acht Uhr um und wache um vier auf, das muss sich ändern. Oder ich mache das einfach solange weiter, bis ich alle überrundet habe, passt dann auch wieder.

Gucke dann einen Clip auf Youtube, dessen Charme sich vermutlich nur Garteninteressierten erschließt, pardon. Aber wenn man weiß, mit welch fancy Methoden und Mitteln und Ausrüstungskomponenten einige Gartenyoutuber arbeiten, dann kann man über den Herrn hier schon einmal lachen, der sinngemäß sagt: “Himmel, steckt das Zeug doch einfach in die Erde.” At no cost! Wie er ungefähr hundertmal wiederholt. Großartiger Dialekt auch, muss mir angewöhnen, das “okay” genau so auszusprechen wie der Gärtner im Filmchen.

In der Wohnung keimen übrigens jetzt die Kartoffeln vor, und mangels Platz tun sie das im Schlafzimmer. Die Herzdame is not amused, um es milde auszudrücken.

#12von12 #schrebergarten

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Es folgt Werbung, und zwar ein Terminhinweis für Hamburg, besonders für Hamburger Eltern. Wir waren da schon im letzten Jahr, wenn man legobegeisterte Kinder hat oder selbst in der Richtung interessiert ist, dann ist man da auch richtig. Und dem Wetterbericht nach kann man draußen eh nix machen.

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Die Herzdame: Experiment Tag 8

Ein Text von Maret Buddenbohm, auch bekannt als die Herzdame, die heute leider gar nicht viel zu berichten hat.

Die Söhne mit dem iPad

Für alle, die das Experiment noch einmal von Anfang an lesen möchten bitte hier entlang.

Es ist Freitag und der letzte Tag des Experiments. Auch heute Morgen läuft es nicht anders als die Tage zuvor. Sohn 1 kommt wieder nicht vom iPad los, schafft es dann aber tatsächlich noch, in letzter Minute zu duschen. Hurra! Konfetti! Alles geht, man braucht nur ein paar Tage Anlauf.

Beiden Jungs fällt dann allerdings ein, dass sie nachmittags zum Schwimmen wollen und das dieses Duschen daher eigentlich überflüssig war, und diese Erkenntnis ist nicht gut für die Stimmung.

Ich habe schon früh einen Termin zur Bestellung unserer Laube und muss kurz vor 8 Uhr los. Als ich gehe, ist Sohn 1 immer noch nicht fertig. Ich laufe zufällig am Haus seines Kumpels vorbei, der schon auf dem Balkon steht und seit einer Weile auf ihn wartet. Und obwohl es mich diese Woche ja eigentlich nichts angeht, macht es mich echt traurig, dass diese Kleinigkeiten nicht funktionieren, ohne dass man alles anweist.

Eigentlich wollten wir heute Familienrat halten und über unsere Erkenntnisse sprechen, aber die Termine machen uns wieder einen Strich durch die Rechnung. Abends sehe ich die Jungs nur für eine halbe Stunde, da sie lange unterwegs sind und ich dann mit einer Freundin zum Essen verabredet bin. Der Familienrat wird also erst einmal kurz verschoben.

Und das Fazit dieser kleinen Reihe damit auch.

Hier noch mal alle Berichte des Experiments:

Einleitung | Tag 1Tag 2 | Tag 3 | Tag 4 | Tag 5Tag 6Tag 7 | Tag 8 | Fazit

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Da die Söhne Hauptfiguren dieser Blogartikelreihe sind, mittlerweile aber schon ziemlich gut mitlesen können und eine genaue Vorstellung davon haben, was sie von sich im Netz lesen wollen und was nicht, werden diese Artikel vor Veröffentlichung mit ihnen besprochen und lektoriert. Auch wenn ich es richtig blöd finde, wenn ein guter Witz von ihnen gestrichen wird und rausfliegt.

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Um der Verdummung durch zu viel digitale Medien entgegen zu wirken – der Sponsor dieser Reihe ist die SZ Familie.

Die Herzdame: Experiment Tag 7

Ein Text von Maret Buddenbohm, auch bekannt als die Herzdame, die heute doch geschimpft hat.

Die Söhne mit dem iPad

Für alle, die das Experiment noch einmal von Anfang an lesen möchten bitte hier entlang.

Donnerstag ab 6 Uhr klebt Sohn 1 wieder am iPad. Immer noch ungeduscht, die Haare sehen immer schlimmer aus, mittlerweile wie eine durchgehende Filzmatte. Ich spreche meine freundliche Empfehlung aus, keine Reaktion.

Ich wecke Sohn 2, der dreht sich aber wie immer nochmal um. Als ich ihn das nächste Mal auf die Zeit hinweise, bekomme ich wieder Ärger, dass ich ihn nicht früher geweckt habe. Das interpretiere ich so, dass ihm Schimpfen wohl lieber gewesen wäre. Nun ja. Ich stelle laut fest, dass er so langsam riecht. Da springt Sohn 2 auf und geht duschen. Leider auf den letzten Drücker, deshalb bleibt keine Zeit mehr, noch die Haare zu waschen. Aber ich freue mich auch über die kleinen Erfolge.

15 Minuten bevor Sohn 1 losmüsste, klebt er immer noch am iPad und hat sonst nichts gemacht. Als ich ihm das mitteile, gibt es keine Reaktion. So langsam kocht doch die Wut hoch. Mir fällt es wirklich schwer mich zu zügeln und dann rutscht es mir doch raus. Ich schimpfe kurz, fange mir aber böse Blicke von allen Seiten ein, auch vom Gatten.

Sohn 1 reißt sich dann doch los und wirft einen alten Pullover über, das muss reichen. Ihm fällt aber noch ein, dass er frühstücken muss, Sohn 2 schließt sich da an. Die Zeit rennt. Und wo ich gerade dabei bin mich aufzuregen, rege ich mich auch gleich über alles auf. Ich falte den Gatten zusammen, das darf ich ja. Das ist nicht verboten, denke ich, das Experiment bezieht sich nur auf die Kinder. Der Gatte sieht das natürlich anders. Ich bin still und rege ich mich innerlich weiterhin auf. Es wird immer hektischer. Die Kinder laufen durch die Wohnung – erst mit Toast, dann mit Zahnbürste. Ich schicke sie zurück ins Bad, das darf ich aber wirklich. Das war Bestandteil der Vereinbarung: die Wohnung bleibt weitgehend ordentlich und sauber (haha).

