Jemand

Die Herzdame sitzt auf dem Sofa und sagt: “Jemand müsste den Müll runterbringen.” Das ist ein Satz, der nicht das heißt, was man denken könnte. “Jemand” könnte in diesem Haushalt zunächst 4 Personen meinen, man könnte es fast für einen ergebnisoffenen Satz halten. So ist es aber gar nicht. Denn Sohn II ist zu klein, er kann den Müll noch gar nicht runterbringen. Er kriegt die Haustür nicht auf, um ihn kann es also nicht gehen. Sohn I könnte das aber neuerdings. Mit etwas Klettern am Spalier des Mülltonnenhäuschens und etwas Hangeln gelingt es ihm jetzt endlich, den Müll richtig einzuwerfen. Aber wäre er gemeint gewesen, die Ansprache wäre viel fröhlicher gewesen, motivierend und euphorisch. Etwa so: “Hast du nicht große Lust mir zu zeigen, wie du ganz alleine so toll mit dem Müll fertig wirst, mein Großer?” So etwa hätte sie ihn angesprochen. Nein, Sohn I kann auch nicht gemeint sein. Bleiben nur noch 2 Personen übrig, nämlich die Herzdame und ich. Sie wird sich aber sicher nicht selbst gemeint haben. Hätte sie sich gemeint, sie hätte sofort die Mülltüte genommen und wäre einfach damit zum Fahrstuhl gegangen. Sie hätte Tatsachen geschaffen. Sie ist so.

Da bleibt dann nur noch eine Person übrig, und das bin wohl ich. “Jemand müsste mal den Müll runterbringen” ist nur eine andere Ausdrucksweise für “Los, bring den Müll runter”. Das könnte mich ärgern, darüber könnte ich mich aufregen. Ist es denn nicht unverschämt, “jemand” zu sagen und sich dabei implizit auszuschließen? Ist es nicht anmaßend? Aber nein, ich ärgere mich gar nicht. In diesem Haushalt geht es nämlich immer um mich, wenn das Wort jemand fällt – und ich freue mich sogar darüber.

Denn egal, was mir in diesem Leben noch alles passieren wird – ich weiß doch ganz sicher, dass aus mir jemand geworden ist.

Dieser Text erschien als Sonntagskolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

Tadaa

Der Trend geht ja zu regionalen Produkten, das kommt in meinen Linklisten andauernd vor, das habe ich erst kürzlich selbst hier thematisiert. Die Himbeere aus der Heimat, die Gurke aus der Gegend, das ist ja schon fast gängig. Ich treibe das jetzt aber noch ein wenig weiter und nehme auch noch die Kamera-App aus meinem Kiez: Tadaa.

Ich habe gerade von einem Android-Handy auf das iPhone gewechselt und mir daher zahlreiche Apps neu angesehen. Dabei habe ich auch lange über die passende Photo-App nachgedacht. Dann fiel mir ein, dass Anne Koch einmal über Tadaa geschrieben hatte, das ist dieselbe Anne Koch, die jetzt gerade beim Fotoblog Kwerfeldein über Tadaa schreibt – nämlich hier. Ich habe mir aber etliche Photo-Apps runtergeladen und verglichen. Auf diese Art kostet der Wechsel des Handys zwar locker zwei Arbeitstage, aber ich habe natürlich auch Spaß an so etwas. Ich habe sehr über etliche komplett unverständliche und teils grottenschlechte User-Interfaces gestaunt, Tadaa fand ich tatsächlich am besten. Zum einen habe ich die Menüführung auf Anhieb kapiert, zum anderen mag ich ein paar technische Aspekte. Die kostenlose App kann z.B. zwei Sachen, die verblüffend viele andere nicht bieten. Man kann die Anwendung der Filter jeweils von 0 bis 100% regeln und Bilder also nur ganz schwach oder extrem bearbeiten – und man kann Filter auf Filter legen. Das klingt nur nach Bearbeitungsorgie, ist aber tatsäclich eine Funktion, mit der man zu erstaunlich guten Ergebnissen kommen kann, wenn man denn überhaupt Interesse hat, an den Bildern so geduldig herumzuspielen, das ist natürlich alles Geschmacksache. Und wenn man wirklich Sinn für das eher filigrane Bearbeiten von Bildern auf dem Handy hat – was ich nicht habe, mir ist das zu fummelig – dann kann man zu so verblüffenden Effekten mit dem Masking kommen, wie es Anne drüben etwa bei dem Bild mit dem Kind auf der Schaukel zeigt (ganz unten in dem Artikel).

