Durchs gefällige Niedersachsen

Eine kleine Premiere: Ich habe Sohn I gebeten, etwas für mich zu tun, es ging um etwas auf einem Regal, ich kam da nicht an – er aber schon, und wie lässig. „Über den Kopf gewachsen“, so zeigt es sich dann, und es kann also auch nützlich sein.

Der andere Sohn stand, während ich dieses notierte, in Omas Garage und hackte für sie Holz für den Rest der kleinen Kältewelle, was er mit imponierender Kraft und vollem Einsatz bewältigte. Wir machten an diesem Wochenende auf dem Land also regen Gebrauch von gewissen Fähigkeiten des Nachwuchses, das war auch einmal schön.

Die Rückfahrt nach Hamburg dann bei Sonnenschein und blauem Himmel, eine vollkommen ungewohnt gewordene Beleuchtung, eine seltsam wirkende Kulisse, Niedersachsen sah auf einmal ganz gefällig aus, Schweinemastanlagen in schönem Licht. Im Straßenbegleitgrün hin und wieder gelb aufblitzende Forsythienblüten, an vielen Stellen auch weiße Schneeglöckchenteppiche und lilafarbene Krokusse. Die Rechtschreibkorrektur übrigens, sie wollte eben gerade aus der Forsythienblüte lieber „Forsythien bluten“ machen, wir leben wirklich in immer härteren Zeiten. Hard boiled garden content.

Bei der Ankunft in Hamburg fahren wir am Nachmittag durch ein aberwitziges Polizeiaufgebot, es braust gerade von allen Seiten mit Blaulicht und Sirenen heran und überall durchs kleine Bahnhofsviertel, zwanzig, dreißig Mannschaftswagen und mehr, es hasten Sturmtruppen im Laufschritt herum, Passanten stehen starr und gucken verschreckt und es sieht alles etwas unwirklich nach Film aus, es ist dann aber wieder nur: Sankt Pauli spielt gegen Rostock. Eine der schlimmsten Begegnungen. Im Hauptbahnhof, ich sehe es kurz darauf bei meinem üblichen Gang durchs Revier, sieht es nach Vorbereitung zum Bürgerkrieg aus, es fehlen nur noch die Barrikaden und brennende Reifen oder dergleichen. Mir wird ein Sport mit solchen Folgeerscheinungen in diesem Leben nicht mehr sympathisch werden.

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Ich höre den Radetzkymarsch von Joseph Roth, gelesen von Michael Heltau, damit bin ich einen Roman hinter Anke Gröner, die schon bei der Kapuzinergruft ist. Der Radetzkymarsch dauert 17 Stunden, das reicht für ein paar Einkaufsrunden und Abendspaziergänge.

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Äpfelchen, Rübchen und anderes

Sonnabend. Der Tag in Nordostwestfalen beginnt damit, dass die Katze mich missbilligend ansieht. Und zwar tut sie das, was auch immer ich mache. Katzen können sehr gut missbilligend gucken. Es ist im Grunde eine gute Vorbereitung auf einen weiteren Tag, an dem man stets bemüht durch den Alltag hampelt und am Ende sowieso denken wird: Wie man es macht, man macht es doch verkehrt. Und irgendwer guckt einen dann am Abend so an, wie es die Katze am Morgen tat. Das einmal seelisch verinnerlichen, noch bevor der erste Kaffee fertig ist. „Allerdings“, so sage ich zu dem Tier und trinke einen lebenserleichternden Schluck, „brauche ich für diese Morgengedanken gar keine Katze. Ich weiß das alles schon. Und zwar schon längst.“ Im Blick der Katze liegt jetzt die reinste, flammende Verachtung. Sie weiß noch mehr, denke ich und sage daraufhin lieber nichts mehr. Diskussionen ruhig auch einmal ausweichen, wenn man sie eh nicht gewinnen kann.

In den Timelines lese ich mehrere Schnee-Erwähnungen am Morgen. Ich friere schon beim Lesen und sehe sicherheitshalber nicht aus dem Fenster. Ich will das gar nicht wissen, ich bin durch mit dem Thema für diese Saison.