Das Fazit für morgens: irgendwie geht es nicht ohne Meckern, auch wenn ich eigentlich ruhig bleiben will und es mir egal sein sollte, ob die Kinder zu spät kommen. Vielleicht ginge es, wenn das iPad nicht wäre. Ich stelle noch schnell eine Waschmaschine an. Es ist weniger Wäsche zu waschen als sonst, weil noch bergeweise Kleidungsstücke im Kinderzimmer liegen. Das hat immerhin einen Vorteil, es spart Wasser und Waschmittel und ist gut für die Umwelt.

Nebenbei stelle ich fest, dass die Kinder es eigenständig geschafft haben, sich wettergerechte Kleidung anzuziehen, es sind immerhin Minusgerade.

Nachmittags gehen die Kinder eigentlich zum Parkour, aber wir stellen es ihnen frei, weil das irgendwie auch zum Experiment gehört. Sie entschließen sich nicht zu gehen, was mich anfangs insgeheim freut. Ich muss keinen Fahrdienst machen und kann an meinen Berichten schreiben. Was sie statt Sport machen, muss ich hier nicht weiter schreiben … Aber obwohl das alles klar und abzusehen war, bin ich dann doch etwas enttäuscht.

Sohn 1 hat sich mit seinem Kumpel zum gemeinsamen Zocken am Telefon verabredet. Sie spielen stundenlang Clash Royal, das Telefon liegt daneben, sie besprechen Strategien und man darf auf keinen Fall stören. Nur Sohn 2 darf zugucken.

Abends gehe ich zum Lindy Hop, bekomme also nicht mit, wie es läuft, der Gatte ist jedenfalls hinterher ganz zufrieden. Bisher waren die Jungs abends aber immer so spätestens um 21 Uhr im Bett, was ich durchaus vertretbar finde.

Ich stelle fest, abends läuft es besser als morgens. Wesentlich besser.

Hier noch mal alle Berichte des Experiments:

Einleitung | Tag 1Tag 2 | Tag 3 | Tag 4 | Tag 5Tag 6Tag 7 | Tag 8 | Fazit

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Da die Söhne Hauptfiguren dieser Blogartikelreihe sind, mittlerweile aber schon ziemlich gut mitlesen können und eine genaue Vorstellung davon haben, was sie von sich im Netz lesen wollen und was nicht, werden diese Artikel vor Veröffentlichung mit ihnen besprochen und lektoriert. Auch wenn ich es richtig blöd finde, wenn ein guter Witz von ihnen gestrichen wird und rausfliegt.

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Um der Verdummung durch zu viel digitale Medien entgegen zu wirken – der Sponsor dieser Reihe ist die SZ Familie.

Blind-Date Edition #4 „Peaches“

PFIRSICH

(Bildquelle: Das Titelbild stammt von Sandra Geeck vom Blog GrüneLiebe.)

Was kommt dabei heraus, wenn sich 12 GartenbloggerInnen zu einem festgelegten Song Gedanken machen und die entstandenen Beiträge zeitgleich ins Internet stellen? Unter dem Motto „Peaches“ hat jede/r von uns einen Beitrag zu dem gleichnamigen Song von den The Presidents of the United States of America geschrieben.

Wir wissen nicht was die Anderen geschrieben haben, es gab keine inhaltliche Abstimmung und wir sind sehr gespannt auf das Ergebnis!

Mit dabei sind:

Gartenbaukunst, Hauptstadtgarten, Beetkultur, Der kleine Horrorgarten, Karo-Tina Aldente, Cardamonchai, Milli Bloom, Rienmakäfer, Garteneuphorie, Garteninspektor, Faun und Farn, Mrs. Greenhouse, Buddenbohm & Söhne.

Viel Spaß beim Lesen!

Ich habe ein Blog und ich habe einen Garten, das macht mich nicht zwingend zum Gartenblogger, wirklich nicht, man verbindet ja irgendwie doch Kompetenz und Ahnung mit Gartenblogs, das habe ich beides nicht zu bieten, also noch nicht. Ich arbeite nur daran, stets bemüht.

Umso mehr freute mich die Einladung, bei einer Gartenbloggeraktion mitzumachen, vielen Dank, das ist wirklich ganz reizend.

Man wirft also etlichen Bloggerinnen ein Stichwort hin, jeder schreibt irgendwas und alle veröffentlichen ihre Texte gleichzeitig, sie nennen es Blind Date. Im Grunde ist die Idee ziemlich gut, das könnte man auch anderweitig einmal … aber nein. Bloß keine neuen Projekte! Contenance!

Der Pfirsich ist nun eine Frucht, zu der ich assoziativ erstaunlich wenig zu bieten habe, mein Leben ist ausgesprochen arm an Pfirsichgeschichten. Nur zwei Szenen fallen mir ein, die eine erklärt mein eher schwieriges Verhältnis zu Pfirsicharoma, die andere unterstreicht in geradezu erschreckendem Ausmaß meine Ahnungslosigkeit.