Die App kann natürlich auch Bilder via Facebook und Twitter teilen, sie bietet die Möglichkeit, lokal zu speichern ohne hochzuladen und hat eine Community, die Herzchen und Kommentare und scheußliche Emoticons vergeben kann – also alles was man teilweise auch von anderen Apps in der Art so kennt. Ich bin kein Fotograf und kann das nur als Laie ansehen, aber mir kommen die Filterergebnisse doch besser als bei anderen vor – und zwar um Längen.

Tadaa wird von einer kleinen Hamburger Truppe in der Speicherstadt gemacht, was den Vorteil für mich hatte, dass ich mit dem Chef ein Bier trinken konnte. Das war sehr lehrreich und unterhaltsam, außerdem war es amüsant, wenigstens einmal im Leben wie ein Tourist in der Speicherstadt vor einem Café in der Sonne zu sitzen, ich glaube, das habe ich noch nie gemacht. Ich treffe gerade eine ganze Reihe von Leuten, die ich bisher nicht kannte, um mich mit ihnen über ihren Beruf oder das Internet oder über Gottweißwas zu unterhalten. Das kommt daher, dass ich mir gerade so viele Gedanken darüber mache, worüber ich mir eigentlich Gedanken machen soll. Ab und zu kommen einem die eigenen Themen ja ausgelutscht und fade vor, alles viel zu oft und zu ähnlich und zu lahm, das sind so die Anzeichen von Inputmangel. Man kann noch so lange im Internet herumlesen, das hilft da nicht. Was aber hilft: Einfach mal mit interessanten Menschen über alles mögliche zu reden.  So wie gestern z.B. gerade auch mit dem Kurator des Archäologischen Museums in Hamburg, darüber wird dann auch noch zu schreiben sein, da ging es übrigens ebenfalls u.a. um eine App.

Mit dem tadaa-Chef habe ich mich jedenfalls über App-Entwicklung und Erlösmodelle und Blogs und Social Zeugs und Fotografie und Traffic im Internet unterhalten. Die ganze Tadaa-Truppe kommt aus der Fotografie-Ecke, nicht aus der Social-Zeugs-Ecke. Das macht die Vermarktung und die PR nicht gerade effizienter, aber die Bildbearbeitung tatsächlich besser. Man liest anderweitig von drei Millionen Tadaa-Downloads, so ganz klein ist das also auch nicht mehr. Eine offizielle Angabe zur Größe gibt es von der Firma nicht, aber who cares. Die Bildrechte bleiben bei Tadaa immer ausdrücklich beim User, das ist klar geregelt. Man kann die App auch rein zur lokalen Bearbeitung nutzen, es möchten immerhin gar nicht alle jedes Bild irgendwo hochladen. Versteckte Kosten gibt es nicht, das ist alles soweit appetitlich, finde ich.

Und obwohl es eigentlich ein Scherz ist, Apps aus der Regionen zu laden, so ganz abwegig ist es doch nicht. Ich mag das, wenn man sich kennt. Deswegen nutze ich jetzt die Photo-App, mit deren Entwicklern ich einen trinken gehen kann, das ist eine vollkommen schlüssige Entscheidungsgrundlage, finde ich.