Ich höre „Hotel Savoy“ von Joseph Roth, gelesen von Hans Korte, der mir bisher noch gar nicht als Vorleser begegnet ist. Es ist angenehm, ihm zuzuhören.

Gesehen: Diese Doku über Colette auf arte. Hier kommt man ohne Reenactment aus, und ich finde die Art, wie sie die historischen Filmszenen montiert und zu Collagen arrangiert haben, sehr gelungen. Gucken Sie mal bei Minute 37, man tanzt da auf einem Fest fröhlich die raumgreifende „Aeronette“ und freut sich auf die Zukunft des Fliegens. Wenn Sie an Kulturgeschichte oder sogar an der Geschichte des Tanzes (oder auch des Fliegens) interessiert sind – ein schöner Moment ist das, unbedingt sehenswert. So fing das also an mit der Begeisterung für etwas, das man heute eher wieder sein lässt. Also ich jedenfalls. Auch die Sommerreise haben wir gerade per Zug gebucht, wenn ich da mal eben heruminfluencen darf. Wobei man in unseren Zeiten alternativ etwas mit Windkraft tanzen könnte, es würde womöglich sogar in den Armbewegungen ganz ähnlich aussehen, und da es etwas mit Mühlen zu tun hätte, wäre es dann eben die „Moulinette“ …Nur scheint mir die Stimmung heute nicht annähernd ähnlich gelöst und optimistisch zu sein. Und ich würde es auch gar nicht mitbekommen, denn ich gehe schon seit etwa drei, vier Jahren nicht mehr zu Veranstaltungen, auf denen getanzt wird. Na, es ist eben alles nur eine Phase, das gilt keineswegs nur bei Kindern.

Auch gesehen, und damit bei den arte-Literatursendungen wieder auf dem letzten Stand, die Doku über Jack London. Wieder großartiges Bildmaterial, fantastische Fotos. Und dass es eine Verbindung von Jack London zum ökologischen Landbau gab – man lernt noch einmal etwas.

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In UK werden jetzt auch die Äpfel und Birnen knapp, von wegen an apple a day, sie werden sich da drüben etwas Neues ausdenken müssen. Und Lauch und auch Mairübchen fehlen (man soll turnip gegen swede tauschen, da muss man schon etwas fortgeschritten vokabelfest sein) und überhaupt, Tomaten und Gurken sowieso. Hier macht ein Sohn bald eine Klassenfahrt nach England, vielleicht werden wir ihm sicherheitshalber etwas mitgeben müssen, die Äpfelchen für eine Woche vorschneiden und eintuppern oder dergleichen. Vorsichtsmaßnahmen bei Reisen ins Ungewisse.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 25.2.2023

Im Newsletter von Frau Büüsker geht es um die Vermittlung von Umweltnachrichten und um Teflonpfannen, von denen ich längst keine mehr im Haushalt habe, sehr gut, auch einmal etwas richtig gemacht. Immer lesenswert, dieser Newsletter.

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Bei der Kaltmamsell lese ich, dass sie beim Joggen Sonnencreme benutzt, das liest sich aus dem schier ewigen Grau des Nordens heraus vollkommen absurd, das klingt irgendwie nach Juni/Juli/August, nach noch fernen Monaten und Märchenland. Was steht da weiter: „Mein Schlafzimmer roch deutlich nach dem Sonnenschein, der es über den Tag gewärmt hatte.“ Wie weit weg kann denn bitte München sein, zwei, drei Tagesreisen sind es wohl mindestens, ich werde das im Sommer übrigens nachprüfen. Ansatzweise habe ich es schon im Testverfahren, ich bin nämlich immerhin drei Stunden nach Süden gefahren und jetzt in Nordostwestfalen, hier ist es allerdings exakt so grau wie in Hamburg, gar keine Änderung.

Außerdem habe ich im Text der Kaltmamsell noch das Wort „Sibspace“ (der Begriff wird dort erläutert) gefunden, und diese Bezeichnung nehme ich gerne mit, die kommt mir nützlich vor.

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Frau Herzbruch zum Ukraine-Krieg und zu Waffenlieferungen. Punktgenau.

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Passend dazu und auch passend zum Jahrestag gibt es noch einmal ein Update zu Tetiana von unserer Korrespondentin in Frankreich, einige werden die Geschichte der Familie verfolgt haben, nehme ich an.