Als ich damals jeden Tag mit dem Doppeldeckerbus zwischen Lübeck und Travemünde hin- und herfuhr, um das Gymnasium in der Altstadt zu besuchen, war es unter den Schülern üblich, sich vor der langen Fahrt am Kiosk mit Süßigkeiten zum Preis von fünf oder zehn Pfennig pro Stück einzudecken. Die meisten davon gibt es heute noch, nur kosten sie jetzt fünf oder zehn Cent. Darunter war auch weingummiähnliches Zeug in Pfirsichform, dick mit Zucker bestreut, das werden viele kennen, nehme ich an. Diese übersüßen Stücke habe ich ab und zu gegessen, sie waren weder besonders gut noch besonders schlecht, ich gehörte eher zur Salino-Fraktion, das war cooler. Oder Nappos, mitttlerweile tun mir die Zähne schon weh, wenn ich nur daran denke. Ganz anders mein Mitschüler T***, der diese Pfirsichsurrogatextraktweingummis in beliebiger Menge essen konnte und das auch regelmäßig tat. Allerdings zeichnete sich dieser T*** auch dadurch aus, dass ihm ab und zu während der Fahrt schlecht wurde. Weswegen er einmal, als er neben mir saß, eine größere Menge dieser rosafarbenen Zuckerpfirsiche hochwürgte und zwischen uns erbrach. Und diese fatal süßsaure Geruchsmischung aus Pfirsicharoma und Kotze führte in Sekunden dazu, dass ich auch … nur eben in schwarz, weil Salinos.

Seit dieser Zeit reagiere ich bis zum heutigen Tag vehement ablehnend auf alles, was auch nur entfernt nach Pfirsich riecht. Shampoo, Weingummi, Parfum, egal was, ich flüchte sofort. Es sei denn, es ist ein echter Pfirsich, dann geht es. Der Mensch funktioniert manchmal seltsam.

Zweitens habe ich mir bis vor wenigen Jahren nie, wirklich nie Gedanken gemacht, wo Pfirsiche wohl wachsen. Ich habe sie irgendwo im Süden verortet, das aber nicht weiter definiert, wie etwa beim Pfeffer. Irgendein malerischer Süden, eher weiter weg als näher dran. Ich war daher ziemlich überrascht, als ich zum ersten Mal in Südtirol bei einem Obstbauern war und dort Pfirsichbäume standen, ich hatte diese Frucht tatsächlich noch nie vorher an einem Baum gesehen. Und weil ich Pfirsiche vorher nicht mit Italien in Verbindung gebracht habe, kam mir Südtirol in dem Moment, in dem ich vor diesem Baum stand, noch südlicher als ohnehin schon vor, sagen wir ruhig: traumhaft südlich. Bei etwas besserer Allgemeinbildung bezüglich Pflanzen hätte ich natürlich östlich denken müssen, traumhaft östlich, der Pfirsich kommt ursprünglich aus China. Der Obstbauer hat sich dabei prächtig amüsiert, zumal ich auch nach längerem Nachdenken nicht darauf kam, um was es sich bei dem Baum neben dem Pfirsich handelte. Kaki, die waren mir bis dahin nicht einmal ansatzweise geläufig, nie gegessen.

Aus komplett unerfindlichen Gründen ist mir außerdem noch bekannt, dass Goethe irgendwo “Pfirschen” erwähnt, genau so geschrieben, nicht etwa Pfirsiche. Nun kann das natürlich peinlich werden, falls die Pfirschen der Goethezeit am Ende gar nicht Pfirsiche waren, sondern Birnen oder Pflaumen oder was weiß ich. Wenn es aber tatsächlich Pfirsiche waren, dann ist “Pfirschen” klar der bessere Begriff, er klingt viel saftiger, auch irgendwie angemessen unästhetisch, er klingt so, als hätte man gerade hineingebissen und der Saft würde einem so am Kinn herunterlaufen, ich meine, wer kennt das nicht. Pfirschen klingen nach Pfirsichsabber und nach hoffentlich sieht das jetzt keiner, wenn ich über die Spüle gebeugt diese überreife Frucht verschlinge und mich einsaue wie ein Dreijähriger, Pfirschen, das ist wirklich ein äußerst treffender Begriff für Pfirsiche, besonders für angebissene Exemplare im Hochsommer. Solange sie noch attraktiv am Baum hängen, nennt man sie vielleicht doch besser Pfirsiche, das klingt niveauvoll und gepflegt, das wiederholte i hebt doch ungemein. Wenn man Pfirsich überdeutlich und langsam ausspricht, macht man fast unweigerlich einen affektierten Gesichtsausdruck, probieren Sie das mal aus. 

Egal, kommen wir zur Gegenwart. In unserem Garten wird, wie schon oft erwähnt, die Herzdame für die Laube zuständig sein, ich aber für die Beete. Sie innen, ich außen, so der grobe Plan. Ab und zu äußert sie dennoch überraschend Pflanzenwünsche, die ich natürlich möglichst berücksichtigen werde. Wenn sie sich schon nicht für Gemüse interessiert, pflanze ich ihr eben etwas anderes, Hauptsache, sie guckt mal. Allerdings weichen ihre Wünsche deutlich von meinen ab. Sie möchte beispielsweise einen Bambus, Reineclauden und tatsächlich auch Pfirsiche, warum auch immer. Bambus widerstrebt mir sehr, den isst man eher nicht und ökologisch wäre er wohl nur sinnvoll, wenn es hier Pandas geben würde. Aber sie bekommt ihren Bambus, eh klar.

Reineclauden, wenn das überhaupt der richtige Plural ist, möchte sie vermutlich nur haben, weil sie so extravagant klingen. Aber sie bekommt auch ihre Reineclauden, eh klar. Man kann auch Renekloden schreiben, dann klingen sie plötzlich wie niederdeutsches Wildobst, Renekloden, die wachsen hier auf jeder Verkehrsinsel, wenn man sie so schreibt. Allerdings pflanzt man sie besser im späten Herbst, die sind jetzt nicht dran.

Das mit den Pfirsichen habe ich nachgelesen, ich habe mittlerweile fast alles nachgelesen, was man im Garten pflanzen kann. Und der Pfirsich, da gibt es nichts, ist heikel. Ein tendenziell schwieriges, empfindsames Gewächs, eher divenhaft, eher sensibel, braucht viel Schutz und einen perfekten Standort, braucht bestes Wetter, braucht den perfekt abgestimmten Boden und keinen Wind und wenig Regen und überhaupt ideale Bedingungen, braucht eigentlich mindesten Südtirol und einen liebevoll sorgenden Obstbauern – und dann gedenkt er vielleicht, auch bei uns im Norden etwas zu werden. Mit Glück.