Tadaa gibt es nur für iPhone und bevor das hundert Kommentatoren anmerken: ja, das ist doof und bedauerlich. Aber die Firma ist klein und mal eben so im Handumdrehen erweitert man so etwas nicht auf Android. Aber sonst macht das wirklich Spaß. Falls es jemand ausprobieren möchte – man findet mich dort ganz originell unter meinem Namen.

Hamburger Hafen
Hier noch ein Bild vom Tadaa-Hauptquartier. Na gut, es ist in Wahrheit ein paar Meter weiter.  Und ein klein wenig kleiner. Aber in der gleichen Stadt!

Guten Morgen

Es ist noch früh, es ist sogar sehr früh. Der ganze Stadtteil scheint noch zu schlafen, es ist kein Mensch zu sehen. Die Turmuhr an der Kirche zeigt genau 5 Uhr und die Glocken läuten nicht, dass tun sie hier erst später am Tag. Ich stehe auf dem Balkon und sehe mir die menschenleeren Straßen an.  Ein süßer Fliederduft liegt in der Luft, keine Wolke am Himmel, ein Maimorgen wie aus dem Bilderbuch. Nichts rührt sich. Das hier ist Hamburg-Mitte, das hier ist definitiv keine City, that never sleeps. Aber die Vögel sind natürlich längst wach und singen unglaublich laut, ein irrsinniges Konzert in den Büschen rund um den Spielplatz, ein Sänger lauter als der andere, da kann ich mich wohl auch unter der Dusche etwas gehen lassen. Draußen schmettert die Amsel ihr Frühlingslied, drinnen tremoliert der muntere Buddenbohm. Ein Mann im Einklang mit der Natur, das passiert mir ja auch nicht gerade jeden Tag, so als überzeugter Büromensch. Ich singe von all den Vögeln, die schon da sind, was könnte passender sein. Ein schöner Morgen, der so beginnt, alles harmoniert, nichts stört. Abgesehen von Sohn I, der verschlafen den Kopf durch den Duschvorhang steckt und mich kritisch ansieht.

Sohn I: “Papa, du weißt aber schon, dass du die ganze Zeit im falschen Ton singst?”

Es wird jetzt wirklich höchste Zeit, den Jungen beim Kinderchor wieder abzumelden. Er weiß zu viel.

 

Woanders – Der Wirtschaftsteil

Ein Interview in der Zeit mit der Autorin Karen Duve (“Anständig essen”) und der Ministerin Ilse Aigner über Tiere in der Landwirtschaft. Ganz seltsam, eine von beiden klingt wie eine Lobbyistin der Fleischindustrie. Raten Sie mal, welche.

Falls Sie beim Wort Fleisch keine Ekel-Assoziationen mit netter Bebilderung aus der Massentierhaltung, sondern evtl. Hunger bekommen haben: Auf Foodsharing.de kann man sich noch ein wenig anwendungsnah mit dem Thema Lebensmittel beschäftigen. Wer hat welche über, wer braucht welche und könnte man nicht einfach auch mal etwas kostenlos regeln? Doch, das geht.

Und bevor wir hier schon wieder zu ernsthaft werden, denken Sie doch einmal kurz über die Mc-Donald’s-Theorie nach (englischer Text). Wenn Sie mit anderen zusammen in einem Büro sitzen, können Sie die quasi sofort verifizieren.

Beim Perlentaucher gibt es eine Zusammenfassung der Rezensionen zu dem Buch “Das grüne Gewissen” von Andreas Möller. Die fallen sehr unterschiedlich aus, unterm Strich könnte man das Buch aber dennoch interessant finden, wenn man sich für das deutsche Verhältnis zur Natur interessiert. Ich lache immer noch über diesen Satz: “Sein Buch zeichnet die historischen Eckpunkte der deutschen Naturverehrung nach von der Romantik über das Dritte Reich bis zur Welt von Manufactum.”