In der Küche meiner Schwiegermutter liegen Handschuhe aus Gummi auf der Arbeitsplatte, ich sehe es beim Kaffeemachen, sie sind halb blau und halb gelb und ich weiß nicht, soll das vielleicht einen aktuellen Bezug haben oder nicht, waren die immer schon so? So ist das nämlich mit den Zeichen im Alltag, Herr Eco hätte da jetzt noch wesentlich mehr zu sagen können.

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Und überhaupt: Please blog. Don’t wait for the Pulitzer piece. Tell me about your ride to work, about your food, what flavor ice cream you like. Let me be part of happiness and sadness. Show me, that there is a human being out there that, agree or not, I can relate to.” Gefunden via Lars Reineke. Man will und muss der Zeitenwende im Bereich Social Media doch irgendwie begegnen.

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Kultur am Abend

Die Woche ist zu voll mit Arbeit, ich komme nicht dazu, mich auf das Schreiben genug zu besinnen, ich komme nicht rein. Es geschieht aber ohnehin nichts, es ändert sich gerade nichts, es bleibt alles, wie es schon seit Tagen oder Wochen ist, in der Schwebe, februarig, immerhin hellgrau, jedenfalls mit gutem Willen betrachtet, und an dem soll es nicht mangeln. Das Wetter, es bleibt noch tage- oder wochenlang lang exakt so, die Arbeit sicher auch, der ganze festgefügte Alltag, einfach Kurs halten. Nächste Woche der März, haben wir das.

Ich wollte in diesem Jahr in jedem Monat etwas mit Kultur unternehmen, das wird mir im Februar nicht gelingen. Die Theaterkarten, nach denen ich sah, sie kosteten sechzig Euro, das war mir zu viel, ich habe die Buchungsseite etwas erschreckt wieder zugemacht. Womöglich sehe ich das falsch, man könnte sicher so argumentieren, ich ahne es. Und doch … ich meine: Sechzig Euro. Oha.

Im März dann zum Ausgleich zweimal was mit Kultur unternehmen? Ich traue es mir nur begrenzt zu. Aber stets bemüht bleiben, ja doch.

Stattdessen habe ich etwas Kultur zuhause konsumiert.

Gesehen: Erich Maria Remarque – sein Weg zum Ruhm. Eine Doku auf arte, mit den heute unvermeidlichen Reenactment-Szenen, Max von Thun sieht man dabei als Remarque. Am Ende eine kurze Sequenz aus dem wunderbaren Interview mit Friedrich Luft von 1962. Ich hatte es im Blog schon einmal verlinkt, man kann es auf Youtube hier finden.

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Beim WDZ-Zeitzeichen eine Folge über den Herrn Malewitsch, das ist der mit dem schwarzen Quadrat. Der kurze Text (13 Minuten) enthält das fraglos hinreißende Detail, dass er fliederfarbene Damenstrümpfe als Krawatte getragen haben soll, das werde ich mir ab jetzt immer zu seinem schwarzen Quadrat, ach was, zu jedem schwarzen Quadrat dazudenken. Aber auch sonst: Interessante Geschichte.

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Bei SWR2-Lesenswert eine ebenfalls kurze Folge, 5 Minuten nur, über einen Essay von David Graeber über Piraten. Ja, Piraten. Warum auch nicht, es kann so vieles faszinierend sein.

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Und zum Abschluss noch der geschätzte Nicholas Palmquist. Sehr schön ist das. Das ist sicher das erste Bild eines noch entstehenden Stückes „Call me Ishmael.“ Nein, ist es nicht. Aber es sieht so aus, jedenfalls für mich, ganz eindeutig sieht es so aus.