Das stand so in den ganzen Büchern aus der Gartenabteilung der Zentralbücherei, die ich im Winter verschlungen habe. In meiner Gartendatei, in die ich alles eintrage, was ich in diesen Büchern anwendbar finde, steht bei Pfirsich daher: “Eher nicht”. Aber das ist nur Buchwissen, und Buchwissen zählt im Garten nicht viel, es zählt sogar überhaupt nichts, wenn die Herzdame Wünsche hat.

Unser Garten liegt auf einer Insel in einem Fluss, die Insel ist ein Hügel mitten in der Hamburger Bille. Die Gärten direkt am Ufer liegen alle am Hang. Im letzten Spätsommer ging ich da einmal entlang und guckte über die Bille, und da hing mir einer ins Bild, ein Wahnsinnspfirsich, geradezu ein Stockphotopfirsich. Schimmernd im Sonnenuntergang, die Frucht schlechthin. Und ganz alleine hing er da, nichts anderes am Baum. Nur diese eine, sündhaft schön erscheinende Frucht.

Hing da an einem Baum in vollkommen verkehrter Lage, hing da, wo der wüste Westwind Norddeutschlands jeden Tag an den Ästen reißt und zerrt und unablässig das Gezweig durchwühlt. Hing da, wo der verlässliche Hamburger Regen auf die Bäume prallt wie klatschnasse Ohrfeigen, frisch über die Bille in immer neuen Schwaden herangeweht, den ganzen Sommer hindurch, im Herbst natürlich erst recht. Hing da an einem Baum am Hang, in der ungeschütztesten Lage, die man sich nur vorstellen kann. Hing also da, wo niemand mit Verstand einen Pfirsich hinpflanzen würde, weil er da einfach nichts werden kann.

Und wegen dieser einen Frucht, sei es nun eine Pfirsche oder ein Pfirsich, werden wir auch bald einen Pfirsichbaum in unserem ebenfalls winddurchtosten Garten haben. Denn was in den Büchern steht, das ist das eine. Und es ist sicher auch alles richtig und wichtig und mühsam erarbeitet und hochgelehrt. Aber das Pflanzen gar nicht lesen können, das ist eben das andere.

Und wenn man ihnen nicht erzählt, was man gelesen hat – wer weiß. Es ist am Ende alles einen Versuch wert.

Die Herzdame: Experiment Tag 6

Ein Text von Maret Buddenbohm, auch bekannt als die Herzdame, die auch nur das tut, worauf sie Lust hat.

Die Söhne mit dem iPad

Für alle, die das Experiment noch einmal von Anfang an lesen möchten bitte hier entlang.

Es ist Mittwoch, Sohn 2 will nicht aufstehen und dreht sich noch einmal um. Später gibt es Ärger, weil ich ihn angeblich nicht geweckt habe.

Sohn 1 hat heute gute Vorsätze und will nach dem Aufstehen nur ganz kurz 5 Minuten „anfordern“ (man bekommt bei manchen Spielen eine Belohnung, wenn man einmal kurz online ist und ein paar Buttons drückt. Verstehen muss man das aber nicht).

Ich erinnere beide Söhne noch mal ans Duschen. Ihnen fällt auch selbst auf, wie lange sie schon nicht mehr geduscht haben und sie wollen auch duschen, aber nur nicht jetzt, lieber abends.

Trotz freundlicher Empfehlungen und regelmäßiger Zeitansage spielt Sohn 1 dann aber doch so lange, bis die Zeit wieder knapp wird.

Sein Freund steht schon vor der Tür, Sohn 1 muss aber noch Zähne putzen. Ich sage ihm, dass er seinen Freund doch nicht warten lassen kann und das Zähneputzen ausfallen lassen soll. Er besteht aber darauf. Braves Kind! Wobei ich mich aber frage, was ist jetzt wichtiger, dem Kind zu vermitteln zuverlässig und pünktlich zu sein oder doch die Körperpflege?

Mir wird bewusst, dass die Kinder in manchen Dingen schon ganz schön selbstständig sein könnten, wenn man nicht ständig reinquatschen würde. Ich habe seit Tagen eigentlich nichts mehr zum Zähneputzen gesagt und frage mich, warum das bis vor kurzem noch so ein Riesenthema bei uns gewesen ist, besonders mit Sohn 2.

Es fällt aber auch auf, was die Kinder alles nicht machen können, in der Zeit, in der sie vor den Medien abhängen. Und wie schwierig es ist davon loszukommen, auch wenn sie gute Vorsätze haben, wie etwa Duschen, Lernen, Kuscheln, Pünktlichkeit. Eigentlich wollen sie ja …

Jetzt meckert Sohn 2, weil er keine lange Unterhose mehr im Schrank hat, denn die hat er nicht zur Schmutzwäsche gelegt hat und ich habe sie also nicht gewaschen. Er will jetzt, dass diese Woche endlich aufhört.

Nachmittags hat Sohn 1 einen Termin, im Anschluss besuchen wir noch einen Freund von mir. Während wir uns unterhalten, spielt Sohn 1 ununterbrochen auf meinem Handy, was ich jetzt aber in Ordnung finde, weil es wirklich langweilig für ihn ist und ich mich in Ruhe unterhalten will.

Um 18 Uhr liefere ich Sohn 1 schnell zu Hause ab und muss dann zum Elternabend. Der Gatte hat auch noch einen Termin außer Haus. Gegen 20 Uhr sind wir beide wieder zu Hause, bis dahin haben die Kinder offenbar durchgehend Youtube-Videos gesehen. Inzwischen haben sie aber wenigstens Bibis beknackte Beauty-Videos komplett durch und schauen Minecraft-Videos. Ob sie was gegessen haben, weiß ich nicht. Sie wollen jedenfalls nicht mitessen und lieber spielen.

Zwischendurch sage ich immer wieder die Zeit an, das interessiert aber niemand, die Kinder spielen weiter. Geduscht ist immer noch niemand, wann auch?