Aus dem oben erwähnten “Grünen Gewissen” heraus kauft man bio, eh klar. Dazu ein paar sehr aufschlußreiche Zahlen im Supermarktblog.

In der Zeit ein Artikel über die Arbeitsmobilität in Europa, wer wandert warum wohin und was hat das mit der Währung zu tun. Kommen Menschen aus Osteuropa zu uns, weil die Wirtschaft hier so formidabel brummt und wir alle so irre sympathisch sind? Hm. Und wo wir schon bei Bewegung in der Bevölkerung sind – hier ein äußerst interessantes Interview mit einem Statistiker über die alternde Gesellschaft. Warum die eventuell doch nicht so schlimm ist, wie wir alle glauben, und wer eigentlich ein Interesse daran hat, dass alle Angst vor ihr haben.

Dieses Interesse haben, Sie haben’s vielleicht gerade schon nachgelesen, gewisse Konzerne – quelle surprise. Konzerne, zu denen auch Jean Ziegler deutliche Worte findet, wenn auch in ganz anderem Zusammenhang. Ach, egal, es hängt doch alles zusammen. Wie zum Beispiel auch die oben erwähnte mobile Arbeitsbevölkerung mit den Herstellungsbedingungen unserer Gemüses im nicht ganz so schönen Almeria.

Konzerne, immer nur Konzerne, was machen denn die anderen? Die bauen zum Beispiel das Fairphone. In China. Nanu! Das ging dann wohl doch nicht  in einem Gewerbegebiet bei Bielefeld? Schon gut, kleiner Scherz. Hier noch ein wenig mehr Informationen dazu, es ist auf jeden Fall ein spannendes Projekt, wer sich in den diversen Social Networks bewegt, wird ein vielfaches “Na endlich!” wahrgenommen haben. Man hört dort allerdings auch von dem Trend, den ganzen Technikrempel hinter sich zu lassen (englischer Text).

Projekte in Richtung fairer Produktion können aber selbstverständlich auch schief gehen, wie man hier am Beispiel von Milch nachlesen kann.

Bei Wiwo-Green steht in einem Interview mit einem Google-Manager, wieso sich auch Konzerne andererseits manchmal in eine sympathisch erscheinende Richtung bewegen. Was ist es wieder für ein Hin und Her, man kommt mit seinen Urteilen gar nicht nach.

Für die Fahrradfreunde hier beeindruckende Zahlen zur Belebung des Einzelhandels in Straßen mit eigenen Fahrradspuren. Die Angaben beruhen natürlich auf einer lächerlich kleinen Stichprobe, aber man könnte doch so eine leise Ahnung haben, dass sie übertragbar sind.

Zum Schluß der Design-Link der Woche, er führt zu einer schlichten Treppe. Sehr, sehr schlicht sogar.

GLS Bank mit Sinn

Woanders – diesmal mit den Lesern, der Stimme einer Dichterin, iPhone-Fotografie und anderem

Constantin Seibt über Leser und Schreiber. Constantin Seibt ist super, aber das sagte ich sicher bereits einmal.

Stefan Sichermann vom Postillon über seine Einnahmen und seine Arbeit an der Seite.

In der SZ ein Interview mit einem Messerwerfer, unter anderem über seine Beziehung. Mir wäre dann doch etwas unwohl, wenn die Herzdame nach einem Streit mit Messern nach mir werfen würde

Die Stimme von Virginia Woolf. Die einzige Aufnahme von ihr..

In der Zeit wird Richard Koci Hernandez zur iPhone-Fotografie interviewt.

Fotos von vier Frauen aus vier Jahrzehnten. Berührend nennt man das dann wohl.

Fotos von Frauen in dänischen Trachten. In das zweite Bild der Klickstrecke bin ich geradezu schwer verliebt. Hach.

Hier steht, warum Männer aus gesundheitlichen Gründen Bart tragen müssen. Alles ganz logisch und nachvollziehbar [Bartkratzgeräusch gedanklich bitte einfügen].