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Drei von neun

Ich habe in der Home-Office-Mittagspause drei von neun Fenstern geputzt, das klingt wie eine bestenfalls bescheidene Erfolgsquote. Es ist aber ein größerer Akt und ist vor allem auch eine Frage der Überwindung, denn es sind mit Möbeln oder Pflanzen zugebaute Dachfenster, fast durch die Bank sind sie schlecht zu erreichen. Ich muss da also schon ein deutliches Motivationshoch abwarten, dass sich in den härteren Wintermonaten eher nicht einstellt, wegen der Stimmungsgroßwetterlage. Nun. Ein Anfang ist gemacht. Es kommt aber, das ist eine erhebliche Enttäuschung, dennoch nicht mehr Licht hinein, da draußen ist nämlich gar kein Licht. Womöglich ist immer noch Februar, es nervt allmählich entsetzlich. Es kommt gerade eben so viel Licht hinein, dass ich ahnend erkennen kann, wo noch Tropfen und Schlieren und Streifen auf den Scheiben sind. Man muss sich dann auch wieder entschlossen von dieser Arbeit abwenden können, sonst verliert man sich in so etwas und die Nachbarn in den Häusern gegenüber stehen am Ende kopfschüttelnd an ihren bestimmt stets viel saubereren Fenstern und sehen herüber, was macht er da denn bloß und warum, wie oft will er noch über die Stelle wischen.

Die Herzdame und ich hatten vor vielen Jahren einmal eine Nachbarin, die nahezu jeden Tag ihre Fensterrahmen (!) von außen (!) geputzt hat. Und so möchte man ja auch nicht enden.

Es weht währenddessen immer weiter ein kalter Wind durch Norddeutschland, der, wenn man unterm Dach und also exponiert wohnt wie wir, immer noch nach Winter klingt, nach Oktobernovemberdezember, nach Unwetter und ganz großem Hui, und manchmal auch, wenn es Abend wird und der schräg treibende Regen dazu kommt, ein wenig nach Gruselfilm. Aber die Krokusse im kleinen Bahnhofsviertel öffnen jetzt doch alle ihre Blüten, wenn es gegen Mittag etwas heller wird, wenn der Himmel kurz vom Grau zum Beige changiert.

Ansonsten viel Arbeit, unerfreuliche Nachrichten in der Welt und im Privatleben, dazu dichtbepackte Werktage. Die Frisur sitzt. In den Nachrichten, eben sehe ich es, wird Saharastaub vermeldet, am Donnerstag soll er auf unseren Fenstern landen.

Weitermachen. Immer einfach weitermachen.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 21.2.2023

Frau Novemberregen spinnt meinen Einkaufsgedanken weiter und programmiert sich um.

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Patricia mit Gedanken über Vater- und Mutterschaft.

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Eine neue Monatsnotiz bei Nicola, wie immer mit zahlreichen Links, sorgsam kommentiert.

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In dieser Folge von „Die Lage der Nation“ gab es Überlegungen zum Verständnis und Selbstverständnis der FDP, auch zu ihrer Lage und ihren Möglichkeiten. Ohne Häme wurde da überlegt, und das ist auch schon eine Seltenheit. Dass einen die FDP aber andererseits auch bis in die Träume verfolgen kann, das kann man hier lesen.

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Ein Bericht aus Ruanda (Achtung, drastisch).

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Johnny Häusler erwähnt hier in seinem Newsletter das Rätselraten darüber, wer wann und warum das Abo kündigt oder neu abschließt – „was war das los?“ Das denke ich manchmal auch bei z.B. den Trinkgeldern hier, es ist tatsächlich kaum möglich, etwas daran zu erklären. Ich kann zwar erläutern, dass sie immer höchst erfreulich sind, aber ich könnte noch so schöne Kurven malen oder alles in Excel verbasteln und analysieren, wie es tatsächlich auch meiner Neigung entspricht, das erhellt nichts weiter. Mal kommt was, mal kommt auch viel, mal kommt wenig, mal auch wochenlang fast nichts, besser könnte ich es nicht beschreiben. Ziemlich klar ist nur, über alle Jahre gesehen: Im Dezember ist es stets mehr als sonst, und das ist wohl ziemlich logisch. Der Rest – ein vollkommenes, mich immer wieder überraschendes Mysterium. Ob es Straßenmusikern wohl manchmal auch so geht, dass sie über den Zusammenhang zwischen ihrer Performance und dem Geld im Hut kaum jemals Klarheit gewinnen?

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Es wird wesentlich ernster und trauriger, bei Formschub wird über den Tod geschrieben und nachgedacht. Altersgerecht ist das, selbstverständlich auch für eine ganze Bloggerinnengeneration. We’re in this together.