Sohn 2 hat aber immerhin irgendwann sein Lager etwas freigeräumt, das heißt, er hat alles in den Schrank zurück gepfeffert und kann endlich wieder auf dem Fußboden schlafen, wo er sich am wohlsten fühlt. Gegen 21 Uhr liegen sie ohne Essen im Bett, wahrscheinlich haben sie heimlich genascht. Aber immerhin ist Zähneputzen hier überhaupt kein Thema mehr.

Die Wohnung ist insgesamt wesentlich weniger verwüstet, als ich gedacht hätte, sie müsste aber allmählich doch einmal mal geputzt werden. Auch die Küche sieht mittlerweile eher schlimm aus. Ich beschließe aber, dass ich auch nur das mache, worauf ich gerade Lust habe und gehe ins Bett. Bäm! – wie Sohn 2 sagen würde.

Hier noch mal alle Berichte des Experiments:

Einleitung | Tag 1Tag 2 | Tag 3 | Tag 4 | Tag 5Tag 6Tag 7 | Tag 8 | Fazit

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Da die Söhne Hauptfiguren dieser Blogartikelreihe sind, mittlerweile aber schon ziemlich gut mitlesen können und eine genaue Vorstellung davon haben, was sie von sich im Netz lesen wollen und was nicht, werden diese Artikel vor Veröffentlichung mit ihnen besprochen und lektoriert. Auch wenn ich es richtig blöd finde, wenn ein guter Witz von ihnen gestrichen wird und rausfliegt.

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Um der Verdummung durch zu viel digitale Medien entgegen zu wirken – der Sponsor dieser Reihe ist die SZ Familie.

Susan, Tina, Tom und die Essstäbchen

Ich habe drüben bei der GLS Bank einige Links zu Rohstoffen für die Auto-Industrie zusammengetragen.

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Patricia über Arbeit und Konsum. Sie ist eventuell noch konsumunlustiger als ich, und das will etwas heißen. Und wenn man schon dabei ist, David Hugendick hat da in der Zeit auch noch etwas Passendes: “Alles in Ordnung“.

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In den Hamburger Fleeten sieht es noch aus wie folgt, von wegen Frühling und so. Eine ausbaufähige Jahreszeit.

Siehe zum Hamburger Eis und dessen Verwertung auch drüben im hermetischen Café.

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Und nun ein Garten-Update – wenn Sie das Gartenthema uninteressant finden, Sie könnten jetzt noch schnell aussteigen. Es ist allerdings ein Garten-Update ohne Garten, da waren wir nämlich gar nicht, es kann hier also nur um unsere vorbereitenden Bemühungen in der Wohnung gehen.

Eine neue Lage gibt es da bei der unlängst erwähnten Magnolie, also bei dem im Garten vom Abrissunternehmer abgebrochenen Zweig und den Blüten in der Wahnsinnsfarbe. Es handelt sich wohl um die Blüten der Purpurmagnolie Susan, wenn ich das auf den zu Recherchezwecken besuchten Baumschulseiten richtig erkenne. Die Blüten sehen mittlerweile so aus:

Wenn die Magnolie noch alle weiteren Bauarbeiten überleben sollte, steht sie ab dem Frühling 2019 also auf diese Art blühend neben der Eingangstür der neuen Laube, wir freuen uns jetzt schon darauf.

In der Küche steht u.a. die vorgezogene Kapuzinerkresse. Im Hintergrund andere vergeilte Pflanzen, eigentlich geht Voranzucht hier nämlich gar nicht, der Platz ist viel zu warm – aber wir wollen eben spielen. Und zwar dringend.

Das ist nun nicht die gewöhnlichste Voranzucht, man kümmert sich da eigentlich eher um Gemüse, aber die Kapuzinerkresse gehörte zu den ersten Pflanzen, die wir im letzten Jahr im neu übernommenen Garten erfolgreich vom Samen zur Blüte gebracht haben, deswegen spielt sie bei uns eine Sonderrolle als Familienfavorit und wird besonders gefördert, sie ist quasi unsere Wappenblume. Und sie geht ab wie Schmidts Katze, sie musste gerade ein wenig gestützt werden, was Sohn I sehr findig mit chinesischen Essstäbchen und einem ebenso liebe- wie kunstvoll verknoteten Schnittlauchhalm gelöst hat.

Denn das kann für Kinder ein Hauptspaß an dieser Gartensache sein: Aufgaben zu lösen ohne irgendwas zu kaufen und ohne genau passendes Zeug dafür zu haben. Das sollte man nicht unterschätzen, welchen Reiz das ausmacht, und dabei kennen die Söhne MacGyver nicht einmal. Sie werden auf der Parzelle auch alleine mehrere Beetumrandungen bauen, und es ist ganz egal, wie seltsam vermurkelt die dann aussehen werden. Sie werden in jedem Fall super sein.

Unsere beiden vielversprechendsten Pflanzen in der Aufzuchtstation sind ganz entschieden Tina und Tom, die beiden Tomaten, die Sohn II mitten im Winter gezogen hat. Die hätten eigentlich gar nichts werden können, das war die völlig falsche Zeit für Tomaten, aber das wussten die beiden wohl nicht. Unten im Bild übrigens Tina.

Tina und Tom sind von undefinierbarer Sorte, da die Söhne das Gewinnen von Tomatensamen im letzten Herbst ganz unterhaltsam fanden und reichlich davon getrocknet und eingetütet haben, wobei es allerdings etwas drunter und drüber ging. Deswegen können Tina und Tom alleredelster Bioabstammung sein oder aber einen ordinären Lidl-Hintergrund haben, man weiß es einfach nicht. Wertgeschätzt werden sie hier in jedem Fall – und zwar reichlich.

Außerdem sind die Pflanzkartoffeln angekommen, Roter Erstling und Duke of York. Das gehört zum phänologischen Kalender, Anzeichen des Vorfrühlings: Die Biogartenversände schicken die Kartoffeln auf die Reise.

Die Herzdame: Experiment Tag 5

Ein Text von Maret Buddenbohm, auch bekannt als die Herzdame, die überrascht ist von den Erkenntnissen der Söhne.

Die Söhne mit dem iPad

Für alle, die das Experiment noch einmal von Anfang an lesen möchten bitte hier entlang.