Das beste Essen der letzten sieben Tage war eine Minestrone, eine im Prinzip unkomplizierte Versuppung von Zwiebeln, Knoblauch, Staudensellerie, Tomaten, Reis, Bohnen, Petersilie und Parmesan. Suppe mit Brot ist doch immer wieder elementar toll.

 

Ausflug

Freya Friedewalde

Mühle

Raps

 

Und der Milchbauer stand tatsächlich vor dem Kuhstall, sah sinnend in den trüben Himmel und sagte: „Regen im Mai, April vorbei.“ Jetzt muss ich meine ganzen schönen Vorurteile über Nordostwestfalen und ihren Humor nachjustieren. Schlimm.

This is how I work

Isabella hat “This is how I work” geschrieben, einen Text über ihre Arbeitsweise und ihre Geräte. Ich finde es immer spannend, womit und wie andere arbeiten, in den Kommentaren bei ihr habe ich noch dieses Blog entdeckt, “The set-up”, in dem es Interviews mit Leuten aus dem Internet und anderen gibt, die ihre Ausrüstung vorstellen, Hardware und Software.  Es gibt immer noch etwas zu entdecken. Die Seite gibt es auch auf Deutsch.

Außerdem hat Isabella mich gebeten, den Fragekatalog auch zu beantworten – bitte sehr, bitte gleich:

Bloggerinnen-Typ: Ich bin ein possierliches Bloghörnchen.

Gerätschaften digital: Zwei Windows-Notebooks, bei denen mir wirklich völlig egal ist, von welcher Marke sie sind. Wenn ein Notebook kaputt ist, sehe ich bei Amazon nach, welches Notebook im Verkaufsranking auf Platz drei ist und kaufe das. Passt immer. Nummer 1 und 2 sind für überkandidelte Ansprüche, ab Nummer 3 stimmt alles.  Das geht so übrigens auch bei jedem anderen Gerät. iPhone, iPad. Mehrere Digitalkameras.

Gerätschaften analog: Äh, was?

Arbeitsweise: Von 6 bis 21 Uhr geöffnet.

Welche Tools nutzt du zum Bloggen, Recherchieren und Bookmark-Verwaltung? Blogtexte schreibe ich in einem Google-Doc vor. Ich habe eine Datei für den aktuellen Blogeintrag, eine für “Woanders” eine für den Wirtschaftsteil, eine für das nächste Buch. Mehr Dateien habe ich gar nicht, da bin ich Minimalist.  Für die Linklisten recherchiere ich hauptsächlich durch die bekannten verdächtigen Social Networks und durch den Feedreader, da ist kein Geheimtipp dabei. Bookmarks verwalte ich in Google-Chrome mit der Erweiterung Neat Bookmarks, über die Geräte hinweg synchronisiert. Allerdings brauche ich kaum Bookmarks. Feedly nehme ich seit dem angekündigten Ende vom Google Reader als Feedreader, ich habe sehr viele Feeds abonniert und verbringe viel Zeit damit. Wenn ich etwas Gute in den Feeds  sehe, baue ich es sofort in eine der beiden “Woanders”-Ausgaben ein. Wenn ich es dort nicht einbauen kann, behalte ich es auch nicht, da ich nicht wüsste, wofür. Ich habe keine Halde mit “Für-später-Inhalten” oder zweifelhaften Irgendwanns. Ich bewahre überhaupt wenig auf, weder online noch im greifbaren Bereich.

Wo sammelst du deine Blogideen? Ich sammel gar nicht, Ich sitze einfach so rum und warte, ob mir etwas einfällt. Wenn mir nichts einfällt, lebe ich normal durch die Gegend und warte auf Besserung.  Und habe seit zehn Jahren Angst, dass das irgendwann nicht mehr reicht.