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Und hier geht es um die Boomer (also noch einmal generationsbedingt auch um mich) und um die political correctness, bzw. den Willen dazu oder den Widerstand dagegen. Auch so ein Thema, bei dem man kaum noch Texte ohne Häme oder Polemik in abwechselnde Richtungen findet. Wenn man Empörung und Häme tendenziell eher satt hat, ist es nicht eben einfach in diesen Zeiten, nicht wahr.

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Bekleidet vor die Tür

Am Sonnabend war ich in der Stadt, da ich beim saisonalen Umräumen des Kleiderschranks etwas viel aussortiert habe, was zwar korrekt war, durch ist durch, was aber doch größere Lücken hinterlassen hat, die es nun wieder zu schließen gilt. Man muss doch ab und zu bekleidet vor die Tür, Sie kennen das.

Die Stadt war, und ich verstehe es immer noch nicht, voll wie in der schlimmsten Weihnachtszeit. Menschenmassen, Geschiebe, Gedränge, ein Volksauflauf vor Schaufenstern und in Passagen und Kaufhäusern. War das jetzt wieder so, weil ich so dermaßen tief im Mainstream bin, dass ich alles genau dann mache, wenn es alle machen, und die mussten da also auch alle ihre Schränke und Kommoden wieder auffüllen? Oder was sonst? Ich habe keine Ahnung, ich staunte nur die ganze Zeit über die Fülle. Manchmal merke ich doch, dass das hier eine Millionenstadt ist, etwa wenn mir etwa 100.000 Menschen gleichzeitig vor den Füßen herumlaufen.

Ich war in Bekleidungsgeschäften, ich habe Sachen anprobiert. Ich hatte schon ganz vergessen, wie furchtbar anstrengend ich das finde. Ich mag keine Sachen anprobieren, ich kann diesen Spiegelblick nicht, ich finde dabei alles an mir furchtbar, sowohl die Textilien als auch mich selbst. Ich gucke auch schon so, dass alles furchtbar sein muss, mir kann also überhaupt nichts stehen, ziehen Sie mal die schlechte Laune in Person elegant an. Es ist kompliziert. Überall stehen Menschen im Weg, es ist in jedem Laden zu heiß und zu eng und das Licht ist zu grell und allen passt irgendwas mit „skinny“ oder „slim“, nur mir nicht, wie lebe ich eigentlich.

„Nimm doch eine Nummer größer“, sagt die Herzdame. „Hast du mich gerade dick genannt“, frage ich.

Im Grunde gehe ich nicht gerne offline Klamotten kaufen, bei aller Nostalgie, die damit mittlerweile und seit Corona erst recht verbunden ist. Ich bestelle sie aber auch nicht gerne online, denn dann klingeln hier wieder fremde Menschen zur Unzeit und bringen Pakete, wenn es gerade nicht passt, oder sie klingeln einfach nicht, und das passt dann aber auch nicht. Meine Sachen müssten im Schrank einfach bei Bedarf nachwachsen, das wäre mir recht, aber so weit ist die Welt noch nicht, ich weiß. Da mal bescheiden bleiben.

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Am Montagmorgen zerplatzen reihenweise Termine, alle wegen Corona bei den Beteiligten. Ja, ist denn schon wieder … Aber nein. Sicher ist es nur der übliche Stichprobenfehler. Er ist es doch?

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Light up your face with gladness

Am Sonnabend gehe ich zum ersten Mal in diesem Jahr ohne Winterjacke Brötchen holen, im altbewährten 12-Grad-Sakko, es ist ein befreiender Moment. Ein Milestone, wie man im Bürokontext vermutlich sagen würde, aber wer möchte so nach Feierabend schon reden. Man muss sich etwas konzentrieren, dann kann man es sich zu einem festlichen Akt machen, dieses erste Mal ohne Winterklamotten, ein auf die eigene Person zugeschnittenes Frühlingsfest ohne kalendarische Festlegung, es fällt in allen Jahren und Gegenden, auch bei allen Menschen verschieden aus. Ich habe Shuffle-Glück und höre gerade, als ich das sehr gut finde, dieses sich geradezu verdächtig munter gelaunt anfühlende Herumgehen in leichterer Kleidung und etwas wärmerer Luft, zwischen zwei Regenschauern und heftigen Sturmböen, „Smile“ von den eher unterschätzten Peddlers.