Es ist Dienstag und Sohn 1 ist von alleine aufgestanden. Was er als erstes getan hat, muss ich hier jetzt nicht weiter ausführen. Sohn 2 habe ich heute um 7 Uhr geweckt, das war aber auch wieder falsch, er möchte in Zukunft früher geweckt werden.

Ich spreche in regelmäßigen Abständen Empfehlungen aus, aber die Jungs sind erst auf den letzten Drücker fertig. Übrigens wieder mit geputzten Zähnen und ohne dass ich etwas gesagt habe. Es hat geschneit und sie wollen den Schlitten mit zur Schule nehmen. Eigentlich sollte ich das nicht tun, aber ich schimpfe jetzt doch und gehe dann mit ihnen in den Keller. Mich ärgert es, dass sie sich das erst so spät überlegt haben. Aber wann ist in Hamburg schon mal so viel Schnee, dass man mit dem Schlitten zur Schule kann? Und mir geht es ja auch nicht um Konsequenzen oder Strafen, sondern ich will einfach nur mehr Ruhe und Frieden haben.

Sohn 1 hat in der Mittagspause einen Schlittenunfall, muss abgeholt werden und zum Arzt. Deshalb ist er dann auch schon ziemlich früh zu Hause. Und weil der Gatte und ich zwischendurch auch noch weitere Termine haben, u.a. mit Sohn 2, hat er nun richtig viel Zeit iPad zu spielen. Besonders schlimm finde ich es, dass Sohn 1 nicht ansprechbar ist und er es trotz guter eigener Vorsätze nicht schafft, seinen Aufgaben nachzukommen und wie magisch angezogen vor dem iPad hängen bleibt.

Gegen 19 Uhr kommt Sohn 2 zurück und klebt auch gleich neben Sohn 1 am iPad. Jacke, Schuhe und Ranzen hat er immerhin selbstständig weggeräumt.

Trotz freundlicher Empfehlungen hat niemand etwas für die Schule getan, geduscht oder sonstige Aufgaben erledigt. Dafür aber jede freie Sekunde am iPad geklebt.

Kurz vor dem Schlafengehen hat Sohn 1 dann aber eine neue Erkenntnis. Er möchte wieder feste Medienzeiten, weil er selbst merkt, dass er davon nicht loskommt und nun Angst hat, in kurzer Zeit zu verblöden.

Und Sohn 2 möchte in Zukunft wieder früher ins Bett geschickt werden, damit er noch genügend Zeit hat, ausgiebig mit uns zu kuscheln.

Es gibt dann auch noch Streit deswegen. Sohn 2 will unbedingt kuscheln, obwohl uns das schon zu spät ist, er aber sonst nicht einschlafen kann und Sorge hat, am nächsten Tag nicht ausgeschlafen zu sein, wenn er seinen Test schreibt. Er muss auch wieder oben im ungeliebten Hochbett schlafen, weil sein Lager auf dem Boden immer noch verwüstet ist.

Beide Kinder finden die Woche jetzt doof und freuen sich darauf, wenn sie endlich um ist.

Der Gatte und ich sind überrascht über die Erkenntnisse der Söhne und hätten so einen (möglichen) Ausgang des Experimentes nicht erwartet – aber es ist ja auch noch Zeit. Wir freuen uns vor allem über die Fähigkeit der Selbstreflexion bei den Kindern. Dass Sohn 1 selbst realisiert hat, dass ihm Medien ohne Limit nicht guttun und dass er feste Regeln braucht. Und dass Sohn 2 merkt, wie wichtig ihm die Kuschelzeit mit uns ist und er deshalb wieder früher ins Bett möchte, dafür also anderes aufgeben kann.

Grundsätzlich könnte ich mir mittlerweile schon vorstellen, dass Experiment noch zu verlängern, wenn das iPad auch mal wieder für längere Zeit verschwinden würde. Freiwillig!

Sven Dietrich von Pop64 hat sich zum Thema Medien auch Gedenken gemacht und dazu noch ein paar sehr interessante Links zu Lootboxen und free2play-Spielen. Den Spieleratgeber-NRW kannte ich noch nicht und werde den erstmal zu meiner Bettlektüre machen. Vielen Dank für die Leseempfehlung.

Hier noch mal alle Berichte des Experiments:

Einleitung | Tag 1Tag 2 | Tag 3 | Tag 4 | Tag 5Tag 6Tag 7 | Tag 8 | Fazit

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Da die Söhne Hauptfiguren dieser Blogartikelreihe sind, mittlerweile aber schon ziemlich gut mitlesen können und eine genaue Vorstellung davon haben, was sie von sich im Netz lesen wollen und was nicht, werden diese Artikel vor Veröffentlichung mit ihnen besprochen und lektoriert. Auch wenn ich es richtig blöd finde, wenn ein guter Witz von ihnen gestrichen wird und rausfliegt.

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Von inneren Bildungsbürgern und der spanischen Grippe

Ein langer Artikel über die spanische Grippe. Für den gepflegten Grusel zwischendurch.

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Ich habe einen englischen Gartenyoutuber mit wöchentlich erscheinenden Filmchen gefunden, der hat eine mir sehr angenehme Stimme und Betonung, von dem lasse ich mir gerne etwas erklären. Ich hätte jetzt außerdem gerne eine App, in der mir genau diese Stimme jeden Morgen in diesem betont freundlichen Tonfall erzählt, was ich heute zu tun habe, nicht nur im Garten, nein, überall. Natürlich mit Lösungsvorschlägen sowie Tipps und Tricks zu allen möglichen Ungereimtheiten und Komplikationen des Alltags, und das würde dann auch immer alles so klingen, als würde man das mit ein wenig gutem Willen schon hinkriegen. Das wäre fein.

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Die Söhne gucken morgens irgendwas auf Youtube und ich höre im Vorbeigehen nur den Satz eines Sprechers, der gerade eine Sequenz einer Spiel-Session erklärt, denn die Söhne gucken gerne Filme, in denen andere etwas auf dem Computer spielen, was auch irgendwie seltsam meta ist: Voll nice, wieviel damage man mit diesem Schwert anrichten kann.“

Und mein innerer Bildungsbürger unweigerlich so: “Is this a dagger which I see before me? The handle toward my hand? Come, let me clutch thee.”