Was ist dein bester Zeitspar-Trick/Shortcut fürs Bloggen/im Internet: Das Tool mit dem größten Zeitgewinn ist sicher Feedly, ohne Feedly oder ein ähnliches Werkzeug könnte ich die Linklisten so überhaupt nicht herstellen. Wenn es zeitlich zu eng wird, hilft ein beherztes “Mark all as read”, sonst wird man irgendwann wahnsinnig.

Benutzt du eine To-Do List-App? Welche: Die Herzdame und ich nutzen bisher Teuxdeux, die allerdings, seit sie angekündigt haben, den Dienst auf ein Bezahlmodell zu umstellen, nicht mehr richtig funktionieren. Da müssen wir uns also etwas Neues suchen, außerordentlich lästig. Das ist das Schlimmste an diesem ganzen Onlinezeugs, dass ein endlich funktionierender und mühsam zusammengebastelter Workflow immer gleich wieder durch irgendeine Neuerung über den Haufen geworfen wird, die man als User nicht bestellt hat.

Gibt es neben Telefon und Computer ein Gerät, ohne das du nicht leben kannst? Auf eine gute Kamera möchte ich nicht gerne verzichten. Könnte ich aber.

Gibt es etwas, das du besser kannst als andere? Ich kann sehr schnell lesen, aber das können andere auch.  Ich kann außerdem sehr lange am Schreibtisch sitzen und nichts vermissen, das ist oft ganz hilfreich.

Was begleitet dich musikalisch beim Bloggen? Element of Crime. Wenn ich Blogtexte, Geschichten, Bücher schreibe, läuft zum Einstieg imer EoC, später dann gar nichts mehr. Aber um Schreibstimmung herzustellen ist es zweckdienlich, wenn die ersten Töne von “Am Ende denk ich immer nur an dich” laufen, das ist wie bei den Pawlowschen Hunden, nur ohne Speichelfluss. Bei schlechtem Wetter geht auch Johnny Cash, das ganz späte Spätwerk. Johnny Cash ist bei Regen einfach noch besser.

Wie ist dein Schlafrhythmus – Eule oder Nachtigall? Ich stehe um halb sechs auf und falle früh um.

Eher introvertiert oder extrovertiert? Beides. Je nach Tagesform, Medium, Wetter, Bühne, Gegend und Stimmung. Und dann beides schlimm.

Wer sollte diese Fragen auch beantworten? Ich glaube, Journelle hat noch nicht.

Der beste Rat den du je bekommen hast? “Komm vorbei.” (Die Herzdame vor dreizehn Jahren eines Abends am Telefon)

Noch irgendwas wichtiges? Ich bin für die allgemeine Einführung von mehr Nickerchen.

 

Hamburger Regionalwaren

Da ich für den donnerstäglichen Wirtschaftsteil jetzt öfter Themen mit Bezug auf Bio und Öko und Regio und dergleichen lese, kam ich neulich über einen Kommentarlink auf die Seite “Hamburger Regionalwaren”, die ich nicht kannte und die mir interessant vorkam. Ich habe mit dem Gründer der Firma ein paar Mails getauscht und dann haben wir beschlossen, uns einmal zu treffen. Und da Sachen machen mit Isa traditonell mehr Spaß macht und sie sich auch gerade intensiv mit diesen Themen beschäftigt, waren wir dann zu dritt.

Wie immer, wenn es bei Isa und mir um Termine geht, dauerte die Planung allerdings ein wenig. In diesem Zusammenhang sei kurz erwähnt, dass Isa mich nicht ganz zu Unrecht gerne als “kalenderbehindert” bezeichnet, während sie selbst das kürzeste Kurzzeitgedächtnis aller mir bekannten Menschen hat, weswegen unsere gemeinsame Planung nicht immer einfach ist. Dass wir dennoch ziemlich häufig gemeinsam unterwegs sind, spricht sehr für ihren duldsamen und belastbaren Charakter und für meine ungewöhnlich treue Anhänglichkeit. Wir haben ziemlich viele Mails geschrieben, bis wir dieses Treffen endlich klar hatten. Mails, in denen wir Ulf Schönheim, den Gründer der Firma Regionalwaren, immer wieder der Einfachheit halber als den “Regionalulf” bezeichneten. Als wir ihn dann Wochen später tatsächlich trafen, mussten wir ihm daher erst einmal erklären, dass er jetzt nicht mehr Ulf, sondern Regionalulf heißt. Er trug es mit Fassung, das sprach schon einmal für ihn.