Es ist noch besser, wenn man es ziemlich laut hört, es hat einen wunderbar belanglosen Text: „Light up your face with gladness, hide every trace of sadness, although a tear may be ever so near.“ So etwas kann man nur in guter Stimmung mitsingen, und nur in aller Dezenz, die im öffentlichen Raum selbstredend ohnehin stets geboten ist.

Am Tag davor gab es auch so einen Playlist-Zufall, da ging ich gerade zu einem Geschäft und verwarf auf dem Weg dorthin den Plan für das Abendessen und das damit verbundene Einkaufen, drehte um und wollte spontan doch zu einem anderen Geschäft, und im Moment der Wende, in dieser kleinen und eigentlich auch sinnlosen, jedenfalls aber völlig unbedeutenden Kurve auf meiner alltäglichen Strecke, fing dieses Lied hier an: „Die schönsten Wege sind aus Holz“, von Annett Louisan. Ich fühle mich immer, wenn Situation und Musik oder Hörbuchteil so exakt zueinander passen, als hätte ich gerade etwas richtig gemacht, und das ist zwar vollkommener Unsinn, aber es ist andererseits auch wieder besser als gar kein Erfolg.

„Ich bog falsch ab, naja, was soll’s

Die schönsten Wege sind aus Holz.“

Die Herzdame hatte ebenfalls ihren höchst speziellen Moment der Synchronizität. Sie liest im Blog meist etwas nach meinem Schreiben, wobei dieses „etwas“ mal ein Jahr meint, mal nur wenige Wochen. Sie kommt eben zu nichts, ich kenne das, immerhin liest sie überhaupt. Im Moment liest sie den Januar nach, war gerade bei diesem Artikel, las die Eichelhäher-Erwähnung und wer landete in der Minute erstmals auf dem Balkongeländer? Genau. Zu und zu schön, sowohl der Moment als auch der Vogel, der aus der Nähe eine ziemliche Freude ist. Die Vögel der hier verfügbaren, nussknackenden und heimischen Sorten sind jetzt wohl vollzählig angetreten, wollte ich fast schreiben, dabei muss es doch angeflattert heißen.

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Ein Hinweis für den Freundeskreis Neurodivergenz, es gibt bei arte in der meist interessanten Reihe „Ich …“ einen Halbstünder über Autismus.

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Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 18.2.2023

Alu über schier unendliche Schwierigkeiten. Sie erwähnt da an einer Stelle, dass sie Deutsch spricht, dahinter steht das fortwährende Staunen, wie Menschen in diesem Staat denn bloß größere Probleme bewältigen sollen, die vielleicht nicht perfekt Deutsch sprechen. Darüber habe ich auch schon oft nachgedacht, und an dieser Sollbruchstelle habe ich auch schon Menschen im Umfeld scheitern sehen, etwa im schulischen Kontext oder auch in Verbindung mit Krankenkassen, Pflegebescheiden etc. Der Staat und auch weitere Systeme sind da denkbar unbemüht, das kann man kaum anders sagen. Oder nein, sie sind um Komplikationen bemüht, so ist es richtig. Simplification ist eine sehr, sehr böse Sache, die gilt es zu vermeiden.

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Die Kaltmamsell über die frühere Rente und die Zahlungen. Ich muss mich auch damit befassen, ich gehe mal die letzten Zahlen suchen. Meine Aversion gegen ein weiteres Thema mit -zig anhängenden To-Dos ist zwar groß, aber es nützt ja nichts. Ich bin 56, und da verhält es sich mit der Rente wie auf einer Seereise, wenn das Land am Horizont auftaucht und im Dunst vorerst noch kaum zu erkennen ist, aber die ersten Mitreisenden zeigen schon darauf und rufen etwas – es dauert wirklich noch eine Weile, bis man im Hafen ist, aber man hat das Ziel eben doch schon vor Augen und behält es auch für den Rest der Fahrt im Sinn. Den Geldgedanken spinnt sie dann hier noch weiter mit der Frage, wer wovon lebt (mit vielen interessanten Kommentaren darunter), und das wiederum setzt sich bei Frau Casino fort, ebenso bei Frau Brüllen.