Ein ganzes verdammtes Jahr lang haben wir Macbeth damals in der Oberstufe im Englischunterricht durchackern müssen, Zeile für Zeile, quasi jede Silbe analysiert, es verfolgt mich bis heute und neulich beim 30-jährigen Abijubiläum habe ich gemerkt: nicht nur mich, oh nein, wir haben alle Folgeschäden. Schlimm.

Und ja, dagger ist Dolch, nicht Schwert, ich weiß. Was kann ich für meine ungenauen Assoziationen?

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Morgens noch wie ein angetrunkener Pinguin über Blitzeis erst zum Feriencamp der Söhne und dann in die Firma gewatschelt, einmal quer durchs kleine Bahnhofsviertel und die benachbarte Hafencity, links und rechts von mir überall stürzende Fußgänger, schlingerne Radfahrer und schlitternde Autos – nachmittags schon die Jacke von mir geworfen und bei 11 Grad fröhlich pfeifend durch einen geradezu lauen Frühlingstag nach Hause gegangen. Ein seltsamer Tag. Zu den Radfahrern siehe übrigens auch hier, das ist alles nicht richtig so, das muss sich ändern.

“Papa, du gehst so langsam und breitbeinig, das sieht voll albern aus.“

Und nur einen halben Meter weiter hat sich der Sohn dann mit Schmackes aufs Eis gelegt. Ausgleichende Gerechtigkeit kann schon schön sein.

Die Herzdame: Experiment Tag 4

Ein Text von Maret Buddenbohm, auch bekannt als die Herzdame, die Gott sei Dank den ganzen Tag unterwegs war.

Die Söhne mit dem iPad

Für alle, die das Experiment noch einmal von Anfang an lesen möchten bitte hier entlang.

Es ist Montag, 6:30 Uhr und ich empfehle den Kindern aufzustehen. Sohn 1 springt sofort aus dem Bett, rennt zum iPad und muss dringend „anfordern“. Ich verstehe bis heute nicht so richtig, was das eigentlich ist. Es gibt eine ganze Reihe Spiele, bei denen man Belohnungen bekommt, nur weil man einmal kurz online war. Und von den Belohnungen scheint dann das ganze Leben abzuhängen, so klingt es jedenfalls immer, wenn wir die Kinder bitten, das iPad wegzulegen. Aber heute Morgen spielen diese Bitten keine Rolle.

Um 7 Uhr weise ich Sohn 2 noch mal darauf hin, dass es jetzt 7 Uhr ist. Lust aufzustehen hat er keine und Lust auf Schule noch viel weniger. Irgendwann kommt er doch aus dem Bett und gesellt sich direkt zu seinem Bruder.

Ich spiele in regelmäßigen Abständen Zeitansage, sage aber sonst nix. Innerlich bin ich mittlerweile echt genervt, weil ich pünktlich zur Arbeit muss. Gerade rechtzeitig bekommt Sohn 1 die Kurve, um noch pünktlich seinen Kumpel zur Schule abzuholen. Mit geputzten Zähnen, aber ungekämmten Haaren.

Eigentlich finde ich auch, er könnte mal wieder duschen und Haare waschen, vielleicht sogar heute Abend. Diese Empfehlung gebe ich noch schnell mit auf den Weg.

Sohn 2 hat während dessen auf der Suche nach seinen Handschuhen seinen halben Kleiderschrank rausgerissen und auf seinem Nachtlager auf dem Fußboden verteilt, in dem er seit Wochen schläft, weil er sein Hochbett nicht mag. Unter dem ganzen Wust sehe ich auch Möhrenreste und eine halbe Gurke durchschimmern. Ich bin unsicher, was ich machen soll, bleibe dann aber ruhig und spreche eine freundliche Empfehlung aus. Jetzt bloß nicht ausrasten! Ich freue mich aufs Büro.

Montags habe ich immer einen langen Arbeitstag und bin erst um kurz vor 19 Uhr zu Hause. Ich möchte mir von ihrem Tag berichten lassen, aber die Söhne kleben schon wieder oder immer noch am iPad. Ich bin so froh, dass ich das heute nicht die ganze Zeit miterleben musste.

Sohn 1 hatte spontan Besuch zum Zocken bekommen. Es scheint sich rumgesprochen zu haben, dass es bei Buddenbohms kein Limit mehr gibt. Was Sohn 2 gemacht hat, erfahre ich nicht. Der Gatte weiß es auch nicht, der war froh, dass er ungestört arbeiten konnte. Er hat den Kindern aber zwischendurch den Spaß verdorben, und festgestellt, dass unbegrenzte Medienzeit nicht für Besuchskinder gilt. Denn er kann ja nicht wissen, was deren Eltern davon halten und ob er da irgendwie die Preise verdirbt.

Die Kinder wollen noch was von mir und räumen freiwillig die Spülmaschine aus. Ich muss irgendwie an die Pawlowschen Hunde denken, die jetzt ihre Belohnung erwarten.

Sohn 1 fällt dann noch ein, dass er lernen wollte. Und Sohn 2 möchte in seinem „Lesepass“ von der Schule weiterkommen und mir vorlesen. Eigentlich ist es dafür schon zu spät, aber wenn sie selbst dran denken, kann man doch nicht nein sagen. Oder?

Am Ende ist es schon ganz schön spät, als die Kinder im Bett liegen. Ich nehme an, sie haben Zähne geputzt, aber geduscht hat keiner mehr.

Da sich der Schrank leider nicht wieder von alleine eingeräumt hat und es auf dem Kleiderhaufen so unbequem ist, schläft Sohn 2 jetzt wieder oben in seinem Hochbett.

Ich stelle fest, dass ich heute gar nicht gemeckert habe, auch wenn ich manchmal kurz davor war. Trotz allem war es aber vergleichsweise entspannt, nur der Medienkonsum nervt mich.