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Sohn II im Heimatdorf

Gartenzwerg

Bei jedem Besuch im Heimatdorf zeigt es sich mehr, dass Sohn II eine Überdosis der Gene seiner nordostwestfälischen Vorfahren abbekommen hat. Es ist nicht nur, dass er in Gummistiefeln, dreckigem weißen Unterhemd und Jeans geradezu sensationell bäuerlich überzeugend wirkt, wie er da am Rand eines Ackers steht und das macht, was Nordostwestfalen nun einmal besonders gut können, nämlich mit undeutbarer Miene in die Gegend starren, über Felder und Wälder hinweg. Es ist nicht nur, dass er auf dem Land noch breitbeiniger geht als ohnehin schon und man auf eine schwer zu beschreibende Art geradezu sehen kann, wie zwischen dem Kind und dem Boden so etwas wie Zugehörigkeit entsteht. Es sind auch etliche kleine Szenen, in denen man die prägenden Wesenszüge der Nordostwestfalen in ihm eindeutig erkennen kann.

1

Friedewalde

Der Maimorgen ist sonnig und warm, fast schon sommerlich. Die Apfelbäume am Straßenrand blühen weiß und strahlend, die Äcker schillern grün, Störche patrouillieren durch das noch niedrige Grün, man sieht ungewöhnlich viele Störche in diesem Jahr. Eine Landstraße quer durch eine Postkarte, besser kann das flache Land nicht aussehen. Sohn II fährt auf seinem Tret-Trecker zum Milchbauern, er will nach den Kühen sehen. Wenn er im Heimatdorf ist, muss er jeden Tag nach den Kühen sehen, “weil das so ist.” Der Weg ist weit und es ist gar nicht so einfach, mit dem kleinen Trecker bis dahinten hin zu fahren, so ein Spielzeugtrettrecker hat natürlich keine Gangschaltung und nicht die beste Übersetzung. Aber das Gerät ist ja auch für die Arbeit da, nicht zum Vergnügen. Der Sohn hat einen roten Kopf und kämpft, Kapitulation kommt für ihn aber nicht in Frage. Herumliegende Kühe sehen ihm von der Weide träge zu und kauen langsam. Vorbei am Feuerwehrgerätehaus, noch einmal um eine letzte Kurve. Schließlich biegt er auf den Hof des Bauern, strampelt sich die letzten Meter ab und hält neben dem Stall mit den Jungkühen. Der Bauer fährt auch gerade auf den Hof – und nicht mit irgendwas, sondern mit einem neu aussehenden wahren Monster von Trecker. Es gibt Trecker, große Trecker und diesen Trecker da. Er hält direkt neben dem Spielzeugtrecker von Sohn II, der jetzt den Kopf in den Nacken legen muss, um den Bauern da ganz oben zu sehen, der den Motor abstellt, sich zu ihm hinunterbeugt und ihn grüßt: “Na? Alles klar?” “Hm”, sagt Sohn II in regionaltypischer Smalltalk-Eloquenz. Dann sagen beide erst einmal nichts mehr. Der Bauer tippt auf dem Bordcomputer herum, so ein Trecker ist immerhin heutzutage auch ein Hightech-Gerät. Sohn II hebt und senkt probeweise die Ladeschaufel an seinem Spielzeugtrecker. Er sieht zwischendurch zum großen Trecker hoch, dann wieder auf seinen. Noch einmal. Denkt nach. Schiebt die Schirmmütze in den Nacken, wirft noch einen letzten Blick nach oben, wo er den Bauern vor dem strahlend blauen Frühlingshimmel nur als Silhouette wahrnehmen kann und sagt dann mit Nachdruck: “Meiner ist größer.”