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Christian macht sich Gedanken zum sozialen Pflichtjahr. Ich bin ebenfalls dafür und dagegen, ich finde es sehr schwierig. Ich wüsste nicht einmal, was ich für die Söhne richtig finden würde, dabei stünde einer schon verblüffend kurz davor, gäbe es so ein Jahr schon.

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Meike über die romantische Anziehungskraft in Zeiten des Patriarchats, also in unseren Zeiten.

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Blumen am Mittwoch

Etwas von der Arbeit im Brotberuf überrollt worden. Danach eingekauft und die Familie bekocht und festgestellt, dass Tag und Kraft und Denkvermögen komplett verbraucht waren. Diese Vollzeitnummer in nur einem Beruf könnte ich mir ernsthaft auf Dauer gar nicht mehr vorstellen. Viel zu zehrend ist das, auch wenn es hier und da Spaß macht und interessant sein kann, schon klar, was aber auch allzu oft nur im Bereich des Möglichen verbleibt. Wenn man wie ich mehrere Berufe und Familie und Interessen und sonst was hat, ist es immer ein Jonglieren mit etlichen Tellern. Manchmal ist das Gesamtkonzept etwas sportlich anstrengend, manchmal wirkt es unmöglich und manchmal läuft es auch routiniert durch, manchmal denkt man sogar für einen Moment: „Jetzt habe ich es raus!“ Da liegt man dann mit großer Sicherheit falsch, wie ich nach nun vielen Jahren Erfahrung damit sagen kann.

Am Dienstag habe ich hier morgens verwelkte Blumen festgestellt, was dann ein besonderes Problem ergab. Denn routinemäßig würde ich verwelkte Blumen selbstverständlich durch neue Exemplare ersetzen, es war aber dieser alberne Valentinstag und ich hätte dann also zu den Männern gehört, die am Valentinstag Blumen kaufen, wo ich doch wahrheitsgemäß zu den Männern gehöre, die dauernd Blumen kaufen, die ich zwar jeweils der Herzdame überreiche, die ich aber, wenn ich mal so unromantisch sein darf, womöglich auch ohne Frau an Bord kaufen würde, weil Blumen nämlich schön sind und ich es gut und erstrebenswert finde, wenn die im Wohnzimmer stehen. Am Valentinstag aber keine Blumen zu kaufen, nur weil Valentinstag ist, das ist ja auch eine verdrehte Form des Sich-Fügens, das ist auch wieder der Beweis, dass man einen Umstand auch nicht in Ruhe ignorieren kann, wenn man ihn erst einmal wahrgenommen hat. Man hat aber auch Probleme!

Egal. Blumen am Mittwoch gekauft. So. Dem habe ich es aber gegeben, dem Valentinstag! Es hat doch alles, wenn man es recht bedenkt, seine ausgesprochen kindische Seite, man kann noch so alt werden.

Beim Bäcker gab es „Valentin Herzen“, mit ohne Bindestrich. Drei sprachliche Änderungen, die zu meinen Lebzeiten aufgetreten sind und die mit großer Sicherheit vollkommen normales Allgemeingut werden:

  • Das Verschwinden vom Genitiv
  • Aus „Ich gehe ins Kino“ wird „Ich gehe Kino“
  • Aus Valentin-Herzen oder Valentinsherzen werden völlig unverbundene Valentin Herzen (wie deep ist das denn).

Das ist nun einmal so. Sprache ändert sich, ob ich das nun doof oder lustig oder sonst wie finde. Richtiges Empörpotenzial sehe ich da für mich nicht mehr, ich habe es ja auch mit Mühe verwunden, dass man jetzt Potenzial schreibt, nicht mehr Potential oder Fantasie statt Phantasie, was noch schwerer zu ertragen war. Alles längst verwunden, Krämpfe und Kämpfe von gestern! Und das so ungemein strittige Gendern hat für mich übrigens weder als Leserin noch als Autorin irgendeinen Krawallfaktor. Ich habe mich da, versteht sich, gerade mitgemeint.

Tulpen, übrigens. Es gab Tulpen.

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