Wobei ich mich schon frage, warum eigentlich? Ist doch so schön friedlich. Und was ich alles schaffen könnte, in der Zeit, in der die Kinder mit dem iPad ruhiggestellt sind! Auch wenn es ganz ohne Limit offensichtlich nicht funktioniert, warum nicht mal Fünfe gerade sein lassen? Warum nicht einfach mal die erlaubte Medienzeit von 30 Minuten pro Tag ausdehnen und die Ruhe genießen? Und vieles regelt sich dann bald durch den Frühling sowieso von selbst.

Hier noch mal alle Berichte des Experiments:

Einleitung | Tag 1Tag 2 | Tag 3 | Tag 4 | Tag 5Tag 6Tag 7 | Tag 8 | Fazit

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Da die Söhne Hauptfiguren dieser Blogartikelreihe sind, mittlerweile aber schon ziemlich gut mitlesen können und eine genaue Vorstellung davon haben, was sie von sich im Netz lesen wollen und was nicht, werden diese Artikel vor Veröffentlichung mit ihnen besprochen und lektoriert. Auch wenn ich es richtig blöd finde, wenn ein guter Witz von ihnen gestrichen wird und rausfliegt.

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Um der Verdummung durch zu viel digitale Medien entgegen zu wirken – der Sponsor dieser Reihe ist die SZ Familie.

Rausch und Roben

Der Terminkalender auf dem Smartphone sagt “Sie haben heute einen freien Tag”, eine höchst irritierende Meldung. Aber auch im Familienkalender steht rein gar nichts, es liegt nirgendwo ein halbvergessener Zettel herum und es steht auch nichts auf der Tafel in der Küche. Eine andere App sagt, dass ich heute keine Actions habe, das aber mit aufkommendem Regen und Glatteisgefahr.

Ein außerordentlich unwahrscheinlicher Fall, aber tatsächlich sieht es schwer so aus, als hätte niemand in dieser Familie heute irgendeinen Termin. Das ist gefühlt zum ersten Mal seit zehn Jahren der Fall, ich bin auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet. Bei mir funktioniert seit langer Zeit alles nur noch aus der terminlichen Defensive heraus, im Grunde mache ich alles immer trotz irgendwas. Heute könnte ich irgendwas einfach so machen! Freiwillig! Werde also völlig ideenlos und gnadenlos überfordert stundenlang auf dem Sofa sitzen und immerzu “Jetzt” denken, “Jetzt haste mal Zeit. So ist das dann.”

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Bei SPON kommt man nicht mehr zu den Artikeln, ohne den Adblocker auszuschalten, man kann die Meldung also nicht mehr wegklicken. Ich habe den Adblocker ausgeschaltet, es erscheinen, das ist keine polemische Übertreibung, gleich drei (!) hektisch blinkende Anzeigen über und neben dem Artikel, den ich lesen wollte, es erscheinen außerdem zwei Werbebanner mitten im Text, die in Neonknallfarben gehalten sind. Ich habe gar nichts gegen Werbung, auf dieser Seite hier ist schließlich auch Werbung, ich verdiene in allen meinen Berufen Geld mit Werbung und ich schalte den Adblocker oft aus – aber man kann die Artikel da beim besten Willen so nicht lesen. Es ist einfach falsch und es wird auch nicht klappen. Niemand wird denken, ach Gott, den armen Leuten beim Spiegel fehlt Geld, da halte ich den Irrsinn eben mal kurz aus. Nein, es ist ein totes Pferd, so heißt das doch in den Präsentationen immer, bitte absteigen. Es ist ein totes Pferd, aber es blinkt noch.

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Ich bin Micha noch eine Antwort schuldig, die neulich in den Kommentaren nach den Gegenwartsbezügen im Echolot von Kempowski fragte. Es drängen sich vor allem selbst bei nur flüchtiger Lektüre die Parallelen in der Sprache des Hasses auf. Die Sprachmuster der Angst, der Aggression, der Machtgeilheit, der Selbstüberschätzung, der völligen Empathielosigkeit, die findet man ja mittlerweile alle auch in einigen Medien der Gegenwart und ebenso bei diversen Regierungen wieder, man muss überhaupt nicht lange suchen. Das rassistische Vokabular und die dahinterstehenden Denkstrukturen, die Aufteilung der Welt in Feinde und Freunde, wobei die Freunde gar keine Freunde sind, sondern nur eben gerade nicht Feinde. Die allgegenwärtige dummerhaftige Pauschalisierung, die Betrachtung anderer nur noch als Teil einer Gruppe, die Russen, die Katholiken, die Deutschen, die Juden, die Araber, die Japaner, die Volksverräter, die Untermenschen, die Übermenschen. Die Flüchtlinge. Die Sündenböcke. Die Bereitschaft, anderen stets und ständig und wider jede Logik die Schuld an allem zu geben – und am Ende kann dann niemand was für gar nichts, war auch nirgends dabei, hat gar nichts gemacht

Also ja, man kann das Echolot sehr gut auch daraufhin lesen, das ist unangenehm lehrreich, also richtig so.

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“Wer müde ist, muss schlafen.”

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Der freundliche Abrissunternehmer hat im Garten einen Zweig der Magnolie abgefahren, den haben wir mitgenommen und in der Wohnung in eine Vase gestellt. Wir haben diese Magnolie noch nicht in Blüte gesehen, denn wir haben den Garten im letzten Jahr im Hochsommer übernommen, da war sie einfach nur ein Baum mit Laub, unspektakulär.

Gestern erst fiel mir auf, dass aus diesem Zweig jetzt Blüten kommen, und zwar Blüten in einer Wahnsinnsfarbe, das Bild hier bringt das nur höchst ungenügend zum Ausdruck. Die Farbe liegt zwischen sündlila und prachtmagenta, sie sieht unverschämt teuer aus, extravagant, sie sieht nach Roben und rauschhaften Nächten aus, eine wahre Opernblüte, in diesem Ton inszeniert man Liebesdramen erster Klasse. Oder künftig unsere Laube im Frühling, auch recht.

Währenddessen fragen wir uns weiterhin, wann der Frühling überhaupt wiederkommt.