Denn der Nordostwestfale als solcher zweifelt nicht an sich selbst und ist durch nichts zu beeindrucken.

2

Untitled

Uropa sitzt am Kaffeetisch im Garten, Sohn II sitzt ihm gegenüber. Zwischen den beiden steht eine Stachelbeertorte, mit den letzten Stachelbeeren der Ernte aus dem Vorjahr, die Büsche stehen nur ein paar Meter weiter. Heute morgen hat die Uroma die Früchte aufgetaut. Uropa und Sohn II sehen sich an, sie sagen nichts und gucken ernst. Keiner bewegt sich, starre Blicke. Schließlich fragt Uropa: “Wollen wir weiter gucken oder erst einmal ein Stück Kuchen essen?” Und Sohn II nutzt souverän seine Chance und gibt instinktiv die einzig richtige Antwort, die seinen älteren und viel erfahreneren Gegner gnadenlos zum haltlosen Schwätzer deklassiert: “Jo.”

Denn der Nordostwestfale als solcher verschwendet keine Silben.

3

Wir besuchen die Familien-Windmühle, da müssen wir immer einmal hin, wenn wir im Heimatdorf sind. Etwas entferntere Verwandtschaft, man kriegt gar nicht alle Namen zusammen, das macht aber nichts. Im Zweifelsfalle hängt hier eh alles irgendwie zusammen. Die Söhne gehen in die offen stehende Mühle hinein und sehen sich ehrfürchtig die Konstruktionspläne des Mahlwerks an, die am Eingang hängen. Dann rennen sie wieder raus und gucken zu den Flügeln hoch, die sich majestätisch über ihnen ausbreiten. So eine Mühle ist immer beeindruckend, sie ist aber noch viel beeindruckender, wenn man erst rund einen Meter groß ist. “Nicht auf den Mühlenwall” ruft irgendwer von hinten, das rufen sie hier schon seit Generationen allen Kindern zu, die sinnend vor der Mühle stehen. Vom Mühlenwall kann man nämlich prima rutschen, man darf aber nicht, der ist mühsam akkurat begrünt. Drinnen im alten Gemäuer riecht es nach Holz, Staub und Moder, das uralte Gebälk knackt, wenn sich oben etwas im Wind dreht. Draußen riecht es nach gleich kommt der Sommer aber wirklich.

Aus dem Haus neben der Mühle kommt die Urgroßtante, langsam fährt sie mit dem Rollator über den Hof und setzt sich auf eine Bank. Sohn II geht zu ihr und sieht sie an. Die Urgroßtante lächelt ihm freundlich zu, der Sohn schiebt die Unterlippe vor, sagt nichts, sieht sie an und sieht von Minute zu Minute unzufriedener aus. Er steht neben uns, während wir uns mit der Urgroßtante ein wenig unterhalten, er hat steile Falten auf der Stirn. Schließlich wird er gefragt, was er hat. Er steckt beide Hände in die Taschen, senkt den Kopf wie ein Widder kurz vor dem Angriff und brummelt etwas, das man kaum verstehen kann. “Früher”, sagt er dann sichtlich wütend, “früher hab ich hier Schokolade bekommen.” Tatsächlich hat er, als er die Urgroßtante das letzte Mal traf, von ihr einen Riegel Schokolade zugesteckt bekommen. Das ist über ein Jahr her und längst von allen vergessen, nur von ihm nicht.

Denn der Nordostwestfale als solcher schätzt es nicht, wenn sich Abläufe ändern. Er ist nicht übertrieben konservativ, aber es kann doch ruhig alles so bleiben, wie es ist.